Meine Damen und Herren! Wir sind wieder bei einer sehr schmerzlichen Kreuzwegstation des Staatsvoranschlages angelangt, bei dem Schulkapitel, bei dem wir Deutschen immer schwere Anklagen über Zurücksetzungen, Kürzungen, Nichtberücksichtigungen erheben müssen. Doppelte Klagen müssen wir gegen die Ziffern des heurigen vielgerühmten Ersparungsvoranschlages erheben, der uns bei weiten nicht jenen Anteil an der pflichtmäßigen kulturellen Fürsorge des Staates zukommen läßt, der unserer Bevölkerungszahl und unseren deutschen Beiträgen zu den Einnahmen des Staates. entspricht. Von dem Gesamtschulaufwand für Böhmen, Mähren und Schlesien entfallen auf die èechischen Interessen 370 Millionen Kronen, auf die deutschen 80 Millionen, das sind 18%. Die letzte Volkszählung aber hat für uns das Ergebnis von 31% gehabt. Ich frage, wo da die tatsächliche kulturelle Gleichberechtigung bleibt. Meine Pflicht als Obmann des Schulauschusses der deutschen Selbstverwaltungskörper ist es aber zu erklären, daß, so schmerzlich auch diese Zurücksetzung in den Zahlen des Budgets ist, sie doch nicht unsere Hauptklage ist. Unsere Hauptklage ist ziffermä ig überhaupt nicht zu fassen. Viel tiefer als die Zurücksetzung in den Ziffern des Voranschlages trifft uns das niederdrückende Bewußtsein, daß wir, die zahlenmäßig stärkste, kulturell höchststehende und wirtschaftlich leistungsfähigste Minderheit in Europa, ausgeschlossen sind selbst von der geringsten mittätigen Fürsorge an unserem höchsten kulturellen Gut, an unserem Schulwesen, daß wir mit unserem so ernsten Kulturstreben ausgeschlossen sind von der Selbstverwaltung und von der Befriedigung unser er kulturellen Bedürfnisse. Schwerer als die vielen Zurücksetzungen nationaler und politischer Art. schwerer selbst als die empfindlichen Schädigungen unseres Volkswohlstandes durch die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Staates tragen wir das erniedrigende Bewußtsein, daß über unsere höchsten kulturellen Güter ohne uns und gegen uns entschieden wird, daß uns im Staatsvoranschlag ohne Rücksicht auf das, was nur wir selbst als unser Bedürfnis empfinden können, und ohne daß wir das Geringste an den Ziffern des Voranschlages ändern könnten, einfach vorgeteilt wird, was guter oder böser Wille, Verstand oder Unverstand auf der Gegenseite für au sreichend hält. Wir verwahren uns ferner gegen die Technik des Budgetierens; gegen die absichtlich verschleierte und undurchsichtige Form des Budgets, die uns unseren kargen Anteil so schwer errechnen läßt. Wir müssen diese Budgettechnik rügen, die ja für die Zentralen sehr bequem ist, die aber in Wirklichkeit eigentlich nur eine Sammlung von Dispositionsfonds bietet, deren tatsächliche Verwendungsweise und Verwendungshöhe vollständig der Willkür der Ministerien überlassen ist. In allen anderen Ressorts ertragen wir die Ausschaltung von der Verwendung und Verteilung der Beträge, die ja doch auch von unseren Steuergeldern gespeist werden, eher als diese Ausschließung von der Mitbestimmung an dem uns gebührenden Ausmaß kultureller Mittel, was doch eines der primärsten und selbstvers tändlichsten Rechte unter Kulturvölkern ist.
