Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 282. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 4. záøí 1924 veèer.
1. Øeè posl. Schweichharta (viz str. 1204 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Das erste Wort . . . . (Hluk.)
Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.
Posl. Schweichhart (pokraèuje): . . . . das wir deutschen Sozialdemokraten nach Wiederzusammentritt des Parlamentes sagen müssen, ist ein Wort des Protestes gegen die steigende Teuerung, ist eine Mahnung und dringende Aufforderung an die Regierung, entschiedene, wirksame Maßregeln dagegen zu ergreifen. Als vor Jahr und Tag die Kapitalisten und Unternehmer aller Grade mit Hilfe der Regierung die Löhne und Gehälter reduzierten, was unter mehr oder weniger heftigen Kämpfen geschah, hat es geheißen, wir hätten in der Republik konsolidierte Zustände, wir hätten eine stabile Währung und sinkende Lebensmittel- und Bedarfsartikelpreise. Tatsache ist ja, daß die Preise gesunken sind, freilich aber nicht in dem Maße, wie die Löhne und Gehälter abgebaut wurden.
Sicher ist, daß sich die Industrie belebt hat. Wenn Herr Handelsminister Novák bei der Eröffnung der heurigen Donaumesse in Bratislava eine fast entzückte Rede auf die èechoslovakische Wirtschaft hielt, so hat er besonders eines übersehen, daß nämlich diese momentane Prosperität der Industrie nicht auf tief einschneidende Maßnahme der Regierung zurückzuführen ist, sondern daß die Kosten dieser Prosperität leider zum allergrößten Teil die Arbeiterschaft zu tragen hat.
Und wie in Deutschland versucht man auch hier die Lebenshaltung der Arbeiter noch mehr herabzudrücken, sucht man noch mehr die Ausbeutung zu erhöhen, um dann nach außen hin billig repräsentieren zu können. Wir haben ja erst vor wenigen Wochen den Anschlag abwehren geholfen, der gegen den Achtstundentag gerichtet war. Es ist bezeichnend, daß gerade die Herrn Landbündler, die Schrittmacher der Reaktion auf sozialem Gebiete es sind, die vorangehen, wenn es gilt, den Unternehmern, den Kapitalisten Liebesdienste zu erweisen. Uns liegt sehr viel daran, daß sich die Verhältnisse in Deutschland so gestalten, daß der Achtstundentag gerettet wird, daß der Kampf um den Achtstundentag in Deutschland gut ausgeht, damit er auch bei uns erhalten bleibt. Wenn in Deutschland die neunstündige Arbeitszeit durchgehends eingeführt würde, was die Absicht vieler Unternehmer, der Landbündler und Kapitalisten ist, würde das einen ungeheuren Rückschlag für die Arbeiterklasse bedeuten. Die Löhne der Arbeiter sind heute furchtbar tief. Es gibt zahlreiche Kategorien, wo der Wochendurchschnittslohn sicher nicht über 150 Kronen hinausgeht. Es gibt zahlreiche Arbeiter, die noch weniger in der Woche verdienen, von den Arbeiterinnen gar nicht zu reden. Ich erinnere nur an die Textilarbeiterlöhne, an die Glas- und Metallarbeiterlöhne, die furchtbar herabgedrückt worden sind. In diesem Momente bedeutet die Erhöhung der Lebensmittelpreise einen schweren Schlag für den Haushalt der gesamten Arbeiterschaft. Die neue Teuerungswelle, mit der wir seit Monaten, zumindest seit mehreren Wochen zu rechnen haben, hat eine ungeheuere Verschlechterung der ohnedies gedrückten Lebenshaltung des größten Teiles der Arbeiterschaft zur Folge gehabt. Wir können nicht ruhig daran vorübergehen. Selbstverständlich hat auch die Regierung zugeben müssen, daß der Kampf gegen die Teuerung wohl eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ist.
Nach den amtlichen Ziffern ist der Großhandelsindex mit 1. August um 3·3 % gestiegen. Seither ist sicherlich das Prozentverhältnis weiter ungünstig geworden. Aber man muß doch die Detailpreise in Betracht ziehen. Im Detailhandel macht sich die Steigerung der Preise viel empfindlicher bemerkbar. Ich erinnere nur an Karlsbad. Ich habe eine Tabelle, aus der hervorgeht, daß dort innerhalb eines Jahres die Preise für Lebensmittel, wie z. B. für Mehl, Fleisch, Gemüse u. s. w. um 20 bis 40% gestiegen sind. Das macht im Haushalt des Arbeiters schon ungeheuer viel aus. Ähnlich wie in Karlsbad, liegen die Verhältnisse in allen übrigen Industriegebieten Deutschböhmens, das eines der teuersten Gebiete in der Republik ist. Wir müssen uns dagegen wehren, daß diese Teuerungswelle noch größere Fortschritte macht.
