Ètvrtek 28. èervna 1923

Zum Schluß wiederhole ich unsere Kardinalforderung, die darin besteht, daß wir die Einheitskassen grundsätzlich ablehnen.

Sie haben heute Gelegenheit, durch Ann ahme zweier Resolutionsanträge, die wir eingebracht haben, Ihren guten Willen in dieser Richtung zu bekunden. Lehnen Sie diese Anträgeb, dann zweifeln wir an ihrem ehrlichen Willen, der Landwirtschaft zu helfen. Wir werden auf der Hut sein und ein wachsames Auge auf ihre Machenschaften richten, die einzig und allein den Zweck haben, die politische Herrschaft der Koalitionsparteien aufrecht zu erhalten, ohne Rücksicht darauf, ob die wirtschaftlichen Werte der erwerbenden Stände darunter Schaden leiden oder nicht. Sie fliehen in dieser Richtung jede ehrliche und sachliche Kritik und lehnen jeden, der nicht kritiklos Ihre Verfügungen und Beschlüsse hinnimmt, kurzerhand als Feind des Staates ab. Wir werden uns jedoch Ihrem undemokratischen Druck nicht fügen und nach wie vor die Errichtung landwi schaftlicher Krankenkassen betreiben. Tun auch Sie endlich Ihre Pflicht, schaffen Sie die Möglichkeit für die Bildung dieser landwirtschaftlichen Krankenkassen und freie Bahn endlich einmal für die Krankenkassenwahlen. Es ist ein ex lex-Zustand, in dem wir uns befinden. Wenn wir heute wie früher für diese Vorlage, welche die Verlängerung der Novelle zur Krankenkassenversicherung betrifft, stimmen werden, so geschieht dies nicht aus dem Vertrauen zur Regierung, sondern nur aus einer inneren Notwendigkeit heraus und aus der schuldigen Rücksicht auf das Interesse der schwerbedrängten Landwirtschaft. In diesem Sinne ist unser Votum aufzufassen. (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Leibla (viz str. 565 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Schaffung eines Fonds für Schäden bei Elementarereignissen zeichnet sich aus durch seine Kürze. Es wird durch diese Vorlage allerdings der Anschein erweckt, als ob die Regierung zu dieser wichtigen Frage endlich Stellung nehmen würde. In Wirklichkeit aber ist in diesem Gesetze gar nichts Bindendes enthalten und nach unseren gesammelten Erfahrungen ist es sehr zu bezweifeln, ob es zur Schaffung eines diesbezüglichen Gesetzes überhaupt kommen wird, denn zum Schluß dürfte der Finanzminister wie in anderen Fällen erklären, er habe keine Mittel zur Verfügung. Ich verweise diesbezüglich auf das Gesetz zur Entschädigung bei Viehseuchen. Es ist dies eines der wichtigsten Gesetze für die Landwirtschaft überhaupt. Vor geraumer Zeit wurde im landwirtschaftlichen Ausschuß einstimmig beschlossen, ein bezügliches Gesetz dem Hause vorzulegen. Es sollten 45 Millionen vom Finanzminister zur Verfügung gestellt werden, er erklärte jedoch, keine Mittel zur Verfügung zu haben. Und es war merkwürdig, daß die Herren Großagrarier und Großbauern ohne Unterschied der Nationalität ihren bekannten Einfluß bei der Regierung nicht geltend machten. Das unterließen sie aus folgenden Gründen: Nachdem ein Fond von 45 Millionen, der damals vorgesehen war, nicht genügt, um auch nur halbwegs eine angemessene Entschädigung bei Viehverlusten zu gewähren, war es den Vertretern der kleinen Landwirte gelungen, Begünstigungen für die wirtschaftlich Schwächeren in die Vorlage aufzunehmen. Es sollten jedem Besitzer ohne Rücksicht auf die Größe des Viehstandes zwei Rinder entschädigt werden. Das wäre nur gerecht gewesen, denn der Staat ist verpflichtet, den wirtschaftlich Schwächeren zu stützen. Aber die Agrarier sind noch aus dem alten Österreich gewohnt, eventuelle Subventionen nur für sich allein zu beanspruchen, wie es früher tatsächlich in der aufreizendsten Weise der Fall war und wogegen wir Stellung genommen haben. Dieser Fond bildete damals sozusagen einen Wahlfond für die Agrarier überhaupt. Wir fürchten nur zu sehr, daß die Herren Agrarier ihre alte Gewohnheit noch nicht abgelegt haben und daß auch der zu schaffende Fond von 50 Millionen zur Entschädigung bei Elementarschäden mißbraucht werde. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)

