Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 222. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 5. listopadu 1923.
1. Øeè posl. dr. W. Feierfeila (viz str. 93 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! In den langen Ausführungen des Herrn Außenministers ist einer der wahrsten Sätze ganz bestimmt der: "Die Verhältnisse in Deutschland komplizieren sich in einer solchen Form, daß das Problem Deutschlands heute das dominierende Problem der internationalen europäischen und Weltpolitik ist." Dieses Wort, meine hochverehrten Herren, ist ganz bestimmt richtig. Bei diesem Worte ist mir ein sehr bekannter Vers eingefallen, der da lautet: "Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu tun." Selbstverständlich ist von einem Bauen hier nicht die Rede, aber, um beim Worte des Dichters zu bleiben: Ein König ist niedergerungen worden und jetzt haben die Kärrner, jetzt hat die ganze Welt daran zu tragen.
Das Problem Deutschland ist, wie der Herr Außenminister gesagt hat, ein Problem der Welt geworden. Nicht richtig ist aber, was er in einem Atemzug hinzugefügt hat: "Der Zusammenbruch Deutschlands hat ein unerwartetes Ausmaß erreicht." Ich meine das Wort "unerwartet". Im Gegenteil. Man muß kein Außenpolitiker vom Fach sein - etwa so, wie es die èechoslovakische Außenpolitik nach ihrer Aufmachung wenigstens sein will - und man wird trotzdem Urteile anführen können, auch von Männern, welche eine internationale Bedeutung haben, die feststellen, daß das Ausmaß des Zusammenbruches, wie er in Deutschland erfolgt ist, nicht etwas Unerwartetes ist, sondern eine notwendige logische Folge einerseits aus den ungeheuren Friedensbedingungen, und andererseits namentlich aus der Brutalität Frankreichs gegenüber Deutschland seit der Beendigung des Krieges. Meine hochverehrten Anwesenden! Es wäre leicht, diesbezüglich Urteile von Autoritäten anzuführen. In dieser Hinsicht möchte ich gerade aus den letzten Monaten nur die zwei Namen Nitti und Lloyd George nennen.
Außerdem, hochverehrte Anwesende, ist, was gleich hinzugefügt werden muß, vom Herren Minister des Äußeren in Bezug auf das Verhalten der Èechoslovakei in dieser Situation Deutschland gegenüber ein ganz unrichtiges Wort ausgesprochen worden, und zwar hat er das Wort "Neutralität" gebraucht. Mein einfacher simpler Laienverstand in Bezug auf diplomatische Angelegenheiten sagt mir, Neutralität Deutschland gegenüber habe zur Voraussetzung, wenn das Wort überhaupt einen Sinn haben soll, Neutralität Frankreich gegenüber. Wie sind aber da die wirklichen Verhältnisse? Ich möchte da nur z. B. an eines erinnern, an eine Kleinigkeit an sich, verglichen mit den großen Geschehnissen. Damals, wo es sich darum handelte, aus den deutschen Notstandsgebieten deutsche Kinder auf einige Wochen in èechoslovakisches Gebiet zu übernehmen, ist diese Aktion von Seiten der Regierung nach Möglichkeit eingeschränkt, wenn nicht gar verboten worden, ebenso als es sich weiter darum handelte, Sammlungen zur Linderung der entsetzlichen Not, die in Deutschland herrscht, einzuleiten.
Bezüglich dieses Punktes verweise ich nur auf den Aufruf eines sicherlich ganz unverdächtigen Zeugen, des Erzbischofs von Köln. Was er in diesem Aufruf schreibt, reiht sich vollinhaltlich an das an, was etwa vor zwei Jahren aus Rußland herübergetönt ist, wo sich damals die russischen Müttern die Herzen Europas gewendet haben. Trotz jener ersch recklichen Not hat man in der Èechoslovakei verboten, Sammlungen einzuleiten oder hat sie wenigstens eingeschänkt, angeblich aus Neutralität Frankreich gegenüber!