Wie empfindlich die Belastung der Arbeitschaft immer noch ist, zeigt eine weitere Tabelle. Während in einem gewissen Zeitraum die Ausgaben für Nahrungsmittel im Jahre 1913 22·47 Kè betragen haben, sind sie im Jahre 1921 auf 334 Kronen gestiegen. Wir haben dann in den folgenden Jahr einen Abbau zu verzeichnen. Im Jahre 1922 ist diese Durchschnittsausgabe für Nahrungsmittel auf 184 Kronen gefallen, aber seit Mai dieses Jahres - was auch der Herr Minister bestätigt hat - steigt die Lebenshaltung der Arbeiter ununterbrochen. Im Mai ist die Durchschnittsausgabe 195, im Juni 201, im August 203, also immer noch das Neunfache des Friedenstandes gewesen. Man muß nun fragen: Sind die Löhne heute auch noch neunmal höher, als im Jahre 1913? Davon ist sicher keine Rede. Es ist klar, daß sich die Steigerung der Lebensmittel vor allem in der schlechten Er ährung der Arbeiter auswirken muß, daß die Gefahr der Unterernährung wächst. Es ist heute klar, daß sich die Lebensmittelteuerung auswirkt und übergreift auch auf andere Produkte, daß alle Bedarfsartikel selbstverständlich im Preise steigen, daß sich die Produktionskosten wesentlich erhöhen, daß die Produktion dadurch eingeschränkt und die Konkurrenzfähigkeit gewisser Industrien vermindert wird. Es ist schon die Tatsache bezeichnend, daß bei der Leipziger Messe, die jetzt stattgefunden hat, die nordböhmische Glasindustrie sehr wenig verkaufen konnte, aus dem Grund, weil sie immer noch zu teuer war, obwohl die Löhne furchtbar rasch und stark abgebaut worden sind. Hier ist also die allgemeine Produktionsfähigkeit durch verschiedene Umstände eingeschränkt worden. Wenn die Lebensmittel noch weiter steigen, wenn der Arbeiter gezwungen ist, höheren Lohn zu fordern, wenn er sich gegen eine Verschlechterung seines Standards wehrt, dann ist es eine selbstverständliche Folge, daß die Industrie noch mehr konkurrenzunfähig wird.
Mit vollstem Recht besteht heute schon unter der Arbeiterschaft große Aufregung. Man fürchtet ein weiteres Ansteigen der Preise und aus den Ausführungen des Herrn Ministers müssen wir hören, daß diese Furcht tatsächlich begründet ist. Der Herr Minister Franke hat ausdrücklich gesagt, man kann nicht damit rechnen, daß in der nächsten Zeit die Lebensmittelpreise sinken werden. Es werden also Streiks platzgreifen, Demonstrationen erfolgen, denn es muß begreiflich sein, daß sich die Arbeiterklasse mit aller Kraft dagegen wehren wird, daß auf ihrem Rücken, auf ihre Kosten andere Kreise emporkommen.
Über die Ursachen der Lebensmittelpreissteigerung hat der Herr Minister zum Teil ganz richtige Bemerkungen gemacht. Es gibt allgemeine Ursachen, wobei wir Sozialdemokraten nie daran vergessen werden, daß bei unserer Gesellschaftsordnung im Zeitalter des Kapitalismus, wo keine Bedarfswirtschaft herrscht, sondern die Lebensmittel eine Ware sind und wie andere Waren der Spekulation unterliegen, daß bei der heutigen Gesellschaftsordnung selbstverständlich mit den Lebensmitteln genau so Wucher getrieben wird, wie mit anderen Waren, umsomehr als tatsächlich, wie der Herr Minister zugegeben hat, eine mindere Ernte in den Hauptgetreidegebieten zu verzeichnen ist. Wir wissen sehr genau, daß die Weltmarktpreise auch für uns maßgebend sind, wir wissen, daß z. B. im Bezug auf Fett und Getreide wir mehr oder weniger von der amerikanischen Produktion abhängig sind. Wir wissen, daß dort die Preise steigen und es ist uns auch nicht fremd, warum die Preise dort steigen. Der Herr Minister hat angedeutet, daß politische Gründe mitspielen, er hat hingewiesen auf die Präsidentenwahl, die bevorsteht, und es ist nicht unbekannt, daß man dort den Farmern entgegenkommt, die man für eine bestimmte politische Gruppe gewinnen will und daß man also künstlich den Preis möglichst emporgetrieben hat. Es ist auch nicht unbekannt, daß sich die Großhändler zusammengetan haben, um das Getreide aufzukaufen und um damit zu spekulieren, und wir müssen dabei die höheren Preise bezahlen. Was