Bei der Schaffung eines solchen Gesetzes müssen mit Rücksicht auf die beschränkten Mittel vor allem die kleinen Landwirte in Betracht kommen. Die Großgrundbesitzer, die Großagrarier, haben ihre Grundstücke in der Regel in mehrerer Fluren verteilt. Erfahrungsgemäß sind die Elementarereignisse örtlich begrenzt und es wird daher selten ihr ganzer Besitz in Mitleidenschaft gezogen. Der kleine Landwirt jedoch mit seinen wenigen Parzellen kann durch ein Elementarereignis vollständig an den Bettelstab gebracht werden. Soll also ein Gesetz zur Entschädigung bei Elementarereignissen geschaffen werden, muß unter allen Umständen und im Interesse des Staates selbst, auf die wirtschaftlich Schwächeren besondere Rücksicht genommen werden. Die bisherigen Entschädigungen durch Steuerabschreibungen haben keine Wirkung. In der Regel werden nur von der direkten Steuer Nachlässe gewährt, damit ist aber dem kleinen und mittleren Landwirt nicht geholfen. Was nützt ihm eine Steuerabschreibung von im günstigsten Falle 10 K, wenn seine Ernte, die ihn das ganze Jahr ernähren soll, vernichtet ist? Steuerabschreibungen waren bisher nur ein Vorteil des Großgrundbesitzers, weil ihm gleich Tausende Kronen abgeschrieben wurden.

Gefährlich für den kleinen Landwirt ist eine Mißernte in den Futtermitteln. Da könnte die Regierung bei gutem Willen viel Gutes veranlassen. In erster Linie Herabsetzung der Bahnfrachten für Futtermittel, Ankauf von Futtermitteln und Streumitteln aus dem Ausland und Abgabe an diejenigen Landwirte, deren Existenz bedroht ist. Die kleinen Landwirte haben ihre Grundstücke fast durchwegs in der schlechtesten Lage, den was dem Großgrund besitzer zu schlecht war, hat er dem kleinen Landwirt und Pächter überlassen. Da ist natürlich jedes trockene Jahr eine Katastrophe. Bis jetzt ist an derart in Mitleidenschaft gezogenen Landwirten kaum mit den geringsten Mitteln zu Hilfe gekommen. Alle bisherigen Maßnahmen hatten einen agrarischen Einschlag, ja man hat die kleinen Bauern mit Abgaben verhältnismäßig schwerer belastet als die Großgrundbesitzer. Der Häusler muß für seine schlechte Parzelle im Vergleiche mehr Umsatzsteuer zahlen als der Großgrundbesitzer, obwohl seine Produkte nicht einmal zur Ernährung der Familie ausreichen. Es wurde Häuslern und kleinen Landwirten eine Vermögensabgabe vorgeschrieben, die in keinem Verhältnis zu ihrem Besitz steht. Die politische Landesverwaltung ordnet an, daß aus den Waldungen Streu an die kleinen Landwirte nicht abgegeben werden darf, sogar das Beeren- und Schwämmesammeln wird verboten. Daher ergreift uns auch Mißtrauen gegen diese Vorlage. Falls es zur Schaffung einer staatlichen Versicherung kommen wird, werden wir später dazu Stellung nehmen. Man soll aber nicht schon im vorhinein etwa ausrechnen, wieviel èechische Beamte man einstellen kann, sondern darauf bedacht sein, daß die Versicherung den praktischen Bedürfnissen entspricht. Die Versicherung müßte auf dem Grundsatz der Selbstverwaltung aufgebaut sein. Die Regierung könnte aber heute schon praktisch gegen Elementarschäden etwas tun, indem sie Wildbachverbauungen, Flußregulierungen in größerem Maßstab vornimmt als bisher. Wir werden trotz unserer Bedenken für die Vorlagen stimmen, erwarten jedoch, daß unserem gerechten Verlangen entsprochen werde, daß den kleinen Landwirten bei diesem Gesetz eine gerechte Entschädigung zuteil werde. (Souhlas na levici.)