Ich muß die Herren von der Gegenseits fragen: hat der alte, von ihnen als so stiefmütterlich verlästerte Staat Ihnen, die ja doch auch in der Opposition standen, Ihre kulturellen Rechte so karatmäßig nach Gesetzen und Verordnungen, die von vornherein zu Ihren Ungunsten ausgeklügelt waren, zugewogen, wie Sie es mit uns tun? Und besonders, hat er Ihnen je zugemutet, so ganz Ihren Einfluß auf die Zusammenstellung des Schulvoranschlages auszuschalten? Ich erinnere daran, daß Mattuš lange Budgetreferent im alten Reichsrat war und daß Kaizl in seinen Händen den ganzen gewaltigen finanziellen Apparat des alten Staates vereinigt hielt und daß er ihn vollwuchtig für sein Volk ausnützen konnte. Und doch sagen Sie, daß dieser alte Staat eine Hölle gewesen sei. Ja, was sollen für uns die 5 Jahre des Staates sein, die die Gegenseite - von einem einzigen schüchternen Ansatz, den wir billig anerkennen, abgesehen - hat verstreichen lassen in völliger Ratlosiggkeit gegenüber der Hauptund Grundfrage dieses Staates, der deutschèechischen Frage, die sie hat verstreichen lassen in kleinlicher Schikanierung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, in Bedrückung, die sich in die Toga des Gesetzes hüllt, in einer Staatspolitik, die ein Spiel von Eingeweihten in geschlossenen Räumlichkeiten ist, in dem engherzigsten nationalistischen Justamentstandpunkt ohne politisches Feingefühl für die Bedürfnisse und die Individualität des Gegners, ein Justament, dem besonders die Schulpolitik uns gegenüber in den Jahren unmittelbar nach dem Umsturz in einem Maße verfallen war, daß auf deutscher Seite das Gefühl des Grimmes und des Abscheues unsere Volksmassen ganz erfüllte.
Ich möchte der Gegenseite zurufen: Wenn der Tag da sein wird, den Sie hinausschieben, aber nicht aufhalten können, wo wir Ihnen das berühmte angeblich unbeschriebene Blatt Papier reichen werden, dann wird an desen erster und hervorragendster Stelle die Forderung stehen, deren Fehlen uns Deutsche bei der Verhandlung des Schulbudgets so sehr verbittert; das Recht unserer kulturellen Selbstverwaltung und unserer Schulautonomie! (Potlesk na levici.)
Schon die erste und oberste Schulkategorie, das Hochschulwesen, zeigt die volle Berechtigung unserer Klagen. Es ist richtig, daß im Sachbudget, das vom Investitionsbudget zu trennen ist, auch das èechische Hochschulwesen Abstriche erfahren hat und daß die Abstriche bei der èechischen Universität in Prag besonders beim auß erordentlichen Budget verhältnismäßig größer sind, als die bei der deutschen Universität. Aber es darf nicht verhessen werden, daß im Vorjahre für die èechische Universität bedeutend mehr präliminiert war, als dem Verhältnis der Hörerzahl entsprochen hätte. Es darf auch nicht vergessen werden, in welchem Tempo vom Umsturz an das èechische Hochschulwesen durch Neugründungen und Ausgestaltungen ausgebaut wurde, ein Tempo, über das selbst der Herr Generalberichterstatter, der doch selbst Universitätsprofessor ist, im Ausschuß seine warnenden Worte nicht zurückhalten konnte, Bedenken, denen auch der Herr Minister in seinem Resumé zustimmen mußte und die ja bekanntlich auch zu der Idee der Aufteilung der philosophischen und naturwissenschaftlichen Fakultät zwischen Brünn und Preßburg geführt hat. Der Sachaufwand für unsere deutsche Universität war schon im vergangenen Jahre mit rund 4·2 Millionen ohne Kanzleiausgaben ein viel zu geringer, heuer erfolgte ein Abstrich von 32 % dem vorjährigen präliminierten Aufwand. Ich frage, wie soll da der Unterrichtsbetrieb an fünf Fakultäten aufrecht erhalten werden?
Aber viel krasser als im Sachaufwand äußert sich die Benachteiligung des deutschen Hochschulwesens beim Investitionsbudget. Es ist notwendig, darüber genauer zu sprechen, da dieser Teil, des Budgets eine ganz großartige Ausgestaltung des èechischen Hochschulwesens beinhaltet, der gegenüber die deutsche Universität und die deutschen Techniken stark zurückstehen. Auch aus dem Grunde ist es notwendig, darüber zu handeln, weil die Verhandlung darüber im Budgetausschuß durch die Antwort des Herrn Ministers auf meine Beschwerden gewisse Weiterungen erfahren hat.