aber kennzeichnend für die Lage ist, ist der Umstand, daß die heimischen Preise über die Weltmarktpreise hinausgetrieben werden. Daß wir an den Börsen des Inlands ganz enorm steigende Preise haben, daß sich im Vergleich zum Vorjahre die Getreidepreise sehr bedeutend erhöht haben und daß also die Gefahr besteht, daß wenn die von den Agrariern beabsichtigte Tendenz zum Durchbruch kommt, wenn man mit Hilfe von mehr oder weniger offenen oder verschleierten Agrarzöllen nachhilft, daß wir dann weit über den Weltmarktpreis hinaus Preise haben werden, welche die Lebenshaltung der Arbeiterklasse und der Konsumenten schlechtwegs sehr drücken werden. Ich verweise darauf, daß am 3. August an der Prager Börse der Weizen 205 Kronen gekostet hat, am 22. August bereits 218 Kronen. Das wirkt sich natürlich in steigenden Mehlpreisen aus. Heute sind die Mehlpreise mindes tens um 30% höher, als noch vor wenigen Wochen und Monaten. Beim Brot, beim Weißgebäck merkt man scheinbar die Erhöhung der Mehlpreise kaum. Aber wenn man nachwiegt, wenn man die Qualität prüft, kommt man schon darauf, daß man heute für dasselbe Geld weniger bekommt, als noch im Juni oder Mai. Wir sehen das Steigen der Fleischpreise, wir beobachten, daß das Kilo Fleisch oft um einige Kronen in wenigen Wochen gestiegen ist. Der Herr Minister hat zugeben, daß wir in Bezug auf die Fleischpreise vom Ausland abhängig sind, das zeigt sich auch beim Auftrieb am Prager Fleischviehmarkt. Wir sehen häufig - auch der Minister hat das erwähnt viel mehr ausländisches als inländisches Vieh auf dem Pragrager Markte. Gestern z. B. sind auf dem Prager Fleischmarkt 265 inländische und 274 polnische Schweine aufgetrieben worden, ganz abgesehen von den ungarischen und jugoslavischen Schweinen. Wir sehen also, daß wir, wenn das Ausland uns nicht mehr aushelfen würde, noch viel höhere Preise auch für Fleisch zahlen müßten. Wir verstehen, warum diese Erscheinung eingetreten ist. Daß das Fett so hoch im Preise steht, kommt daher, weil besonders in Amerika die Fettpreise bedeutend angezogen haben, weil dort der Fleisch- und Fett-Trust die Preise diktiert. Auch beim Weizen sind wir zum großen Teil vom Auslande abhängig. Wir müssen so und so viele Tausende und Zehntausende Waggons Weizen, Getreide überhaupt und Mehl einführen und ebensoviel Tausende Zentner Fleisch und Vieh. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Kennzeichnend ist die Lage am Zuckermarkt. In Bezug auf die Zuckerproduktion herrscht in der Èechoslovakei sicherlich Überfluß und es besteht die Gefahr, daß, nachdem in der Welt draußen die Zuckerproduktion sich gehoben hat, nachdem die Lücken, die der Krieg gerissen hat, wieder wettgemacht wurden, sehr bald wieder eine Zuckerüberproduktion eintreten wird und die èechoslovakische Zuckerproduktion also nicht mehr so viel an das Ausland abgeben wird, wie es heute der Fall ist. Die Zuckerindustriellen wollen möglichst viel Zucker exportieren, weil sie draußen höhere Preise bekommen, und es ist bezeichnend, daß eine gewisse Zuckerknappheit in einem Lande eintritt, das für den Export arbeitet, aber an den eigenen Konsum sehr leicht vergißt. Am Schluße des Jahres, vor der neuen Kampagne müssen die Konsumenten häufig Zucker genießen, der gar nicht für sie bestimmt war, der für England oder andere Länder vorbereitet war, weil eben der heimische Zucker, der für das Inland bestimmt war, in das Ausland verkauft wurde. Die Preise des Zuckers sind hoch. Dabei sehen wir, daß der Zucker dem Inlandkonsum nicht in dem Maße zur Verfügung gestellt wird, wie es notwendig wäre.
Wir sehen die Wirkung der Teuerung auch bei anderen Artikeln, so z. B. bei den Kartoffelpreisen. Wir haben heuer den doppelten Kartoffelpreis, wie im Vorjahre. Während wir im Vorjahre ungefähr 30 Heller für 1 kg Kartoffel gezahlt haben, kostet es heuer 60 Heller. Ich weiß nicht, ob dies eine Folge der schlechten Witterung ist und ob die Preise nicht am Ende noch mehr steigen werden.
