Ich möchte nur ganz kurz für einzelne Industriezweige die Lage vom Dezember rekapitulieren. Da ergibt sich z. B. in der Textilindustrie, daß wir in dem Gebiete, das heute die Èechoslovakei umfaßt, 116.000 Arbeiter hatten. Im Juli 1922 waren davon noch 60.000 Arbeiter beschäftigt, im November 1922 nur noch 44.500. Der Textilverband hat über die Beschäftigung in der Textilindustrie vom 15. bis 20. Jänner 1923 ganz genaue Erhebungen durchgeführt und es ist ein Mangel der heutigen Debatte, daß wir hier zwar mancherlei von irgendwelchen Investitionen hören, die beabsichtigt sind, für die man aber wahrscheinlich das Geld noch nicht aufgebracht hat, daß man weiter etwas davon hört, wie die Arbeitslosenunterstützung durchgeführt wird, daß wir aber eigentlich über den Stand der Industrie, insbesondere auch vom Herrn Handelsminister, nicht unterrichtet worden sind. Dazu wären auch gewissenhafte Erhebungen notwendig und das könnte in der kurzen Zeit, die uns eingeräumt ist, nicht gemacht werden. Wir haben ja jetzt gewissermaßen nur die Zwischenzeit bis zur Fertigstellung des Gesetzes zum Schutze der Republik durch eine gewisse Redefreiheit auszufüllen. Wir wissen genau, warum man jetzt diese Debatte eingeschoben hat: es geschah dies nur, weil man jenes Gesetz noch nicht fertig hat. Deshalb läßt man jetzt die Mühle eine Zeit lang klappern. Nun, wir wollen durch dieses Klappern wenigstens einiges zur Kenntnis der Öffentlichkeit bringen.
Im Jänner war die Beschäftigung in der Textilindustrie folgendermaßen: Wir haben 19.900 Arbeiter 6 Tage der Woche beschäftigt - ich bemerke, daß es sehr gut wäre, wenn diese Daten genau notiert würden, ich glaube, daß die Herren vom Ministerium diese Daten noch nicht zur Verfügung haben - durch 5 Tage waren 7319 Arbeiter beschäftigt, durch 4 Tage 7021 Arbeiter, 3 Tage 7726 Arbeiter, 2 Tage 2586 Arbeiter und 1 Tag pro Woche 375 Arbeiter.
Wenn wir die Arbeitsstunden mit dem Jahre 1914 vergleichen, so kommen wir, angenommen eine achtstündige Arbeitszeit, im Jahre 1914 auf eine Summe von 5,568.000 Arbeitsstunden in den 492 Betrieben der Textilindustrie, von denen heute noch 126 vollständig stillstehen. Heute haben wir nach der zitierten Arbeitszeit 1,702.000 Arbeitsstunden in der Woche, also nur 20 % der Arbeitszeit vom Jahre 1914. Dasselbe Verhältnis herrscht auch in der mährischen Industrie, wie durch eine genaue Statistik des Verbandes der mährischen Industriellen festgestellt wurde. Dort ergibt sich durch Vergleich nach dem Stande vom Jänner d. J. eine Arbeitszeit von nur 27 % des Jahres 1914, dort ist also die Krise noch größer.
Die Glasindustrie hatte von 32.000 Arrbeitern 22.000 überhaupt arbeitslos. Dazu kommen die Heimarbeiter und die Veredelungsindustrie, welche mit dieser Industrie in engem Zusammenhange stehen, bei denen z. B. im Gablonzer Gebiet die Arbeitszeit höchstens 20 % der normalen Arbeitszeit beträgt. 2000 Arbeiter sollen aus diesem Industriezweig - wie eine Enquête in Haida, an der auch Vertreter des Ministeriums teilgenommen haben, festgestellt hat - bereits in das Ausland gegangen sein, weil sie hier das Fortkommen zu finden nicht mehr hoffen können.