Ich will das nicht weiter ausführen, ber ich konstatiere, daß selbst èechische Blätter für diese Erscheinung ein entsprechendes Wort gefunden haben, ein Wort, das sich beinahe deckt mit dem Wort "Kulturschande". Es ist dies nicht mein Wort, sondern das Wort dieser erwähnten èechischen Blätter. Aber Neutralität Frankreich und Deutschland gegenüber! Der Staat, der sich nach einem in den letzten Wochen oft zitierten Wort "in guten und bösen Tagen" auf die Seite Frankreichs stellt, der Staat, der Verhandlungen mit Frankreich zu dem Zwecke geführt hat, um eine Anleihe für die Kleine Entente zu erlangen, von der auch ein Teil an die Èechoslovakei gefallen ist, ausschließlich zu dem Zweck militärischer Rüstungen, der Staat - und mag dies noch so schüchtern geleugnet werden, man sagt dies wenigstens - der Geheimverträge in militärischer Hinsicht mit Frankreich geschlossen hat, der Staat darf das Wort "Neutralität gegenüber Deutschland" nicht mehr ge brauchen, und wenn er es gebraucht, dann ist es geradezu ein Schulbeispiel dafür, was man alles sagen darf, trotzdem die Tatsachen, die von dem, der diesen Ausspruch tut, angeführt werden, geradezu offenkundig das Gegenteil beweisen.
Aber ich will bei dem Wort bleiben! Das Problem Deutschlands ist das Problem der Welt in dem Ausmaße des Zusammenbruches in Deutschland. Uns liegt daran, daß wir jetzt feststellen, daß die Schuld an dem Elend Deutschlands und an dem Chaos, das dort hereingebrochen ist, ausschließlich Frankreich trägt, ebenso die Schuld an dem, was vielleicht noch kommen kann und kommen wird. Frankreich wollte von Deutschland nicht befriedigt sein, denn die Friedensbestimmungen haben trotz der Ungeheuerlichkeiten, die sie Deutschland auferlegen, nicht das gebracht, was Frankreich von Anfang an angestrebt hat und was es heute noch als Endziel anstrebt, nämlich das westliche Deutschland unter die Hoheit Frankreichs zu bringen und das übrige Deutschland in eine Reihe ohnmächtiger Kleinstaaten zu zerstückeln. Es ist nicht schwer, einen Beweis für diese Behauptung zu zu erbringen. Ich verweise da nur auf den Geheimvertrag, der im März 1917 zwischen Frankreich und Rußland abgeschlossen worden ist und der die freie Hand Rußlands betreffs Polens einerseits, garantiert durch Frankreich, und die freie Hand Frankreichs bezüglich Westdeutschlands andererseits, garantiert durch Rußland, zum Gegenstand hatte. Es sei hier nur nebenbei eingeschaltet, daß wenn Polen wieder als selbstverständiger Staat erstanden ist, es dies sicher nicht Frankreich zu verdanken hat, das bereit gewesen wäre, Polen an Rußland auszuliefern. Was das für Polen bedeutet hätte, das haben die russischen Polen in der Vorkriegszeit reichlich an sich selbst erfahren können. Aber dafür, daß Frankreich Rußland dieses Zugeständnis betreffs Polens gemacht hat, erhielt Frankreich von Rußland wieder freie Hand in Bezug auf Deutschland garantiert. In diesem Geheimvertrag ist die Endabsicht Frankreichs bezüglich Deutschlands niedergelegt. Die Friedensverträge, die so Unerhörtes dem deutschen Volke auferlegt haben, haben doch nicht die Zerstückelung Deutschlands gebracht. Zwar sind viele Glieder von Deutschlanlands Körper losgerissen und anderen Staaten als Kriegsbeute zugewiesen worden, vielleicht 20 Millionen deutscher Volksgenossen sind gegen ihren Willen und auch gegen den Sinn der Wilsonschen Punkte, die doch die Grundlage der Friedensbedingungen sein sollten, anderen Völkern als Staatsbürger zweiter Güte ausgeliefert worden. Aber das Deutsche Reich, das um vielleicht 20 Millionen Bewohner und um 100.000 Quadratkilometer kleiner geworden ist, blieb bestehen. Das lag und liegt nicht in der Endabsicht Frankreichs. Wenn der französische Ministerpräsident auch heute wieder betont: "Keine Annexionen, und ich verbürge mich dafür, daß wir keine Annexionen wollen", seine Politik, sein tatsächliches Vorgehen erstrebt etwas ganz anderes. Sein einziges Ziel ist die Zerstrümmerung des deutschen Reiches.
Immer neue Forderungen gegen Deutschland sind diesbezüglich erhoben, immer neue Verfehlungen sind konstantiert worden, damit immer neue Handhaben sich für Frankreich ergeben, um gegen Deutschland einzuschreiten. Ein solches Einschreiten ist Frankreich von Seiten Deutschlands nicht leicht gemacht worden. Deutschland hat die Bedingungen, die ihm vorgeschrieben und aufgebürdet worden sind, allzu treu erfüllt. Keine Provokation, auch die schwarze Schmach nicht, auch nicht die Ausbeutung durch die alliierten Kommissionen, die Milliarden verschlungen haben, auch keine sonstigen Demütigungen waren imstande, Deutschland zu einer Aktion Frankreich gegenüber zu reizen, die letzterem einen willkommenen Anlaß geboten bätte, gegen Deutschland vorzugehen.