So könnte ich das für jeden einzelnen Artikel anführen. Überall zeigt sich eine steigende Tendenz. Wer irgendwo in der Verwaltung eines Konsumvereines tätig ist, wird wissen, wie allwöchentlich die Leiter der Konsumvereine die Erhöhung dieser oder jener Artikel vorschreiben müssen. Die Zeit, wo einmal an den Preisen abgebaut werden konnte, ist leider längst vorbei.
Nun fragt man sich: Was hat die Regierung getan, um diese Erscheinungen zu bekämpfen? Herr Minister Dr. Franke hat uns heute ein langes Programm entwickelt. Aber wenn wir näher nachsehen und nachprüfen, können wir sehr wenig Positives diesem Programme entnehmen. Ich habe das Gefühl gehabt, daß Herr Franke weniger als Ernährungsminister gesprochen hat, dem das Interesse der Konsumenten anvertraut ist, sondern daß er mehr als Agrarier, als Nationaldemokrat, als ein Vertreter der kapitalistischen Parteien gesprochen hat. Ich verstehe, daß er als Vertreter der Koalitionsregierung spricht. In der Koalitionsregierung sind eben die widerstrebendsten Interessen daheim. Wir wissen ja sehr genau, wer heute das große Wort führt. Leider haben nicht die Konsumenten, nicht die Sozialisten die Macht, sondern die Agrarier, und diese wollen doch etwas ganz anderes, als einen ausgesprochenen Schutz der Konsumenten. Was uns hier Herr Minister Franke gesagt hat, gibt uns keine Hoffnung, daß es in den nächsten Wochen und Monaten besser werden wird, daß die Lebensmittelpreise sich senken werden. Der Herr Minister hat gemeint, beim Großhandel lasse sich nichts machen und man könne nur beim Kleinhandel eingreifen. Wenn dort angepackt wird, wird verflucht wenig herausschauen. Wenn man nicht imstande ist, die Großhandelspreise zu regulieren, der Spekulation entgegenzutreten, wenn der Staat nicht selbst in der Lage ist, durch größere Maßnahmen hier einen Ausgleich zu schaffen, dann müssen wir eben leider damit rechnen, daß wir in der nächsten Periode bis zum Frühjahr, bis zum Sommer, bis zur nächsten Ernte wieder mit hohen Lebensmittelpreisen werden rechnen müssen.
Was uns besonders aufgefallen ist, ist eine Bemerkung, daß neben der Überprüfung der Eisenbahntarife auch eine Überprüfung der Zolltarife seitens der Regierung erfolgen soll. Was soll das heißen? Will man damit eine Erhöhung der Lebensmittelzölle ankündigen? Will man dartun, daß man bereit ist, den Wünschen der Agrarier entgegenzukommen? Unter den heutigen Umständen, bei den gesteigerten Lebensmittelpreisen, bei der Notwendigkeit der Einfuhr, bei der herabgedrückten Lebenshaltung der breiten Volksmassen wäre die Einführung von Lebensmittelzöllen, die doch nur zugunsten einer Handvoll Großagrarier geschaffen würden, direkt ein Verbrechen. Dagegen wenden wir uns mit aller Entschiedenheit. Wenn es notwendig ist, werden wir uns über die Zollfrage auseinandersetzen. Wir wissen sehr genau, wer die Interessenten der erhöhten Zölle wären. Die kleinen Landwirte, die große Mehrheit der landwirtschaftlichen Bevölkerung sicher nicht. Wir haben in der Republik 13 Millionen Einwohner, davon sind 12 1/2 Millionen keine Besitzer von Grund und Boden. Unter den 800.000 der letzteren ist nur ein Bruchteil, ein sehr geringer Bruchteil an den Lebensmittelzöllen interessiert. Wir sind dafür, waren es stets und werden es auch weiter sein, daß die Interessen der Mehrheit geschützt werden müssen und nicht nur die einer verschwindenden Minderheit. Dazu gehört aber eine bewußte Produktionspolitik, die leider fehlt. Wenn wir in der Lage sein werden, aus dem Hektar Grund und