Die Porzellanindustrie hatte beim Höhepunkt der Krise eine dreißigprozentige Beschäftigung. Bei der Roheisenindustrie ist ja die vollständige Auslöschung der Hochöfen bekannt. Die Eisen verarbeitende Industrie in Mähren ist bis auf etwa 50 % heruntergedrückt, die Lederindustrie in Mähren auf 43 % usw. Die Holz-, Spitzen-, Posamenten-, Stickereiindustrie im Erzgebirge, die Musikinstrumenten-, die Warnsdorfer, Rumburger und Schluckenauer Industrie, die Messer-, Leinen-, Flachsindustrie, wohin Sie schauen, dasselbe Bild. Es sei zugegeben, daß der Höhepunkt in der industriellen Krise im Dezember war und daß wir in einzelnen Gruppen eine kleine Abschwächung im Verlaufe des Jänner feststellen konnten, insbesondere in der Baumwollindustrie und in jenen Gruppen, welche in irgend einem Zusammenhang mit dem besetzten Ruhrgebiet stehen oder durch diese Industrien beeinflußt werden, also Kohlen-, Koks-, weiters Eisenindustrie und einige Industrien, die merkwürdigerweise mit der Beschaffung von Militärmaterial in innigem Zusammenhang stehen und die natürlich in der jetzigen Zeit von der Regierung etwas mehr beschäftigt worden sind.
In der Baumwollindustrie wird leider bereits aus verschiedenen Gebieten gemeldet, daß wir mit dieser Konjunktur bereits wieder zu Ende sind. Es ist bis zum heutigen Tage leider noch nicht genügend Zeit abgelaufen, um feststellen zu können, ob wir tatsächlich mit einer dauernden Besserung für die nächste Zeit zu rechnen haben, oder ob es nur ein rasch vorübergehendes Aufflackern war und ob nicht die chronische Krise, die hier bereits geschildert wurde und die sich auch in der Ziffer der Arbeitslosen, wie sie der Herr Fürsorgeminister genannt hat, am allerdeutlichsten ausdrückt, wieder von neuem und verstärkt einsetzen wird.
Es ist nun notwendig, daß man zur Beurteilung der Sachlage auf einige Bemerkungen eingeht, die in der letzten Zeit die Öffentlichkeit beschäftigt haben. Insbesondere hat man unsere aktive Handelsbilanz rosenrot ausgemalt und hat gewissermaßen die Milliarden nur so in das Land hereinsch wimmen sehen; man at das in Dollars herumgerechnet, auch ein deutscher Berichterstatter hat da sehroptimistisch in der "Tribuna" in die Zukunft geschaut und hat ausgerechnet, daß wir eine wunderbare aktive Handelsbilanz haben werden. Nun, hier sind die Ziffern zum Teil ja amtlich festgestellt, wenn auch nur die Mengenziffern. Hier in der Handelsbilanz ist es ganz interessant und bezeichnend, daß wir z. B. 1920 in der Ausfuhr 69 Millionen Meterzentner hatten, im Jahre 1921 97 Millionen Meterzentner, daß aber die Bewertung in beiden Jahren, also die Ausfuhrwerte, dieselben bleiben, im Gegenteil die Bewertung geht im Jahre 1921 noch um ein Stückchen zurück. Es sei die amtliche Mengenfeststellung nicht weiter heute bemängelt. Wir finden, daß wir im Jahre 1922 eine Ausfuhr von 92 Millionen Meterzentnern, eine Einfuhr von 31·6 Millionen Meterzentnern hatten, also ein ganz bedeutendes Plus in der Menge. Nun ist die große Frage, wie eigentlich die Wertziffer zu bemessen wäre. Es ist auch hier ganz klar, daß Detailberechnungen erst dann möglich sein werden, wenn man wirklich weiß, welche Werte ins Ausland geführt worden sind. So ist z. B. in der Textilindustrie einmal behauptet worden, der Export habe sich im allgemeinen behauptet. Das ist nicht wahr, denn es sind minderwertige Waren ausgeführt worden; es wurde durch den Verband der Textilindustriellen festgestellt, daß sich die Ausfuhr im Jahre 1922 hauptsächlich auf minderwertigere Waren bezogen habe. Und dazu könnte man - ich könnte die Ziffern anführen, aber es steht in diesem Hause wahrhaftig nicht dafür - auch die Ziffern genau anführen; aber ich möchte hier nur auf eine Bewertungsziffer zurückkommen, ob denn auch diese die Statistik richtig bewertet oder nicht. Man teilt bekanntlich die Unwahrheiten in der Welt in drei verschiedene Kategorien ein: einmal die bewußte Unwahrheit, dann die unbewußte Unwahrheit und drittens die Statistik. Das sind die Einteilungsgründe für die Unwahrheiten. Es ist ja auch von sehr hoher Stelle einmal die èechoslovakische