Pondìlí 5. listopadu 1923

Diese Worte und Kundgebungen haben, wie ich schon sagte, auch bei vielen ernstzunehmenden deutschen Politikern immer und immer wieder das Gefühl oder die Überzeugung genährt, daß tatsächlich durch eine Erwiderung der freundschaftlichen Worte und Gesinnungen die psychologischen Voraussetzungen werden geschaffen werden, die eines Tages zur ernsten Zusammenarbeit der Deutschen und Èechen in diesem Staate und schließlich auch dazu führen werden, dem deutschen Volke in diesem Staate seine Selbstverwaltung und Unabhängigkeit zu sichern. In Paris ist nun das Wort vom Zusammenstehen in guten und bösen Tagen gefallen. Verehrte! Der Anlaß, die Persönlichkeit, die da in Betracht kommen, lassen wohl keinen Zweifel darüber bestehen, wie dieses Zusammenstehen in guten und bösen Tagen gemeint ist. (Posl. Patzel: Solange der andere keine Flinten hat, stehen sie zusammen!) Sehr richtig. Wer bisher die Hoffnung gehegt hat, daß von die er Stelle die Politik der mittleren Linie, die Politik der Korrektheit oder der Freundschaft auch gegenüber Deutschland geführt werden wird, hat wohl in diesen Tagen seine schmerzliche Enttäuschung erlebt.

Was ist das Ziel Frankreichs? Kollege W. Feierfeil, der vor mir gesprochen hat, hat die Absichten und Ziele der französischen Politik klar und deutlich umschrieben. Der französischen Politik handelt es sich um nichts anderes als um die dauernde politische Niederhaltung Deutschlands und die Versklavung Mitteleuropas, darum, Mitteleuropa zu einer Slavenkolonie des westlichen Kapitalismus zu machen. Alle Politik seit Versaille läuft letzenendes auf dieses Ziel hinaus, möge sie sich nun heute in diese oder morgen in jene Formen kleiden. In guten und in bösen Tagen! Es ist keine Frage, daß man bemüht oder vielleicht bestrebt ist, das Ziel, das sich die französische Politik gesetzt hat, auf friedlichem Wege durchzusetzen, auf friedlichem Wege in dem Sinne, daß man die militärisch ohnmächtigen Staaten zwingt, ihre unmöglichen Reparationsleistungen zu erfüllen, daß man geneigt ist, das letzte herauszupressen, was nur herauszupressen geht, bevor man zu militärischen Maßnahmen schreitet. Aber wie wir im Verlaufe der letzten Jahre besonders in Bezug auf Deutschland gesehen haben, ist es schließlich unmöglich, auf friedlichem Wege jene Reparationssummen herauszuholen, weil es einfach undenkbar ist, daß heute Deutschland jene Reparationslasten tragen kann, die ihm auferlegt wurden. Nun geht die Politik Frankreichs immer darauf hinaus, die Deutschen schuldig werden zu lassen, wie Kollege Feierfeil vorhin dargelegt hat, indem man einmal vorgibt, daß der Zahlungswille, der Leistungswille Deutschlands bald auf diesem, bald auf jenem Gebiete versagt, und die Friedensverträge werden dann einfach schändlich gebrochen. Man setzt sich über jeden Vertrag und jede Sittlichkeit hinweg und schreitet einfach zur Besetzung des Landes des wehrlosen Gegners, um eben auf diese Weise die Pressionen auszuüben, mit deren Hilfe man glaubt, schließlich zum wirtschaftlichen Ziele zu kommen Man nennt das, wie sich Dr. Beneš ausdrückt, die friedliche Durchdringung oder aber die Rekonstruktion Europas, an der so eifrig Anteil zu nehmen, sich Dr. Beneš rühmt. Er hält sich sehr viel darauf zugute, daß er beispielsweise an der Rekonstruktion Österreichs hervorragenden Anteil genommen hat und stellt dieses rekonstruierte Österreich auch als Muster für Ungarn und Deutschland hin. In seinem Exposé legt er großen Wert darauf, die Wege zu zeichnen, die wir zu gehen haben, beziehungsweise die Ungarn und Deutschland zu gehen hat, um auch zu jener Rekonstruktion, zu jener Konsolidierung, zu jenem friedlichen Verhältnis zu kommen, in dem sich seiner Meinung nach heute Deutschösterreich befindet. Nun, meine Verehrten. Deutschösterreich ist wohl heute im Vergleich zu Deutschland scheinbar einigermaßen konsolidierter, aber Deutschösterreich ist heute im wahrsten Sinne des Wortes ein politisch vollständig abhängiger Staat, in dem auch keine Spur von Souveränität mehr vorhanden ist, obwohl dort noch das Parlament tagt und die Regierung das Land verwaltet. Aber von einer Souveränität, von einer staatlichen Selbständigkeit, von einem eigenen Willen ist auch nicht die geringste Spur vorh anden und die Rekonstruktion und Konsolidierung wirkt sich letzten Endes furchtbar aus an der Arbeiterschaft, an der Beamtenschaft, an allen schaffenden Ständen, die ganze Rekonstruktion Deutschösterreichs bedeutet