Kollege Patzel hat in seinen sehr instruktiven Streiflichtern zum Voranschlag für das èechische Hochschulinvestitionsbudget fast 58 Millionen Kronen errechnet, ich sage errechnet, denn die Sachen im offiziellen Voranschlag sind sehr kunstvoll verschleiert. Von diesen 58 Millionen sind für die èechische Universität in Prag an Investitionen vorgesehen 27 1/2 Millionen, und zwar für zwei Kollegienhäuser für die philosophische und juridische Fakultät, das Kanzleigebäude, das histologisch-embryologische Institut, Zubau zu der ersten und zweiten Klinik, Ankauf von Grundstücken für die èechische medizinische Fakultät und bauliche Ausgestaltung des èechischen naturwissenschaftlichen Institutes. Die Investitionen für die Masaryk-Universität in Brünn betragen 14·7 Millionen. Gegenüber diesem Investitionsaufwand, also 58 Millionen Kronen, sind für die deutschen Hochschulen ausgewiesen 4·7 Millionen, davon für die deutsche Universität in Prag 1·9 Millionen, u. zw. für folgende Posten: Bauplatz für das Kollegiengebäude, Zubau zum anatomischen Institut, Adaptation des Instituts für pathologische Anatomie, Erweiterung der dermatologischen Klinik, Ankauf eines Grundstückes für den botanischen Garten. Vergleichen wir das heurige Budget mit dem vorjährigen, so machen wir die merkwürdige Entdeckung, daß es ganz dieselben Beträge sind, die schon im Investitionsbudget für 1923 ausgewiesen waren. Wir müssen also annehmen, daß das Budget vom Vorjahr auf dem Papier stehen geblieben ist, da im Jahre 1923 weder Bauplätze gekauft wurden, noch die dermatologische Klinik ausgebaut wurde, noch der Zubau des anatomischen Institutes begonnen worden ist. Es ist gar nichts geschehen. Budgetmäßig besteht die Notwendigkeit, die Kredite im laufenden Jahre zu verwenden, sonst verfallen sie. Wir verstehen das nicht anders zu erklären, als daß die Absicht besteht, diese für die deutsche Universität ausgeworfenen Investitionen auf irgendeine Weise hinauszuziehen.
Wie die deutsche Universität, so steht auch die deutsche Technik in Prag mit 2·3 Millionen an Investitionen gegen die èechische Technik mit 8·4 Millionen zurück. Auf die deutsche Technik in Brünn entfallen überhaupt nur 500.000 Kronen an Investitionen. Auch hier sind die Beträge dieselben wie im Vorjahre. Für die èechische landwirtschaftliche Hochschule in Brünn sind Investitionen von 3 1/2 Millionen eingesetzt, während für die deutsche Fakultät in Tetschen-Liebwerd nur 300.000 Kronen im Budget erscheinen. Auch hier rühren wir wieder an die alte Frage, die wir schon durch so lange Zeit zu erheben haben, daß endlich von der Domäne Thun in Tetschen das preiswürdige Angebot von Grund und Gebäuden angenommen wird, die nötig sind für die Ausges taltung der landwirtschaftlichen Hochschule, welche unsere Landwirtschaft, die in ungünstigen klimatischen und Bodenverhältnissen in unseren gebirgigen Randgebieten produzieren soll, unbedingt notwendig braucht.
Wir erheben auch hier wiederum den schon oft erhobenen Vorwurf, daß für den systematischen deutschen tierärztlichen Unterricht nicht Vorsorge getroffen wird, daß wir überhaupt keine montanistische Hochschule haben, sondern nur zwei Jahrgänge an der deutschen Technik in Prag; im dritten Jahrgang müssen die Hörer nach Pøíbram gehen, doch können die wenigsten von ihnen èechisch. Wir wissen doch nicht, ob unsere Handelshochschule in Aussig aktiviert werden wird. Ich verweise ferner auf die unwürdige Behandlung unserer privaten Mus ikhochschule, die ganze 300.000 Kronen an Unterstützung bekommt; die Lehrer haben jämmerliche Gehälter, das alte Konservatorium mit seinen unschätzbaren Beständen an Drucken, Noten und Instrumenten aber hat man beschlagnahmt.
