Wir wünschen jede Gelegenheit zu benützen und sehen sie auch bei diesem Gesetz gekommen, versöhnend zu wirken. Wir glauben, Sie hätten das größte Interesse daran, mitzuhelfen und eine ruhige Entwicklung des politischen Lebens bei uns anzubahnen. Warum, meine Damen und Herren von den Parteien der Rechten, warum wollen Sie unter allen Umständen die Scheidewand erhalten, warum wollen Sie sie verewigen, die die Nationen von einander trennt, warum wollen Sie nicht, daß die Völker, die sich oft überflüssigerweise wild bekämpfen, einander näher kommen? Oder huldigen Sie auch heute noch fortgesetzt dem Grundsatz: "Teile und herrsche", säen Zwietracht, um umsobesser alle in der Hand haben zu können? Ist der Staat wirklich so gefestigt, daß Sie ein Interesse daran haben könnten, die Kluft, die sich da aufgetan hat, noch zu vertiefen und zu erweitern? Das kann nicht sein, es ist - so sehen wir die Dinge - auch für Sie ein dringendes Gebot, die nationalen Gegensätze mildern zu helfen, und als ein Mittel, die Völker einander näher zu bringen, empfehlen wir Ihnen unseren Antrag, für den wir Sie zu stimmen bitten. (Potlesk na levici.)
3. Øeè posl. Warmbrunna (viz str. 374 tìsnopisecké zprávy):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zeitungsmeldungen zufolge soll Montag, den 14. Mai anläßlich der Ankunft des Marschalls Foch an sämtlichen Prager Volks- und Bürgerschulen schulfrei sein. Dieser Verfügung des Prager Bürgermeisters Dr. Baxa muß jedenfalls eine stille Zustimmung der Schulbehörden zu Grunde liegen. Ist dem so, dann erlaube ich mir im Namen unseres Klubs gegen einen derartigen Mißbrauch unserer Schuljugend in aller Form zu protestieren. Es ist einfach unfaßbar, wie heute eine verantwortliche und ernst zu nehmende Schulbehörde, die die Erziehung und Gesittung zu überwachen hat, deren selbstverständlichstes und wichtigstes Programm heute, wenige Jahre nach dem entsetzlichen Weltgemetzel, doch nur die Ausrottung des kriegerischen Geistes, die Ausrottung alles dessen in der Erinnerung der Jugend sein kann, was an die Schlächterei erinnert, wie eine solche Erziehungsb ehörde einer Regierung, die noch dazu die Friedensliebe fortwährend im großen Maule führt, wie die zulassen kann, daß einen jener großen Massenschlächter des europäischen Proletariates... (Výkøiky posl. Hakena.)
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid.
Posl. Warmbrunn (pokraèuje): ... und nichts anderes ist der Herr General Foch - die Schuljugend durch die Manifestation eines schulfreien Tages feiern muß. Wenn sich einzelne Parteien um die Besuchsehre dieses Blutgenerals herumraufen, so ist das ihre Sache. Es überrascht niemanden mehr, daß die Klerikalen gemäß ihrer heuchlerischen Tradition selbstverständlich vor Männern, die jeweils die Gewalthaber sind, auf dem Bauche rutschen; warum sollte das klerikale Gesindel dieses Staates nicht auch Foch seine Aufwartung machen. Wogegen wir aber schärfste Verwahrung einlegen, ist, daß man die behördliche Schulautorität dazu mißbraucht, um dem General Foch durch diesen Trick quasi die Sympathie des gesamten Volkes vorzutäuschen. Demgegenüber sei Herrn Marschall Foch von dieser Stelle aus bedeutet, daß die überwiegende arbeitende Volksmehrheit dieses Staates auf seinen Besuch verzichtet und daß das Proletariat diesen ihm durch die herrschenden Kreise aufgehalsten Besuch in Wahrheit als Provokation empfindet. (Souhlas komunistických poslancù.) Wenn der Herr Minister Udržal gestern hier erzählt hat, Foch würde als Pazifist gefeiert, sei dem Herrn General bedeutet, daß das hier im Hause als Witz mit Gelächter aufgenommen wurde, und daß damit der Verteidigungsminister im besten Fall vielleicht seiner Privatmeinung und der einiger Militärs und schweifwedelnden Pfaffen Ausdruck gegeben hat, aber nicht der Meinung der Gesamtheit. Die Arbeiter ohne Unterschied der Nation in diesem Staate sehen den Herrn General lieber mit den Fersen. Das mag Marschall Foch bedenken, wenn er den Boden Prags betritt.