Statistik in der Art und Weise gewertet worden. Jedenfalls ist es sehr bedenklich, wenn wir in der Ausfuhr z. B. bei rohen Baumwollgarnen in der Statistik eine Ziffer von 229 Kronen pro Kilogramm finden und wenn wir dann durch Fachleute, hören daß der höchste Inlandspreis 120 Kronen war und der tiefste Inlandspreis 40 Kronen, also ein Unterschied von ungefähr 180 Kronen. Es wird einem dann auch erklärlich, daß, als in einer Sitzung der èechoslovakischen Statistiker - es wird vielleicht einen oder den anderen Herrn interessieren - man endlich eine Ziffer gefunden hatte, der betreffende Vertreter des Ministeriums zum Schluß sagte: Ja, wenn wir diese niedrige Ziffer als Durchschnitt annehmen, also der Wahrheit entsprechend, so kommen wir ja nicht auf die richtigen Werte. Also, sie haben andere Werte von vornherein supponiert und diese anderen Werte wurden dann einfach ausgerechnet.
Nun eine andere wichtige Betrachtung, die wir hier bei der Handelsstatistik hervorheben müssen. Sie ist nämlich auch in diesem Staate meines Wissens noch nicht klar und deutlich hervorgehoben worden, nämlich die Leistungsfähigkeit gerade in der Textilindustrie wird nicht entsprechend berücksichtigt. Wir haben im alten Österreich in Textilwaren im Jahre 1913 eine Gesamtmenge von ungefähr 1,407.000 Meterzentnern exportiert. Die Èechoslovakei hat im Jahre 1921 an Textilwaren 544.000 Meterzentner exportiert, also ein bedeutendes Minus von ungefähr 900.000 Meterzentnern. Wenn wir hier den Inlandsbedarf von Österreich, Ungarn und Polen abr echnen, so kommen wir schließlich im Textilexport zu einem Defizit von 655.000 Meterzentnern. Denn bekanntlich hat die Èechoslovakei 70 % der Textilindustrie übernommen und müßte demgemäß auch vom Export des alten Österreichs 70% übernommen haben. Wie erwähnt, rechne ich dahier den Inlandsbedarf für Wien zum Teile ab, weil heute Wien auch wieder Reexport betreibt, die Ware wird von Wien wieder weitergeschickt. Ich bitte nun einmal den Herren Handelsminister - vielleicht ist einer der Herren so freundlich, ihn darauf aufmerksam zu machen, er wird sich die Rechnung noch nicht durchgerechnet haben - diese 655.000 Meterzentner mit dem Durchschnittswert für einen Meterzentner Baumwollware und Wollware zu multiplizieren. Da kommt allein aus dem Export unserer Textilindustrie ein Entgang von 14.767 Millionen Kronen heraus. Ich stelle diese Ziffer hierzur Debatte, und ich bitte, wenn sich irgend jemand überhaupt für den Staat interessiert, auch von den geehrten Mehrheitsparteien, diese Ziffer ein er Kritik zu unterziehen, denn sie ist geradezu eine trostlose Ziffer für unsere Arbeitslosigkeit und unsere Wirtschaftskrise. Unsere Textilindustrie, die Grundlage der Industrie hier in diesem Staate, oder sagen wir, die Mitgrundlage - denn schließlich kann man ohne Glas in diesem Staate auch nicht leben - hat allein im Export im Jahre 1921 einen Entgang von 14 1/2 Milliarden Kronen nach den amtlich festgestellten Ziffern. Nun wage jemand einmal zu behaupten, daß wir in der Textilindustrie in dem Staate keine chronische Krise haben! Sie wird durch derart kleinliche Maßnahmen, wie wir hier sie vielleicht durchzuführen imstande sind, überhaupt nicht behoben werden können. Aber es ist wichtig, an dieser Ziffer weiter zu studieren, sie statistisch zu prüfen und danach festzustellen, ob wir überhaupt imstande sind, dieser Ziffer beizukommen. Für Glas ist es nicht viel besser. Denn gerade unser Glasexport, der auch fachmännisch in der letzten Zeit sehr häufig durch Regierungsorgane beraten wurde, hat zu guter Letzt auch mit dem Herrn Minister für öffentliche Arbeiten wiederholt verhandelt und hat festgestellt, nur eine Herabsetzung der Kohlenpreise, u. zw. nicht wie sie heute schon durchgeführt ist, sondern nur eine weitergehende Herabsetzung könnte unsere Glasindustrie wieder konkurrenzfähig machen. Sie ist es heute nicht, sie ist es auch nicht, weil die Chemikalienpreise eine solche Höhe erreicht haben, daß sie mit den Kohlenpreisen zusammen unseren so wichtigen Exportartikel Glas dem Ausland gegenüber einfach konkurrenzunfähig machen.