Die Zurücksetzung unserer deutschen Hochschulen, besonders der deutschen Technik und Universität in Prag im Investitionsbudget tritt erst in das volle Licht, wenn wir die kläglichen Verhältnisse betrachten, unter welchen diese höchsten Stätten unserer Wissenschaft wirken müssen. Wir dürfen dabei das eine nicht übersehen, daß auf die einzige deutsche Universität 3 1/2 Millionen Deutsche und noch ein ansehnlicher Teil der übrigen nichtèechischen Bevölkerung angewiesen ist, also insgesamt über 4 Millionen Einwohner, während den Èechen drei Universitäten zur Verfügung stehen. Die Forderung, die deutsche Universität den gegebenen Verhältnissen entsprechend auszugestalten, ist umso zwingender, als für die deutsche Kulturförderung nicht wie für die èechische noch eine ganze Anzahl anderer sehr gut dotierter Hochschulen, Akademien, Zentralinstitute vorhanden sind. Ich erwähne die Akademie der Wissenschaften, Masaryk-Akademie, radiologische, geologische, meteorologische, zahnärztliche und auch andere beträchtliche Staatsanstalten. Summen kommen fast ausschließlich nur èechischen Zwecken zugute, zum Beispiel die 4 1/2 Millionen für kulturelle Wechselbeziehungen mit dem Ausland und die 7 1/2 Millionen für soziale Fürsorge für die Studenten.
Die Verhältnisse nun an unserer chirurgischen Klinik, der Ohrenklinik, in der Psychiatrie, in dem Kinderspital und an unserer Poliklinik sind ein europäischer Skandal und schlagen dem Begriff der Humanität ins Gesicht. Diese Kliniken sind in alten Gebäuden ohne Sonne, Luft und Licht untergebracht, eine Asepsis ist unmöglich, die Küchen sind neben den Klosetten. Die chirurgische Klinik V. Prof. Schloffer z. B. hat einen Belag von 104 Betten, sie muß aber bis 150 Kranke aufnehmen. Es sind also ganz unmögliche hygienische Verhältnisse ganz ungenügende Operationssäle. Man kann einen Saal, in welchem gleichzeitig vorgelesen und operiert wird, und in welchem gleichzeitig das orthopädische Institut sich befindet, doch nicht als Operationssaal bezeichnen. Die ranken müssen unmittelbar nach der Operation noch in der Narkose über ungeheizte zugige Gänge befördert werden; das gibt zu den schwersten Komplikationen Anlaß. Die Ohrenklinik des Prof. Piffl hat überhaupt keinen Operationsraum, sondern einen Raum von ungefähr 8 Qaudratmetern, der als Operationsraum dient. Sie hat keine entsprechenden Räumlichkeiten für die Ambulanz, sie hat drei durchaus unzureichende Krankenzimmer, wo ein Bett an das andere gestellt wird, sie hat etwa 20 Betten und würde 60 brauchen. Eine konservative Behandlung ist gar nicht möglich, die Kranken müssen weggeschickt werden und nur die allerschwierigsten Fälle kommen an der Klinik zur Behandlung. Ein Röntgenapparat ist nicht vorhanden, weil kein Raum dafür vorhanden ist. Das deutsche Kinderspital (Prof. Langer) in seinen unhygienischen Verhältnissen, mit seinem ungenügenden Bettenbelag, wo oft 3 Kinder in einem Bett zu liegen kommen müssen, spottet jeder Beschreibung. Jeder Mediziner würde sich entsetzen, wenn er hört, daß in dem Kinderspital der aseptische Operationsraum von dem septischen nur durch einen Stoffvorhang getrennt ist. Wie überall herrscht auch hier natürlich ein riesiger Wäschemangel. Und das ganze Gebäude mit seinen finsteren Gängen ohne Luft und Licht ist kein Spital, sondern ein Gefängnis für die armen kranken Kinder. Die Psychiatrie leidet an vollständigem Raummangel und der angeforderte Ausbau der Flügel ist noch nicht bewilligt, weil der unselige Kompetenzkonflikt zwischen Land- und Staat nicht beseitigt werden kann. Ich erwähne nur Folgendes: daß für 120 Patienten im ganzen 4 Badewannen vorhanden sind; und doch ist die Badetherapie bei den Geisteskranken bekanntlich sehr wichtig. Die deutsche Poliklinik hat überhaupt keine Räume, sie ist in de miserablen Hause am Obstmarkt untergebracht, mit schrecklichen Wendeltreppen. Eine Asepsis ist unmöglich, in einem und demselben Raum müssen Professoren verschiedener Fächer ihre Ambulanz abhalten. Gegenüber diesen Verhältnissen ist das Haus der èechischen Poliklinik in der Myslikgasse ein wahres Palais.