Boden um einige Zentner Getreide mehr herauszuschlagen, wenn wir aus den Viehställen mehr Milch, Butter und Fleisch erhalten werden, dann wird die Zeit gekommen sein, wo man ähnlich wie in Dänemark keinen Zoll braucht, sondern die Landwirtschaft sich aus eigener Kraft den Weg bahnt. Selbstverständlich sind wir auch nicht dafür, daß einseitig irgend ein Produktionsteil belastet wird. Absolut lehnen wir die Bevorzugung der Industrie mit Zöllen, die nicht gerechtfertigt sind, ab und sind dafür, daß die Landwirtschaft alle Mittel in entsprechend billiger Weise zur Hand bekommt, um auch existieren zu können. Aber daß man ohne weiteres Zölle einhebt, ohne Rücksicht auf die breiten Massen, ohne systematische Produktionspolitik, nur um einigen Zehntausenden Großagrariern immense Vorteile zuzuschanzen, dafür wird kein vernünftiger Mensch zu haben sein. Es geht nicht, sich auf den Standpunkt zu stellen, wie Oberrat Meissner, der meinte, daß die Weltmarktpreise niemals den Gestehungskosten der landwirtschaftlichen Produktion entsprechen. Ja, wenn es darnach ginge, müßte man Zölle über Zölle einführen, ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Landwirtschaft produktionsfähig ist. Wir müßten auch auf jene Rücksicht nehmen, die im Gebirge in einer Höhe von 600 und mehr Metern Weizen bauen, obwohl das unrentabel ist und sich nicht lohnt. Also in der Zollfrage kennen wir kein Paktieren mit den Wünschen der Agrarier und wir müssen hier die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Was wir verlangen, ist die völlige Freigabe der Einfuhr von Getreide- und Mahlprodukten. Wir sind dafür, daß die Zölle auf die Lebensmittel, die wichtig sind und die wir aus dem Ausland beziehen müssen, verschwinden. Es ist unhaltbar und es ist nur ein Finanzzoll, wenn z. B. Kaffee, Tee, Kakao mit Zöllen belastet werden, die weit höher sind, als der eigentliche Gestehungspreis. Wir müssen für die Ermäßigung der Steuern eintreten. Umsatz-, Kohlen-, Fleisch- und Zuckersteuer sollen womöglich ganz verschwinden.
Eines möchte ich hiebei noch betonen: Es muß eine Entlastung der Konsumvereine eintreten. Der Herr Ernährungsminister Franke hat darauf hinge iesen, daß neben den Gemeinden auch die Konsumvereine, die organisierten Konsumenten, beim Kampf gegen die Teuerung mitwirken müssen. Sie wirken ja mit, aber sie haben alltäglich mit Schwierigkeiten, besonders mit ungeheueren Steuern zu kämpfen. Was der Konsument einkauft und was er eventuell in Form einer sogenannten Dividende zurückbekommt, ist nur eine Mehrzahlung und sollte nicht besteuert werden. Aber 80 % des sogenannten Reingewinnes werden doch vom Fiskus weggesteuert. Die Steuern, welche ein Konsumverein zahlt, betragen weit mehr, als bei Dutzenden von kleinen Gewerbetreibenden. In Bodenbach z. B. zahlt der Konsumverein mehr, als alle Gewerbetreibenden der Stadt zusammengenommen. Die Konsumvereine sind gemeinnützige Anstalten, sie dienen nicht dazu, um einzelne zu bereichern. Sie sollten, wie es anderswo der Fall ist, z. B. in Österreich, finanziell geschont, unterstützt und gefördert werden. Aber davon ist keine Rede. Ich habe das Empfinden, als wenn die Gewerberetterei wieder in Schwang käme, als wenn man wieder den Kurs nach rechts auch in dieser Hinsicht nehmen wollte. Wer wirklich für die Entlastung der breiten Mas sen eintritt, muß in erster Reihe für die Hebung der Konsumentenbewegung eintreten, muß sie fördern; die großen Steuern, die sie zu zahlen haben, müssen herabgesetzt werden, müssen verschwinden.
