Dasselbe haben wir bei den Saisonarbeitern. Es sind die Saisonbetriebe aufgezählt, deren Arbeiter im Falle der Arbeitslosigkeit keine Unterstützung erhalten. Die Arbeiter, die in diesen Betrieben beschäftigt sind, sind nicht Arbeiter, die, wenn die Saison zu Ende geht, nichts mehr arbeiten, sondern das sind Arbeiter, die in anderen Industrien Arbeit suchen. Ich erinnere hier nur an die Bauarbeiter. Wir haben Gebiete, wo Hunderte, Tausende von Arbeitern den Winter üb er in die Textilindustrie gegangen sind. Diese Arbeiter sind ausgeschieden und sie können heute eine Arbeit nicht finden. Sie erhalten deshalb keine Unterstützung, eil das Gesetz von Saisonarbeitern spricht und eine Reihe von Saisonberufen dort aufgezählt sind, die keine Unterstützung erhalten. Die gewerblichen Arbeiter erhalten ebenfalls keine Unterstützung. Was sollen sie machen, wenn sie keine Arbeit finden; man sagt ihnen auch nicht, wo sie Arbeit finden können, sondern verweigert ihnen die Unterstützung und stellt sie vor die Not, das Elend, mögen sie zugrunde gehen oder nicht. Wir haben ga ze Bezirke, die ausge chieden sind, wir haben Berufe, die ausgeschieden sind. Wir haben noch eine Bestimmung im Gesetz, daß dort, wo bis 7000 Einwohner sind, 8 Kronen den Tag gezahlt werden und dort, wo über 7000 Einwohner sind, 10 Kronen zu zahlen sind. Das steht noch im Gesetz. Wir haben weiter im Gesetz die Familienzulagen. Wie oft kommt es vor, daß diese Zulagen den Arbeitslosen immer mehr gekürzt werden; ein kleiner Verdienst des Haushaltungsvorstandes, mitunter 60, 70 Kronen, die er verdient, bewirken, daß man die Familienangehörigen, die selbst in Arbeit gestanden sind, die also selbst verdient haben, aus der Unterstützung herauswirft. Wir sehen noch in vielen Fällen, daß die Arbeitslosen 4 bis 6 Wochen warten müssen, bevor sie die Unterstützung erhalten, bevor man herausbekommt, das sind oft Arbeiter, die schon lange verkürzt gearbeitet haben, die aller Mittel entblößt sind, und sie sollen noch 4 bis 6 Wochen warten auf die Unterstützung, bis die Erhebungen abgeschlossen sind.
Das Gesetz redet auch davon, daß die Unterstützung bis auf 1 1/2 Jahre ausgedehnt werden kann. Man hat festgesetzt, daß zwei Gruppen, die am schwersten unter der Krise gelitten haben, die Glasarbeiter, die Textilarbeiter, die Unterstützung für 9 Monate erhalten. In der letzten Zeit sehen wir, daß viele Tausende von Arbeitern, deren Unterstützungsdauer abgelaufen ist, an die Regierung herantreten müssen, um die weitere Zahlung der Unterstützung. Man kürzt diesen Arbeitslosen die Unterstützung, man zahlt nur 50% aus. In jenen Fällen, wo man im allgemeinen über 1 Jahr Unterstützung gewährt, zahlt man sie nur den Familienerhaltern, und nur zu 50% aus, und die anderen erhalten überhaupt keine Unterstützung. Das ist ein Zustand, der gesetzlich gar nicht zulässig ist, und es steht darüber nichts im Gesetz, daß die Regierung das Recht hat, diese Unterstützung um 50% herabzusetzen. Wir haben eine amtliche Arbeitslosenstatistik, wo nach dieser Statistik in der letzten Zeit die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht. Aber diese Ziffer stimmt nicht im Verhältnis zu der Zahl der wirklich Arbeitslosen, weil die Regierung alles aus der Unterstützung ausscheidet, wo nur irgendwo eine Möglichkeit zum Ausscheiden besteht, und weil nur die Zahl der tatsächlich noch Unterstützten erfaßt wird.