In allen diesen Instituten ist der Raummangel so greulich daß die Kranken nicht nur auf der Erde, sondern selbst in Badewannen liegen. Die Assistentenwohnungen sind dieses Standes nicht würdig, der Kampf egen den Staub und gegen das Ungeziefer ist in diesen alten Buden erfolglos; und was da vorgeht. wie z. B. Ungeziefer selbst unter den Gipsverbänden die armen Kranken peinigt, der Schmutz, gegen den es keine Hilfe gibt, das möge Gegenstand der realistischen Phantasie eines Zola oder eines Maxim Gorkij sein. (Výkøiky na levici.) Bei diesen Verhältnissen die aller Humanität ins Gesicht schlagen und von welchen die zahlreichen èechischen Kranken an unseren deutschen Kliniken ebenso betroffen werden wie unsere deutschen, gibt es nur eines: Es möge nicht mehr an dieser Schande des zwanzigsten Jahrhunderts herumgeflickt und unnützes Geld hinausgeworfen werden, sondern die Unterrichtsverwaltung löse endlich auf Grund der ihr vorliegenden Anträge die Bauplatzfrage, unter Berücksichtigung des Komplexes des Garnisonsspitals und der Irrenanstalt und schaffe endlich für die Humanität, für die wissenschaftliche Forschung und für die Heranbildung unseres ärztlichen Nachwuchses würdige, moderne, Neubauten für die vier genannten Institute und adaptiere an den anderen das, was verlangt wird.
Unbedingt notwendig ist auch - und darüber wird an unserer medizinischen Fakultät sehr geklagt - eine Vermehrung der Hilfskräfte. Diese Ansprüche sind so bescheiden und so gerechtfertigt, daß es kaum glaublich erscheint, daß alle Bemühungen erfolglos blieben. Es handelt sich um dritte Assistenten, die nicht bleiben können, weil sie keinen Gehalt bekommen, es handelt sich um Diener, Demonstratoren und um Hilfskräfte. Ich möchte da doch darauf verweisen, wie die deutsche medizinische Fakultät gegenüber den anderen im Staate zurückgesetzt ist. Die deutsche medizinische Fakultät in Prag hat 25 Demonstratoren, die Prager èechische 80, die Brünner 50, die Preßburger 35. Der Aufwand an Stipendien für Demonstratoren und Operationszöglinge beträgt für die Prager deutsche medizinische Fakultät 54.000, für die èechische 162.000, für die Brünner 100.000 und für die Preßburger 75.000 Kè. Also Sie sehen, wie sogar Brünn und Preßburg stärker berücksichtigt sind als die doch so stark besuchte deutsche medizinische Fakultät in Prag.
Nun zu den Verhältnissen an der Prager deutschen Technik. Hier ist die örtliche Zersplitterung der Lehrstätten von großem Schaden für den Unterrichtsbetrieb. Der Lehrraum im Hauptgebäude ist in der Husgasse, das chemische Institut Na Slupy und die übrigen Räume sind auf 7 ganz oder teilweise gemietete Privatgebäude in verschiedenen Gassen zerstreut. Die Unterbringung der Lehrkanzeln ist trostlos. Für vier neu systemisierte Lehrkanzeln der Ingenieurabteilung stehen bis heute überhaupt keine Räume bereit. Die zwei neu geschaffenen und seit mehreren Jahren besetzten Lehrstühle für Elektrotechnik sind provisorich bei anderen Lehrkanzeln derart untergebracht, daß Professoren und Assistenten gemeinsam einen kleinen einfenstrigen Raum teilen müssen. Ähnlich ist es bei der mechanischen Technologie I. Teil und der allgemeinen Maschinenkunde für Elektrotechniker. Beim chemischtechnologischen Institut stehen z. B. für 120 Studierenden ganze dreißig Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Zusage, die dem Professor für Elektrotechnik, Niethammer, einer Kapazität in seinem Fache, bei seiner Berufung nach Prag bezüglich Errichtung eines neuen Institutsgebäuden gemacht wurde, ist bis heute nicht erfüllt. Das chemische Institut auf den Sluper Gründen ist seit vier Jahren zu zwei Dritteln von der èechischen Handelshochschule besetzt, obgleich seinerzeit ausdrücklich die Räumung nach längstens zwei Jahren versprochen worden ist. Der versprochene Zubau im großen Hauptgebäude in der Husgasse muß endlich zur Ausführung kommen, sowie auch die Stockwerkaufbauten auf die zu kaufenden Häuser in der Konviktgasse und auf dem Bethlehemplatz. Dringend muß wenigstens die Angliederung von Lehrkanzeln für Forstwirtschaft und Veterinärwesen an die landwirtschaftliche Abteilung in Tetschen-Liebwerd verlangt werden, ebenso der Ausbau der montanistischen Abteilung.