heute für das deutschösterreichische Volk nichts anderes, als auf Jahrzeh nte hinaus den Roboter und wirtschaftlichen Sklaven für das Bank- und Börsenkapital zu machen, für die Herren Bosel und wie sie alle heißen. Und den selben Weg empfiehlt zur Rekon struktion und Konsolidierung auch für Deutschland und Ungarn in seinem Exposé der Herr Minister des Äußern Dr. Beneš; er sagt in Bezug auf Ungarn, daß man bereit sei, dem ungarischen Staat in ähnlicher Weise wie dem deutschösterreichischen Volk zu helfen, wenn die Hypotheken, die auf einen bestimmten Teil des magyarischen Volksvermögens lasten, für gewisse Zeit beseitigt werden, wenn auch in Ungarn eine Finanzkontrolle, so wie in Österreich durch Zimmermann, eingesetzt wird, wenn unter dem Druck dieser Maßnahmen die vollständige Abrüstung Ungarns durchgeführt wird und die Unterfertigung eines Protokolles erfolgt, welches ähnlich oder gleich ist dem Genfer Protokoll, das die österreichische Regierung unterfertigt hat. Dasselbe Verhältnis, das politische Helotenverhältnis, das wirtschaftliche Sklavenverhältnis, das man Deutschösterreich diktierte u. z. kraft der Bajonette, über die man gegenwärtig verfügt, dasselbe Verhältnis soll dem ungarischen Staat gegenüber gelten und diese selbe Politik befürwortet Dr. Beneš auch dem Deutschen Reich gegenüber; und er meint, daß es eigentlich eine Ironie sei, dem Deutschen Reich unter die Arme zu greifen, denn ein emporblühendes oder emporkommendes Deutsches Reich wird ja letzten Endes auch ein Konkurrent - wirtschaftlich gesprochen - der Èechoslovakei werden. Trotzdem aber, so sagt Dr. Beneš, erwägt man bereits heute, damit Deutschland das bezahle, was es bezahlen soll, daß es notwendig sein werde, ihm beizustehen, wie dies mit Österreich der Fall war. Man ist weit davon entfernt, etwa dem deutschen, oder dem ungarischen Volk eine Hilfe zuteil werden lassen, die seine Produktion fördert, die wirklich im Innern den wirtschaftlichen Zusammenbruch, hemmen könnte, man will nur so weit gehen, daß dieses Deutschland eben gerade sein Leben von heute auf morgen fristen kann. Bevor man ihm überhaupt in diesem Sinn finanziell unter die Arme zu greifen gewillt ist, ist die Voraussetzung wie bei Österreich und wie bei Ungarn die Unterfertigung von Protokollen und Verträgen, die das Deutsche Reich auf Jahrzehnte hinaus wehrlos zum politischen Heloten erniedrigen und die es dauernd oder auf Jahrzehnte hinaus zum Spielball der militärisch gerüsteten Nachbarstaaten machen. Das ist das Ziel, das sich die französische Politik gestellt hat. Wenn es nicht im Guten geht, soll es eben im Bösen gehen und diese Politik mitzumachen im Guten und Bösen, haben sich die leitenden Staatsmänner dieses Staates in Paris zur Pflicht gemacht, ohne auch nur einen Augen blick an die Rückwirkungen einer solchen Politik für den eigenen Staat zu denken. Die leitenden Staatsmänner dieses Staates haben also das Schicksal ihres Volkes auf Gedeih und Verderb mit dem französischen Imperialismus und Militarismus verknüpft, dessen Ziel die dauernde Versklavung und Wehrlosmachung Deutschlands ist. Das èechische Volk ist von 3 Seiten von dem 70-Millionenvolk der Deutschen eingeschlossen. Der dauernde wirtschaftliche, kulturelle und nationale Aufstieg des èechischen Volkes hängt sowohl nach seiner geographischen Lage wie durch die natürlichen Verkehrswege und kraft der wirtschaftlichen Beziehungen letzten Endes, das ist unsere Überzeugung, auf das engste mit dem Schicksal des deutschen Volkes zusammen.

Die in Paris so unzweideutig vertretene èechische Politik ist sicherlich in Wien und Berlin verstanden worden und sie wird sich, wenn keine Umkehr erfolgt, auswirken, sobald die Ohnmachtstellung Deutschlands wiederum einem starken wehrfähigen Reich gewichen sein wird. Und diese Wehrfähigkeit wird früher eintreten, als das Ziel des französischen Imperialismus und Militarismus erreicht ist. Die Worte, die in Paris gesprochen wurden, haben aber auch die 3 1/2 Millionen Sudetendeutsche dieser Republik ins Herz getroffen. Vielleicht niemals in der letzten Zeit sind die Gefühle unauslöschlicher nationaler und kultureller Schicksalgemeinschaft aller Deutschen so lebendig gewesen als in den Tagen, da in Paris die Worte vom Zusa menstehen in guten und bösen Tagen fielen. Aus den sudetendeutschen Landen schallt heute das tausendfache Echo zurück: Ihr Brüder und Schwestern an Donau und Rhein, auch wir stehen zu Euch in guten und bösen Tagen. (Potlesk na levici.)

