Úterý 27. listopadu 1923

Ich möchte zum Schluß der Gegenseite angesichts der Schulpolitik, die uns so schwere Wunden geschlagen hat und die uns so maßlos verärgert, einen Ausspruch des Mannes vorhalten, der heute an der Spitze dieses Staates steht: "Es ist das erste Erfordernis der Menschlichkeit, die erste Norm der Soziologie, daß jeder die Möglichkeit hat, sich zu bilden. Wer einem Einzelnen oder einem Volke im Streben nach Bildung in den Weg tritt, begeht eine Totsünde. Das Recht, sich zu bilden hat jeder Mensch genau so wie das Recht zu leben."

Geben Sie uns das Recht uns zu bilden, wie wir wollen. Ich gebe gerechterweise zu, daß in der Schulpolitik manches sich geändert hat, es wird in Schulsachen heute nicht mehr mit der Rage und mit den brutalen Methoden vorgegangen, wie in den gesegneten ersten Jahren nach dem Umsturz. Aber das Grundsystem hat sich nicht geändert. Ich kann sagen, die Hamletfrage ist geblieben. Sie existiert nicht nur für uns, wie der Herr Minister gemeint hat, sie existiert für Sie, meine Herren von der Gegenseite, sie existiert für die gegenwärtige Regierung und sie existiert für das ganze èechische Volk: die Frage, wie Sie sich gegenüber den kulturellen Forderungen von uns deutschem Millionenvolk verhalten wollen, gegenüber der Frage unserer kulturellen Autonomie, ohne die es ein Kulturleben für uns überhaupt nicht gibt. Und mehr noch: auch der Staat als solcher hat seine Hamletfrage und auch beim Staat heißt sie Sein oder Nichtsein, wenn er sie nicht richtig löst. Ihre Lösung hängt davon ab, ob das èechische Volk die Einsicht aufbringt, sich auf den Boden des Staates als einer gemeinsamen Heimat zu stellen und die Stellung der Deutschen als Heimatgenossen anzuerkennen und dementsprechend auszugestalten. Gemeinsame Heimat bedeutet aber Vollständige Gleichberechtigung der diese Heimat bewohnenden Völker. Gelingt dem èechischen Volke das, dann wäre nicht nur die Hamletfrage unserer Hochschule, sondern auch die Hamletfrage der gemeinsamen Heimat gelöst.

Aber Hamlet muß sich endlich entschließen, den Totenschädel der Vergangenheit aus der Hand zu schleudern und der Gegenwart ins Auge zu sehen. Und diese Gegenwart ist ein Staat, in welchem das deutsche Millionenvolk lebt und sich unter allen Umständen lebend erhalten muß. Die Kraft dazu und das Recht dazu kann uns auf dieser Welt niemand abstreiten. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Deutschové (viz str. 710 tìsnopisecké zprávy):

Hochverehrte Frauen und Herren! Die Worte, die ich Namen meiner Fraktion heute bei der Budgetberatung hier zu Ihnen spreche, gelten nicht allein dem Schulministerium, sondern allen jenen Ministerien, in deren Kompetenz die Jugendfürsorge fällt. Es sind das nicht weniger als sieben. Schon diese Tatsache allein bietet ein trauriges Bild von der Zersplitterung der Jugendfürsorgearbeiten in diesem Staate. Die gesellschaftlichen und die wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen der Mensch geboren wird und aufwächst, bestimmen seine spät re Entwicklung. Das soziale Milieu, das uns in den ersten Jahren unseres Lebens umfängt, prägt die Persönlichkeit, die Gesundheit, die Tüchtigkeit und den Charakter des Menschen. Da das Kind für sich nicht selbst sorgen kann, und in der heutigen Zeit es vielen Eltern unmöglich gemacht wird, ihren Kindern mehr Pflege und Sorge angedeihen zu lassen, als die Stillung des Hungers, so ist der Kinderschutz und die Jugendfürsorge eine Angelegenheit des Staates geworden. Auf Tausenden von Familien lastet ein wirtschaftlicher Druck, der vor allem das heranwachsende Geschlecht schädigt, es in seiner geistigen und körperlichen Entwicklung hemmt und lebensuntüchtig macht. Auch das Kind armer Eltern hat ein Recht auf volle Entfaltung seiner Fähigkeit, die Vernachlässigung des Kindes straft sich am härtesten an der Gesellschaft selbst. Mit der Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft ist das Elend des Proletariates gewachsen. Der Proletarier kennt den Weg, der ihn aus diesem Elend herausführen wird. Aber der Krieg und die Wirtschaftsfolgen des Krieges haben diesen Weg versch üttet. Wir kennen die Zusammenhänge der Not unserer Zeit und wissen, daß unsere Bahn wieder frei werden wird. Aber bis sie frei wird, liegt eine Strecke von Leiden und Entbehrungen vor uns. Das schlimmste Leid ist aber das, das unverschuldet die Kinder tragen müssen. Darum ist eine unserer wichtigsten Tagesforderungen die Forderung nach einem ausreichenden staatlichen Kinderschutz. Das Gesetz, das bei uns hauptsächlich die Kinderwohlfahrt regelt, ist das Armengesetz aus dem Jahre 1868, das seit 55 Jahren besteht und das den Anforderungen, die wir an ein modernes Jugendwohlfahrtsgesetz stellen müssen, durchaus nicht gerecht wird, weil es gänzlich veraltet ist und mit den Forderungen der Zeit im Widerspruche steht. Wir haben bei uns auch kein Landesjugendamt, wie es in anderen Ländern besteht. Bei uns müssen die privaten Jugendfürsorgen, das sind die deutsche und die èechische Landeskommission für Böhmen, Mähren und Schlesien, das Landesjugendamt vollständig ersetzen, das in Österreich und in Deutschland die gesetzlicheGrundlage der Jugen fürsorge bildet. Man könnte nun annehmen, daß unser Staat das größte Interesse daran hätte, diese segensreiche Institution zu fördern und die Jugendfürsorgearbeit zu sichern. Das wäre durch eine ausreichende Subventionierung der Jugendfürsorgeeinrichtungen aus Staatsmitteln zu erreichen. Wie sieht es aber bei uns aus?