Es wird gesagt, daß wir in den ersten 3 Monaten 150,000.000 Kronen ausgezahlt haben und daß im weiteren jetzt 220,000.000 Kronen Nachtragskredit für die Auszahlung an die Arbeitslosen bewilligt werden sollen. Es ist gewiß eine große Zahl in 3 Monaten. Wenn man aber bedenkt, wieviel Hunderttausende von Menschen für diese Unterstützung in Betracht kommen, so ist die Summe gering. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß die Summe von 220,000.000 Kronen zugering ist. Wird nur diese Summe bewilligt, wird das eine eintreten, daß das Finanzministerium in kurzer Zeit weitere Kürzungen vornehmen wird, weil diese Summe nicht ausreicht. Wenn man auf der einen Seite die Vermögensabgabe um 1 1/2 Milliarden abbaut, kann man auch auf der anderen Seite die Mittel für Arbeitslosenunterstützung beistellen. Wir stehen auf dem Standpunkte, um zum Schlusse zu kommen, daß diese Art, wie man bis jetzt die Arbeitslosen behandelt hat, unwürdig ist und empörend ist. Gegen Menschen, die arbeiten wollen und nicht arbeiten können, die immer gearbeitet haben, die nur durch die Not der Verhältnisse zur Arbeitslosigkeit verurteilt worden sind, ist es die moral ische Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß diese unschuldigen Opfer der Wirtschaftskrise auch eine entsprechende Unterstützung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erhalten. (Souhlas a potlesk na levici.)
7. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 583 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Seit Geltung des Arbeitslosenunterstützungsgesetzes vom 12. August 1921 wird von den beteiligten Kreisen immer lauter der Ruf nach Novellierung des Gesetzes erhoben. Bei dem Umfang und der Dauer unserer Wirtschaftskrise ergibt sich die Notwendigkeit, daß alle unschuldigen Opfer dieser Wirtschaftskrise, auch die Arbeitslosen im Gewerbe und den anderen Berufen, einer ausreichenden gesetzlichen Fürsorge teilhaftig werden. Die diesbezüglichen Gesetzesanträge, die bereits vorliegen, gelangen nicht zur Verhandlung. Die dringendsten Abänderungsanträge, die anläßlich der letzten Verhandlung der Arbeitslosenfrage im Parlament von verschiedener Seite gestellt wurden, wurden einfach abgelehnt. Auch heute hat die Koalition gebundene Marschroute. So schwer dies auch mancher Partei fällt, denen die bessere Überzeugung sagt, daß es unverantwortlich ist, ein solches Spiel mit der Not der Arbeitslosen zu treiben, müssen sie sich doch dem Diktat der Fünferregierung fügen. Wie sie ihre Haltung vor der Wählerschaft verantworten können und werden, ist ihre Sache. Die Arbeitslosen sind nicht die Urheber und die Schuldigen der Wirtschaftskrise, sie sind lediglich die Opfer und Leidtragenden. Wer nur einigermaßen in dieses Elend Einblick gewonnen hat, wer sich bemüht, sich in die Lage einer Familie zu versetzen, die trotz allen Bestrebungen und allen Versuchen keine Arbeit finden und sich aus der Not herausarbeiten kann, der muß sagen, daß es mehr als herzlos seitens der verantwortlichen Faktoren im Staate ist, so viele Familien der Not und Verzweiflung in die Arme zu treiben. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Wenn schon die bisherige Unterstützung nur das Allerdürftigste zum Leben bot, so bedeutet die letzte Herabsetzung, die durch Erlaß des Ministeriums für soziale Fürsorge vom 7. Mai 1923 erfolgte, nach der die Arbeitslosen, die bereits 9 Monate die staatliche Unterstützung genossen haben, diese zwar um 3 Monate verlängert, dafür aber um 50 % gekürzt erhalten, so daß Familienväter heute eine Unterstützung von 4 Kronen täglich, ihre Frauen 1 Krone und die Kinder 50 Heller erhalten, eine weitere Schädigung dieser Ärmsten der Armen. Die Herren der Koalition mögen einmal das Kunststück zeigen, wie es möglich ist, mit solchem Almosen das Leben fristen zu können. (Posl. Böhr: Bei nicht abgebauten Preisen!) Sehr richtig! Dabei darf nicht vergessen werden, wie sich die Arbeiter um die Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung bemühen mußten und bemühen müssen, wie