5. Øeè posl. Zierhuta (viz str. 567 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die gegenwärtige Regierungsvorlage soll ein Fond von 50 Millionen Kronen für Zwecke der öffentlichen Elementarschädenversicherung errichtet werden. Es ist zwar in der Gesetzesvorlage nicht ausdrücklich hervorgehoben, daß dieser Fond in erster Linie zur Unterstützung der in diesem Jahre von Elementarschäden Betroffenen bestimmt ist, aus der Gesetzesvorlage geht vielmehr hervor, daß dieser Fond zunächst für Zwecke der öffentlichen Elementarversicherung errichtet wird, und erst, wenn diese Versicherung nicht zustande kommen sollte, die von Elementarkatastrophen Betroffenen Unterstützung beziehen sollen. Es ist selbstver tändlich, daß man zu dieser Frage der öffentlichen Elementarversicherung solange keine Stellung nehmen kann, solange keine Richtlinien für diese Versicherung vorliegen, solange die Regierung in dieser Beziehung nicht mit Entwürfen vor das Haus oder die Öffentlichkeit tritt.

Wir begrüßen die Vorlage insoferne, als eben für die Zwecke der so hart Betroffenen Geldmittel zur Verfügung gestellt wurden. Der Betrag, der zu diesem Zweck im Jahresvoranschlag ausgeworfen ist, nämlich 15 Millionen Kronen, deckt natürlich bei weitem nicht auch nur den geringsten Teil der Schäden, so daß tatsächlich ein größerer Betrag notwendig ist, der eben durch diese Vorlage der Regierung zur Verfügung gestellt werden soll. Der Landwirtschaftsausschuß hat zwar Richtlinien festsetzen wollen, nach denen die Unterstützungen aus diesem Fond an die von Elementarkatastrophen Betroffenen verteilt werden sollen; mit Rücksicht darauf aber, daß der in der Sitzung anwesende Landwirtschaftsminister erklärte, die Regierungg habe beschlossen, diese Richtlinien im Ministerrat festzusetzen, hat sich der Landwirtschaftsausschuß lediglich darauf beschränkt, im Bericht festzustellen, nach welchen Grundsätzen diese Richtlinien zu schaffen und diese Unterstützungen zu erteilen wären. Auch wir stellen die Forderung, daß bei der Aufteilung dieser Unterstützungen lediglich Gerechtigkeit und Objektivität in Betracht kommen soll. Es ist ja selbstverständlich, daß in dieser Beziehung kein Unterschied gemacht wird und daß insbesondere auch den von Elementarschäden betroffenen deutschen Gegenden und der deutschen Bevölkerung der gebührende Anteil gegeben wird.

Was nun die Frage der Schaffung der öffentlichen Elementarversicherung betrifft, so ist es klar, daß sich diese nur auf den Grundsatz der Selbsthilfe, und zw. der freiwilligen Selbsthilfe aufbauen kann. Die Erfahrungen, die uns in dieser Beziehung zur Verfügung stehen, zeigen ja ganz klar und deutlich, daß die Kosten einer staatlilchen Versicherung ganz gewaltige sind, daß die Kosten insbesondere des ungeheueren Beamtenapparates und sonstigen Auslagen einen großen Teil der Prämien aufzehren würden, während nur ein ganz kleiner Teil für die tatsächlichen Zwecke der Schaden ergütung zur Verfügung stände. Es ist nicht möglich, die Viehversicherung in staatlicher Form durchzuführen. Es kann sich nur darum handeln, daß die Viehversicherung auf Grund der örtlichen Viehversicherungsvereine aufgebaut und daß lediglich eine große Rückversicherungsanstalt gegründet wird, welche aus öffentlichen Geldern unterstützt werden sollte. Wir haben in dieser Beziehung jahrzehntelange Erfahrungen im benachbarten Bayern und Sachsen usw., die zweifellos uns zur Richtschnur dienen können.