Die Jugendfürsorge ist zum größten Teile auf die private Wohltätigkeit angewiesen, da ihre hauptsächlichsten Geldquellen aus Sammlungen fließen. Ohne diese Sammeltätigkeit wären die deutsche Jugendfürsorgen am Ende ihres Könnens angelangt. In den letzten Jahren war ein wichtiger Zweig dieser Sammeltätigkeit, und zwar das Sammeln in den Schulen vom Unterrichtsministerium verboten worden. Dieses Verbot betraf hauptsächlich die Jugendfürsorge denn als das Rote Kreuz im Herbste 1922 Geldsammlungen in den Schulen veranstaltete, erlaubte dies ein Ministerialerlaß mit dem Bemerken: "Im Interesse des Erziehungszieles der Schule ist es wünschenswert, daß die Schulen aller Kategorien und die Lehrerschaft die erfolgreiche Arbeit dieser Organisation tätig unterstützen." Man nimmt zum Roten Kreuz eine ganz andere Stellung ein, wahrscheinlich deshalb, weil diese Einrichtung sich im Ha dumdrehen zu einer Einrichtung der Kriegsmaschinerie umwandeln läßt.

Die staatlichen Subventionen sind vollständig ungenügend. So erhielt die deutsche Landeskommission in Böhmen im Jahre 1922 zur Unterstützung ihrer Fürsorgetätigkeit, die Tausenden von Kindern zugute kommt, einen Betrag von - sage und schreibe - dreihunderttausend Kè. Das war der zehnte Teil ihrer Einnahmen. Neun Zehntel mußten durch private Hilfe aufgebracht werden. Die Subvention für 1923 ist der Landeskommission noch nicht überwiesen worden, obwohl die Landeskommission heuer für ihre Zwecke eine halbe Million Kè mehr vorausgaben mußte, als im Vorjahre. Mit den wachsenden Anforderungen, die an die Jugendfürsorge gestellt werden, müßte auch die Höhe der staatlichen Subventionen wachsen. Wie aber schaut die Wirklichkeit aus? Gerade das umgekehrte Verhältnis ist festzustellen. Um 9 Millionen werden heuer die Ausgaben für die Jugendfürsorge vermindert. Die gesamte Jugendfürsorge im Staate soll mit 14 Millionen bestritten werden. Die Subventionen sind um 50% gekürzt worden. Beim Ministerium für soziale Fürsorge betrugen die Subventionen für Jugendfürsorge, Mutterschutz- und Säuglingspflegeeinrichtungen im Vorjahre noch 13·25 Millionen, heuer nurmehr 6·7 Millionen Kè. Die Subventionen beim Gesundheitsministerium sind von 7·36 Millionen auf 4·83 Millionen gekürzt worden. In der unrühmlichen Spiritusaffaire, die noch nicht ganz aufgeklärt worden ist, stand dem Präsidenten Prášek ein Reptilienfond von 10 Millionen Kè zur Verfügung. Mit der fast gleichen Summe wird bei uns die Jugendfürsorge für Hunderttausende von Kindern abgespeist. Die Ministerien hoffen heuer mit den gekürzten Summen das Auslangen zu finden.