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím pana øeèníka, aby mluvil k vìci.
Posl. Warmbrunn (pokraèuje): Was die Vorlage anlangt, die heute am Programm steht, möchte ich folgendes anführen: Die in Verhandlung stehende Regierungsvorlage, die bereits dem Kulturausschuß wie dem verfassungsrechtlichen Ausschuß passiert hat, regelt die Einführung der Staatssprache, sowie die Sprache der Minderheiten als Unterrichtsgegenstand in den Mittelschulen und in den Lehrerbildungsanstalten. Nach § 1 der Vorlage wird die Staatssprache, also die èechische Sprache, Pflichtgegenstand an allen Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten ohne Unterschied der Unterrichtssprache. Man wird also an den deutschen, slovakischen und ungarischen Schulen, die wir haben, èechisch lernen müssen. Ich erkläre, daß wir darin die Vorlage gutheißen und unterstützen. Es bedarf keiner Argumentation mehr, um diesen Standpunkt zu stützen. Schon die bloße Überlegung, daß zivilisierte Nationen seit Jahrhunderten nebeneinander und miteinander leben und es heute noch besonderer gesetzlicher Vorlage bedarf, damit eine Nation die Sprache der anderen Nation lerne, zeigt, was für Scheuklappen die herrschenden Bourgeosien dieses Staates, die ja für die bestehende Ordnung verantwortlich sind, um die Schädel herumtragen. Es konnte nur in diesem Staate des klassischen Chauvinismus seiner Bougeoisien möglich sein, daß der deutsche Provinzler, der beispielsweise eine Wegstunde von seinem èechischen Mitbürger entfernt wohnt, seit Jahrhunderten dessen Sprache gegenüber reagiert wie auf ein innerafrikanisches Idiom; Schuld an diesen Zuständen sind die Ansichten dieser Bourgeoisien über den Begriff "Nation", und zwar denkt hier die jetzt in diesem Sta ate herrschende èechische Bourgeoisie geradeso wie einstmals die deutsche Bourgeoisie, als sie im österreichischen Staate das Heft in der Hand hatte. Bourgeoisie ist eben Bourgeoisie, das èechische Bourgeoisiegesindel nicht um ein Haar besser als das deutsche Bourgeoisiegelichter. Die Tragik besteht darin, daß das Proletariatwie bei allem auch hier unter den Vorurteilen der Bourgeoisie leiden muß, denn wenn wir heute konstatieren müssen, daß große Teile des Proletariates durch nationale Wände noch getrennt sind, so ist das ein Werk der Bourgeoisien.
Gewiß hat es zur Zeit Österreichs im deutschen Bürgertum u. zw. auch in extrem nationalen Kreisen nicht an Stimmen gefehlt, welche die Parole ausgaben, "Deutsche, lernt èechisch!" Im èechischen Lager mußte man eine entsprechende Gegenparole "Èechen, lernet deutsch!" nicht ausgeben, denn die èechische Intelligenz lernte nicht nur aus politischen Gründen deutsch, sie wurde gezwungen, deutsch zu lernen, ob das zu ihrem Schaden geschah, wissen heute beide Teile. Aber abgesehen davon, daß die Parole "Deutsche lernt èechisch!" nur von der nicht maßgebenden Minderheit der deutschen Bourgeoisie ausging, die maßgebende Mehrheit sich hartschädlig gegen die Erlernung der èechischen Sprache sträubte, einmal aus Geringschätzung, das anderemal aus Furcht, die eigene Nationalität einzubüßen, entsprangen sowohl hüben wie drüben die Rufe nach Erlernung der Sprache des Nachbarn nicht etwa den natürlichen Motiven der gegenseitigen Verständigung und Versöhnung, sondern es waren national-chauvinistische Kampfparolen. Wenn darum die Vertreter des deutschen Bürgertums heute ihre Taktik ändern zu müssen