3. Øeè posl. dr. Czecha (viz str. 108 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Gegenüber den Vorgängen in Deutschland treten alle anderen außenpolitischen Ereignisse weit in den Hintergrund. Deutschland ist heute der Brennpunkt des Weltgeschehens, es ist der Mittelpunkt der Weltpolitik. Deutschlands Schicksal ist das Schicksal Europas, es ist das Schicksal der Demokratie, des Sozialismus und darum wollen wir uns in dieser Stunde, in der sich Deutschlands Schicksal und damit das Schicksal der ganzen Welt entscheidet, ausschließlich diesem Problem zuwenden. Alle anderen Fragen der Weltpolitik, der Außenpolitik, die uns gleichfalls am Herzen brennen, die ungarische Frage, das Abrüstungsproblem, den Völkerbund, die Minoritätenfrage usw., alle diese Fragen wollen wir einer späteren Aussprache, gegebenenfalls einer Erörterung im außenpolitischen Ausschuß, unterziehen. Damit wollen wir die Bedeutung aller dieser Probleme absolut nicht unterschätzen, im Gegenteil, die Erörterung der ungarischen Frage, die Auseinandersetzung mit dem Horthysystem, scheint uns vom Standpunkte der Arbeiterklasse außerordentlich dringlich. Doch auch sie rückt gegenüber dem gewaltigen Drama, das sich in diesem Augenblicke in Deutschland abspielt, in ihrer Bedeutung und in ihren Wirkungen naturgemäß in die zweite Linie. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)

Wenn ich mich nun dem deutschen Problem zuwende, so möchte ich mit der Feststellung beginnen, daß sich das Exposé des Herrn Außenministers gerade in diesem Punkte von seinen früheren Darlegungen wohltuend abhebt und daher einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. In klarer Weise beantwortet es die Frage, die auf unser aller Lippen schwebt, wie sich denn die Èechoslovakei im entscheidenden Augenblicke zu Deutschland stellen wird. Wenn uns die Antwort des Herrn Außenministers auch hier noch immer nicht befriedigt, wenn sie uns unzureichend scheint, so liegen die Gründe hiefür auf anderem Gebiete, über das wir später einiges sagen wollen. Um unseren Standpunkt zu Deutschland verständlich zu machen, müssen wir die Vorgeschichte, die einzelnen Phasen, die ganze Entwicklung der Ruhrkrise darstellen, die Rechtslage analysieren, die Schuldfrage stellen und beantworten und hiebei Licht und Schatten gleichmäßig verteilen. Nur so werden wir unseren Standpunkt voll zur Geltung bringen können. Für uns war es sofort klar, daß der Einmarsch der Franzosen ins Ruhrgebiet nicht etwa ein bedeutungsloser harmloser internationaler Zwischenfall sei, sondern ein Ereignis von ungeheuerer Trageweite und unausdenkbaren Folgen und zwar nicht bloß für die unmittelbar beteiligten Staaten, für Frankreich und Deutschland, sondern auch für ganz Europa, für die ganze zivilisierte Welt. Schon die bloße Tatsache eines bewaffneten Überfalles auf ein unbewaffnetes und wehrloses Volk mußte ohne Rücksicht darauf, ob dieser Überfall rechtlich begründet ist oder nicht, schon vom rein moralischen Standpunkt die schwersten Konsequenzen zeitigen. Und da dem Überfall überdies noch jede rechtliche Unterlage fehlte und er sich sohin als nackter Gewaltakt darstellte, waren die schwersten außenpolitischen Rückwirkungen unausbleiblich. Der Rechtsbruch begann schon bei der bloßen Berufung auf den Versailler Friedensvertrag, der eigentlich rechtlich niemals existent geworden ist, da er zwischen Deutschland einerseits und den Ententestaaten andererseits abgeschlossen wurde und Amerika die Unterfertigung des Vertrages verweigerte. (Sehr richtig!) Daran erinnerte Poincaré in einer Rede, die er vor einigen Tagen am 1. November beim Kriegerdenkmal in Nevers gehalten hat, indem er aussprach: "Es haben aber" - sagt Poincaré wörtlich - "einige Verbündete vergessen, daß sie den Kaiser energisch vor den Richterstuhl forderten, andere wieder haben, unzureichende Garantien anbietend, ihr Versprechen zurückgezogen und den Friedensvertrag, an dem sie mitgearbeitet haben, nicht ratifiziert." Amerika hat also den Friedensvertrag nicht ratifiziert, es hat auch naturgemäß die Reparationskommission nicht beschickt. Die Reparationskommission war also von der ersten Stunde an ein Rumpfkörper. Es fehlte ihr jede rechtliche Grundlage, es mußten ihre Beschlüsse und Entscheidungen von Haus aus rechtlich unwirksam sein, umsomehr als dann auch England in der Ruhrfrage nicht mitmachte, die Ruhraktion ablehnte und schärfstens verurteilte. Es konnten daher auch in diesem Punkte die Beschlüsse der Reparationskommission niemals rechtlich existent werden. Der französische Schritt war aber auch aus einem anderen Grunde juristisch unhaltbar. Nach dem Inhalt des Versailler Vertrages ist für die aus ihm fließenden Maßnahmen