Wir verlangen weiter eine wirksame Herabsetzung der Tarife, besonders für Lebensmittelsendungen. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, daß eine Tarifherabsetzung bereits stattgefunden hat und die Revision der Tarife den Staat ungefähr eine Milliarde gekostet hat. (Posl. Grünzner: Der Konsument hat nichts davon gespürt!) Ich will es eben sagen. Wo ist die Wirkung dieser Tarifherabsetzung? Wo haben wir gehört, daß auf Grund dieser Tarifherabsetzung billigere Nahrungsmittel oder andere Gegenstände für das tägliche Leben erhältlich sind? Wir müssen sagen: Die Wirkung der Tarifherabsetzung ist nicht fühlbar. Ob eine berprüfung dieser Tatsache eine Änderung und Besserung herbeiführen wird, weiß ich nicht. Man hat immer wieder das Gefühl, wenn man den Herrn Minister gehört hat, daß man die Politik macht: Wasch mir den Pelz und mach ihn nicht naß. Gegen die Spekulation, gegen die Börse wird man mit der Polizei einschreiten! Daß die Börse im Zeitalter des Kapitalismus ein notwendiges Übel ist und daß man sie nicht ohne weiteres abschaffen kann, das wird vom Herrn Minister übersehen. Was sonst noch geschieht, die Aufforderung an die Sicherheitsbehörde, an die Staatsanwälte, gegen den Wucher vorzugehen - bitte, wo ist gegen die großen Wucherer vorgegangen worden? Es sind kleine Leute angeklagt worden, auch kleine Landwirte sind angezeigt und ver teilt worden, aber die Großhändler, die großen Wucherer sind niemals erfaßt und gestraft worden. Man hat heute seitens der Regierung eine Vorlage eingebracht, sie trägt die Zahl 4817. In diesem Regierungsantrag ist eine gewisse Ausmahlung des Getreides vorgeschrieben, bis zu 75 % des Getreides ist vorgesehen. Ich weiß nicht ob dieses Mittel helfen wird. Die Wirkung wird nur die sein: die armen Teufel werden das schlechte Mehl essen müssen, jene, die es sich kaufen können, werden genau so, wie es im Kriege der Fall war, hinten herum aus den Mühlen oder sonstwo feines Mehl bekommen, das ihnen mundet. (Posl. Hackenberg: Sie werden es nicht hinten herum nehmen müssen, sie werden es auch so bekommen!) Jedenfalls wird hier mit zweierlei Maßstäben in Zukunft gemessen werden. Dieses Mittel wird sicherlich nicht durchschlagend sein, sondern zu großen Unzukömmlichkeiten führen. Man wird den Geschmack des Publikums nicht ändern. Dieser Geschmack ist heute ein anderer, wie der in Frankreich, wo diese zweierlei Ausmahlung möglicherweise Erfolg hatte.
Was weiter angekündigt wurde, ein Antikartellgesetz, das sind auch Worte, die schön klingen, aber sie sind ein Messer ohne Heft. In der heutigen Gesellschaft mit einem Antikartellgesetz vorzugehen, ist wohl eine schöne Geste, ein Versuch, es wird aber ein wirkungsloser Versuch sein, weil alles zur Kartellierung drängt und die Entwicklung dazu führt. Man müßte dann auch die Banken kontrollieren. Ich weiß nicht, ob nicht die Živnobanka auch sehr viel mit Lebensmitteldingen zu tun hat und ob man da die Kraft haben wird, die Živnobanka unter Kontrolle zu stellen. Wir verlangen auch eine Senkung des Zinsfusses durch Maßnahmen des Bankamtes. Wie schon gesagt, verlangen wir auch eine Kontrolle der Banken, ferner den Abschluß von Handelsverträgen, denn wir sehen, daß es seit längerer Zeit nicht gelungen ist, auch nicht der Versuch gemacht wurde, mit den umliegenden Staaten in ein geordnetes Verhältnis zu kommen.
Was die Regierung sonst noch anderes vorschlägt, ist wirklich so spottwenig, daß eine Wirkung nach außenhin nicht erzielt werden kann. Wir sind also mit dem, was uns die Regierung vorschlägt, mit den Tröstungen und schönen Worten absolut nicht einverstanden. Wir verlangen mehr. Wir erinnern die Regierung daran, daß sie doch Hunderttausende von Angestellten hat, die schlecht bezahlt sind, die unter den mißlichen wirtschaftlichen Verhältnissen leiden. Ich erinnere hier auch an die bedauernswerte Gruppe der Altpensionisten, die sich seit Jahr und Tag den Hals heiser schreien, damit man ihnen hilft. Erst am 3. August hat in Bodenbach eine Versammlung der Altpensionisten getagt, welche auf die bittere Not hinwies, in der die Ruheständler leben; sie erinnerte die Regierung an das feierlich gegebene Wort, nach jahrelangem Hinausziehen endlich einmal das Versprechen auf Gleichstellung mit den Neupensionisten einzulösen. Wir haben heute eine ganze Menge Vorlagen wichtigen Inhalts auf den Tisch des Hauses bekommen, die Altpensionistenvorlage war nicht darunter. Ich erinnere daran, daß in Deutschösterreich die Bezüge eines Pensionisten 90 % der Bezüge ausmachen, die er gehabt hätte, wenn er noch im aktiven Dienst stünde, die Witwenpension beträgt in Deutschösterreich 50%. Wo ist die Regelung der Altpensionistenverhältnisse bei uns? Will man wirklich, daß diese bedauernswerten alten Leute angesichts der steigenden Teuerung noch mehr hungern, daß sie verhungern? Daß man diesen Leuten gegenüber so zugeknöpft ist, ist unschön.