glauben und prinzipiell für den Unterricht der èechischen Sprache in den deutschen Mittelschulen eintreten, so muß erklärt werden, daß sie jetzt aus der Not eine Tugend machen, daß sie durch das Èechischlernen die Jugend kampffähiger gegen den nationalen Gegner machen wollen, keineswegs also etwa pädagogische oder Ziele der politischen Verständigung im Schilde führen, sondern wieder nur Ziele der chauvinistischen Verhetzung. Es sind dieselben Motive, von denen auch der Präsident der Republik nicht frei war, als er als ehemaliger Professor das Schlagwort ausgab: "Mit der deutschen Sprache gegen die Deutschen." Demgegenüber erklären wir, daß wir in der Sprache ein völkerverbindendes Mittel sehen, daß wir unsere Jugend in der Sprache des Volksnachbarn unterwiesen sehen wollen, weil nur der, der sich in der Sprache des anderen mit ihm verständigen kann, auf dem einzigen Wege ist, den anderen auch zu verstehen. Da in der gegenwärtigen Schulorganisation nur ein Sprachunterricht, der als Pflichtgegenstand betrieben wird, Gewähr für den Erfolg des Unterrichtes bietet, stimmen wir auch in diesem Punkte mit dem § 1 der Vorlage überein. Der Vertreter der deutschen Agrarier Herr Dr. Spina äußerte im Kulturausschuß wie auch hier Bedenken gegen die obligate Einführung, also gegen den imperativen Zwang. Er meinte, die èechische Sprache wäre zu schwer für die deutsche Zunge, es würde zu Härten kommen und viele Schüler der Sprache wegen durchfallen. Ich kann diesen Einwand nicht ernst nehmen. Denn daß die Sprachen, wie jeder andere Unterrichtsgegenstand, so gelehrt werden, daß sie für die Schüler aufnahmsfähig sind, muß Sorge der Unterrichtsverwaltung bzw. der methodischen Behandlung sein. Daß Schüler trotzdem durchfallen, wird wohl zutreffen, nun sei aber die Frage gestattet: "Hat sich denn sonst je ein deutscher Professor darum gesorgt, wieviel Schüler aus der lateinischen und griechischen Sprache durchfallen?" Warum auf einmal da die Sorge für die Durchfallskandidaten des Èechischen?
Im § 2 der Vorlage beweist die Regierung, daß sie die Regierung der nationalen Bourgeoisie ist und Zugeständnisse an deren nationale Vorurteile machen muß. Verlangt sie nämlich im § 1, daß die Staatssprache Pflichtgegenstand an allen nichtèechischen Mittelschulen ist, so sollte sie nun auch verlangen, daß die Sprachen der Minderheiten gleichfalls Pflichtgegenstand an allen Schulen wären. Weitgefehlt! Hier spricht sie von Pflicht und Nichtpflichtgegenstand und überläßt die Entscheidung darüber, ob die Minderhe tssprache obligat oder nicht obligat gelehrt werde, dem Schulministerium. Es sieht also wirklich, was das nationale Vorurteil anbelangt, eine Bourgeoisie der anderen ähnlich. Gerade so wie die deutsche Bourgeoisie es selbstverständlich fand, ihre Sprache als bevorzugte Sprache zu erklären und sie imperativ aufzuzwingen, so führt jetzt diese Regierung als Regierung der èechischen Bourgeoisie ihre Sprache, die Staatssprache, an den Schulen der unterworfenen Bourgeoisien ein und glaubt ihren Schulen weiß Gott was zu nützen, wenn sie zur Erlernung der Minderheitensprachen nicht ve-pflichtet. Man kann das am besten folgendermaßen ausdrücken: Der Dyk freut sich jetzt königlich, daß er den Lodgman zwingen kann, èechisch zu lernen. Den Dyk freut das umsomehr, weil es den Lodgman ärgert, daß er jetzt den Dyk nicht zwingen kann, deutsch zu lernen. (Souhlas komunistických poslancù.)