Die deutsche Jugendfürsorge wurde stets bei der Verteilung von Subventionen als Stiefkind behandelt. Wenn die Herren Minister mit diesen verminderten Beträgen das Auslangen finden wollen, dann gibt es dafür nur eine Erklärung, und zwar die, daß die èechischen Jugendfürsorgen eben aus Staatsmitteln saturiert sind und die ganzen Ersparnisse nur auf Kosten der deutschen Jugendfürsorge gehen. Leider ist aus dem Voranschlag nicht ersichtlich, in welchem Verhältnisse die veranschlagten Gelder zwischen der èechischen und der deutschen Jugendfürsorge verteilt werden. Wir vermissen aber im allgemeinen bei der Verteilung von Subventionen die nationale Gerechtigkeit. Ich möchte nur ein Beispiel anführen, aber es ist typisch für den ganzen Verlauf der Zuweisungen. In Iglau bekam die èechische Bezirks-Jugendfürsorge 48.000 Kè Subvention und 50.000 Kè zum Ankaufe eines Hauses, die deutsche Bezirks-Jugendfürsorge im ganzen eine Geldbeihilfe von 6000 Kè. Da ist ein Verhältnis 1:16. In Znaim besteht dasselbe Verhältnis und in anderen Orten ist es nicht besser.

An und für sich wird die Erlangung von Subventionen den deutschen Organisationen durch allerlei Bedingungen sehr erschwert, da man in den Ministerien am grünen Tische Dinge ausheckt, die in der Praxis eine arge Behinderung des Betriebes darstellen. Die Jugendfürsorge müßte vom Staate großzügig betrieben werden. Die Jugendfürsorge hat ein hohes Ziel, sie will die Jugend schützen, um der Gesellschaft Menschen zu erhalten. Je mehr der Staat für die Jugendfürsorge ausgibt, umso weniger wird er für die richtende und strafende Gewalt ausgeben müssen. Betrachten Sie unsere Zwangsarbeitsanstalten, die Gefängnisse, das Laster, das im Dunkel der Nacht vegetiert, und bedenken Sie: alle jene Menschen waren Kinder, lenksam und gut, die voll Vertrauen die Ärmchen um den Hals der Mutter schlangen. Die Gesellschaft hat sie zu wilden Tieren werden lassen, indem sie ihnen ihren Schutz versagte. So wie die Fürsorgearbeit des Staates vieles zu wünschen übrig läßt, so ist auch die Erziehungsarbeit problematisch. Die Not der Zeit macht soziale Einrichtungen nötig, welche den Laissez faire-Standpunkt des Staates korrigieren müssen.

Das Proletariat hat sich eine segensreiche Einrichtung in der Organisation der Kinderfreunde geschaffen. Den Teil der Erziehungsarbeit, welchen die Schule dem Elternhaus überläßt und welchen die Eltern, die von der Not unserer Zeit beide zu einem Beruf gezwungen werden, nicht mehr leisten können, den verrichten die Kinderfreunde. Es ist proletarischer Jugendschutz, proletarische Kinderfürsorge, welche der Verein "Kinderfreunde" leistet. Er bewahrt die Jugend des Proletariats, die am meisten gefährdet ist, vor Verwahrlosung und Verelendung. Er will die Kinder zu geistig regsamen, zu körperlich gesunden Menschen erziehen helfen. Horte und Kindergärten, Turnen und Wandern schützen und fördern die Entwicklung der Kinder, über die die Organisation der Kinderfreunde ihre segnende Hand hält. Seit zehn Jahren bestehen diese Vereine; unter den größten Schwierigkeiten erfüllen sie ihre verantwortungsvolle Aufgabe, ganz auf das Vermögen des Proletariats gestellt. Die Regierung nahm bisher keine Notiz von dieser segensreichen Einrichtung. Jetzt, wo die Kinderfreunde um Subventionen eingekommen sind, machen die Ministerien Geschichten. Mit kleinlicher Engherzigkeit haben wir dort zu tun, wo wir volles Verständnis und eine offene Hand erwarteten. Das Proletariat hat einsehen gelernt, daß es von der Regierung dieses Staates nicht viel zu erwarten hat, und ist überall zur Selbsthilfe geschritten. Durch die furchtbare Krise, die Tausende von Menschen um Brot und Arbeit gebracht hat, ist die Arbeiterklasse von allen Geldmitteln entblößt. Sie kann die materielle Hilfe der Regierung nicht ganz entbehren. Leider ist es bei uns sehr traurig mit der Förderung der sittlichen, geistigen und leiblichen Kräfte unserer heranwachsenden Jugend bestellt. Bei uns heißt es so wie im Wallenstein: "Nur im Felde, da ist der Mensch etwas wert." Nur als Soldat hat hier der Einzelne Geltung und auch da nur in der Masse, die der Drill zum Kadavergehorsam erziehen soll. Solchem Streben stünde allerdings eine Erziehung im Wege, die den Menschen auf allen Gebieten der geistigen und körperlichen Bildung frei und reif macht.