Bezüglich der von der Regierung geplanten Errichtung einer technischen Zentralbibliothek stimmt das deutsche Professoriumkollegium der Teilung nach einem festzustellenden Schlüssel zu, es kann sich hiebei keineswegs für eine gänzliche Loslösung aussprechen, weil diese für Lehrer und Hörer eine empflindliche Hemmung in der Benützung der Bibliothek bedeutet.
Ein dringendes Verlangen aller Hochschulen ist die endliche Besetzung vieler vakanten systemisierten Professuren, eine ausreichende Dotierung mit Hilfskräften, eine freigebigere Dotierung mit Reisestipendien für Professoren, Fachschulen und Studenten - unsere deutschen Romanisten und Anglisten zum Beispiel finden absolut nicht dieselbe Berücksichtung wie die èechischen - die dringliche Bestellung von Assistenten, Angestellten und Waschfrauen auf kurzem Wege - eine Waschfrau muß heutzutage den Ministerrat passieren, bevor sie bewilligt wird! - erhöhte staatliche Zuwendungen für unsere unter schwierigen Verhältnissen musterhaft arbeitende soziale Studentenfürsorge sind notwendig und zwar sowohl für die Wohnungsfürsorge im deutschen Studentenheim in der Mariengasse und im Studentenwohnhaus in der Krakauergasse, als auch in der Ernährungsaktion, die Stude tenküche, die Speisemarkenverteilung, die Bekleidungsaktion und für den Studentenaustausch mit den Vorbildern auf dem Gebiete der sozialen Studentenfürsorge, mit den Hochschulen in Dresden, Leipzig und Tübingen. Wir anerkennen die staatliche Aushilfe, wir anerkennen auch die Dotierung aus dem Masarykfond, aber die Mittel müssen doch zum größten Teil heute noch durch die Selbsthilfe des ganzen sudetendeutschen Volkes aufgebracht werden.
Einen Beschwerdepunkt muß ich hier noch vorbringen, der freilich nur zum Teil in die Kompetenz des Schulministeriums fällt, die Frage der endlichen Errichtung der deutschen Hebammenschulen und deutscher Krankenpflegerinnenkurse. Seit dem Jahre 1919 haben wir keine Heba mmenkurse. Die Verhältnisse besonders auf dem flachen Lande sind trostlos, der Volksnachwuchs ist durch den Mangel an gutvorgebildeten Hebammen aufs ärgste gefährdet, die Sache geht nicht vorwärts, trotzdem auf vielfaches Betreiben mir bereits im August vom Gesundheitsministerium sicher die Eröffnung eines Kurses in einer deutschen Stadt in Aussicht gestellt wurde und der Herr. Gesundheitsminister vor kurzem diese Zusage bekräftigt hat. Wir verlangen, daß mit Jänner 1924 diese Kurse endlich aktiviert werden und die Personalfrage schleunigst gelöst werde. Die Erhebung unserer deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste, unserer höchsten gelehrten Institution, zum Range einer Akademie, ist eine einfache Ehrenpflicht des Staates.
Meine Herren, es ist ein Riesenkomplex von sehr begründeten Beschwerden über die Mängel unseres deutschen Hochschulwesens. Das Elend ist besonders an der medizinischen Fakultät sehr groß, so groß, daß dessen schleunigste Behebung oder Nichtbehebung Sein oder Nichtsein dieser Institute bedeutet. Als ich diese Beschwerden im Budgetausschuß vorbrachte, hat der Herr Unterrichtsminister ausführlich geantwortet und die Anschauung geäußert, daß meine Äußerungen dahin interpretiert werden können, es hätten nunmehr die deutschen Hochschulen ihre Hamletfrage gelöst. Es ist notwendig, daß ich mich zu dieser Äußerung hier im Hause wende.