Meine Herren, das, was das Bürgertum beiderseits an nationalem Sprachenwahn treibt, ist nicht mehr gewöhnliche Hysterie, sondern schwer pathologisch, ein Verbrechen aber geradezu, daß die kommende Generation, die jetzt in den Schulbänken sitzt, unter einer derartigen Vormundschaft stehen muß. Will man den Unterricht in der anderen Volkssprache erfolgreich einführen, will man ihn so betrieben wissen, daß über den unmittelbaren praktischen Zweck er seine sittliche Aufgabe in einem so bunten Nationalitätenstaate dahin erfülle, daß er als Brücke die Kluft zwischen den Völkern schlage, zum gegenseitigen Verstehen, so ist eine Bedingung Voraussetzung, von der kein Paragraph dieser Vorlage etwas erwähnt. Diese Bedingung betrifft den Lehrer. Ist es der Regierung ernst mit dem Èechischunterricht an den Mittelschulen der Minderheiten, ist es ihr ernst damit, die Sprachen der Minderheiten in den èechischen Schulen einzuführen, dann muß klar ausgesprochen werden, daß der betreffende Sprachunterricht von Lehrern erteilt wird, für die diese Sprache die Muttersprache ist. Es müssen also èechische Lehrer an deutschen Mittelschulen den Èechischunterricht besorgen und es müssen deutsche Lehrer in den èechischen Schulen den Deutschunterricht erteilen und analog so in den anderen Fällen. Was sagt zu dieser selbstverständlichen Forderung die Regierung? Wie stellen sich die Bourgeoisien dazu? Ich konstatiere, daß als ich im Kulturausschusse im Namen unseres Klubs diesen selbstverständlichen Antrag brachte, daß die Sprachlehrer nur ihre Muttersprache zu unterrichten hätten, dieser Antrag von der Regierung und den koalierten Parteien selbstverständlich automatisch abgelehnt wurde, was uns ja nicht weiter Wunder nimmt, da ja jeder vernünftige Antrag von dieser Koalition ständig abgelehnt wird. Das Merkwürdigste dabei war nur, daß sich in der prinzipiellen Ablehnung dieses Antrages die Vertreter des deutschen Bürgertums sowie die Vertreter der deutschen Sozialdemokratie mit der Koalition zusammen fanden. Der Sprecher der deutschen Agrarier Herr Dr. Spina meinte, daß der Lehrbefähigungsnachweis zur Erteilung des Sprachunterrichtes genüge. Der Sprecher des deutschen Chauvinismus Dr. Schollich wollte keine èechischen Sprachlehrer in deutschen Schulen, weil er natürlich von ihnen chauvinistische Eingestelltheit erwartet; die Vertreter der deutschen Sozialdemokratie enthielten sich jeder Begründung, warum sie gegen eine solche Forderung stimmen. Der wahre Grund für die Ablehnung dieses selbstverständlichen Antrages ist der nationale Chauvinismus sowohl bei den Koalitionsparteien, als auch bei allen Oppositionsparteien, ob sie nun jetzt deutschbürgerlich oder sozialdemokratisch sind. Alle diese Herren haben eine geradezu hysterische nationale Angst davor, daß etwa ein deutscher Lehrer eine èechische Schule betrete, um dort den deutschen Sprachunterricht zu lehren, oder daß ein èechischer Lehrer eine deutsche Schulstube betrete, um dort den èechischen Sprachunterricht zu erteilen. Dabei konnten sich die Parteien beider Seiten nicht genugtun an Phrasen über Verständigung und Versöhnung, zu der die Vorlage mit beitragen soll!
Für uns ist das ein neuer Beweis, daß nicht von diesen Parteien, die jetzt die Koalition bilden, aber auch nicht von jenen Parteien, die sich die Opposition nennen, ein ernster Schritt zur Beseitigung der nationalen Gegensätze erwartet werden kann. (Potlesk komunistických poslancù.)
4. Øeè posl. Schuberta (viz str. 383 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Diese Regierungsvorlage, welche die Dienstverhältnisse der Gendarmerie regelt, bietet uns einmal die Gelegenheit, unsere Beschwerden vorzubringen. Meine Partei steht unverrückt auf dem Standpunkte und auf der Anschauung, daß es vor allem die Hauptaufgabe der Gendarmerie sein soll, den Schutz des Lebens, des Eigentums und der Ehre des Staatsbürgers zu pflegen. Unser deutscher Bauer und Bürger ist von Haus aus ein Ordnungselement und weiß deshalb die Arbeit einer guten Gendarmerie zu würdigen. Wir wissen ferner, daß die Gendarmerie einen schweren Dienst hat, und dies insbesondere in dem unwirtlichen Randgebirge. Wir wünschen in erster Linie die Berücksichtigung dieser unserer Wünsche und Beschwerden, und fordern insbesondere, daß von dem Mißbrauch der Gendarmerie zu politischen Zwecken endlich einmal Abstand genommen werde. Selbst den Gendarmen wird diese Art von Überbetätigung - und zwar sowohl den deutschen als auch den èechischen - schon lange lästig und unerträglich. In demokratischen Staaten hat ein moderner Geist seinen Einzug zu halten. Davon sind wir aber leider noch sehr weit entfernt.