Für eine Seite der Erziehung müßte aber auch eine Regierung, die alles mit dem Auge des Feldwebels betrachtet, volles Verständnis haben: für die Frage der Leibesübungen. Wir haben ein Ministerium für körperliche Erziehung, aber von ihm gilt der Satz: "Wenn das Kind nur getauft ist, dann mag es ruhig sterben." Gestorben ist das Ministerium für körperliche Erziehung noch nicht, aber der Atem scheint ihm auszugehen, da es von den 159 Millionen des Gesundheitsministeriums nur 3,800.000 Kc für die körperliche Erziehung der gesamten Bevölkerung übrig hat. Das sind nicht einmal 2 1/2 % der Gesamtsumme. Im Vorjahre hatten wir für diesen Zweck noch 6 Millionen verfügbar. Heuer wurde dieser Betrag fast auf die Hälfte reduziert, mit der Begründung, daß mit Rücksicht auf die Erfolge der früheren Jahre eine Erniedrigung berechtigt erscheint. Diese Begründung klingt wie Hohn. Der Herr Minister, in dessen Ressort die körperliche Erziehung fällt, ist sehr bescheiden geworden oder er weiß nichts davon, daß unsere Jugend viel mehr als in früheren Jahren den heimtückischen Volksseuchen erliegt, daß Tuberkulose, Blutarmut. allgemeine Körperschwäche Degenerationsmerkmale eines durch jahrelange Untere nährung geschwächten Volkes sind. Muß sich unsere Regierung nicht selbst sagen, daß nur eine planmäßige Stählung und Ertüchtigung des Körpers unsere Jugend widerstandsfähig machen und gesund erhalten kann? Wieviele von den Summen, die der Staat für Krankenhäuser und Siechenhäuser ausgeben muß, könnten erspart bleiben, wenn es bei uns eine vernunftgemäße Fürsorge für die gesundheitlich Gefährdeten geben würde! Wir verlangen nun mindestens eine ausreichende Subventionierung der Turn- und Sportvereine. Auch hier möchte ich aufmerksam machen auf die ungleiche Behandlung der deutschen und èechischen Vereine. Während die unter dem Protektorat des Herrn Ministers Šrámek stehenden "Orel"-Vereine vom Ministerium direkt aufgefordert wurden, um Subventionen einzukommen, werden die deutschen Vereine vielfach abgewiesen und gehen leer aus.

Auf die Schulnot im allgemeinen und auf die Not der deutschen Schulen und der deutschen Schüler im besonderen einzugehen, ist mir heute versagt. Diesen Teil unserer Kritik am Budget wird der zweite Redner unseres Klubs zur Sprache bringen. Aber eines frage ich den Herrn Minister für Schulwesen und Volkskultur: Ist ihm bekannt, daß es auch eine Fürsorge für Schulkinder gibt? Wie steht er zur Frage der Schulärzte, der Schulpflegerinnen? Hat der Herr Minister sich die bleichen, hohlwangigen Gesichter der Arbeiterkinder, die unsere Volksschulen bevölkern, genau angesehen? Der ganze Jammer der Wirtschaftskrise, die bittere Zeit der Arbeitslosigkeit der Eltern ist in diesen Gesichtern eingegraben. Weiß der Herr Minister, wie groß der Prozentsatz von jenen Kindern ist, die ohne warmes Frühstück in die Schule geschickt werden? Schulärzte und Schulspeisungen sind in einer Zeit, wie es die unsrige ist, unerläßlich. Das haben viele Gemeinden erkannt und Schulärzte angestellt. An den Minoritätsschulen, die dem Ministerium unterstehen, fehlen sie. So haben hier in Prag wohl die èechischen Schulen ihren Schularzt angestellt, an den deutschen Minoritätsschulen verrichtet ein Arzt freiwillig und unbezahlt diesen Dienst als Liebeswerk.