volle Einmütigkeit und ein gemeinsamer Schritt sämtlicher Signatarmächte die Grundbedingung. Der selbständige Schritt einer Einzelmacht war unzulässig und rechtswidrig. Darüber gab es die längste Zeit zwischen den Vertragsteilen keinerlei Meinungsverschiedenheit. So oft die Frage aufgeworfen wurde, wurde sie in diesem Sinne beantwortet. Diese Auffassung vertrat auch immer und zwar bis zur Ruhrkrise der französische Delegierte der Reparationskommission, und Vorsitzende der Reparationskommission Barthou gab ihr in einem von ihm veröffentlichten Werk eine klare Formulierung. Auch Poincaré dachte noch im Jahre 1920 nicht anders. Nach der eigenmächtigen Besetzung Frankfurts verpflichtete er sich dann für die Zukunft zu gemeinsamen Aktionen aller Verbündeten, und auch Clemenceau war der gleichen Auffassung. Denn als Rumänien im Jahre 1919 in Ungarn einmarschierte, um sich dort Reparationen einzuholen, stieß es auf den heftigsten Widerstand Clemenceaus, welcher diesen Schritt auf das entschiedenste verurteilte und seine Rückgängigmachung verlangte. Damals schrieb Clemenceau in einer Note an Rumänien, "es sei ganz unmöglich, die Gesamtheit der Reparationen in miteinander konkurrierende Einzelaktionen aufzulösen. Hiedurch werde nur die Habgier geweckt und durch das Durcheinander der Aktionen die Zahlung vereitelt." Damals mußte Rumänien unter dem französischen Druck den ungarischen Boden verlassen und ohne Reparationen abziehen. Und kurz darauf überbot Frankreich den rumänischen Schritt, indem es hudertfältigen Rechtsbruch vollzog und sich über alle rechtlichen und moralischen Bedenken skrupellos und souverän hinwegsetzte! Alle diese Tatsachen kennt der Herr Außenminister besser als wir alle hier. Doch haben wir bisher ähnliche Feststellungen aus seinem Munde stets vermißt. Und wenn wir diese Feststellungen heute machen und die Erinnerung an diese Tatsachen wieder auffrischen, so nur deshalb, um der èechischen Öffentlichkeit die wahre Sach- und Rechtslage vor Augen zu führen, um mit dem in der èechischen Presse seit Jahr und Tag verbreiteten Märchen vom mangelnden Zahlungs- und Erfüllungswillen Deutschlands aufzuräumen und das falsche Bild zu beseitigen, das man gegen besseres Wissen von der angeblich nationalistischen Einstellung der deutschen Arbeiterklasse entworfen hat, (Sehr richtig!) die sich vom ersten Augenblick an auf den Boden der Erfüllungspolitik stellte und diesen Boden bis zum heutigen Tage überhaupt nicht verließ.

Nach den französischen und nach den èechischen Darstellungen wurde Frankreich der Einmarsch in das Ruhrgebiet förmlich aufgenötigt, da Deutschland angeblich bis dahin auch nicht einmal einen Bruchteil der von ihm übernommenen Verpflichtungen eingelöst und sich trotz aller bestehenden Möglichkeiten seinen Verbindlichkeiten beharrlich entzogen habe. Noch in seiner Novemberrede in Nevers erzählte Poincaré - ich zitiere wörtlich - daß Deutschland seine Bankerott systematisch organisiert, seinen Zustand selbst herbeigeführt und gewollt hat. Und ähnliche Feststellungen macht Poincaré in seiner Rede, die er am gestrigen Tage bei einer Kriegerdenkmalfeier in Brive gehalten hat. Aber all diese Behauptungen sind durchaus aus der Luft gegriffen. Darum kommt gerade jetzt, gerade in dieser Stunde ein Artikel zurecht, den Keynes am gestrigen Tage in der "Neuen Freien Presse" veröffentlicht hat und worin er wörtlich sagt: "Es ist schädlich, daß gewisse Zeitungen von Beschuldigungen erfüllt sind, daß Deutschland fast nichts gezahlt habe, daß es sich seinen Verpflichtungen entzogen, daß es durch Kniffe und Schliche seine Gläubiger betrogen habe. Diese Behauptungen und Berichte sind samt und sonders unwahr". Keynes berechnet dann die finanziellen Kosten Deuts chlands aus Anlaß der Erfüllung des Versailler Vertrages für die Zeit vom Waffenstillstand bis zur Ruhrbesetzung und beziffert sie mit einer Milliarde Pfund Sterling. Zählt man, wie Keynes weiter sagt, die Beträge dazu, die Deutschland aufbringen mußte, um die Privatschulden zu zahlen, so erreicht die obige Ziffer nach den Mitteilungen Keynes 1·3 Milliarden Pfund Sterling. Keynes fügt hinzu: "Außerdem sind Deutschlands Vorkriegsanlagen in Rußland, in der Türkei und in Österreich, - seine Kriegsdarlehen an die Verbündeten nicht mitgerechnet - durch die Ereignisse wertlos geworden und naturgemäß als Kriegskosten mitzuveranschlagen." Keynes fügt dann noch hinzu: "Bei Berücksichtigung des veränderten Geldwertes, des beiderseitigen Reichtums und der Bevölkerung Frankreichs vom Jahre 1871 und Deutschlands vom Jahre 1919 ste lt sich die bisherige Leistung Deutschlands per Kopf auf mehr als das Doppelte jener Lasten, die Frankreich durch die Zahlungen nach dem