Vorerst wünschen wir, daß bei der Aufn hme der Gendarmen viel vorsichtiger vorgegangen werde und nicht der nackte nationale Gesichtspunkt in den Vordergrund gerückt wird. Man hat es bei der Gendarmerie nicht mit einer Fremdenlegion zu tun, in der jeder beliebige seinen Unterschlupf finden kann. Hier ist die vorsichtigste Auslese am Platze und nicht jeder, der der èechischen Sprache mächtig ist, hat damit schon ein Anrecht auf einen Gendarmerieposten. Wir beanständen vor allem, daß es den Anschein hat, als wenn öffentliche politische Versammlungen nicht abgehalten werden könnten, ohne daß die Gendarmerie aus dem weiten Umkreise hiezu zus ammengezogen wird. Man bringt diese Mannschaft um die Feiertagsruhe. Im Rayon der entblößten Posten ist die Sicherheit gefährdet und das kommandierte "Bajonett auf!" bei Versammlungen und Volksfesten schaut vielleicht sehr schneidig aus, trägt aber in der gegenwärtigen kritischen Nachkriegszeit gewiß nicht dazu bei, die Gemüter, die oft in Gährung sind, zu besänftigen. Es gibt nur eine wirksame Waffe, die im Wettstreit der Menschen und Völker siegreich ist, und das ist die Waffe der Kultur. Ein Zuviel der Bevormundung des urteilsreifen Staatsbürgers ist niemals am Platze. Regieren heißt, die Massen leiten und erziehen und nicht sie knebeln und niederzwängen. Wir brauchen deshalb ein Schutzgesetz der Kultur und nicht ein Schutzgesetz der Gewalt. Die Anschauungen über Freiheit und Demokratie sind ja im Schoße der Koalition recht eigene. Wir haben es ja gestern erlebt, daß von ministerieller Seite Foch ein Pazifist genannt wurde. Morgen wird es heißen, daß Clémenceau zeitlebens den Ölzweig in der Hand getragen hat. Meine Damen und Herren! Gegen derlei offensichtliche Geschichtsfälschungen müssen wir uns von dieser Stelle aus verwahren.
Wir haben die Gendarmerie betreffend aber auch schwere nationale Beschwerden. Der deutsche Gendarm wird auf das Aussterbeétat gesetzt. Man quält und verfolgt ihn mit harten Sprachprüfungen. Er, der den ganzen Tag im drückenden und schweren Dienst ist, soll in kürzester Zeit ohne jede Beihilfe die èechische Sprache erlernen. Das ist für viele ein Ding der Unmöglichkeit.
Der § 2 des Gesetzes handelt von Versetzungen in den dauernden Ruhestand von amtswegen. Gendarmeriepersonen können nach der gegebenen Fassung ohne Überprüfungsverfahren und ohne eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden. Dieser Paragraph ist ein zweischneidiges Schwert und kann direkt zu einer Entfernung deutscher Gendarmen führen, wenn dieselben irgendeinem Chauvinisten nicht zu Gesicht stehen. Die Gendarmerie und selbst die Organe der Gefällskontrolle werden zu Sachen verwendet und mißbraucht, die ihren Aufgaben ganz ferne liegen. Erhebungen landwirtschaftlicher Art, wie z. B. die Erhebungen der Schäden der Maul- und Klauenseuche gehören nicht der Gendarmerie, sondern den landwirtschaftlichen Freiwilligenverbänden. Ebenso sind die Erhebungen in Epidemiesachen sämtlich dem Arzte zuzuweisen. Erhebungen über Wasserkraftanlagen und über Wasserkräfte haben Fachleute und nicht die Gefällskontrolle zu bestreiten.