Im allgemeinen möchte ich noch hervorheben, daß mich die Worte des Herrn Brichterstatters einigermaßen überrascht haben; denn man hat bisher gerade von dieser Seite und insbesondere aus Kreisen der städtischen Bevölkerung keine Worte gehört, welche auf eine Würdigung der landwirtschaftlichen Arbeit hinauslaufen. Es wurde hier vom Berichterstatter ganz treffend hervorgehoben, daß das Risiko des landwirtschaftlichen Betriebes ein großes ist, daß Witterungsverhältnisse, Unglücksfälle usw., die mühselige Jahresarbeit des Landwirtes in einer Stunde zunichte machen können. Die Folge davon ist dann die Verschuldung der Landwirtschaft. Auch in dieser Hinsicht ist es notwendig, daß die Regierung Vorsorge trifft. Ich habe bereits im Jahre 1920 einen Initiativantrag bezüglich der Schaffung einer Grundverkehrsordnung eingebracht. Dieser Antrag sollte tatsächlich mit Rücksicht auf die schweren Wirtschaftsverhältnisse erwogen werden, zumal sich jetzt schon in den einzelnen Gegenden und besonders in den Gegenden der von Elementarkatastrophen betroffenen Bevölkerung die Güterschlächterei breit macht und selbstverständlich auch die Verschuldung sehr stark zunimmt. Da ist es notwendig, daß endlich einmal die Wirtschaftspolitik des Staates geändert wird, daß man von der unseligen Konsumentenpolitik abgeht, um zur Produktionspolitik überzugehen. Wir haben gesehen, daß diese Konsumentenpolitik des Staates zur Folge hatte, daß der intensive Landwirtschaftsbetrieb allmählich zu einem extensiven geworden ist. Die Verhältnisse in der Landwirtschaft sind heute so, daß kein rechnender Landwirt heute mehr imstande ist, Kunstdünger zu verwenden, um den Boden zu einer erhöhten Produktion zu bringen. Was in dieser Beziehung der Volkswirtschaft verloren geht, läßt sich ja sehr leicht ausrechnen.

Dringend notwendig ist, daß endlich einmal mit dem bisherigen System gebrochen wird, daß die Regierung der landwirtschaftlichen Produktion den gerechten Schutz und die so, notwendige Förderung angedeihen läßt. Ich will mich nicht damit Befassen, wodurch die wirtschaftliche Krise in diesem Staate entstanden ist, wodurch sie insbesondere verschärft wird. Jedenfalls trägt auch mit zum großen Teil Schuld die ganz verfehlte Wirtschaftspolitik in diesem Staate und die unerträgliche Belastung durch Steuern und Abgaben. Auch die Bodenreform, die nicht nach den Grundsätzen der Wirtschaft und nach sozialen Erfordernissen, sondern nach èechisch-nationalchauvinistischen Methoden durchgeführt wird, trägt ihren Teil an der Schuld der heutigen Krise. Will der Staat und insbesondere die Landwirtschaft aus dieser Krise herauskommen, so muß eben das ganze System der Wirtschaftspolitik in diesem Staate gründlich geändert werden, und wenn gerade die gegenw ärtig in Behandlung stehende Gesetzesvorlage dazu den Beginn darstellt, so könnte sie nur allseits bestens begrüßt werden.

Unser Klub wird für die Vorlage stimmen insoweit damit für die Zwecke der Unterstütz ung der von Elementarkatastrophen Betroffenen ein Kredit von 50 Millionen Kronen bewilligt wird. Bezüglich der Schaffung der öffentlichen Elementarversicherung muß sich natürlich unser Klub bis zu dem Zeitpunkte eine Stellungnahme vorbehalten, wo eben die Regierung die Richtlinien, bzw. Entwürfe dieser geplanten Versicherung der Öffentlichkeit übergeben wird. (Souhlas na levici.)