deutsch-französischen Krieg auferlegt wurden. (Hört! Hört!) Und das ist erst der Anfang der Leistungen und Zahlungen Deutschlands." Wohl macht Poincaré in seiner gestrigen Rede ganz andere Angaben. Er beziffert die bisherigen Gesamtleistungen Deutschlands auf 9 Milliarden Goldmark, aber Keynes weist am gleichen Tage nach, daß Deutschland in Wirklichkeit mehr geleistet hat, als ihm in den Büchern der Reparationskommission gutgeschieben wurde, und weist weiter auf die für Deutschland ungünstige Bewertungsmethode des Friedensvertrages und auf eine ganze Reihe von Tilgungsposten hin, die als Reparationsleistungen nicht gebucht sind, für Deutschland aber natürlich schwere Verlustposten bedeuten. Es ist wahr, Deutschland ist im Zeitpunkte der Ruhrbesetzung mit gewissen Sachleistungen im Rückstand geblieben. Es ist richtig, daß es zu diesen Rückständen nicht kommen mußte, aber es ist ebenso richtig, daß dieser Rückstand minimal ist. Bei der Kohle sind es 2·1 Millionen Tonnen, beim Holz 20.000 Kubikmeter, bei Telegraphenstangen 135.000 Kubibmeter. Vergleicht man diese Rückstände mit den vertraglichen Leistungen Deutschlands, so ergibt sich dann das Bild, daß Gegenüber den in diesem Zeitpunkte fälligen Gesamtleistungen Deutschlands der Leistungsrückstand kaum 15% betragen hat und daß der Wert dieses Rückstandes sich auf 24 Millionen Goldmark belaufe. Welch eine Geringfügigkeit gegenüber den grausamen Konsequenzen, die Frankreich an den Lieferungsverzug knüpfte, welch ein Mißverhältnis zu den drakonischen Maßnahmen, die Frankreich über Deutschland verhängte, obwohl ihm noch hundert andere Abwehrmöglichkeiten zu Gebote standen! Dazu kommt aber noch, daß Frankreich, selbst wenn Deutschlands Zahlungsrückstände noch größer wären, wenn seine angebliche Lieferungssäumigkeit noch schwerwiegender, wenn der Erfüllungsund Zahlungswille Deutschlands überhaupt nicht vorhanden gewesen wäre, zu den verhängten Strafmaßnahmen überhaupt nicht berechtigt gewesen ist, denn Frankreich kommt nach den Pariser Verträgen lediglich ein Anspruch auf finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen, niemals aber auch auf politische und militärische zu. Deutschland war überdies berechtigt, etwaige Strafvorkehrungen jederzeit durch Barzahlung des Sachlieferungsrückstandes abzuwehren. Über all das setzte man sich nun in Frankreich einfach hinweg, und vollzog die militärische Invasion, die in der ganzen zivilisierten Welt die schärfste Ablehnung fand und zu einem vernichtenden Urteile der Welt über Frankreich führte. Selbst ein französischer aktiver General Sarrail hat damals die Besetzung als den "letzten Rest vergangener Anschauungen" bezeichnet und weiter gesagt, daß "die ganze Besetzung überhaupt nichts wert sei, daß sie ei nen moralischen Einfluß übe, der die schwersten Folgen zeitigen könnte, denn", meint Sarrail, "um die Einhaltung der Verträge zu erreichen, brauche man nicht zu den Waffen zu greifen und Pfänder auf Pfänder zu häufen. Die etappenweise Räumung und Entmilitarisierung des besetzten Gebietes nach direkter Verständigung zwischen den Interessenten nach dem Grad der Erfüllung der Vertragspflichten sei der einzig richtige Weg." So ein aktiver französischer General. Und treffend war damals auch das Wort eines aktiven englischen Staatsmannes, der sagte, "mit den Reparationen stehe es so wie mit dem Huhn, das goldene Eier legt. Die Franzosen wollen das Huhn entleeren, ihm aber auch den Hals umdrehen, wir aber wollen das Huhn auffüttern, damit es später goldene Eier lege". Diesem Urteil aus offiziellen Ententekreisen könnten viele hundert andere Urteile angereiht werden. Ich lasse da die sozialistischen Kundgebungen vollständig außer Betracht, ich berufe mich nur auf die Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, auf Äußerungen aktiver Staatsmänner und Politiker, hervorragender Volkswirtschaftler, gewichtiger Männer der Wissenschaft. Die ganze öffentliche Meinung, auch in Ententekreisen, außerhalb Frankreichs und der Èechoslovakei, steht heut gegen die imperialistische Politik Frankreichs, das sich mit dem Ruhrabenteuer in der zivilisierten Welt vollständig isoliert hat und sich heute in derselben Lage befindet, in die Deutschland im Jahre 1914 geraten war, als es in Belgien eindrang. (Sehr richtig!)

Nachdem der Vertragsbruch Frankreichs, nachdem auch die Widerrechtlichkeit des Einmarsches erwiesen war, entwickelte sich dann alles ganz automatisch. Deutschland konnte sich, falls es sich nicht auf immerwährende Zeiten aus der Geschichte auslöschen wollte, naturgemäß nicht kampflos ergeben, es konnte der bewaffneten Invasion nicht bewaffneten Widerstand, es konnte der nackten Gewalt nicht Gewalt entgegensetzen.