Nun gehen wir in unserer Argumentation einen Schritt weiter: wollen wir ruhig diese zwei oder drei Milliarden Aktivum der Handelsbilanz hinnehmen und wollen wir daraus einmal unsere Zahlungsbilanz entwickeln! Denn darum wird es sich eigentlich handeln; wozu ist denn die aktive Handelsbilanz eigentlich da? Sie ist doch zu dem Zweck da, um das Volksvermögen hier im Inlande zu heben, um uns Kapitalien zuzuführen, damit wir investieren können und die Arbeitslöhne bezahlen können, damit wir aufbauen können, was bisher zerstört worden ist. Aber betrachten wir einmal die Zahlungsbilanz. Wir lesen in allen Blättern und Zeitungen, daß wir bis Anfang November 100 Insolvenzen, 341 angemeldete Konknkurse und 1435 Ausgleiche hatten. Das klingt nicht einmal so übermäßig groß. Wenn Sie die stillen Ausgleiche dazunehmen, kommt aus diesen Ausgleichen allein bis Anfang November eine Passivziffer von 2174 Millionen Kronen heraus. Die Ausgleiche haben nicht nachgelassen, die Konkurse gehen geradeso weiter, und wenn wir bis zum heutigen Stand nachrechnen, werden wir daraus mindestens einen Verlust haben, der unser ganzes Handelsaktivum bei weitem wieder aufhebt. Es ist einfach nichts übriggeblieben allein aus der Passivpost der Konkurse und Ausgleiche. Aber damit sind die Verluste keineswegs erschöpft, sondern wir können noch Milliarden an weiteren Verlusten dazuschlagen, die das Volksvermögen erlitten hat. Ich erwähne da nur einzelnes. Die fortgesetzte Preisherabsetzung hat natürlich zu Verlustverkäufen vornehmlich ins Ausland geführt; man wollte abstoßen. Die Detailisten im Inlande haben ihre Warenlager, die sie teuer gekauft hatten, solange als möglich zurückgehalten, die Fabrikanten haben das eingesehen und direkt zu Verlustpreisen exportiert und ungeheure Verluste erlitten. Dazu kommen die Valutaverluste, denn bekanntlich ist im Vorjahre unsere Krone noch nicht genügend stabilisiert gewesen und dadurch sind, besonders durch das Steigen, besondere Valutaverluste entstanden, Verluste im Ausland. Fragen Sie die Industrie, das Gewerbe und den Handel! In Rumänien, Jugoslavien, Italien, Österreich, Polen - was weiß ich - in allen Ländern hat man beim Steigen der Krone gesagt: wir können nicht mehr voll bezahlen, Ihr müsst auf einen Ausgleich eingehen, Ihr müßt weniger dafür nehmen! Und in vielen Fällen war der betreffende Geschäftsmann zufrieden, wenn er überhaupt einen kleinen Ausglei ch bekommen hat. Das das nicht geringfügig war, beweist der Umstand, daß unsere gesamte Ausfuhr im letzten Jahre mit 82 % an Österreich, Ungarn und an Deutschland gebunden ist - ich glaube, aus Deutschland sind die Verluste im allgemeinen am geringsten gewesen, wenn