Wir möchten auch auf Folgendes hinweisen: In letzter Zeit ist öfters die Rede gewesen vom Zusammenarbeiten der Nationen. Die Vorbedingungen hiezu müßten allerdings erst geschaffen werden; die Lebensmöglichkeit der arbeitenden Klassen, die Sicherheit der Existenz und die Gewährung der staatsbürgerlichen und nationalen Rechte. Aber nichts hievon sehen wir, keine amtliche Maßnahme wird getroffen, die auf ein Entgegenkommen in dieser Beziehung schließen ließe. Die Behandlung der Opposition ist nach wie vor unerhört. Während man überall die Opposition zuzieht, ihre Ratschläge hört, ihren Wünschen möglichst entgegenkommt, werden wir vollständig nullifiziert, ignoriert. Heute erleben wir es wieder. Wir bekommen eine Menge Vorlagen an den Kopf geworfen, von deren Inhalt wir keine blaße Ahnung haben. Die Herren von der Koalition sind natürlich unterrichtet, haben an deren Schaffung mitgewirkt. Wir sollen uns morgen oder übermorgen zu diesen Vorlagen äußern, wir sollen Anträge stellen, wir sollen mitsprechen. Ist das möglich, menschenmöglich? Heute wird der eine Punkt durchgepeitscht, nächste Woche eine Anzahl anderer wichtiger Fragen, ist das ein parlamentarisches Arbeiten? Ist das gesund und vernünftig? Ich erinnere auch an etwas anderes. Ich muß hinweisen auf die Art und Weise, wie die Bodenreform durchgeführt wird. Die Bodenreform wird mißbraucht und dient heute einer Anzahl von Spekulanten, der Boden draußen wird aufgeteilt, aber nicht die heimische Bevölkerung wird ihn bekommen, sondern andere. Es ist unglaublich, aber wahr, daß im "Èeské Slovo" geschrieben steht, Grund und Boden im sogenannten verdeutschten Gebiet sollten nur gute Èechen erhalten, die sich bewährt haben, die gute Staatsbürger und verläßliche Stützen sind. Die Bodenreform haben wir uns anders vorgestellt. Grund und Boden soll derjenige bekommen, der seiner vor allen bedarf, Grund und Boden soll der öffentlichen Kontrolle unterworfen sein, soll den allgemeinen Interessen dienen, aber Herr Viškovský will an Stelle der alten Adeligen einen neuen èechischen Landadel schaffen. Nein, da tun wir nicht mit, das ist eine ungeheure Verzerrung, ein Mißbrauch der Bodenreform, wie er nicht schlimmer gedacht werden kann!
Wir sehen die Reaktion auf dem Gebiete der Sozialversicherung, wir sehen, daß Anträge angenommen worden sind, die geeignet sind, die ursprüngliche Vorlage noch mehr zu verschlechtern, wir sehen überall den Kurs nach rechts. Herr Prášek hat ja in seiner Broschüre angegeben, der Kurs der Èechoslovakischen Republik müße in Zukunft nach rechts gehen. Wir wenden uns und haben uns immer gewendet gegen diese einseitige Politik, gegen die Politik der Vergewaltigung. Überall in der Welt ist diese Politik, in der die nackte Gewalt entscheidet, fertig geworden und überall ist nun die Verständigung angebahnt. Wir hoffen, daß auch im Inland die Wirkung dieser Dinge im Ausland fühlbar werden wird. So geht es nicht weiter, weder auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Fragen, noch auf dem der Politik.