Der Herr Minister hat nämlich eines nicht berücksichtigt: Daß nämlich unter den gegebenen Machtverhältnissen die Hamletfrage der deutschen Hochschulen nicht mehr die Verlegung oder Nichtverlegung, sondern, wie ich aus dem beigebrachten Material genügsam dargelegt zu haben glaube, das nackte Sein oder Nichtsein eines ernsten wissenschaftlichen Betriebes auf den deutschen Hochschulen bedeutet. Es staht nicht in unserer Macht, aus der Hochschulfrage eine Verlegungsfrage zu machen, das wissen wir. Ich muß mich pflichtgemäß darauf beschränken, hier den Nachweis zu erbringen, daß heute den deutschen Hochschulen selbst auf dem Prager Boden, also dort, wo die Regierung die deutschen Hochschulen haben will, eine gedeihliche Wirksamkeit langsam unmöglich gemacht wird. Die Hamletfrage ist also heute Sein oder Nichtsein auf dem Boden, auf den seinerzeit die Geschichte unsere deutschen Hochschulen gestellt hat und wo sie eben so lange ausharren werden, bis eventuell wieder ein neues Blatt der Geschichte wird aufgeschlagen werden. Unsere Pflicht als Vertreter der realen Interessen des deutschen Volkes aber ist es, unsere Ho schulen, auf welchem Boden immer sie sich befinden, ungeschmälert zu wahren und unserem Volke die Möglichkeit zu geben, für die Gegenwart und die Zukunft sich unter allen Umständen einen ernsten und modernen Forschungs- und Lehrbetrieb und damit einen auf der Höhe der Zeit stehenden akademischen Nachwuchs zu sichern.
Wenn Herr Minister Bechynì die Bereitwilligkeit erklärt hat, nunmehr den deutschen Hochschulen auf Prager Boden die nötigen Bauinvestitionen zukommen zu lassen, so kann dieses Anerbieten entweder angenommen oder abgelehnt werden. Mein völkisches Gewissen zwingt mich bei realer Erwägung aller heute bestehenden Verhältnisse zu erklären, daß ich die Ablehnung als eine sehr schwere Versündigung an der Kultur unseres sudetendeutschen Volkes und an der Zukunft dieser Kultur betrachten muß. Ja noch mehr, ich behaupte, dieses Anerbieten muß angenommen werden, weil die folgende Erfüllung oder Nichterfüllung zeigen wird, ob die geäußerte Bereitwilligkeit der Unterrichtsverwaltung eine echte war. (Souhlas na levici.) Lehnen wir dieses Anerbieten ab, würden wir damit der Regierung und dem Schulministerium diesen Erweis der Bereitwilligkeit ersparen; und darüber hinaus: sie hätten damit von vornherein dem Ausland gegenüber die Ausrede zur Hand, daß für die Bedürfnisse der deutschen Hochschulen nichts zu geschehen brauche, weil die Deutschen selbst die Förderung ihrer deutschen Hochschulen in Prag gar nicht wollen. Bei dieser Argumentation möchte ich speziell dem Herrn Minister Bechynì eine mala fides absolut nicht zumuten, da er ja im Gegensatz zu früheren Perioden der Unterrichtsverwaltung für manche deutsche Beschwerde und manchen Schmerz ein gewißes Verständnis gezeigt hat, was ja als erfreuliches Zeichen beginnender Besinnung auch bei mancher dem Ministerium unterstehenden und von ihm beeinflußten Instanzen zu konstatieren ist.
Aber ich frage: Können Politiker, die es mit dem deutschen Kulturbesitz und mit der Wahrung dieses Kulturbesitzes ernst nehmen, die Verantwortung tragen, der Regierung zu einer solchen Argumentation zu verhelfen, die unnennbaren Schaden für unsere höchsten Kulturgüter auslösen muß? Wer der Regierung die Möglichkeit zu einer solchen Argumentation liefert, der müßte gleichzeitig dem deutschen Volke die Möglichkeit geben, aus eigener Kraft in absehbarer Zeit das durchzuführen, was als begreiflicher idealer Wunsch gehegt wird: die Verlegung unserer Hochschulen in das deutsche Siedlungsgebiet. Bei den bestehenden Verhältnissen kann dies kein seiner Verantwortung bewußter Politiker riskieren. Im Gegenteil, es erweist sich immer als notwendiger, endlich einmal der Regierung diesen Vorwand der Verlegung zu entziehen, weil ja, wie die bisherigen Erfahrungen zur traurigsten Genüge gezeigt haben, die Regierung diesen Vorwand sehr gerne dazu benutzt hat, um uns in der Frage der Gewährung der nötigen Bauinvestitionen stets nur kalte Ablehnung zu zeigen.