Will man nun irgendwie das würdigen, was Deutschland auferlegt worden ist, oder besser gesagt, was Deutschland in Erfüllung seiner Verpflichtungen geleistet hat, so muß man Einsicht in die Denkschrift nehmen, die der deutsche Reichsfinanzminister zu Beginn dieses Jahres an den deutschen Reichstag gerichtet hat. Wenn man da die offiziellen Ziffern anschaut, so ist es vielleicht erschütternd und man muß es geradezu mit Entsetzen anstaunen, wie sehr das deutsche Volk die Beute der Versklavung, der politischen und wirtschaftlichen Entrechtung geworden ist, aber man muß auch anstaunen, wie groß der Leistungswille des deutschen Volkes ist, wie groß sein Wille ist, alles zu tun, was in seinen Kräften steht, nur um wieder auf eine Grundlage zu kommen, leben zu können.
Hochverehrte Anwesende! Es muß auch hervorgehoben werden, daß gar manches in dieser Denkschrift steht, was einem geradezu die Schamesröte ins Gesicht treibt, nicht vom nationalen Standpunkte aus, sondern vom Standpunkte der Humanität, der Kultur und der guten Sitte. Ich möchte in dieser Hinsicht nur auf jenes Kapitel verweisen - es soll das ei nmal hier gesagt werden - wo in dem Berichte erzählt wird, wie den Deutschen Gemeinden von Seite der französischen Besatzungsbehörden aufgetragen wird, Bordelle für die französischen Besatzungstruppen zu errichten. Ich möchte weiters darauf hinweisen, daß z. B. für die Unterbringung des ständigen Vertreters des Vorsitzenden der Rheinlandskommission, u. zw. nur für seine Privatwohnung, nicht etwa für seine Amtsräume, nicht weniger als 19 Wohnräume angefordert wurden, deren Einrichtung damals vor 2 bis 3 Jahren einen Betrag von 5 Millionen Mark erfordert hat. Für die Unterbringung der Delegierten der Rheinlandkommission in den einzelnen Bezirken wurden je 7 Herrschaftsräume gefordert, mit allem Zubehör, und das in derselben Zeit, wo in ganz Deutschland eine so himmelschreiende Wohnungsnot besteht. Ich möchte darauf hinweisen, daß Tausende und Tausende Hektar Ackerlandes sofort brach gelegt werden mußten für die Anlegung von Flugplätzen, von Schießstätten, von Übungsplätzen, von Reitund Sportplätzen in einer Zeit, wo die Hungersnot in Deutschland geradezu wütete. Ich möchte auf die Einquartierungen und auf die Ausweisungen deutscher Staatsbürger hinweisen, welche Zahlen von Hunderttausenden erreicht haben, ferner auf die Beschaffung von Prunkwohnungen und von Einrichtungsgegenständen für Zehntausende von Zimmern und Lokalitäten, ich möchte hinweisen auf das Kapitel "Gehälter", u. zw. nicht bloß des Heimatsgehaltes, sondern auch der Deutschland-Zulagen. Es ist festgestellt, daß die Besatzungskosten und die Kosten der interalliierten Kommissionen bis Ende 1922 5 Milliarden Goldmark ausgemacht haben. Es sei ferner festgestellt, daß das, was Deutschland nach diesem Bericht bis September 1922 geleistet hat, an Wert- und Sachgütern 45·6 Milliarden Goldmark betragen hat. Hochgeehrte Anwesende! Der Erfüllungswille Deutschlands ist also sicher bewiesen. Aber Frankreich wollte nicht befriedigt sein. Nun war es in Gefahr, seinem Endziele nicht näher zu kommen, und darum hat es einen Anlaß benützt, der an und für sich ganz minimal ist, um in deutsches Gebiet einzurücken, die Besetzung des Ruhrgebietes vorzunehmen. Mangel an Kohlen- und Holzlieferungen wären angeblich die Ursachen gewesen. Man hat nachgerechnet. Es handelte sich im Ganzen um einen Wert von 24 Millionen Mark, ein verschwindender Betrag in dieser Milliardenanzahl! Aber auch da hat sich Deutschland dadurch gerechtfertigt, daß es nicht im Stande war, alles zu liefern, nachdem man ihm Oberschlesien genommen hat, so daß es ihm nicht möglich war, die Kohlenquantitäten in dem Ausmaße zu liefern, wie es selbst willens gewesen wäre.