viele Interventionen und Vorsprachen in Ministerien, bei den Behörden von den verschiedensten Seiten notwendig waren, um da und dort eine Verlängerung zu erzielen, und daß trotzdem gar viele durch Wochen hindurch gar keine Arbeitslosenunterstützung erhielten. Was können denn die Arbeiter dafür, wenn infolge der politischen Verhältnisse und infolge der verfehlten Wirtschaftspolitik dieses Staates die Betriebe schon so lange stehen und voraussichtlich in nächster Zeit nicht in Gang gesetzt werden können, was können die Arbeiter in den vie en Industrien dafür, daß ihre Industrie dem Auslande gegenüber nicht konkurrenzfähig ist? Da liegt eine große Schuld auf anderer Seite, worauf ich jetzt nicht eingehen will. Von der Wirtschaftskrise sind auch andere Erwerbsstände, besonders viele gewe bliche Arbeiter, betroffen. Trotzdem hat man alle Anträge, die Arbeitslosenunterstützung auf alle arbeitswilligen Arbeiter ohne Unterschied des Berufes auszudehnen, glatt abgelehnt. Das Beste wäre es freilich, wenn eine Arbeitslosenunterstützung überhaupt nicht gegeben werden müßte, wenn für alle Arbeit und Arbeitsgelegenheit vorhanden wäre. Wir wissen auch, daß diese unproduktiven Ausgaben den Staatshaushalt belasten, aber wir geben der Meinung Ausdruck, daß es auch andere unproduktive Ausgaben gibt, die ohne weiters ganz gewaltige Abstriche ohne Schädigung des Volkswohles ertragen könnten. Darauf wird und wurde bei jeder Gelegenheit hingewiesen, selbstredend ohne Erfolg. Um dieses unverantwortliche Vorgehen einigermaßen zu entschuldigen, suchen die Stimmführer der herrschenden Parteien alle möglichen Vorwände; die Arbeitslosenunterstützung werde, wie gestern im Ausschuß gesagt wurde, besonders von den deutschen Gebieten ausgenützt. Vielleicht wird noch behauptet, daß die Deutschen vom Ministerium für soziale Fürsorge in auffallender Weise bevorzugt werden! Was können denn die deutschen Arbeiter dafür, daß sie in größerer Zahl da sind? Wir möchten ersuchen, auch auf anderen Gebieten uns einmal eine Zusammenstellung der staatlichen Unterstützungen und Subventionen, genau nach Nationen getrennt, zu bieten. Bisher haben wir vergeblich darum ersucht. Wir möchten von der Regierung wissen, was bisher an produktiver Arbeitslosenfürsorge geschehen ist. Ich habe da vor mir eine Eingabe der Stadt Weipert, in der berichtet wird, daß der Stand der Arbeitslosen gegenwärtig 1.570 Personen mit 2263 Familienangehörigen beträgt. Davon stehen in staatlicher Unterstützung nur 687 Personen mit 830 Familienangehörigen, und nicht unterstützt sind 883 Personen mit 1413 Familienangehörigen. Die Bemühungen der Gemeinde Weipert, eine staatliche Erleichterung der Arbeitslosigkeit zu erhalten, blieben bisher trotz allen Vorsprachen und Eingaben beim Ministerium erfolglos. Die Gemeinde kann von dem Angebot der Regierung, nämlich daß bei Notstandsbauten für jeden Arbeiter aus der Gruppe der staatlich unterstützten Arbeitslosen eine Unterstützung von täglich 9 Kronen gezahlt wird, nicht Gebrauch machen; denn die Gemeinde kann nicht neben dem Material noch für drei Viertel der Arbeitslöhne aufkommen. Alle diese Forderungen, die die Gemeinde in dieser Hinsicht, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und zu erleichtern, gestellt hat, sind bisher unerfüllt geblieben. So z. B. wurde verlangt, daß eine parlamentarische Untersuchungskommission, die die Arbeitslosigkeit und die Not der Arbeitslosen an Ort und Stelle feststellen soll, eingesetzt werde, daß in diesen Hungergebieten staatliche Bauten aufgeführt werden, daß den Gemeinden und Bezirken zur Vornahme von Notstandsbauten entsprechende Subventionen mit annehmbaren Bedingungen gegeben werden, oder daß ihnen unverzinsliche erst in mehreren Jahren rückzahlbare Darlehen gewährt werden. (Posl. dr. Luschka: Die kommen höchstens von der Bohemiabank!) Sehr gut! Für die produktive Arbeitslosenfürsorge muß der Staat größere Opfer bringen, er darf nicht nur einen Teil der staatlichen Arbeitslosenunterstützung für diese Zwecke verwenden.