auch die Markverluste, die Valutaverluste natürlich ungeheure waren, die die betreffenden Geschäftsleute erlitten. Dann kommen Verluste aus der Entwertung der Maschinen: es ist ganz selbstverständlich, wenn die Hälfte der Betriebsanlagen leer steht und vier, fünf und sechs Jahre unbenützt stehen müssen, daß daraus unschätzbare Verluste entstehen. Nun, nehmen wir daneben noch die Verluste, die wir einschätzen können und die sich berechnen lassen. Ich habe früher einmal in einer Debatte darauf hingewiesen. Nehmen Sie, um den Arbeitslohn sicherzustellen, der den Arbeitern entgangen ist, einen Stundenlohn von 3 Kronen für die Arbeitsstunde an und nehmen Sie 300.000 Arbeitslose an, die wir gehabt haben; diese 300.000 Arbeitslosen sind zuguterletzt heute schon beinahe 6 Monate ohne Arbeit, wir haben also einen Verdienstentgang von 1296 Millionen zu verzeichnen. So kommt eine Milliarde zur anderen und immer wieder eine Milliarde, die noch hinzuk ommt. Die Einkäufe in Deutschland - ich spreche von der Zahlungsbilanz - sind natürlich auch nicht, unbedeutend, denn das Geld, das für die Einkäufe nach Deutschland getragen wurde, kommt zu guter Letzt bei der Zahlungsbilanz als Passivum in Rechnung und wird die Zahlungsbilanz herabsetzen. Nehmen Sie dann weiter die Verluste, die die Kurorte erlitten haben, die Millionenverluste, die wir dadurch erleiden, daß wir die Arbeitslosenunterstützung schon solange zahlen müssen - der Herr Minister hat für die letzten Jahre die Ziffer von 600 Millionen angegeben, ich nehme nur 200 Millionen im letzten Jahre an - so sehen Sie, daß das Volksvermögen durch die Krise ganz systematisch geradezu zermürbt werden muß. Dazu kommen die enormen Bankverpflichtungen, die heute der Einzelne hat, der Drang der Behörden, die Steuern zu zahlen, das Gespenst der Vermögensabgabe, das im Hintergrunde steht, weiters die von meinem Vorredner bereits erwähnte Postsparkassa, die alten Heeresforderungen von fast 1 Milliarde - es sind 800 Millionen - die gesperrten Guthaben und selbstverständlich die Kriegsanleihe. Und nun stellen Sie sich einmal vor, ob es möglich ist, hier eine aktive Zahlungsbilanz im Einzelhaushalte, im Geschäftshaushalte herzustellen und ob es möglich sein wird, eine aktive Zahlungsbilanz im Staatshaushalte herzustellen. Ich glaube nicht. Ich glaube, wir werden nach der Handelskrise, wenn sie auch vorübergeht, derart furchtbare Zahlungsschwierigkeiten haben und werden in eine derartige Finanzkrise hineinkommen, daß wir alle die schönen Versprechungen des Herrn Ministers für öffentliche Arbeiten von Investitionen einfach zum größten Teil nicht werden ausführen können, weil wir kein Geld dafür haben werden.