Es mußte, um den schwersten innerpolitischen Konsequenzen zu begegnen, zu Abwehrmaßnahmen greifen, und diesbezüglich gab es nur eine einzige Möglichkeit: es war der passive Widerstand, zu dem man sich nicht leichten Herzens entschloß, da ja auch dieses Kampfmittel dem deutschen Volke und vor allem dem Deutschen Reiche die schwersten Opfer auferlegte. Aber von der ersten Stunde an wußte jedermann, daß dem passiven Widerstand nur dann ein Erfolg beschieden sein könne, wenn dieser Schritt durch eine äußere Einwirkung unterstützt würde. Der Schlüssel zur Situation lag in dem Moment, da der passive Widerstand einsetzte, bei England und bei Amerika. Wiederholt gab es im englischen Parlament Aussprachen über die Ruhrfrage. Kurz nach dem Einmarsch rief Smith im englischen Parlament Bonar Law zu: "England trägt die volle Verantwortung und die Mitschuld!" "Die Neutralität," rief Smith im englischen Parlament der Regierung zu, "sei nichts als ein zynis ches Verzeihen der durch keinerlei gesetzliche Gründe gedeckten Aktion." Ein Eingreifen des Völkerbundes sei unausweichlich. Und Bonar Law erhob sich sofort und sagte, "daß Poincaré schon im August 1922 ein Eingreifen des Völkerbundes abgelehnt und erklärt habe, daß ein neuerlicher dahin abzielender Vorschlag Englands als ein feindlicher Akt angesehen werden müßte". Wohl haben englische Staatsmänner wiederholt einen Anlauf unternommen, um die Ruhrfrage auch gegen den französischen Einspruch zur Austragung zu bringen, immer aber blieb England auf halbem Wege stehen und zog sich aus Angst vor den französischen Intriguen im Orient, in Ägypten und Indien in der lezten Minute immer wieder zurück. Dies, obwohl die Folgen der Ruhrkrise sich bereits in verhängnisvollster Weise in England geltend zu machen begannen, denn zu jener Zeit atte man schon in England 1 1/2 Millionen Arbeitsloser zu verzeichnen. Aber auch von Amerika war damals keine Hilfe zu erwarten. Amerika hat sich im Kriege ungeheuer bereichert, Amerika hat den ganzen europäischen Goldschatz an sich gebracht und sich dann einfach gegen Europa vollständig abgeschlossen und jedes Eingreifen in den europäischen Konflikt mit Entschiedenheit abgelehnt. Und nun, da von Amerika, da von England nichts zu erwarten war und eine andere äußere Einwirkung gänzlich ausgeschlossen war, etwa durch das Eingreifen des französischen Proletariats, das sich zum Kampfe gegen Poincaré zwar erhoben hatte, aber zu schwach war, den Kampf aufzunehmen und restlos durchzuführen, mußte der passive Widerstand Deutschlands zusammenbrechen und es mußte - ich zitiere ein schönes wahres Wort eines sozialistischen Blattes im Kampfe zwischen den Bajonetten Frankreichs und den gekreutzten Arme Englands die Gewalt triumphieren.

So hat denn der französische Imperialismus und Militarismus den Gipfelpunkt seiner Macht erklommen. Sein Glanz erstrahlt in hellem Lichte, aber unter dem französischen Kronleuchter wird es immer dunkler und dunkler.

Ehe der passive Widerstand eingestellt war, hatte Frankreich immer und immer wieder erklärt, daß es sofort nach seiner Aufhebung in direkte Verhandlungen mit Deutschland eintreten werde. Nun, da auch diese Bedingung erfüllt ist, da auch dieser Vorwand sich als nichtig erwiesen hat, läßt Poincaré seine Maske fallen und zeigt sein zweites, sein wahres Gesicht. Alle Welt wußte schon längst, daß es Poincaré niemals ernstlich um Reparationen zu tun war. Jedermann, Poincaré miteingeschlossen, wußte, daß Reparationen durch Waffengewalt nicht eingeholt werden können, jedermann begriff es, daß die Besatzungskosten das Zehnfache eines etwaigen Reparationsertrages verschlingen. Poincaré wollte aber, als er ins Ruhrgebiet einmarschierte, keine Reparationen, er wollte etwas anderes. Er wollte sich auf diesem Wege dasjenige holen, was ihm der Versailler Friedensvertrag versagt hatte, was ihm England und Amerika zu geben verweigert hatten: Er wollte die Hegemonie in Europa, die Zerschlagung und Vernichtung des Deutschen Reiches, die Eingliederung des Ruhrgebietes in Frankreich, die Beherrschung des größten mitteleuropäischen Eisen- und Kohlenzentrums, kurz er wollte die Beherrsckung der ganzen Welt, wie es jüngst in einer Straßburger Rede General Man gin erträumte, der dort von einem großen Frankreich vom Ärmelkanal bis zum Äquator mit 200 Millionen Menschen Bevölkerung sprach. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde Deutschland in ein Militärlager verwandelt, wurde das Wirtschaftsleben Deutschlands von seinem Herzen aus, als welches sich das Ruhrgebiet darstellt, unterbunden, wurde das politische Leben des Landes korrumpiert und zerrüttet, wurde der Partikularismus und Separatismus von Frankreich politisch und finanziell subventioniert, jede auf Deutschland Vernichtung abzielende Bewegung unter französisches Protektorat gestellt, wurde Europa förmlich unterwühlt und dadurch die Gefahr einer neuen blutigen Auseinandersetzung direkt heraufbeschworen. Dadurch ist Frankreich zum Zerstörer der europäischen Kultur, zum Vernichter des europäischen Friedens geworden. Dadurch ist Europa um ein Jahrhundert zurückgeschleudert, dadurch in das Jahr 1815 zurückgeworfen, dadurch 9 Jahre nach dem Ausbruch des Weltkrieges und 5 Jahre nach dem Abschluß des Friedens, an den Rand des Abgrundes gebracht worden.