6. Øeè posl. Roschera (viz str. 576 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, in der Besprechung dieses Gegenstandes der Tagesordnung die Ursachen und die Fehler, die zur Herbeiführung unserer Wirtschaftsnot geführt haben, im allgemeinen zu besprechen, sondern ich möchte nur auf einige wichtige Momente, die unmittelbar die Ursache waren, hinweisen. Wir haben ja heute in allen Staaten Europas und auch außerhalb Europas das eine zu verzeichnen, daß diese Staaten durch die Folgen des Krieges mehr oder weniger von einer schweren Wirtschaftskrise zerrüttet sind. Was wir aber hier bei uns in der Èechoslovakischen Republik sehen und seit Bestand dieser Republik erlebt haben, beweist uns, daß man in diesem Staate ein übriges getan hat, um die Wirtschaftskrise nach Möglichkeit noch zu verschärfen. Es ist während dieser ganzen Dauer nichts geschehen, um die auftretende Wirtschaftskrise in irgend einer Form einzudämmen, im Gegenteil, man hat fortgesetzt durch Unterlassungen und durch eine fehlerhafte Wirtschaftspolitik das eine bewirkt, daß die Krise verschärft worden ist. Man hat den großen wirtschaftlichen Fragen in diesem Staate, die die Arbeiterschaft sehr interessieren, bis jetzt niemals jenes Interesse entgegengebracht, das diese Fragen verdienen, und auch im Interesse der Arbeiterschaft verdienen. Der Staat und die Regierung waren bis jetzt nur darauf bedacht, alles zu tun, um das politische Prestige nach außen aufrecht zu erhalten, um das Ausland damit vertraut zu machen, daß wir einen gesunden Staat haben. In Wirklichkeit aber wurde alles unterlassen, was dazu dienen sollte, um unsere Wirtschaft gesund zu machen. Die Folgen dieser Wirtschaftspolitik stellen sich in unserem Staate auch ein. Wir sehen, daß die hochentwickelte Wirtschaft, die wir in diesem Staate übernommen haben, eine rückläufige Bewegung durchmacht. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)

Wir sehen des weiteren, daß, während andere Staaten sich vom Agrarstaat zum Industriestaat entwickelt haben, die Èechoslovakei als ein hochentwickelter Industriestaat sich umgekehrt zum Agrarstaat zurück entwickelt. Daß es so gekommen ist, daß wir dieser Entwicklung zusteuern, ist darauf zurückzuführen, daß eine Reihe von Parteien in diesem Staate eine solche Entwicklung planmäßig vorbereitet haben. Einige politische Parteien arbeiten für diese Entwicklung, damit die Industrie möglichst klein wird und die Agrarwirtschaft sich zu einem großen Wirtschaftsgebilde im Staate entwickelt. Es soll in diesem Staat auf der einen Seite nur Besitzende und Herrschende, auf der anderen Seite nur Dienende und Knechte geben. Man will nicht, daß die große Masse der industriellen Arbeiterschaft, die aufgeklärt ist, dauernd in dieser Größe in diesem Staate bestehen bleibt. Man hat der Industrie den Lebensfaden abgeschnitten, aber nichts vorgekehrt, für diese Zehntausende von überschüssigen Arbeitskräften entsprechende Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Es kann wohl ausgesprochen worden, daß wir in diesem Staate von allen Staaten Europas die allerschwerste Wirtschaftskrise duchzumachen haben, daß die Arbeiterschaft bei uns von allen Staaten vielleicht am schwersten getroffen ist. Deutschland befindet sich ja in ganz außergewöhnlichen Verhältnissen und kann nicht zum Vergleich gezogen werden. Wir haben seit dem Ausbruch der verschärften Krise, seit dem Herbst des Vorjahres, unausgesetzt darauf verwiesen und auch schon lange vorher erklärt, was geschehen muß, wenn wir nicht einem solchen Zustande, wie ihr ihn heute durchleben, zusteuern sollen. Die Gewerkschaften haben im Vorjahre durch wichtige Beschlüsse der Regierung Richtlinien gegeben, was geschehen muß, um die Krise einzudämmen, um ihrer Verschärfung entgegenzuwirken. Es ist vonseite der Regierung bis zum heutigen Tage soviel wie nichts geschehen. Was seitens der Regierung damals im Herbst beim Einsetzen dieser schweren Wirtschaftskrise geschehen ist, waren Versprechungen, vage Versprechungen, die für die Arbeiterschaft in ihrer Not vollständig bedeutungslos geblieben sind. Wir haben gesehen, daß seit dieser Zeit viele Hunderte von Betrieben stillgelegt wurden, daß Zehntausende, ja Hunderttausende von Arbeitern arbeitslos geworden sind und daß der übrige Teil der Arbeiter, die noch arbeiten konnten, mit wenigen Ausnahmen nur zwei, drei oder vier Tage in der Woche be schäftigt wurden. Und diese Zeit der wirtschaftlichen Not und des Elends der Arbeiterschaft haben die Unternehmer auf der ganzen Linie auszunützen versucht, um einen Raubzug auf die Löhne der Arbeiterschaft durchzuführen, um die Löhne zu kürzen. Und die Regierung hat allen diesen Bestrebungen der Unternehmer vollständig teilnahmslos gegenübergestanden, hat nichts zum Schutze dieser bedrohten Arbeiter in ihrem schweren Existenzkampf, in ihrem Ringen um ihre Existenz, in ihrer Not und Arbeitslosigkeit getan, wo die Arbeiter nicht immer die Kraft aufbringen konnten, um diese Anschläge der Unternehmer abzuwehren.