Es wäre eine ganz vergebliche Mühe, heute unsere Forderungen auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge und der Erleichterung der Wirtschaftskrise vorzubringen. (Posl. Windirsch: Die werden auch prompt erfüllt!) Ja wohl! Das geschieht sisicher prompt! Nur Augenblicke hat das Parlament zur Verabschiedung dieser Vorlage. Diese ist in harten Kämpfen in der Koalition festgelegt, die Mehrheitsparteien müssen sich, ob mit oder gegen ihre Überz ugung, dafür einsetzen, die Oppositionsparteien werden niedergestimmt. Die Arbeitervertreter auf der Gegenseite fühlen diesenn Zwang, aber sie fügen sich dem Diktat. Wir verlangen vor allem, daß alle Bestimungen und Verordnungen,- die eine Einschränkung der Arbeitslosenunterstützung beinhalten, augehoben werden und daß die Arbeitslosenunterstützung zumindest in dem im Gesetze festgesetzten Ausmaße gegeben werde. Wir werden auch für die diesbezüglichen Anträge, die von anderer Seite estellt werden, stimmen, desgleichen auch dafür, daß der zur Durchführung des Gesetzes vom 12. August 1921 vorgeschlagene Betrag mit Rücksicht auf die Ausdehnung und Dauer der Arbeitslosigkeit, die voraussichtlich in der nächsten Zeit keine Änderung erfahren wird, zumindest auf 400 Millionen erhöht werde. Die Not klopft an die Türen der arbeitslosen Familien und verlangt, daß die maßgebenden Faktoren die Lebensexistenz der von der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise so schwer heimgesuchten Arbeiter sicherstellen und alles tun, daß die Wirtschaftskrise bekämpft und Arbeitsgelegenheit geschaffen werde. Und solange dies nicht in zureichendem Maße geschieht, muß die Arbeitslosenunterstützung unverkürzt gegeben werden. Im Namen der Menschlichkeit erheben wir die Forderung, daß die Not der Arbeitslosen gelindert werde. (Souhlas na levici.)
8. Øeè posl. Kostky (viz str. 593 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Der Gesetzentwurf, den wir hier zu besprechen haben, enthält die Ermächtigung für die Regierung, provisorisch Handelsabkommen auch für das Jahr 1923/24 abzuschließen und verpflichtet die Regierung zur raschesten Veröffentlichung der gewährten Meistbegünstigungen, sowie der Zollerleichterungen in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen und zur Vorlegung der interimistisch abgeschlossenen Handelsverträge vor des Parlament zur Genehmigung. Die Annahme dieses Gesetzes wird kundtun, daß die èechoslovakische Republik leider noch immer die Zeit nicht für gekommen erachtet, um in die Handelspolitik große zusammenfassende Gedanken hineinzutragen, unter denen früher weitsichtige und langjährige Handelsverträge abgeschlossen worden sind. Es scheint leider in Wirklichkeit so zu liegen, daß der Weltkrieg durch einen Handelskrieg abgelöst wird und daß die Zeit der internationalen Drangsalierungen von Handel und Industrie noch lange nicht abgeschlossen ist. Ein Beispiel hiezu geben uns leider auch die Allierten und Assoziierten, insbesondere Frankreich selbst. Das Parlament würde nun wohl erwarten können, daß der Herr Handelsminister bei der Vorlegung dieses Gesetzes ausführlich dazu Stellung nimmt und uns seine Absichten und seine Erfolge auf handelspolitischem Gebiet darlegt. Die Unterlassung dieses Berichtes - ich weiß nicht, ob der Herr Minister die Absicht hat, noch zu diesem Gesetzentwurfe zu sprechen, - scheint darauf hinzuweisen, daß hier besondere Absichten bei der Durchführung der handelspolitischen Abmachungen nicht vorliegen und daß leider auch nicht von Erfolgen gesprochen werden kann. Welches sind nun die Gründe dieser handelspolitischen Mißerfolge, denn von solchen können wir leider sprechen, die Handel und Industrie in diesem Staat, zu der allgemeinen Nachkriegskrise, noch in eine handelspolitische Krise, besonders in letzter Zeit, hineingeführt haben? Meiner Meinung nach sind das sehr verschiedenartige, zum Teil schon weit zurückliegende Gründe, die bis zum Anfangsstadium der staatlichen Betätigung zurückreichen.