Die Einrückung in das Ruhrgebiet war ein solches Unterfangen gegen alles Recht und namentlich auch gegen die Friedensvertragsbestimmungen, daß selbst England und Amerika davon abgerückt sind. Es hatte keinen anderen Zweck, als dem Endziele näher zu kommen, die Zertrümmerung in Deutschland herbeizuführen. Und wenn man die Politik des französischen Ministerpräsidenten gerade in den letzten Wochen in bezug auf sein Verhalten nach Aufgeben des passiven Widerstandes ein wenig überblickt, wenn man beobachtet, wie er sich in Bezug auf die Separatistenbewegung verhalten hat; oder wie sein Verhalten gegen den Antrag uf Einsetzung einer internationalen Schätzungskommission für die Leistungsfähigkeit Deutschlands geradezu eine Sabotierung dieses Auftrages bedeutet, so muß man sagen: er beitet mit aller Konsequenz an der Erreichung dieses Endzieles. Frankreich weiß dabei freilich, daß ihm niemand in die Arme fallen wird. Amerika und England werden, einige mehr oder weniger schärfere oder mildere Proteste obgerechnet, Frankreich nicht in die Arme fallen können. England hat abgerüstet und ist außerdem bei der modernen Waffentechnik nicht mehr so gesichert, wie es in früheren Zeiten war. Außerdem hat der Verleumdungsfeldzug, der während der Kriegszeit gegen das deutsche Volk gerade in England und Amerika geführt worden ist, in der Bevölkerung dieser Staaten eine Stimmung erzeugt, die heute noch zum großen Teil besteht und die Frankreich durchaus nicht fürchten lassen muß, daß infolge dieser Stimmung etwa die Bevölkerung Englands zum Eingreifen für Deutschland drängen wird. Daher hat Frankreich verhältnismäßig leichtes Spiel.
Verehrte Anwesende! Ich will also als Resultat meiner ganzen Ausführungen betonen: Das Chaos, das in Deut schland entstanden ist, ist ausschließlich durch Frankreich verschuldet, und dient dazu, daß Frankreich seinem Endziel näherkommt, Deutschland zu zertrümmern. Man sollte annehmen, daß dies auch in der Èechoslovakei erkannt würde. Aber die èechoslovakische Außenpolitik hat sich ganz französisch eingestellt, steht ganz hinter Frankreich. Darum die Versicherung, in guten und in bösen Tagen an der Seite Frankreich zu bleiben, darum sogar die Verhandlungen, die dazu geführt haben, daß Frankreich einen neuen, viele Millionen betragenden Kredit an die Kleine Entente und dadurch auch an die Èechoslovakei für militärische Rüstungen gegeben hat. Deshalb ist es auch erklärlich - wenn es auch immer und immer wieder, manchmal freilich nur sehr schüchtern, abgeleugnet wird - daß es Geheimverträge militärischer Art zwischen Frankreich und der Èechoslovakei geben muß. Es liegt auf der Hand, daß wir einer solchen èechoslovakischen äußeren Politik unsere Zustimmung nicht geben können.
Aber ich möchte denn doch eines hinzusetzen: Lloyd George hat gelegentlich seiner Amerikareise irgendwo den Ausspruch getan, Frankreich könne verhindern, daß sich Deutschland bewaffne, aber es könne nicht verhindern, daß Rußland durch Deutschland bewaffnet werde. Das ist ein Gedanke, den schon andere ausgesprochen haben, mit dem ich mich aber nicht weiter beschäftigen möchte. Dagegen möchte ich einen anderen Ausspruch Lloyd Georges in diesem Zusammenhange anführen. Er sagte: "Letzten Endes wird Deutschland einig werden und dann wird es passieren, daß die Franzosen und Belgier vom Ruhrgebiet und vom Rhein hinweggefegt werden - ohne alle Reparationen."