Was Frankreich hier unternimmt, das ist die Fortführung seiner imperialistischen Bestrebungen, die schon in die Zeit der Kreuzzüge fallen, die in der Zeit der großen Revolution und in der napoleonischen Ära ihre Fortsetzung und in dem Ruhrkampf ihre Erfüllung finden. Seit vielen Jahrhunderten wogt zwischen Deutschland und Frankreich der Kampf um die Beherrschung des Rheingebietes hin und her; im 17. Jahrhundert unter Ludwig XIV., im 19. Jahrhundert unter Napoleon, bis er im Jahre 1871 zugunsten Deutschlands entschieden wurde. Und nun rollt Frankreich das Rheinproblem, um dessentwillen bereits die blutigsten und verheerendsten Kriege geführt wurden, wieder auf und sucht, da ihm der Weltkrieg dieses Gebiet versagt hatte, auf eigene Faust die von ihm ersehnte Ordnung am Rhein wieder herzustellen. Da aber Frankreich hier auf den Widerstand Deutschlands, da es auf den Widerstand der anderen Großmächte stieß, suchte es sich, nachdem es des großen zaristischen Verbündeten verlustig geworden war, seine Bundesgenossen im Osten bei der Kleinen Entente und bei Polen. (Sehr richtig!) Frankreich hat auch tatsächlich an diesen Ländern jenes Instrument gefunden, das ihm zur Verwirklichung seiner imperialistischen Pläne notwendig erscheint.

Herr Minister Dr. Beneš pflegt, sooft ihm die französische Orientierung der Außenpolitik dieses Landes vorgehalten wird, immer zu sagen, seine Politik sei weder französisch, noch englisch, sie sei auch nicht ententistisch, sie sei èechoslovakisch. Aber schon ein flüchtiger Blick auf die zurückliegenden 5 Jahre zeigt uns gerade das Gegenteil. Von der Geburtsstunde dieses Staates, an dessen Wiege französische Diplomaten und französische Generäle gestanden sind, steht die èechoslovakische Politik, die Innenpolitik, die Außenpolitik und die Wirtschaftspolitik vollständig im Banne Frankreichs. Die höchsten militärischen Stellen der Armee sind mit franzözischen Generälen besetzt, ihnen ist die Führung, ihnen die Ausbildung der Armee anvertraut, die in jeder Regung französischen militaristischen Geist athmet. Der einzige Staat der Ententegruppe, mit dem wegen einer Konvention verhandelt wurde, mit dem eine Konvention vielleicht schon abgeschlossen wurde oder demnächst abgeschlossen werden wird, ist Frankreich, just Frankreich. Ist das etwa ein Zufall? Wir haben kürzlich einen Handelsvertrag mit Frankreich abgeschlossen, der mitten im schwersten Notstand unserer eigenen Volktwirtschaft unsere Interessen der französichen Industrie geradezu ausliefert. Die eigene Industrie, vor allem die Textilindustrie, wird auf das schwerste benachteiligt und auf diese Weise die Arbeiterschaft, die zu Hunderttausenden arbeitslos ist, geradezu aufgeopfert. Wie ist das zu verstehen? Doch wozu diese Einzelheiten? Man braucht nur den Besuch des Herrn Präsidenten Masaryk in Paris in seiner ganzen Aufmachung und seinen Einzelheiten zu verfolgen und diesen Besuch nur mit den Besuchen in Brüssel und London zu vergleichen, um wissen zu kennen, wieviel es geschlagen hat. Allerdings, Frankreich ist es gewesen, dem der èechoslovakische Staat seine Entstehung verdankt. Freilich waren es durchaus egoistische Motive, die Frankreich veranlaßten, dem èechischen Volk zu seiner Selbständigkeit zu verhelfen. Um allen Mißdeutungen vorzubeugen, möchte ich es ohne weiteres zugeben, daß bei der Zerschlagung des alten Österreich, daß bei der Schaffung der Nachfolgestaaten, vor allem bei der Schaffung der Èechoslovakei die um die Freiheit ringenden Kräfte des èechoslovakischen Volkes am Werke gewesen sind. Und doch verdankt der èechoslovakische Staat seine Entstehung nicht sosehr jenen Grundsätzen, um derentwillen der Krieg angeblich geführt worden ist, nicht etwa dem von Wilson proklamierten Grundsatz der Befreiung der Nationen, sondern den strategischen Erwägungen Frankreichs, dem dieses Land, ein Instrument des gegen Deutschland gerichteten Imperialismus sein sollte. In einem zum Jahrestag der èechoslovakischen Revolution, vor einigen Tagen erschienenem Artikel des Herrn Dr. Kramáø hat man es lesen können, daß Lloyd George bis zum letzten Augenblick für die Aufrechterhaltung des österreichischen Staates gekämpft hat und daß es Frankreich gewesen ist, das das entscheidende Wort gesprochen hat. Diese imperialistische Mission des èechischen Staates ist natürlich auch für seine Konstruktion maßgebend gewesen. Entscheidend war, den Staat in ständiger Abhängigkeit von seinem imperialistischen Schöpfer zu halten, und hier war der Imperialismus der èechischen Herrenklasse, der die Ausbeutung der èechischen Arbeiterschaft nicht