Was ist seit dieser Zeit zur Belebung der Industrie geschehen? Nichts ist geschehen. Man hat alles gelassen, wie es war. Wir haben durch die Krise eine Arbeitslosigkeit heraufbeschworen, die nur jene kennen, die unmittelbar in der Arbeiterbewegung stehen, die festgestellt haben, wie groß die Zahl der Arbeitslosen ist. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel aus der Textilindustrie anführen. In der Textilindustrie in den deutschen Gebieten von Böhmen, Mähren und Schlesien hatten wir am Schluß des Jahres 1922 nicht weniger als 49.000 Arbeitslose, während 50.000 Textilarbeiter nur zwei und drei Tage gearbeitet haben und nur noch 16.000 Arbeiter vollbeschäftigt waren. In der Glasindustrie gab es in den deutschen Gebieten 8.000 Arbeitslose und 4.000 Kurzarbeiter. Dasselbe sehen wir in der Metallindustrie, in der chemischen Industrie, in der Holzindustrie, in der Porzellanindustrie und im Transportgewerbe. Es sei auch festgestellt, daß im Bergbau in den letzten Monaten ungezählte Hunderte von Arbeitern gekündigt und entlassen worden sind, daß man weiter in der nächsten Zeit neuerlich Tausende von Bergarbeitern der Arbeitslosigkeit zuführt.

Meine Herren! Diese Verhältnisse, unter denen wir gegenwärtig leben, wo wir Zehntausende und Hunderttausende von Menschen haben, die arbeiten wollen und keine Arbeit haben, werden sich auch noch in anderer Weise in diesem Staate äußern. Es ist bedauerlich, daß wir an keiner Stelle, trotzdem wir wiederholt versucht haben, die Regierungsstellen auf diese Verhältnisse und auf ihre Folgen aufmerksam zu machen, Gehör gefunden haben, um diesen Verhältnissen entgegenzuwirken. Wir dürfen uns heute keiner Täuschung mehr hingeben, man hat die Industrie soweit gedrosselt, man hat ihr soviel Schwierigkeiten gemacht, daß wir von diesen Arbeitern, die heute außerhalb der Betriebe stehen, die arbeitslos sind, nur einen Teil wieder in die Betriebe bringen werden, und ein Teil dieser Arbeiter wird dauernd ausgesperrt bleiben.

Was wäre nun die Aufgabe der Regierung, der politischen Parteien und des Parlamentes in diesem Staate gewesen? Es wäre ihre Aufgabe gewese, schon längst, als sich die Anzeichen bemerkbar machten, daß unsere Industrie, unsere Wirtschaft zurückgeht, zu versuchen, jene Möglichkeiten zu finden, damit eine Wiederbeschäftigung geschaffen würde; man hätte alles aus dem Weg räumen müssen, was diese wirtschaftliche Entwicklung hemmt, hätte versuchen müssen, soweit als möglich Vorkehrungen zu treffen für jene Arbeiter der Industrie, die auf ihrem alten Arbeitsplatz auf lange Zeit keine Beschäftigung werden finden können. Ich weiß nicht, meine Herren und Damen, welche Industrien es sind, die geschaffen werden sollen, aber es war Aufgabe der Regierung, rechtzeitig dafür zu sorgen und sich mit Fachleuten, mit den Gewerkschaften u. s. w. zusammenzusetzen und darüber zu beraten, wo eventuell neue und welche Ersatzindustrien man schaffen könnte. Man hat es einmal, wie mir mitgeteilt wurde, in einem engen Regierungskreise versucht darüber zusprechen. Nachdem sich aber dieser Frage sehr viele Schwierigkeiten entgegengestellt haben, hat man gesagt: "Lassen wir es, machen wir es überhaupt nicht!" Wenn man sich vor der Lösung dieser Fragen fürchtet, wenn man gleich am Anfang erklärt, es geht nicht, dann wird es niemals möglich sein, etwas zu schaffen. Es wäre Aufgabe der Regierung, mit aller Energie und Tatkraft dafür zu sorgen, einen Teil dieser Arbeiter, der in einer Industrie nicht mehr unterzubringen ist, in anderen Industriezweigen unterzubringen. Man hat das Investitionsprogramm, über das so viel geredet und geschrieben wurde, gedrosselt. In der letzten Zeit ist mitgeteilt worden, daß das wenige, was die Regierung an Investitionsarbeiten in Aussicht gestellt hat, noch um 25% herabgesetzt werden muß. Man sagt, die Gemeinden sollen Notstandsarbeiten durchführen. Die Gemeinden sind aber im allgemeinen verschuldet und ganz außerstande, aus eigenen Mitteln die Notstandsarbeiten durchzuführen. Trotz ihrer großen finanziellen Schwierigkeiten haben aber eine ganze Anzahl von Gemeinden, soweit sie dazu finanziell imstande waren, versucht, Notstandsarbeiten nach Möglichkeit durchzuführen.