Sehr verehrte Anwesende! Es möge dies dahingestellt bleiben, wenn es auch ein schöner Gedanke für uns ist, aber jedenfalls wird das richtig sein, was der Herr Präsident der èechoslovakischen Republik vor einigen Tagen gesagt hat: "Ich teile nicht die Anschauung von der dauernd verzweifelten Lage Deutschlands." Es ist nur etwas in den Worten geändert, aber sinngemäß ist es dasselbe, was er, vielleicht etwas konkreter, vor 2 Jahren gesagt hat, Deutschland werde in 15 Jahren wieder mächtig sein. Sicher ist es richtig, daß der größte Feind Deutschlands seine innere Zerrissenheit ist. Kommt es zur Einheit, wie Lloyd George es gesagt hat, daß Deutschland letzten Endes einig werden wird, dann beginnt auch der Tag seines Wiederaufstieges, dann werden ihm auch Waffen in seinen Händen wachsen zur Abwehr all der Schmach, die ihm angetam wurde.
Darum wäre es unserer Meinung nach sehr gut, wenn die Außenpolitik dieses Staates nicht ausschließlich in franzosenfreundlichem und, wie die Verhältnisse jetzt liegen, dadurch in deutschfeindlichem Sinne eingestellt wäre, daß vielmehr eine andere Orientierung eingetreten wäre. Diese andere Orientierung mehr in deutschem Sinne, wird ja schon gefordert durch die natürlichen Verhältnisse, durch die geschichtliche Entwicklung, wird gefordert durch die kulturellen Beziehungen, gefordert durch die geographische Lage, durch die natürlichen Verkehrswege und durch die wirtschaftlichen Bedingungen.
Es sei mir nur noch gestattet, zum Worte Völkerbund, das der Herr Außenminister so ganz besonders freudig unterstrichen hat, Stellung zu nehmen. Die Idee des Völkerbundes in allen Ehren, namentlich zu dem Zweck, daß durch ihn der Krieg beseitigt werden soll. Wir haben alle durch den Weltkrieg gelernt, was der Krieg an Entsetzlichem bedeutet, und wir sollten alle gelernt haben, daß alles geschehen müsse, um in Zukunft Kriege, soweit es menschenmöglich ist, zu beseitigen. Die Èechoslovakei scheint das aber nicht gelernt zu haben. Ich habe schon verwiesen auf den Kredit von Frankreich, ausschließlich zu militärischen Zwecken, und ich möchte wieder darauf verweisen, daß der Außenminister vor zwei Jahren nicht angestanden wäre, sich in rein innere ungarische Angelegenheiten zu mischen, auf die Gefahr hin, einen Krieg über Europa heraufzubeschwören. Der Völkerbund in allen Ehren! Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, es muß denn doch festgestellt werden, daß der Völkerbund in seiner jetzigen Form nichts anderes ist, als eine Garantiekommission der Sieger gegen die Besiegten, nichts anderes ist als wie der Weg der Gewalt. Ich bitte, erinnern Sie sich nur an das Verhältnis Italiens und Griechenlands; Italien hat ganz offen erklärt, wenn ihm sein Wille nicht geschehe, so werde es sich um den Völkerbund nicht kümmern. Und wenn man sich vorstellt, Frankreich würde einmal in seinem Beggehren mit dem Völkerbund in Widerspruch kommen, so ist sicher, es würde sich vielleicht noch weniger um den Völkerbund kümmern. Er ist auch in seiner jetzigen Zusammensetzung noch in einer anderen Weise kein Völkerbund. Wir wissen, es fehlt Amerika, es fehlt Rußland, es fehlt Deutschland, und, hochverehrte Anwesende, wir wissen, es fehlt auch noch jene Macht, die das größte moralische Ansehen, das größte internationale Ansehen in der Welt hätte, die moralische Macht des Papstes in Rom.