Wir sind auch für Sparen, aber nie und nimmer dafür, daß an der Volksgesundheit gespart wird. Was soll man aber zu einer Regierungskunst sagen, die für das so wichtige Ministerium für Volksgesundheit nicht viel mehr übrig hat, als für den Ausbau des militärischen Flugwesens? Die gesamte Fürsorge für die Kranken und gesundheitlich gefährdeten Menschen muß mit 159 Millionen Kè bestritten werden. Für Luftschiffahrt aber haben wir 147 Millionen Kè übrig. Unsere Zukunft scheint in der Luft zu liegen, und daher bekümmert es die Regierung dieses Staates nicht sehr, wie es hier auf Erden bei uns aussieht. Das Fliegen scheint ein beliebter Ministersport geworden zu sein und bei der Betrachtung des Budgets hat man den Eindruck, daß nicht nur der Herr Minister für nationale Verteidigung, sondern unser ganzes Kabinett über den Wolken schwebt und die Erde so wie die Menschen und ihre Lebens notwendigkeiten ganz aus den Augen verloren hat. Sonst müßten die Herren längst gewahr worden sein, wie mühselig dem arbeitenden Volke. das bloße Fortkommen ist, daß es fast zusammenbricht unter der Last von Steuern und Abgaben, die ihm auferlegt sind. Das sind die Sorgen, welche die deutsche Arbeiterklasse drücken, die sich als Kulturfaktor himmelhoch über jenen Teil des deutschen Bürgertums erhebt, in dessen Namen der Herr Abg. Schollich hier sprach und dessen Forderungen in dem Schrei nach dem numerus clausus gipfeln und das als höchste Kulturaufgabe betrachtet, die jüdische geistige Konkurrenz von den Hochschulen zu entfernen.

Wenn der Staat weiterhin in dieser Weise wirtschaftet, dann verwirtschaftet er sein wertvolles Vermögen, die Gesundheit des Volkes, die Wohlfahrt der Gesellschaft. Wir können für ein Kulturbudget, das so aussieht, nicht votieren. Wir werden zu diesem Kapitel Anträge stellen, welche die schlimmsten Ungerechtigkeiten beseitigen werden. Wenn Sie sie annehmen, ist dies zugleich der erste Schritt auf dem Wege der Vernunft. Sonst gilt von der Regierung und den Männern, welche die Geschichte dieses Staates lenken wollen, das Wort des Dichters: Eine große Epoche hat das Jahrhundert geboren, aber der große Moment findet ein kleines Geschlecht. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. dr. Petersilky (viz str. 726 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wohl bei keiner Gruppe der in der Budgetdebatte behandelten Gegenstände treten die charakteristischen Merkmale der einzelnen Parteien so klar zutage wie bei der Debatte über das Kultusbudget. Nation und Weltanschauung, das sind die zwei großen Ideen, welche in dieser Debatte vorherrschen und welche doch auch letzten Grundes die wichtigsten Triebfedern der Politik der Völker und Staaten nach innen und nach außen bilden. Demgemäß sei auch dieses doppelte Element, das nationale und das kulturelle, die Grundlage unserer, wegen Zeitbeschränkung nur in weitesten Umrissen zu gebenden Ausführungen.

Was das nationale Element anlangt, kann ich es wohl nur kurz berühren, da ja meine geehrten Herren Kollegen in dieser Beziehung sehr gründliche Arbeit geleistet haben. Nur einige Wünsche möchte ich zu den bereits vorgetragenen anführen.

Auf dem Gebiete des Hochschulwesens vermissen wir eine tierärztliche Abteilung, die es unseren Studenten ermöglichen würde, die mit dem Veterinärstudium verbundenen Auslagen und Mühen in einem fremden Lande zu vermeiden und im eigenen Lande zu studieren.