Eine weitere Frage ist die, was nun zu geschehen hat. Sie sehen jetzt, daß unsere Industrie auswandert, die Arbeiter aber hier bleiben, und es handelt sich darum, wie man die Möglichkeit schaffen könnte, jenen Arbeitern, die keine Arbeit finden, die Möglichkeit der Auswanderung zu sichern. Es sollte kein Geheimnis sein, daß viele Arbeiter durch die Not, das Elend und die Arbeitslosigkeit körperlich vollständig heruntergekommen sind, daß sie keine Kleider mehr haben, daß sie nicht mehr die Möglichkeit haben auszuwandern, weil sie nicht einmal ihre Blöße bedecken können, sie ganz außerstande sind, in ein anderes Land zu gehen. Es müßte hier versucht werden, durch Unterstützungen und Erleichterungen aller Art diesen Arbeitern die Auswanderung zu ermöglichen.

Wenn man über die Auswanderung redet, so kann man auf der einen Seite hören, daß es nicht die schlechtesten Arbeiter sind, die auswandern, und daß man gerade diese Arbeiter nicht verlieren will; auf der anderen Seite aber geschieht nichts, um diesen Arbeitern in irgend einer Form entgegenzukommen, damit sie in diesem Staate Beschäftigung finden können. Wir werden es erleben, daß die Arbeiter, die sich nur halbwegs helfen können, auswandern, und wir werden es erleben, daß nach einiger Zeit in einzelnen Industriegebieten, in denen wir eine hochentwickelte In dustrie haben, die Unternehmer den Arbeitern vorjammern werden, daß die Arbeiter die Industrie verschleppt haben. Aber vorher hat sich niemand um diese Arbeiter gesorgt, daß sie ihr Leben und ihren Unterhalt in der Heimat finden können.

Wir haben ein Gesetz über die Arbeitslosenunterstützung, das im Jahre 1921 geschaffen wurde und das dann nachträglich einigemale verlängert wurde. Das Gesetz weist in seinem Aufbau große Mängel auf, aber wir wären froh, wenn nur dieses Gesetz heute überall den Arbeitslosen gegenüber im allgemeinen eingehalten werden würde. Schon die Durchführungsverordn ung, die im September 1921 zu diesem Gesetz herausgegeben wurde, hat in vieler Beziehung das, was im Gesetze klar ausgedrückt wurde, zunichte gemacht, hat zu Irrtümern geführt, zu falschen Auslegungen und das hat bewirkt, daß ein großer Teil der Arbeitslosen aus der Unterstützung ausgeschieden wurde. Man hat in diesem Jahre eine neue Durchführungsverordnung herausgegeben und wir sehen, daß trotz dieser neuen Durchführungsverordnung schon wieder Verwirrung auf der ganzen Linie bei der Handhabung und Durchführung des Gesetzes eingerissen ist. Von Zeit zu Zeit werden draußen Revisionen durchgeführt. Die betreffenden Beamten, die hinausgehen, haben die Aufgabe, wo immer es geht, die Unterstützungen zu drosseln, einen Teil der Arbeiter aus dr Unterstützung hinauszuwerfen und die politischen Behörden einzuschüchtern. Zum Teil ist es ein vollständiges Mißverstehen des Gesetzes, auf der anderen Seite Furcht der politischen Behörden, daß die Arbeitslosen um ihr kärgliches Recht gebracht werden. Sie werfen die Leute aus der Unterstützung hinaus, unbekümmert darum, ob die Betroffenen die Möglichkeit des Lebensunterhaltes haben oder ni cht. Es ergehen auch geheime Weisungen, mündlich und schriftlich, an die politischen Behörden, von denen wir nichts erfahren. Das Gesetz wird innerhalb kurzer Zeit, wenn es so weiter geht, ein bloßer Fetzen Papier sein und die Arbeiterschaft überhaupt keine Möglichkeit haben, zu erkennen, was für sie noch zu Recht besteht. Dadurch schafft man Verwirrung bei den politischen Behörden, so daß wir wieder dorthin kommen, wo wir im Jahre 1921 waren, als dieses neue Gesetz geschaffen wurde. Auch damals hat niemand mehr gewußt, was eigentlich zu Recht besteht, woran sich die politischen Behörden halten sollen oder nicht. Durch solche Verhältnisse werden die aus der Unterstützung ausgeschiedenen Arbeitslosen, die keine Arbeit inden können, dem größten Elend überantwortet und zum Selbstmord und zum Verbrechen getrieben. Es ist aber durchaus nicht die Aufgabe eines Staates, seine arbeitslosen Staatsbürger in diesem Sinne zu behandeln und zur Verzweiflung zu treiben.