Und noch zu einem anderen Worte möchte ich Stellung nehmen. Der Herr Präsident hat in einer seiner Ansprachen gesagt, alle slavischen Staaten mit Ausnahme der Lausitzer Wenden haben jetzt ihre staatliche Selbständigkeit. Und weiter hat er ausgeführt, in der Demokratie sei das Bürgertum zur politischen Selbständigkeit berufen. Die Selbstverwaltung, die Autonomie, sei eine notwendige Voraussetzung der Demokratie. Der Herr Minister für nationale Verteidigung hat in seiner Botschaft an die Armee gesagt, die Gründung der èechoslovakischen Republik ist das Resultat der großen Bewegung für das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Was bedeutet dies? fragt er. Nach ihm soll jedes Volk das Recht erhalten, sich allein im eigenen Staat und nach seinem eigenen Willen zu verwalten im Interesse seines materiellen Wohles und seines materiellen Fortschrittes. Meine sehr Verehrten! Das sind sehr schöne Worte, wir unterstreichen sie und wir unterschreiben sie ganz. Wir verstehen, wenn Sie sich freuen, daß die slavischen Völker alle ihren eigenen Staat erlangten; niemand von uns wird Ihnen das mißgönnen oder es irgendwie ändern wollen. Aber eben weil Sie das erreicht haben, müßte man es auch verstehen, daß das auch für das deutsche Volk in seinem ganzen Umfang gewünscht und erstrebt werde. Wir gehe hier nicht einmal so weit, daß wir für unsere Wolga- oder Banatdeutschen einen Staat anstreben. Wir sind zufrieden, wenn dort nur ihre nationale Sicherheit gegeben ist und mögen sie sonst dort loyale Bürger ihrer Staaten sein. Aber vom deutschen Volkskörper sind, wie ich schon hervorgehoben habe, in seinen weiten Grenzen vielleicht an zwanzig Millionen Deutsche abgetrennt worden. Meine sehr Verehrten, wenn wir sagen, wir verstehen es, daß Sie sich freuen, weil die slavischen Stämme alle ihre Selbständigkeit erlangt haben, kann man uns doch nicht auch den Gedanken verwehren, daß wir das auch für das deutsche Volk in allen seinen Gliedern wollen, schon nach dem Prinzip, daß der Teil zum Ganzen gehört.
Der Herr Außenminister bringt in allen seinen Referaten immer das Wort Demokratie. Soll es einen Sinn haben, so muß auch das Wort des Herrn Präsidenten gelten: "Ohne Autonomie keine Demokratie", und zwar auch für uns, auch für das deutsche Volk. Und gar das schöne Wort des Herrn Ministers für nationale Verteidigung von der Selbstbestimmung! Jedes Volk soll sich selber bestimmen, wie er es ausdrücklich betonte. Es kann nicht lauten: "Wenn du, Deutscher, das forderst, Bauer, so ist es etwas anderes!" Nein, so wie es hier betont wurde, so wollen wir, daß es allen und auch uns gegenüber angewendet werde.
Ich kann nicht an ders schließen, als mit den Worten: Heil dem schönen Wort des Herrn Präsidenten von der Demokratie und Autonomie, Heil dem schönen Wort des Herrn Ministers für nationale Verteidigung über die Selbstbestimmung, aber, sonst wäre es leerer Schall, dem schönen Wort, angewendet ohne Unterschied und auf alle, also auch für uns Deutsche! (Souhlas a potlesk na levici.)
2. Øeè posl. Knirsche (viz str. 105 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.) Für die Beurteilung des Vergewaltigungssystems in der inneren Politik dieses Staates ist von besonderem Interesse, was der Herr Außenmini ter über die Wertung der Opposition gesagt hat. Der Herr Außenminister macht ein gutes Verhältnis zwischen Ungarn und der Èechoslovakei unter anderem auch davon abhängig, daß man in Ungarn die demokratische Opposition zur Geltung kommen lassen müßte. Nun, verehrte Damen und Herren, wie steht es hinsichtlich der Behandlung der Opposition hier in diesem Hause? Die wichtigsten, einschneidendsten Vorlagen werden oft in wenigen Stunden durchgepeitscht. Monatelang finden keine Sitzungen statt, und wenn das Haus endlich zusammentritt, muß es nach dem bisherigen Usus in wenigen Sitzungen den Staatsvoranschlag oder sonstige wirtschaftlich tief eingreifende Vorlagen durchpeitschen, in Tag- und Nachtsitzungen, mit beschränktester Redezeit. Wenn sich die Opposition in diesem Hause gegen eine derartige Entwürdigung des Parlamentarismus verwahrte, wenn sie Einsprache erhob gegen eine derartige Durchpeitschung von Vorlagen, wenn sie sich schließlich in leidenschaftlicher Weise gewaltsam zur Wehr setzte, dann wurde ihr mit den Mitteln der Polizeigew lt begegnet. Dann kam es zu Szenen, wie wir sie in einzelnen