Wir können das, was uns die Regierung in Bezug auf die Teuerung sagt, nicht als genügend anerkennen, wir müßen unseren Volksgenossen draußen sagen, daß sie sich vorbereiten müssen auf einen neuen Kampf und den Lebensstandard. Die Folgen lehnen wir ab, die Folgen trägt das kapitalistische System, trägt aber auch die Regierung, die heute vollständig einseitig orientiert ist, die nicht den breiten Massen dient, sondern den kapitalistischen Interessen; darum lehnen wir irgendeine Vertrauenskundgebung ab und erklären, daß wir den Kampf um die Besserung in wirtschaftlicher und politischer Beziehung weiterführen werden so wie bisher. (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)
2. Øeè posl. Simma (viz str. 1211 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Seit Wochen und Monaten bemerken wir eine unaufhörliche Steigerung der Lebensmittelkurve. Tausende und Abertausende von Familien werden durch diese Entwicklung in immer größere Not gebracht, ja diese Entwicklung wird zur Not der ganzen gesellschaftlichen Form, wie sie sich im Staate ausdrückt. Nicht erst heute, sondern seit dem Beginn dieser Entwicklung, die wir voraussagten, sind wir ohne Pause gezwungen gewesen, die Gründe derselben aufzuzeigen und dringend jene Maßnahmen zu fordern, die unserer Meinung nach geeignet wären, wenn auch nicht im Augenblicke und zur Gänze die Krisenzustände abzustellen, so doch die un erträglichen Zustände ins Bessere hinüber zu leiten. Vorweg haben wir stets gesagt, mit Palliativmitteln ist es nicht möglich, über dieses schwerste Problem des Tages hinwegzukommen. Hiezu ist nötig die aus der Betrachtung des ganzen heutigen wirtschaftlichen und politischen Systems fließende Erkenntnis der Fehler desselben und der angestrengteste Versuch, denselben zu begegnen. Wir können die Besprechung nicht ohne Feststellung der Haupttatsache einleiten, daß wir der Krise, die gewiß keine lokale, sondern eine zwischenstaatliche, europäische oder meinetwegen übereuropäische ist, daß wir dieser Krise nicht begegnen können, ohne zu einer anderen Grundlage überhaupt zu kommen, als sich die aufzeigt, auf die nach Beendigung des Krieges der europäische Kontinent gestellt wurde. Wir haben zu anderen Grundlagen zu kommen als den heutigen, als deren einzelne wir aufzeigen können den ungeheuerlichen Haß, der heute die Welt beherrscht und die Maßnahmen, die aus diesem Haß entspringen, alle eine dauernde Erschütterung erzeugend, die Grundlagen, als deren weitere wir aufzeigen die grenzenlose Spekulationswut der heutigen Tage, welche die Form der Äußerung der materialistischen Zeit ist, in der wir leben. Dieser Spekulationswut hat ja auch der Herr Minister heute Worte gewidmet. Sie schickt sich an, zum höchsten Triumph zu schreiten. So sehr wir verpflichtet sind, die Urgründe aller Misèren zu nennen, wie sie den èechoslovakischen Staat mitbetreffen, wir dürfen bei der Erkenntnis dieser Urgründe dennoch auch nicht vergessen, daß der èechoslovakische Staat beziehungsweise seine Regierung mitschuldig an diesen Urgründen ist. Wir müssen heute und zwar gerade um die Verhältnisse kritisch zu betrachten, die zur Debatte stehen, einmal restlos an die Fehler die Sonde anlegen, die als "Made in Czechoslovakia" bezeichnet werden müssen, weil diese Fehler geeignet sind, den aus der allgemeinen Vernichtung der Welt auf uns entfallenden Teil an Lasten des Lebens so zu vergrößern, daß wir verelenden und verkommen. Es ist nicht anders; wir dürfen uns durch den äußern Glanz der Verhältnisse nicht den Blick trüben lassen. Wir müssen vielmehr sehen, daß tausende und abertausende Menschen arbeitslos und tausende und abertausende zu Feierschichten gezwungen sind, erstere überhaupt nicht mehr imstande sind, ihr Leben aufrechtzuerhalten, die letzteren das nur mit außerordentlicher Anstrengung und Mühe zu tun vermögen; wir müssen sehen, daß die Lasten bis zur Unerträglichkeit gesteigert sind, unter denen Gewerbe, Handel und Landwirtschaft heute seufzen, müssen die industriellen Unternehmungen sehen, die durch die unerhörte Belastung durch Steuern und Abgaben dem Zusammenbruch zugeführt werden und ihm nahe sind. Sie sehen, meine Verehrten, das ganze nackte Elend der schaffenden Menschen dieses Staates, das ganze große Leichenfeld seiner Wirtschaft, auf dem es sich höchstens einige Leichenfledderer wohl sein lassen. (Souhlas na levici.) Ich erinnere an die Zeit, wo die Èechoslovakische Republik aus der Taufe gehoben wurde. Was für ein Horoskop glänzender Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Zukunft wurde da nicht gestellt, wie strömte damals alles in die neuentstandene Republik, weil man eine glänzende wirtschaftliche Entwicklung vermutete, sie voraussehen wollte in einem Staate mit großem Reichtum, einem Staate, der nichts anderes darstellte als eine glückliche Komposition von Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft! Diese Meinung hat sich nicht erfüllt, und wenn sie sich nicht erfüllt hat, wenn der wirtschaftliche Kreislauf, der allgemein erwartet wurde, verkalkte, so klagen wir heute jene Männer und jene Kreise an, welche nicht im geringsten als treue Sachwalter der ihnen übertragenen Werte und als redliche Arbeiter an der zukünftigen Gestaltung dieses Staatswesens wirkten, sondern die in der Methode der politischen und wirtschaftlichen Führung selbst die reichen Quellen dieses Staates zum Versiegen brachten.