Die Durchführungsverordnung vom April 1923 und auch das Gesetz sagen, daß alle jene, die der Krankenversicherung unterliegen, unterstützungsberechtigt sind und es soll in jedem Einzelfall eine genaue Untersuchung angestellt werden, bevor eine Abweisung eines solchen Arbeitslosen erfolgen darf. Wir sehen heute, daß viele, die der Krankenversicherungspflicht unterliegen und die Unterstützung dringend benötigen würden, ausgeschaltet sind. Wie es mit der genauen Untersuchung steht, darüber fragen Sie nur die Arbeitslosen draußen! Die Gendarmen, die sehr häufig die Sprache dieser Arbeiter gar nicht beherrschen, kommen hinaus und schreiben etwas auf, worauf der Arbeiter abgewiesen wird, ohne zu wissen warum, und wenn man dann zur politischen Landesverwaltung geht, so bleibt die Sache liegen, oder wenn die politische Landesverwaltung wirklich sich von dem Unrecht überzeugt, bekommt der Betreffende eventuell nur für vier Wochen Unterstützung und verliert einen Teil des Anspruches. In den meisten Fällen aber bleibt die Sache bei der Landesverwaltung überhaupt liegen. Kein Mensch kümmert sich darum, daß diese armen Teufel in irgend einer Form zu einer Unterstützung kommen. Wir haben im Gesetz eine Bestimmung, daß jeder Arbeiter, der eine vierwöchentliche Arbeit hinter sich hat, wieder in den Genuß der Unterstützung gelangen kann. Wir sehen aber, daß die politischen Behörden sich überhaupt nicht an diese Bestimmung halten, sondern kurzerhand erklären, das sei eine Umgehung des Gesetzes, und der Betreffende bekommt keine Unterstützung, trotzdem er nach dem Gesetze darauf Anspruch hat. Weiters ist im Gesetze festgesetzt, daß der § 82 der Gewerbeordnung dafür maßgebend sein soll, ob ein Arbeiter eine Unterstützung zu bekommen hat oder nicht. Wer kümmert sich aber darum, wenn ein Arbeiter infolge Drangsalierung oder schlechter Arbeit seinen Platz verlassen muß, weil er nichts verdienen kann? Wer kümmert sich darum und wer erhebt das, ob er seinen Arbeitsplatz schuldlos verlassen mußte und weggegangen ist, weil er es nicht mehr aushalten konnte? In den meisten Fällen verweigert der Arbeitgeber die Bescheinigung darüber, daß der Arbeiter unverschuldet arbeitslos geworden ist. Niemand untersucht das und der Arbeiter verliert die Unterstützung. Es steht ferner in der Durchführungsverordnung, daß z. B. ein kleines Häuschen kein Anlaß sein darf, um die Unterstützung zu entziehen. Viele politische Behörden kümmern sich aber darum nicht, und wenn der Arbeiter einen kleinen Besitzstand hat oder ein kleines Stück Feld, wo er ein paar Kartoffeln baut oder eine Ziege weidet, so wird er kurzerhand aus der Unterstützung ausgeschieden, weil er nach Ansicht der Behörden ein Mann ist, der die Unterstützung für seinen Lebensunterhalt nicht braucht.


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