Nachtsitzungen in diesem Hause erlebten und die schließlich zu leidenschaftlichen Ausbrüchen führten, wie seinerzeit zum Stinkbombenwurf durch Kollegen Baeran. Die einzige Erwiderung, die man auf alle unsere Einsprachen, Warnungen und Beschwerden hatte, war nichts als Vergewaltigung durch die Polizei oder auch Ausschließung und Kerker. Ich darf in dieser Stunde den Herrn Präsidenten daran erinnern, wie wir von der Opposition, nicht etwa um das Ansehen des hohen Hauses zu wahren, nicht etwa, weil wir uns um staatserhaltende Arbeit bemühten, sondern weil wir, wenn wir schon hier sind, wirklich ernste, positive Arbeit zu den einzelnen auch uns berührenden Vorlagen leisten wollten, ich darf an dieser Stelle daran erinnern, wie wir in der Obmännerkonferenz den Herrn Präsidenten wiederholt aufmerksam machten, daß eine derartige Durchpeitschung einschneidender Vorlagen in Tag- und Nachtsitzungen niemand aushält, daß eine solche parlamentarische Behandlung schließlich eine Atmosphäre erzeugen muß, die zu Ausbrüchen führt, wie wir sie in diesem Hause wiederholt erlebt hatten. Wie oft haben wir Einsprache dagegen erhoben, daß uns das Wort geradezu beschnitten und jede Arbeit unmöglich gemacht wurde, alles vergeblich. Man hat in jeder unserer Anregungen und Einwände immer einen Anschlag auf den Parlamentarismus, einen Anschlag gegen den Staat, böswillige Sabotierung der parlamentarischen Arbeit erblickt. Und nun kommen die èe chischen Sozialdemokraten nach Jahr und Tag und geben durch ihre Erklärung im Budgetausschuß dieser unserer Empörung über die Art und Weise der Behandlung der Opposition selbst den allerschärfsten Ausdruck. Wenn jemals uns eine Genugtuung geworden ist für all die Vergewaltigung und für all das Unverständnis, das man unseren Beschwerden entgegenbrachte, so durch die Erklärung, welche die èechischen Sozialdemokraten, die Parteigenossen des Herrn Präsidenten Tomášek, im Budgetausschusse abgegeben haben. Der Herr Minister des Äußern hat auch als Ministerpräsident kein Wort gegen diese Vergewaltigung der Opposition in diesem Hause gefunden. Wenn der Herr Außenminister nunmehr heute der Geltendmachung der ungarischen Opposition so das Wort redet, während er im eigenen Hause noch kein Wort der Kritik über die Behandlung der eigenen Opposition fand, wird es ihm sehr schwer fallen, den Vorwurf von sich abzuwehren, daß dieses sein Interesse für die ungarische Opposition nicht so sehr der Wahrung des demokratischen Prinzips, von dem er gesprochen hat, diktiert ist, sondern, daß diese seine Stellung vielmehr diktiert ist von dem Bestreben, den wehrlosen Nachbarn durch Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Staates zu erniedrigen. Und die oppositionellen Gruppen in Ungarn werden dem Herrn Außenminister wohl wenig Dank für seine Protegierung wissen, weil sie durch diese in den Verdacht kommen, mit ihrer Opposition nicht so sehr ungarisch-vaterländische Interessen, sondern vielmehr èechoslovakische Politik zu verfolgen.
Die bedeutungsvollste außenpolitische Kundgebung seit der Gründung der Republik ist zweifellos die Reise des Präsidenten nach Paris. Der Außenminister unterstreicht in seinem Exposé die große Bedeutung dieser Reise und der mit ihr verbundenen Kundgebungen, indem er diese als ein Ereignis von hoher politischer Bedeutung kennzeichnet. Masaryk und Beneš haben lange Zeit hindurch auch bei vielen ernst zu nehmenden Deutschen Hoffnungen inbezug auf einen Wandel der inneren und äußeren Politik dieses Staates tatsächlich erweckt. Entgegen der chauvinistischen Auffassung anderer èechischer Kreise war man geneigt, von der weisen Einsicht, von dem Gerechtigkeitsgefühl und von der Abgeklärtheit des Präsidenten sowie auch von der reichen Erfahrung des Herrn Außenministers inbezug auf die innere und äußere politische Linie insofern Hoffnungen zu hegen, als man annahm, daß die beiden bestrebt sind, jene psychischen Voraussetzungen zu schaffen oder schaffen zu helfen, welche ein Zusammenarbeiten der Deutschen und Èechen in diesem Staat auf der Grundlage voller Gleichberechtigung herbeizuführen geeignet sind. Ich erinnere an die Übernahme der Ministerpräsidentschaft durch den Herrn Außenminister. Er fand damals in seiner Regierungserklärung sehr schöne Worte über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Deutschen und Èechen in diesem Staate, deren Herbeiführung er sich