Was die Mittels hulen anlangt, können wir uns zunächst nicht mit dem Gedanken befreunden, daß Untergymnasium und Unterrealschule der Bürgerschule gleichgestellt werden. Denn nach Goethes Wort soll doch das humanistische Studium des klassischen Altertums immer die Grundlage der menschlichen Bildung bleiben. Und es wird ohl wieder eine Zeit kommen, da die Wellen des Materialismus, die jetzt alle Gebiete des menschlichen Denkens und Wollens überschwemmen, wieder einmal abfluten, und dann wird der Idealismus wieder zutage treten und es wird wohl notwendig sein, daß das klassische Studium im ganzen vom ersten bis zum letzten Jahre gründlich betrieben werde. Auch die an Mittelschulen manchmal zu stark geförderte Koedukation scheint uns, obwohl wir keine prinzipiellen Gegner derselben sind, doch nicht jene Erwartungen zu erfüllen, welche man in sie gesetzt hat. Man hat die Studenten an Ritterlichkeit nicht bereichert und die Studentinnen ärmer daran gemacht, was Goethe das "echt Weibliche" genannt hat. Zum Punkte Volks- und Bürgerschulen möchten wir den Wunsch vorbringen, daß endlich einmal die vielfach ungerechtfertigten Schließungen deutscher Schulen aufhören. Im speziellen Falle möchten wir den Herrn Unterrichtsminister ersuchen, dahin zu wirken, daß die deutsche Schule in Heckelhof bei Budweis, welche dreißig auf ihr Deutschtum mit peinlichster Sorgfalt geprüfte Kinder besuchen wollen und die bereits das zweite Jahr gesperrt ist, wieder eröffnet werde, da es nicht angeht, daß die Kinder entweder fünf Viertel Stunden weit in die Schule in Budweis gehen, wobei noch die große Frage offen ist, ob sie dort zugelassen werden oder die èechische Schule besuchen müssen. Es ist sicher kein Beweis von gleicher Behandlung beider Nationen, von der man hier gar so viel hört und draußen so wenig spürt, wenn im Böhmerwald für zwei oder drei èechische Kinder eigene herrliche Schulpaläste errichtet und anderswo deutsche Schulen mit 25 Kindern gesperrt werden. Anschließend daran möchte ich auch im Namen unserer Partei auf das entschiedenste gegen jene Schulzustände protestieren, welche im Hultschiner Land herrschen. Auf Grund des Ausnahmsgesetzes sind dort Privatschulen nicht erlaubt, die einzelnen deutschen Kinder sind auf den Privatunterricht angewiesen und der wird auch unterdrückt. Gleich einem türkischen Pascha waltet dort der berüchtigte èechische Schulinspektor Novák, der wohl Prüfungen der Kinder, welche Privatunterricht haben wollen, vornimmt aber schon im Voraus den ungünstigen Ausfall dieser Prüfungen prädestiniert, um dann mit desto größerer diktatorischer Geste zu sagen: "Unreif für Privatunterricht!"

Wir hätten weiters den Wunsch, es möge, was die deutschen Schulen anlangt, auch in Budweis Remedur geschaffen werden, ähnlich wie mit den deutschen Schulen in Pilsen und sie dem Unterrichtsministerium unmittelbar unterstellt werden, und daß ein diesbezüglich eingebrachtes Gesuch sobald als möglich in günstiger Weise erledigt werde.

Dann wenden wir die Aufmerksamkeit des Herrn Unterrichtsministers auf jene Kategorie von Erzieherinnen, welche am schlechtesten behandelt werden und wir erneuern den so oft eingebrachten Antrag, daß die Kindergärtnerinnen, welche den Handarbeitslehrerinnen an Bildung und Mühewaltung wohl gleichkommen, ihnen auch betreffs der Entlohnung gleichgestellt werden.

Zuletzt erlauben wir uns noch die Anfrage betreffend den Sprachenverkehr der Schulbehörden. Der Herr Minister hat in seiner Interpellationsbeantwortung vom 2. Juli 1923, welche aber bezeichnendenweise erst anfang November 1923 im Druck erschienen ist, erklärt, daß weder das Ministerium noch der Landesschulrat allgemeine Erlässe über die Verwendung der Staatssprache im Verkehr der Landesschulräte mit den Bezirksschulräten herausgegeben haben. Nun entsteht die Frage: Auf welche Weise ist dann do ch die Änderung im inneren Sprachenverkehr veranlaßt worden? Nachdem ja in dieser Beziehung nichts Amtliches verfügt worden ist, muß wohl mit vollem Recht verlangt werden, daß der Zustand, der mit 1. Jänner 1923 bestand, aufrecht bleibe bezw. wieder hergestellt werde. Der Minister sagt, daß die Landes- und Bezirksschulräte staatliche Behörden sind und sonach gemäß § 1, Abs. 1 des Sprachengesetzes miteinander in der Staatssprache verkehren müssen. Das ist aber unrichtig. Gerade das Sprachengesetz hat im § 5 Sonderbestimmungen für die Schulverwaltung festgesetzt. Wenn sich dieser Paragraph, wie auf der Gegenseite immer gesagt wird, nur auf die interne Verwaltung der Schulen beziehen soll, erklären wir, daß dieser § 5 im Gesetze überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Denn weder die Schulleitungen noch die Ortsschulräte, zwischen welchen sich der interne Verkehr mit der Schulverwaltung abspielt, sind staatliche Behörden. Für sie können daher die Bestimmungen des § 1 des Sprachengesetzes überhaupt keine Anwendung finden. Daß aber der § 5 gerade für die Schulverwaltung Sonderbestimungen festsetzt, soll bedeuten, daß auch die staatlichen Schulverwaltungsbehörden die deutsche Sprache in Angelegenheiten, welche die Verwaltung der deutschen Schule betreffen, gebrauchen müssen. In dieser Hinsicht müssen wir leider feststellen, daß die Antwort des Ministers alles zu wünschen übrig läßt und nichts anderes als eine Erwiderung mit einer Phrase auf rechtliche Gründe bedeutet.