Aus dieser manigfachen Nebentätigkeit der Gendarmerie ergibt sich eine unausgesetzte Bevormundung der Bevölkerung, die zu einer unerträglichen Last wird. Die Betätigung dieser staatlichen Organe wäre nach einer vernünftigeren, anderen einheitlichen Richtung zu lenken. Schaffen Sie, um die Gendarmen zu entlasten, endlich das Zigeuneransiedlungsgesetz, das sie schon wiederholt angekündigt haben. Dann wird der Landmann von einer schweren Landplage befreit, die ihm große Opfer auferlegt und auch für die Gendarmerie wird nicht nur eine ernste Bürde, sondern auch eine schwere Gefahr beseitigt. Und wenn Gendarmen mit Hintansetzung ihres Lebens - wie es jüngst in der Stadt Hostau der Fall war - im regelrechten nächtlichen Kugelkampfe Ordnung schaffen und diese gefährlichen, stehlenden Nomaden zur Raison bringen und die kompetenten Kreise der Bürgerschaft für diese wackeren Gendarmen eine Anerkennung verlangen, dann hat man beim Ministerium des Innern hiefür keine Geneigtheit und hält es nicht einmal der Mühe wert, den Akt ordnungsgemäß zu erledigen. So hebt man nicht die Berufsfreude einer guten Gendarmerie und so wird nicht der Schutz des Bauern und des Bürgers gefördert. So lähmt man den Pflichteiferdieser Corps. Wir wünschen vor allem, daß die Ausbildung der Gendarmerie nicht vom Giste nationaler Unduldsamkeit, sondern von humanem menschenfreundlichen Geiste getragen wird. Wer Fehler und Gebrechen der Menschen zu behandeln hat, der soll auch Menschenschwächen verstehen und nicht kleinliche Dinge aufgreifen und im Kommißstil behandeln. Hier hat die Schulung der jungen Eleven einzusetzen, damit sie überzeugt sind, daß jener, der den Staat vertritt, nicht von der Leidenschaft des Augenblickes sich hinreißen lassen darf, sondern Ruhe und und Gelassenheit bewahren und oft selbst sein eigenes verletztes Ich im Interesse der Sache ausschalten muß. Die Gendarmerie muß eine viel höhere Ausbildung erhalten. Von alledem sagt dieses Gesetz nichts und auch der Motivenbericht ist karg und schweigt sich darüber aus. Jener Geist der sich im Schutzgesetz auslebt, wäre von der Gendarmerie fernzuhalten, sonst wird die künftige Generation der Gendarmerie für uns nicht eine Wohltat, sondern eine Landplage. Der Gendarm muß sich bemühen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erringen, er soll ihr Vertrauensmann werden und kein Sbirre sein. Es mehren sich in der letzten Zeit die berechtigten Klagen über verhängnisvolle Übergriffe. Ein ganzer Strauß von Interpellationen liegt da vor, die wenigsten davon sind beantwortet und wo eine Antwort erfolgt ist, war dieselbe, wie dies ein schwerer Fall in Ronsperg augenscheinlich zeigt, ungenügend, ausweichend und direkt den Gegenstand nicht berührend. Die politischen Behörden wären gelegentlich anzuweisen, dem jungen Gendarmerienachwuchs Besonnenheit und billige Rücksichtnahme im Dienste anzuempfehlen und auch darüber intensiver zu wachen, ob auch die Tätigkeit der Gendarmerie dieser Forderung gerecht wird. Der Reiz, über das Ziel zu schießen, muß zurückgedämmt erden. In Kaaden dagegen scheint man anderer Meinung zu sein und entwürdigt den Gendarm dadurch, daß man ihn in die Gasthäuser entsendet, um für èechische Zeitungen, èechische Speisekarten u. dgl. Reklame zu machen. Kleinlicher kann man wohl nicht handeln. Solche Mäzchen retten den Staat nicht. Die jungen Gendarmerieeleven, es ist dies vielleicht eine neue Forderung, die wir erheben, sollten aber unbedingt auch nach der Seite der sozialen Fürsorge eine entsprechend intensive Ausbildung bekommen. Sie, die mit der Landwirtschaft auch in enge Berührung kommen, sollten durch Teilnahme an verschiedenen landwirtschaftlichen Kursen es lernen, sich den landwirtschaftlichen Verhältnissen in ihrer Amtstäti keit besser anzuschmiegen. Der der Großstadt entstammende Gendarm soll nie und nimmer Verwendung am flachen Lande finden. Er steht den Landverhältnissen weltfremd gegenüber, für ihn selbst wird der Dienst zur Qual, er wird es natürlich umsomehr auch für die ländliche Bevölkerung.
Unsere Beschwerden sind begründet und rufen nach Abhilfe. Haben Sie den jungen Nachwuchs im Auge und stellen Sie nur solche an, die Energie mit billiger Rücksichtnahme zu verbinden wissen, dann fahren Sie gut. Doch ich zweifle, daß Sie sich zu einer solchen Auffassung emporringen werden, im Gegenteil in der nächsten Zeit werden wir es ja erleben, daß die Gendarmen zum Sturz von Standbildern des Volksbefreiers Josefs II. neuerlich mißbraucht werden.
In diesem Sinne bringen wir bei dieser Gelegenheit unsere Beschwerden vor und verlangen desbezüglich rascheste Abhilfe. (Souhlas a potlesk na levici.)