Ja, wie wird im Staatshaushalte eigentlich gespart? Dadurch, daß man die Beamtengehälter heruntersetzt, daß man auf der anderen Seite die Steuern heraufsetzt, daß man mit Exekutionen droht, vielleicht auch den Hauswert belastet, kann man den Staatshaushalt zu guter Letzt nicht erhalten. Es sei auf einige verunglückte Experimente der Staatsbehörden hingewiesen, die keineswegs dazu beigetragen haben, die Finanz- und Wirtschaftskrise zu erleichtern. Ich meine da vor allem die Verschärfung der Devisenordnung. Es war ein Fehlgriff, die Devisenordnung in der Weise zu verschärfen, wie es durch das Bankamt geschehen ist und ich will die Urteile nicht wiederholen, die einmal von sachverständiger Seite darüber gefällt worden sind. Sie waren sehr scharf. Ich erwähne nur, daß es heute Schwierigkeiten macht, Exportvaluta auf Termin zu verkaufen. Man hat es, wie ich höre, in der letzten Zeit endlich zugegeben, aber da gehört wieder zur generellen Bewilligung ein Depôt von 100.000 Kronen, das in der Regel beim Bankamt in staatlichen Wertpapieren verlangt wird. Bei Stornierungen, wo wieder ein Rückkauf der Exportvaluta notwendig ist, hat man Schwierigkeiten; die Verluste gehen auf Konto des Geschäftsmannes und die Verdienste, die bei der Steigerung der Valuta eventuell gemacht werden, steckt das Bankamt ein. Der Vorverkauf telegraphisch avisierter Valuten ist nicht durchführbar. Es ist sehr schwer, der Ausländer weiß nicht, welchen Kurs er erhält. Fragen Sie die Gablonzer! Heute sind sie wieder hereingefahren; eine Deputation geht von Ort zu Ort, um klar zu machen, worum es sich handelt. Die Importvaluta für die Bezahlung der Waren, die hereingehen, für Wolle, Baumwolle u. s. w. ist auch schwer zu beschaffen. Der Importeur kann im Auslande keine Kassakäufe machen, weil er zuerst das Bankamt fragen muß, ob er dafür die Bewilligung bekommt. Da möchte ich auf eines hinweisen: Es ist ein Fall, bekannt, daß in den letzten Wochen eine Faktura in deutscher Sprache eingeschickt wurde; sie kam zurück mit der Bemerkung: "Nicht bewilligt". Acht Tage darauf hat man dieselbe Faktura in èechischer Sprache eingeschickt und sie kam umgehend zurück: "Bewilligt". Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich zu machen ist. Zumindest gibt es hier Personen, welche sich ihrer Verantwortung nicht bewußt sind. Diese Personen können nicht als geeignet bezeichnet werden, wobei ich den Leiter des Bankamtes nicht meine, sondern den betreffenden Herrn, der die Devisenabteilung zu leiten hat, der vielleicht für ein kleines Krämergeschäft geeignet ist, nicht aber zur Leitung dieser Stelle.
Es nützt nichts, wenn man der Arbeitslosigkeit in einzelnen Gebieten, wo auch èechische Arbeiter beschäftigt sind, durch Heereslieferungen zu steuern sucht. Bekanntlich kauft das Heer teuerer. Es sind mir Fälle bekannt, wo Offerten deutscher Fabrikanten zurückgewiesen wurden und als darauf ein èechischer Händler dieselbe Offerte eingereicht hat, hat er die Lieferung mit Zuschlag der Provision erhalten. Auch der Fall des Herrn Vodièka ist bis heute nicht aufgeklärt, der, leider muß es gesagt werden, mit einem Herrn im Ministerium derartige Geschäfte en masse betrieben hat. Es genügen endlich auch nicht halbe Maßnahmen. Denn es ist eine halbe Maßnahme, wie erwähnt, wenn man einen Steuernachlaß gewährt, aber nur für eine gewisse Frist, und dann die Eintreibung durch Exekution durchführt. Auch die Vermögensabgabe muß endlich reformiert werden. Wir müssen an ihre Novellierung schreiten und müssen einmal die Praxis auch über die Theorie stellen. Die Theorie mag recht schön sein, aber es kann dazu kommen, daß wir unter dieser Abgabe eines schönen Tages große Zweige unserer Industrie ruiniert sehen. Kleinliche Maßnahmen werden dem Wirtschaftschaos in der nächsten Zeit nicht steuern. Es müssen, das wurde wiederholt betont, große Wirtschaftsgebiete geschaffen werden, es muß endlich auch bei den Mehrheitsparteien der - Gedanke Fuß fassen, daß unsere politischen - Ententen mit unseren wirtschaftlichen Ententen in unheilbarem Widerspruche stehen. Denn da zeigt sich dieser große Krebsschaden, der immer wieder als eine schwärende Wunde da und dort aufbricht und den mein Vorredner in kurzen Worten schon angedeutet hat. Wir sind nach einer Seite, nach der Siegerseite orientiert und gerade diese politische Orientierung verträgt nicht unsere Wirtschaft. Unser wirtschaftliches Gedeihen liegt in der Bekämpfung weiterer Gewaltmaßnahmen, nicht aber in der Hinaussendung von Arbeitern in das Ruhrgebiet, sondern in der örderung aller Bestrebungen, welche einer friedlichen Zusammenarbeit der Völker die Wege ebnen sollen.