genügte, und die daher dem èechischen Staat noch nationsfremde Elemente einverleiben zu müssen glaubte, für Frankreich Mittel zum Zweck. Denn der èechische Staat war, solange er nicht zur Ruhe kam, erst recht dem französischen Imperialismus, der ihn unter seine Fittiche genommen hatte, auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Nur so erklärt sich die für den èechis chen Staat so verhängnisvolle französische Orientierung, nur so diese schier an Altruismus grenzende Hingabe der èechischen Machthaber an den französischen Imperialismus. Nur so erklärt sich das Festhalten an den Friedensvertägen zu denen - einen Teil der èechischen Arbeiterklasse ausgenommen - das èechische Volk wie zu einem Glücksstern aufschaut, nur so erklärt es sich, daß die Friedensverträge für die Machtklassen des èechischen Volkes förmlich eine Magna Charta dieses Staates geworden sind, die man sie sogar durch das neue Schutzgesetz schützen zu müssen glaubte. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.) Darum erblickt die èechische Kapitalistenklasse in jeder Änderung der Friedensverträge ein Attentat auf ihre vitalsten Interessen. Darum treibt sie mit den Friedensverträgen einen wahren Götzendienst, obwohl bereits die ganze Welt, Frankreich und die Èechoslowakei ausgenommen, Besiegte und Sieger schon längst erkannt haben, daß die Friedensverträge der ganzen zivilisierten Welt nur Unglück gebracht und Mitteleuropa vollends zu einem Brandherd gemacht haben, welcher die ganze Welt anzuzünden und in Flammen auf gehen zu lassen droht. Darum vermögen wir den Pariser Worten es Herrn Präsidenten Masaryk nicht zuzustimmen, der da sagte, daß die Friedensverträgegerecht sind und eingehalten werden müssen. Die Friedensverträge mögen so manches Unrecht gutgemacht haben, aber es geschah dies nicht, ohne daß nicht gleichzeitig neues Unrecht geschafien worden wäre. Neue Staatengebilde wurden ins Leben gerufen, um Völker zu befreien. Aber diese befreiten Völker haben sich wieder andere unterworfen. Neben dem befre ten Triest und Trient stehen Meran und Bozen. Unter dem Machtgebot des befreiten Polen stehen 3 Millionen Ruthenen, 10 Millionen Weißrussen, 2 Millionen Litauer und 3 Millionen Deutsche; im èechoslovakischen Staat neben den befreiten Èechen und Slovaken 3 1/2 Millionen Deutsche, rund 1 Million Magyaren, Ruthenen und Polen. Jawohl, die Friedensverträge haben manches Unrecht gutgemacht, haben berspielsweise für einen weitgehenden Arbeiterschutz und für die Regelung der Arbeitszeit Vorsorge getroffen, haben aber gleichzeitig Millionen und aber Millionen von arbeitenden Menschen die schwersten Lasten aufgebürdet, so daß sie unter diesen Lasten zusammenbrechen. Jawohl, zur Herstellung der verwüsteten Gebiete wurden Deutschland die größten Wiedergutmachungen auferlegt, aber da sie Deutschland nicht zu tragen vermag, wurde das deutsche Wirtschaftsleben verwüstet, ohne daß auch nur ein Heller von Reparationen dabei herauskäme. Was hat also der Pariser Friedensvertrag gebracht? Nichts als schwerstes Leid und Ungemach, er birgt den Keim schwerster kriegerischer Verwicklungen in sich und säet nichts als Haß. Er ist daher nicht, wie Minister Beneš sagte, besser als der Kriegszustand und müsse darum verteidigt werden. Gegen diese Auffassung des Herrn Ministers wenden wir uns mit aller Entschiedenheit, ebenso gegen jenes seiner Worte, das den Geist, der heute Frankreich beseelt, als Geist der Demokratie bezeichnet, während er in Wirklichkeit der Geist des Militarismus und des Imperialismus ist, der sich würdig an die Stelle des preußischen Militarismus setzen vermag. Treffend schrieb kürzlich das sozialdemokratische "Pravo Lidu": "Das offizielle Frankreich, das Masaryk grüßt, steht kulturell meilenweit von Frankreich entfernt. Die gesamten ruhmreichen Uberlieferungen der französischen Politik werden verleugnet. Alle Lehren aus dem Weltkrieg sind vergessen, alle moralischen Rücksichten sind beiseite gestellt. Ohne Nötigung und gegen seine eigenen Interessen, zum schweren Schaden für das eigene Land macht dieses offizielle Frankreich heute eine Politik, die seinen kulturellen und moralischen Einfluß auf die übrife Welt ernstlich bedroht." Das "Právo Lidu" schließt seine Ausführungen mit den Worten: "Es ist nur ein verhängnisvoller Irrtum, es ist die tragische Verirrung eines Volkes, dessen Seelenkräfte für den Augenblick der schweren Prufung des Krieges unterlegen sind. Das Volk bedauert es bitterlich und wartet nur auf die künftigen Wahlen, um seine Meinung kundzugeben."


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