Der radikalste Standpunkt allein in dieser Frage macht es nicht. Damit verlegt man keine Hochschulen, wohl aber verlegt man leider Gottes etwas anderes dabei aufs gründlichste: die Erhaltung und Ausgestaltung des vorhandenen deutschen Hochschulbesitzes.
Ich wende mich dem Kapitel der Mittelschulen zu. Das Mittelschulbudget weist gegen das Vorjahr ein Plus von 17 Millionen aus, wobei den Hauptteil der Personalaufwand trägt. Die Deutschen partizipieren an diesem Mehraufwand nur zum geringsten Teil, weil das deutsche Mittelschulwesen im Jahre 1923 wieder starke Abgänge aufzuweisen hat. Fünf deutsche Anstalten sind vollständig aufgelassen worden: Prachatitz, Mährisch-Neustadt, Budweis, Weinberge, die Prager Lehrerinnenbildungsanstalt; fünf sind im fortschreitenden Abbau begriffen: das Gymnasium in Lundenburg, Znaim, Pilsen, das Obergymnasium in Weidenau, die Lehrerbildungsanstalt in Olmütz, während èechischerseits acht neue Anstalten errichtet wurden, die ich nicht aufzuzählen brauche. Allerdings sind auf èechischer Seite auch drei Anstalten aufgelassen worden, das Gymnasium in Prag-Kleinseite, die Lehrerbildungsanstalten in Hoøowitz und Polièka. Sehr betrübend ist für uns die Statistik der deutschen Mittelschulauflassungen und èechischen Mittelschulgründungen seit dem Umsturz. Aufgelassen, bezw. im Abbau begriffen sind seit 1918 25 deutsche Mittelschulen, neu errichtet wurden seit 1918 36 èechische und 54 slovakische Mittelschulen, im ganzen 90 Anstalten. Von diesen neu errichteten Anstalten sind eine ganze Reihe in deutschen Städten, Trautenau, Aussig, Troppau, Reichenberg, Iglau, Neutitschein, Böhm. Leipa u. s. w.
Nun zum Kapitel Volksschulwesen. Das ist für uns seit dem Umsturz der springende Punkt, das ist der springende Punkt auch für die Schulverwaltung und ihre Politik. Wir haben hier Verluste erlitten, von deren Berechtigung uns kein noch so eingehendes Zahlenmaterial der Unterrichtsverwaltung und keines der ad hoc fabrizierten Gesetze überzeugen kann. An der ganzen für das Volksschulwesen ausgeworfenen Summe von 206 Millionen partizipieren die Deutschen nur mit dem verhältnismäßigen Anteil an den Zulagen des Staates für die Lehrergehälter, wofür 181 Millionen ausgeworfen sind, d. h. mit rund 27 Millionen. Alle restlichen Ausgaben entfallen auf rein èechische Schulzwecke und der Hauptbetrag von 123 Millionen auf das slovakische Schulwesen.
Über das Minderheitsschulwesen muß ich sehr eingehend sprechen, weil dieses zu den schwersten Vorwürfen gegen die Unterrichtsv erwaltung Anlaß gibt. Das Erfordernis beträgt fast 56 Millionen, davon entfallen auf den Personalaufwand über 40 Millionen, was gegenüber dem Vorjahre eine Steigerung von 9 Millionen bedeutet. Dage en hat man den Sachaufwand um annähernd den gleichen Betrag herabgeschraubt, darunter auch den für Mietzwecke proponierten Betrag, so daß die deutschen Gemeinden, an deren Schulen vielfach die èechische Minderheitsschule zwangsweise eingemietet wurde, in einzelnen Fällen jetzt noch länger auf den geschuldeten Mietszins warten können. Wir haben vieie Klagen aus deutschen Gemeinden, die seit Jahren, ohne gefragt worden zu sein, èechische Minderheitsschulen beherbergen müssen und keinen Zins dafür bekommen. Ich ersuche um Berücksichtigung dieser wirtschaftlich wichtigen Angelegenheit.