Man hat nach dem Krieg ohne jedwede Berücksichtigung alter, wirtschaftlicher Verbindungen Bestehendes zertrümmert und auch Jahrzente und Jahrhunderte alte Beziehungen vollständig außer acht gelassen, man wollte nur politisch denken und lediglich politisch handen. Die Schäden, welche wir infolgedessen heute am Wirtschaftskörper von ganz Europa sehen, sind so ungeheuer groß, daß es ungeheuerer Mühe bedürfen wird, einiges wieder davon herzustellen. Vieles ist wohl überhaupt nicht mehr zu reparieren und leider - es sei hier betont - dem dauernden Untergang geweiht. Es ist heute kein Wunder, wenn in wirtschaftlichen Kreisen der Pessimismus überwiegt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die trotz großer Bemühungen jeden Erfolg vermißen läßt, fördert immer mehr Mißstimung zutage. Hunderte denken daran, ihre Produktionsstätten stillzulegen, in das Ausland zu verlegen oder sie haben es bereits getan, ein Teil der Arbeiterschaft sucht denselben Weg, ein großer Teil von ihnen verkommt in Not und Elend. Man hatte, onder rein machtpolitischen Denkungsart ausgehend, nach dem Krieg ganz darauf vergessen, daß es notwendig gewesen wäre, sofort große wirtschaftliche Gebiete wieder aufzubauen, zerrissen Handelsbeziehungen neu anzuknüpfen und dadurch gemeinsame internationale Arbeit zu schaffen, welche die Schäden des Krieges so rasch als möglich beseitigen könnte. Die Friedensverträge hatten uns dazu die Möglichkeit gegeben, wir hätten sowohl den aus dem alten Österreich losgelösten Staaten als auch der Èechoslovakei wirtschaftliche Dienste leisten können, aber Prestige und politischer Größenwahn herrschten vor. Die Möglichkeiten wurden nicht benützt, der Gedanke kam auf: Wir können alles allein leisten, wir machen alles allein. Heute sieht man ein, daß dieser Weg, wie wir hier in diesem Hause leider den Wänden und im übrigen tauben Ohren es schon hundertmal gepredigt haben, ein falscher war. Wir sind ein Exportland; nur in einem wirtschaftlich gesunden Körper kann auch ein gesundes Staatsleben sich entfalten. Unser Wirtschaftskörper ist aber, ich muß es nach meiner Überzeugung leider wiederum aussprechen, schwer krank, und die Medikamente, die uns die Alii erten verabreicht haben, sind Schröpfköpfe, aber keine Heilmittel. Frankreich nützt zwar politisch seinen Bundesgenossen aus, wirtschaftspolitisch aber sind wir ihm vollständig gleichgültig, im Gegenteil, wir müssen es mitbüßen, daß der unglückselige Ruhrkonflikt den letzten Rest von Kaufkraft in Deutschland vernichtet, nd wir müssen und sollen trotzdem 80% unserer Waren nach Deutschland verkaufen.
Ein anderer Grund der handelspolitischen Mißerfolge ist das fortgesetzte politische Mißtrauen, das zwischen den Staaten Mitteleuropas fast ohne Unterschied weiterbesteht. Die Debatte bewegt sich heute tatsächlich auf einem sehr niedrigen Niveau, wir sind es ja nicht gewöhnt, daß hier Zuhörer sind, aber es melden sich heute nicht einmal Redner zu diesem ungeheuer wichtigen Kapitel der ganzen inländischen Wirtschaftspolitik. Um nur einiges hier kurz zu streifen, scheint es, daß ein Resolutionsantrag, der seinerzeit, ich glaube von kommunistischer Seite, im Außenausschuß beantragt wurde und unsere Wirtschaftsbeziehungen zu Rußland betraf, mit einen Grund zu dem merkwürdigen Vorgehen bei diesem Gesetzentwurf abgegeben hat. Denn wir finden merkwürdigerweise heute im Parlament einen Gesetzentwurf, der bereits im Dezember im Ausschuß, ich weiß genau, es war nicht bei diesem Entwurf, sondern es war eine andere Angelegenheit, wie ich mich erkundigt habe, aber es scheint der Zusammenhang doch auch hier gegeben. Denn es ist sehr merkwürdig, daß dieses Gesetz im Dezember in beiden Ausschüssen beschlossen wurde und erst heute als Ermächtigungsgesetz vorgelegt wird. Vielleicht hat man in der Zwischenzeit auch gehofft, irgendwo zu festen Handelsbezieh ungen zu kommen. Es scheint nicht gelungen zu sein. Ob mit Polen erfolgreich verhandelt wird, wir erfahren leider von dem soeben auch jetzt bei dieser wichtigen Debatte abwesenden Herrn Minister nichts hier im Hause, wir erfahren in handelspolitischer Beziehung in diesem Hause überhaupt nichts, hie und da fallen einige Äußerungen im Ausschuß, aber schon der Gewerbeausschuß hat meines Wissens in diesem Jahre überhaupt noch keine nenneswerte Debatte über eine handelspolitische Frage gehabt. Der Horizont verdüstert sich in der letzten Zeit, wie wir auch wieder zumeist aus den Zeitungen entnehmen müssen, sogar bei unseren besten politischen Freunden. Frankreich will keine Meistbegünstigung gewähren, unsere Unterhändler gehen nach Frankreich und kommen ergebnislos zurück. Holland und Belgien erlassen Einfuhrverbote und Differenzialfälle gegen die Èechoslovakei. Und Rumänien? Das erläßt jenes klassische Gesetz, das dem Händler das Warenbezahlen überhaupt verbietet. Es interessiert ja das Haus nicht, aber es muß hier erwähnt werden, daß meines Wissens in den letzten Dezennien derartige handelspolitische Gesetze überhaupt noch nicht da waren, daß der Warenschuldner durch 12 Jahre ein Moratorium erhält und es muß in der schärfsten Weise auch den Rumänen klar gemacht werden, trotzdem sie gewiß auch früher nicht besonders gute Zahler waren, daß das ein Übermaß von Selbständigkeit im handelspolitischen Vorgehen ist und daß zweifellos ein derartiges Vorgehen zu den schärfsten Gegenmaßnahmen führen muß. Denn wohin sollen wir kommen, wenn wir unsere Waren in die valutaschwachen. Länder hinaus führen und wenn dort Moratorien beschlossen werden, so daß wir unsere Bezahlung überall erst in 12 Jahren erhalten?