Und nun zum zweiten Teil der heutigen Budgetdebatte zum Kultusbudget. Hier begegnen sich die zwei Weltanschauungen, die eine, welche im Menschen nur ein Diesseitswesen sieht und daher alle für die Religion und Jenseitsbestrebungen bestimmten Mittel, also auch das Kultusbudget, ablehnt, und die andere, welche dem Menschen ein Diesseits- und Jenseitsziel setzt und die dazu notwendigen Mittel, also auch das Kultusbudget, fordert. Ich kann hier mit der größten Genugtuung feststellen, daß im allgemeinen die Debatte über diesen Punkt in sehr versöhnlichem Tone gehalten wurde und daß besonders auf deutscher Seite bisher nicht der geringste Angriff gegen das Kultusbudget vorgebracht wurde. Dagegen konnten sich einige Herren von der èechischen Seite doch nicht enthalten, einige, und mitunter recht saftige, Angriffe gegen das Kultusbudget vorzubringen; Sie werden mir deswegen auch erlauben, daß ich in Kürze auf ihre Angriffe reagiere. Sie verlangten zuerst die Abschaffung der Kongrua, da sie der Anschauung sind, der Staat solle nur für seine Bedürfnisse und nicht für die der Kirche aufkommen. Dieser Ansicht pflichten wir im allgemeinen vollständig bei, lehnen aber diese Ansicht für diesen Staat ab, denn solange der Staat, was auch der Unterrichtsminister in der Budgetdebatte erklärt hat, der Kirche gegenüber rechtliche Verpflichtungen hat, die ihm die Leistung der Kongrua auferlegen, muß er dieser Verpflichtung nachkommen, wenn anders dieser Staat ein Rechtsstaat genannt werden soll. Das alte Österreich hat sich Kirchengüter angeeignet und daraus teilweise den Religionsfond gebildet und die rechtliche Verpflichtung auf sich genommen, dem Klerus den zu seinem Stande erforderlichen Lebensunterhalt zu gewähren. Wenn aber die Èechoslovakische Republik sich als Nachfolgestaat des alten Österreich bezeichnet, kann sie sich dieser Verpflichtung wohl nicht entledigen, um so weniger, als ja der Klerus als Matrikenführer fungiert und so den Staate weit größere Beträge erspart als diejenigen sind, die für das Kultusbudget ausgeworfen sind. Für die Èechoslovakische Republik kommen aber noch zwei wichtige Gründe in Betracht: Der eine, daß sie einen bedeutenden Teil ihrer Zentralverwaltung in kirchlichen Gebäuden gegen sehr geringen Mietzins untergebracht hat; und der andere, daß sie unter dem Titel Bodenrefo rm bereits 325.000 ha von der Kirche gegen ein sehr geringes Entgelt übernommen hat. (Výkøik: Wer hat denn die bekommen?) Das ist eine andere Frage, fragen Sie das Bodenamt. Hier muß man noch besonders bemerken: Wenn andere Kirchengemeinden als die katholische die Kongrua vom Staate erhalten, so wird ihnen diese Leistung nur auf einen Rechtstitel hin gegeben, nämlich der Matrikenführung, durch diese Gemeinden, während für die katholische Kirche noch die anderen weit wichtigeren Gründe in Betracht kommen. Noch eine Bemerkung möchte ich hier machen. Es hat sich einer von den èechischen Herren Vorrednern, wie soll ich sagen, den Spaß oder die Anrempelung erlaubt, den ganzen katholischen Klerus pauschaliter zu verdächtigen, erstens indem er sagte, daß die katholischen Geistlichen die Kanzel für die Politik mißbrauchen. Ich muß dies auf das entschiedenste zurückweisen, die katholilischen Priester haben die Aufgabe und die heilige Pflicht, ihre Wahrheit von der Kanzel zu predigen und vor dem Volke auch zu verteidigen, wenn es auch manchem Herrn unangenehm ist. Aber noch entschiedener muß ich den zweiten Angriff zurückweisen, daß nämlich die katholischen Geistlichen das Beichtgeheimnis im Dienste der Politik mißbrauchen. Meine Herren, das ist das Teuerste, was uns katholischen Priestern am Herzen liegt, und es ist eine Schande, wenn ein èechischer Herr das gesagt hat, denn gerade das èechische Volk war es, welches die ersten zwei großen Blutzeugen für das Beichtgeheimnis hervorgebracht hat, nämlich den heiligen Johann von Nepomuk und den seligen Johann Sarkander. Es ist weiter eine Schande, daß es gerade von einem sozialistischen Herrn geschehen ist, denn gerade der heilige Johann von Nepomuk hat den Absolutismus eines Wenzel des Faulen, des Betrunkenen, bekämpft. Wir weisen solche Pauschalverdächtigungen auf das entschiedenste zurück und können nicht anders, als den jenigen Herrn als Verleumder hinstellen, der ohne einen einzigen Beweis anzuführen - er wird ihn auch in Ewigkeit nicht bringen können - solche Pauschalverdächtigungen vorgebracht hat. (Sehr richtig!)