damals zur Aufgabe stellte. Seine Ministerpräsidentschaft ist vergangen, er hat einem anderen Platz gemacht und die Dinge gehen ihren alten Lauf. Ich erinnere daran, daß es besonders Präsident Masaryk gewesen ist, der in seinen wiederholten Botschaften an die Völker dieses Staates verständnisvolle Worte für die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der beiden Völker fand, der in seinen Botschaften immer auch davon sprach, daß man sich in bezug auf Deutschland und Frankreich bemühe, die mittlere Linie einzuhalten. Ich sagte, es gab sehr viele und ernst zu nehmende Politiker und Volksgenossen, die bestrebt waren, in gleichem Sinne dahin zu arbeiten, daß die psychologischen Voraussetzungen für eine frühere oder spätere Zusammenarbeit der Deutschen und Èechen in diesem Staate geschaffen werde. Ich erinnere an die Haltung der deutschen Parteien gelegentlich des ersten Staatsvoranschlages. Damals sollten die ersten Versuche gemacht werden zur Anbahnung jener Zus ammenarbeit. Wir glaubten damals aufgrund nicht nur der Reden Masaryks, nicht nur aufgrund der Haltung Beneš’s, Švehla’s und anderer leitender Staatsmänner, daß in der èechischen Bevölkerung, beziehungsweise in den èechischen Mehrheitsparteien tatsächlich der ernste Wille vorhanden sei, ein derartiges Verhältnis im Staate anzubahnen. Nun, meine Herren, nach den neuesten Ergebnissen werden wohl auch diejenigen ihre Hoffnungen endgiltig begraben, die in diesen beiden führenden Staatsmännern mehr Einsicht, mehr Gerechtigkeitsgefühl suchen zu dürfen glaubten als bei anderen èechischen Politikern. Sie werden nach den neuesten Ereignissen zweifellos auch zur Überzeugung kommen, daß mit der Politik des Hoffens, mit der Politik der Versöhnlichkeit einfach nichts zu erreichen ist, sondern daß im Gegenteil jedes versöhnliche Wort, jedes Bestreben unsererseits ein derartiges Verhältnis zu schaffen, von der anderen Seite nur als Schwäche gedeutet und jeder Faden, der von den einen zu den anderen Bänken herübergesponnen wurde, wiederum ganz rücksichtslos und brutal zerrissen wurde. Soweit die innere Politik in Betracht kommt, d. h. soweit die Einstellung und das Wollen auch dieser beiden Staatsmänner, des Präsidenten Masaryk und des Außenministers Dr. Beneš, in Betracht kommen, so ist ein Wort bezeichnend, das Präsident Masaryk in seiner am Jubiläumstag erlassen Botschaft an die èechoslovakischen Völker hier gesprochen hat. Während die Sudetendeutschen vergeblich den Ruf nach Autonomie erschallen lassen, während die Sudetendeutschen vergeblich bisher auch nur um die geringste Anerkennung als Volk kämpften, erwähnt Präsident Masaryk in seiner Botschaft, daß nunmehr alle slavischen Völker ihre staatliche Unabhängigkeit errungen haben, nur die Lausitzer Serben noch nicht. Also selbst das über etliche Zehntausende zählende Volk der Lausitzer Serben wird von der höchsten leitenden Stelle dieses Staates so gewertet, daß auch ihm die staatliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit zuerkannt werden soll. Ich will nicht davon sprechen, was für Unfreundlichkeit in diesem Hinweis gegenüber dem Deutschen Reiche gelegen ist. Aber selbst den etlichen Zehntausenden Lausitzer Serben wird die staatliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit zugesprochen, während man von den 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen nicht nur keine Notiz nimmt, sondern ihre Forderungen auf nationale Selbstverwaltung und nach dem Selbstbestimmungsrechte einfach ignoriert. Die Einstellung des Präsidenten, für dessen Worte der Außenminister mitverantwortlich ist, kennzeichnet wohl die Gesinnung, welche auch das Staatsoberhaupt hat, auf das, wie gesagt, viele Deutschen ihre Hoffnungen setzten. Soweit die außenpolitische Einstellung in Betracht kommt, hat man auch in vielen Kreisen auf Grund der verschiedenen Botschaften und Erklärungen die Hoffnung gehegt, daß sich Masaryk und Beneš gegenüber Frankreich und Deutschland tatsächlich bemühen werden, wenn auch keine vollständig neutrale Haltung, so doch eine objektive Einstellung zu bewahren. Herr Beneš sprach in früheren Exposés immer davon, daß Deutschland und Frankreich gegenüber die Politik der mittleren Linie gemacht werde. Ja, der Herr Präsident sprach in einer früheren Kundgebung davon, daß wir Deutschland gegenüber eine freundliche und korrekte Haltung einnehmen wollen.