Wenn wir nun auf die inneren von uns selbst und durch unsere Regierungspolitik verschuldeten Ursachen der Mißerfolge unserer Handelspolitik zurückkommen wollen, muß folgendes besonders betont werden: Wir können die maßgebenden Kreise von dem Vorwurf nicht freisprechen, daß unsere Handelspolitik heute und in der Vergangenheit nicht aufrichtig gemacht worden ist. Auch wir reden zwar von der möglichsten Befreiung von Ein- und Ausfuhrbewilligungen, in Wirklichkeit geschieht das Gegenteil. Die wichtigsten Waren und Rohmaterialien müssen das bekannte Fegefeuer der Sonderbewilligungen passieren und damit ist auch der Sonderbegünstigung, dem Protektionismus und ähnlichen Dingen Tür und Tor geöffnet. Und die Manipulationsgebühren, Paß- und Zollschikanen tun ihr übriges. Der Handelsverkehr stockt zum Schluß gänzlich auf allen Linien; und auch die Kontingentvereinbarungen haben unter der vielleicht beiderseitigen Unaufrichtigkeit gelitten. Es wurde alles mögliche versprochen, das hinterher nicht eingehalten wurde oder nicht eingehalten werden konnte. Ein Beispiel aus der letzten Zeit für viele. Wir haben der Automobilerzeugung in diesem Lande einen protektionistischen Begünstigungszoll gewährt. Schon 54% Wertzoll war hoch. Es wurde ohne Befragen des Parlamentes, so viel ich informiert bin, auf 65 % erhöht. Frankreich und Amerika wollen billige Automobile in die Èechoslovakei einführen. Um den Wertzoll noch zu verschärfen, nahm man feste Werttabellen, die die Zölle so hoch festsetzen, daß der Wert der Waren noch einmal als Zoll daraufgeschlagen werden muß. Als das Ausland jetzt kommt der springende Punkt - und der Inlandskonsum dagegen remonstrierten, schaffte man diese Werttabellen durch eine Verordnung ab, gab aber den Zollämtern die heimliche Weisung, diese Tabellen weiter anzuwenden. Es kostet also nach wie vor ein Fordwagen, auch das französische Auto, die nachgewiesenermaßen im Preise nicht höher stehen als 20.000 bis 25.000 Kronen, im Inlande 45 bis 50.000 Kronen; also ein Zoll, der so viel ausmacht, wie der Wert der Ware. Das Ausland merkt die Absicht, also auch wahrscheinlich Frankreich - denn auch die Franzosen haben ein groß es Interesse, gerade diese Waren, außer Wein, hier einzuführen - und es ist nicht nur verstimmt, sondern beantwortet derartiges mit Gegenmaßregeln. Ich bin nicht genügend informiert, aber vielleicht könnten Sie uns hier etwas näheres aus den Verhandlungen erzählen. Der Zollkrieg ist fertig.