Eine zweite Angelegenheit, die wenigstens kurz berührt werden soll, ist die Forderung der von der katholischen Kirche abgetrennten Gemeinden nach Mitbenützung der Kirchen und Pfarren. Auch diese Forderungen müssen wir ablehnen und zwar zunächst aus theologischen Gründen. Die kakatholische Kirche pflegt die sogenannte bürgerliche Toleranz, d. h. den Verkehr mit Andersgläubigen im bürgerlichen Sinne in weitestgehender Weise, aber nie und nimmer kann sie die theologische Toleranz zulassen d. h. in puncto Wahrheit eine andere als gleichberechtigt anerkennen, ebenso wie auch der Mathematiker nie und nimmer von einem sicheren mathematischen Ergebnis abgehen kann, ohne sich dabei den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, daß er in puncto Mathematik intolerant ist. Die katholische Kirche kann nicht zugeben, daß in demselben Gebäude, wo die Lehre verkündet wird, die sie als die einzig wahre anerkennen muß, die entgegengesetzte Meinung vertreten wird, wenn sie nicht ihre Existenzberechtigung aufgeben will. Wir verwahren uns weiter gegen die Mitbenützung der Kirchen aus rechtlichen Gründen, denn ie Kirche ist ihrem Wesen nach eine vom Staate unabhängige Gesellschaft, die auf der ganzen Welt als solche anerkannt wird, deren Oberhaupt sogar als souverän gilt und bei dem ihre Gesandtschaften zu haben die ersten Reiche der Welt sich zur Ehre anrechnen. Wenn nur einzelne Glieder von der Kirche sich abtrennen, treten sie als neue Rechtssubjekte auf, die nach dem Vereinsgesetz keinen Anspruch auf die Güter jener Gemeinschaft haben, aus der sie ausgetreten sind; als sich die Partei der Kommunisten von den Sozialdemokraten trennte, wurde ihr auch nicht gestattet, daß sie die Druckerei mitnehme. Von demselben Prinzip geht auch die Rechtspraxis der Vereinigten Staaten aus, welche bestimmt, daß bei der Abtrennung irgend einer kirchlichen Gemeinschaft das ganze Vermögen der Urkirche bleibt, und daß die neue sich ein eigenes schaffen muß. Weiters tritt der Grund hiezu, daß der größte Teil der Kirchengüter auf Fundationen und Stipendien beruht, die ausschließlich für die Zwecke der katholischen Kirche bestimnmt sind und ohne Rechtsverletzung nicht den Zwecken einer anderen Gemeinschaft zugeführt werden können, welche ihrer Überzeugung nach der katholischen Kirche fremd oder feindlich sind. Und schließlich widerspricht die Forderung nach Mitbenützung der. Kirchen auch den Bedingungen jenes Friedens, auf den dieser Staat aufgebaut ist. Denn nach diesen Friedensbedingungen darf er kein Gesetz oder keine Verfügung erlassen, oder keinen Schritt unternehmen, wodurch die Freiheit des religiösen Kultus verletzt wird. Die Kultusgemeinschaft aber, die sich von der katholischen Kirche abtrennt, tut dies aus Gegnerschaft zur Kirche. Eine Mitbenützung der Kirche also würde ihre vollständige Unterstützung bedeuten und damit die Verletzung der Freiheit der Kirche. Die Erfüllung der Forderung nach Mitbenützung der Kirche würde bei allen Katholiken, beim ganzen katholischen Volk und auch bei allen rechtlich Denkenden die größte Erbitterung und wohl auch den Vorsatz auslösen, gegen eine solche Vergewalti ung sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu wehren. Ob dies aber zur Konsolidierung der staatlichen Verhältnisse dieser Republik beitragen würde, ist zumindesten zweifelhaft.


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