Nicht vergessen darf endlich werden, daß auch die Finanzpolitik und auch die innere Produktionspolitik mit unserer Handelspolitik in diametralem Widerspruch sich befinden. Wir sind und bleiben das teuerste Land in Mitteleuropa und der Staat mit seinen ungeheuren Militärlasten kann weder die Kohlensteuer noch andere Lasten noch direkte oder indirekte Steuern genügend abbauen. Er hält den erwerbenden Ständen durch Steuern, durch die Vermögensabgabe und die Nichtbezahlung der Kriegsanleihe auch die Produktionsmittel zurück, so daß der Kredit immer teurer wird und daß wir aus der Absatzkrise heute in eine Finanzkrise mitten hineingekommen sind. Unter solchen Umständen kommen wir trotz aller Bemühungen wohl zu einem Aufflackern der Produktion, wie man ja hie und da feststellen kann, aber niemals zu einer Gesundung unserer wirtschaftlichen Grundlagen. Man hört wiederholt von allen Seiten: "Wenn ich 60 bis 80% meiner Arbeit für den Staat leisten muß, der mir überdies - und da spreche ich jetzt als Vertreter der deutschen Produzenten - in Schule, Kultur und Autonomie nur Drangsalierungen entgegensetzt, so schwindet jede Lust, in dieser Wirtschaft selbst tätig zu sein und zu arbeiten." Und ich glaube, an dieser Stelle braucht man es heute wohl nicht neuerlich auszusprechen, ich glaube es weiß auch jeder von der èechischen Gegenseite in diesem Staate, daß ohne die deutsche Arbeit, ohne die deutsche Leistung auch der èechoslovakische Staat sich nicht entwickeln kann. Leider mischt sich fortgesetzt hier hinein auch noch der Chauvinismus und ein vollständiges Übersehen der Minoritäten dieses Staates. Wir haben heute eine Interpellation an das geehrte Präsidium eingebracht, denn wir können auch das Präsidium dieses Hauses davon nicht freisprechen. Es war bei der interparlamentarischen Handelskonferenz vollständig darauf vergessen worden, daß in diesem Parlamente außer den Èechen und Slovaken auch Minoritäten vorhanden sind. Die Konferenz war lediglich zusammengesetzt aus den Vetretern der Mehrheitsparteien und man hat auch bei der interparlamentarischen Handelskonferenz vollständig übersehen, vielleicht durch einen Besuch wenigstens die auswärtigen Vertreter der Parlamente aufmerksam zu machen, daß wir wichtige Industrien, die für unseren Export höchst bedeutsam sind, auch in unserem deutschböhmischen Gebiete zuhause haben. Ich will hier nicht besonders rügend hervorheben, aber als Merkwürdigkeit möchte ich betonen: Ich bin Mitglied des Handelsund Gewerbeausschusses. Ich habe aus den Zeitungen entnommen, daß der Handelsund Gewerbeausschuß der interparlamentarischen Konferenz in Souper gegeben hat. Ich würde es als eine Pflicht der Anständigkeit betrachten, daß die Mitglieder davon verständigt werden; wenn sie nicht erscheinen, so könnten sie wenigstens durch eine Beitragsleistung für das Souper ihre Billigung einer derartigen Ehrung der fremden Gäste zum Ausdruck bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zum Schlusse kommen, um die Heimreise nicht länger zu verzögern. Wir wollen ja heute über diesen Gegenstand nicht weiter sachlich beraten, er wird uns im Herbst wahrscheinlich noch eingehender beschäftigen müssen. Um zu einer gesunden Wirtschaftspolitik und zu einer aufrichtigen, weitsichtigen Handelspolitik zu gelangen, die uns nicht nur die alten Absatzgebiete erhält, sondern auch neue erobert, ist vor allem erforderlich, den politischen Haß abzubauen und den friedlichen Ausgleich, den freien, von staatlichen Maßnahmen möglichst befreiten Wettbewerb der Völker zu fördern. Aus diesem Grunde habe ich mich bei dieser Debatte als Proredner eintragen lassen. Wir müssen für die Zwischengesetze derzeit wohl oder übel unsere Stimme abgeben, denn wir haben keinen Ausweg aus den unglückseligen Maßnahmen, unter denen wir heute leiden. Hoffen wir, daß wir im Herbst zu einer aussichtsvolleren Handelspolitik gelangen. (Souhlas a potlesk na levici.)
9. Øeè posl. R. Fischera (viz str. 596 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Die Vorlage, die uns soeben beschäftigt, war schon im Dezember, dann aber auch in den Monaten Feber und März wiederholt auf der Tagesordnung. Sie wurde aber jedesmal abgesetzt und heute kommt sie vor Torschluß endlich zur Verhandlung. Die Art der Behandlung dieser Vorlage steht in argem Widerspruch zu dem, was uns der Motivenbericht der Regierung zu dieser Gesetzesvorlage selbst sagt. Der Motivenbericht meint, daß es mit Rücksicht auf die Krise nottue, die Handelsverträge abzuschließen, weil sie die einzige Rettung aus der Wirtschaftskrise sein können. Wir haben aber weder über den Fortgang der Handelsvertragsverhandlungen offizell irgend eine Mitteilung erhalten, noch ersehen können, daß es der Regierung, der parlamentarischen Regierung Ernst ist mit dem, was sie im Motivenbericht selbst sagt. Sonst hätte sie schon im Dezember diese Vorlage der Gesetzwerdung zuführen müssen. Es klingt auch wie eine Ironie, wenn in der Vorlage vom Parlament die Ermächtigung verlangt wird, Verträge jetzt in Kraft zu setzen, die schon im Jahr 1921 abgeschlossen worden sind. Die Vorlage verlangt ausdrücklich die Ermächtigung, die Verträge, die in den Jahren 1921 bis 1924 abgeschlossen erden, provisorisch mit der Zustimmung des Präsidenten der Republik in Kraft zu setzen. Es steht dieses Verlangen im klaren Widerspruch zu dem Wortlaut des bisherigen Ermächtigungsgesetzes, welches die Regierung verpflichtet, abgeschlossene Handelsverträge sofort der Nationalversammlung zur Beschlußfassung zu unterbreiten. Auch daraus, daß Verträge, die längst abgeschlossen sind, nicht der parlamentarischen Erledigung zugeführt werden, ersehen wir den Unernst und die Leichtfertigkeit, mit der unsere Regierung leider unsere Wirtschaftspolitik behandelt. Ein krasses Beispiel dafür, wie wenig ernst die Regierung eine Besserung unserer Handelsbeziehungen nimmt, ist ja der schon im Sommer des vorigen Jahres vereinbarte russische Vertrag. Wenn das auch kein Handelsvertrag im wirklichen Sinne des Wortes war, sondern nur ein Vertrag, der die Anbahnung von Handelsbeziehungen ermöglicht, so hat doch der Einspruch einer kleinen Gruppe, der èechischen Nationaldemokraten unter Führung Dr. Kramáøs, genügt, diese Vorlage einfach, trotzdem sie wiederholt und wiederholt auf der Tagesordnung des Parlaments gestanden ist, nicht zur Verhandlung zu bringen, und bis heute ist dieser Vertrag noch nicht in Kraft getreten. Es hat dann noch ein Kesseltreiben gegen unseren Außenminister aus rein nationalistischen Gründen begonnen, weil Dr. Kramáø, anstatt Handelsbeziehungen mit Rußland zu pflegen, weil ihm die Sowjetregierung nicht paßt, mit diesem Staate lieber Krieg führen möchte. Erinnern wir uns, daß die Regierung auch bei der Einbringung der Handelsvereinbarung mit Rußland im Motivenbericht gesagt hat genau so wie in der heutigen Vorlage welche ungeheuere Wichtigkeit sie damals, vor mehr als 1 1/2 Jahren, dem Zustandekommen dieses Vertrages beigemessen hat. Es heißt dort im Motivenbericht, daß der Vertrag wesentlich zur Konsolidierung Europas beitragen werde. Sicher ist zur Konsolidierung Europas niemand berufener und kann diese Konsolidierung niemand leichter durchführen, als die Èechoslovakei. Es heißt aber auch weiter, daß der Vertrag auch zur Sicherung der Friedenspolitik in Mitteleuropa sehr viel beitragen werde; wenn nun die èechoslovakische Regierung davon so überzeugt ist, daß einer solchen Vertragsvereinbarung eine so ungeheuere Wichtigkeit zukommt, so hätte sie vor dem Diktat der Kramáøgruppe nicht zurückweichen dürfen, sondern trachten müssen, daß die Handelsbeziehungen mit Rußland angebahnt werden. So stellen wir uns in Kampfstellung, andere aber machen mit diesem Hundertmillionenvolk Geschäfte; bei uns werden Personen, die auf dem russischen Konsulat verkehren - die Zeitungsmeldungen sind bis jetzt unwidersprochen geblieben - ausgespitzelt und es wird das, was die dringendste Gegenwartsaufgabe der Regierung wäre, nämlich Handelsbeziehungen zu schaffen, um unseren Verkehr und unsere Industrie zu beleben, unterlassen. Die Regierung sagt im Motivenbericht auch, daß die Wirtschaftskrise dringend den Abschluß von Handelsverträgen verlangt, weil diese Verträge die einzige Rettung aus der jetzt bestehenden Wirtschaftsnot sein könnten. Seit der Zeit, wo die Regierung das niedergeschrieben hat, hat sich durch den Marksturz und durch die Ruhrereignisse vieles in unserer Volkswirtschaft wieder aufs Neue verschlechtert. Die Krise ist besonders in den Grenzgebieten des Staates weit ärger geworden, als sie damals war, und daß diese Zustände herrschen, ist mit verschuldet durch die Politik Frankreichs, der die Èechoslovakei bisher in der Außenpolitik und in der Handelspolitik leider immer Gefolgschaft geleistet hat.