Zum Schlusse meiner Ausführungen möchte ich noch einem bescheidenen Wunsch in der Kriegsbeschädigtenfrage Ausdruck geben. Vielleicht ist der Herr Minister für das Fürsorgewesen so freundlich, diesen Wunsch besonders aufzunehmen. Es möge ihnen nämlich bei der Arbeitslosenunterstützung nicht immer die Kriegsrente abgezogen werden, denn dadurch geschieht ein großes Unrecht. Ich will nicht von den ganz Erwerbslosen sprechhen, die zu 85% beschädigt sind, sondern nur von jenen, denen man von ihrer kargen Arbeitslosenunterstützung die 2 und 3 Kronen Kriegsentschädigungsrente, die sie bei 50 %iger Verletzung bekommen, abzieht. Auch die Witwen trifft das, wenn sie arbeitslos sind. Wir werden uns erla uben, einen Gesetzantrag einzubringen, der das Gesetz in dieser Richtung abändert, und bitten den Herrn Minister für das Fürsorgewesen, darauf Acht zu haben.
4. Øeè. posl. Simma (viz str. 2262 tìsnopisecké zprávy).
Meine Damen und Herren! Ich nehme namens meiner Partei die Gelegenheit der Abführung einer Wirtschaftsdebatte wahr, um auch unseren Standpunkt zu der katastrophalen Lage zu fixieren. Viel zu lange ist uns in diesem Hause in dieser Beziehung Schweigen aufgetragen gewesen und die Tausende zusammenbrechender selbständiger Existenzen, wie die Hunderttausende Menschen, die in Anlehnung an diese ihren Erwerb, ihre Lebensmöglichkeit fanden, verzweifeln an der Versammlung ihrer Vertreter, wiesie sich hier repräsentiert, weil sie von dieser allen voran eine geistige und tätige Stellungnahme zur Lage längst verlangten. Sie wissen nicht, besonders unsere Deutschen sind zu idealer Verfassung, als daß sie das glauben würden, daß nicht immer der Wille der Versammlung selbst gilt, als vielmehr der Wille einer kleinen Gruppe von Mitgliedern derselben und Außenstehender, die durch die Not und das Elend der Mitmenschen sich nicht aus ihrer beschaulichen Ruhe gleich aufscheuchen lassen. Und wenn diese Zehntausende in Not und Elend lebender Menschen die Situation augenblicklich in diesem Hause erblicken könnten, meine Herren, dann müßten sie in der Tat wünschen, daß dieses Haus, das ja nur mehr eine Blasphemie des Parlamentarismus darstellt, dem Ende nahegeht.
Bei der Besprechung der Wirtschaftslage lassen wir deutsche Nationalsozialisten uns nicht von kleinlichen Gesichtspunkten leiten. Wir müssen in diesem Augenblick wieder deutlicher als je erklären, daß der Urgrund unserer desolaten Nachkriegsverhältnisse in der Art der Beendigung des Kriegen oder besser gesagt" der Art des Beginnes des Friedens gelegen ist, eines Friedens, der keinen Anspruch hat, ein solcher genannt zu werden, dem alle Größe, aber auch alle Klugheit mangelt, obwohl gerade diese Eigenschaften von Nöten gewesen wären, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen. Aus der heutigen Debatte ist nicht jedes politische Moment auszuschalten, obwohl sie eine Wirtschaftsdebatte ist. Wir deutschen Nationalsozialisten finden es sogar für nötig, allem voran zu betonen, daß die Gründe der heutigen Krise, die ja keine lokale, sondern eine allgemeine Krise auf dem Weltmarkt ist, nicht so sehr in Thesen zu finden sind, die man sich zur Erklärung dieser oder jener Wirtschaftskrise zurechtgelegt hat. Wir finden es für notwendig, zu betonen, daß die Hauptgründe politischer Natur sind. Haupsächlich liegen sie, wie schon gesagt, im Friedensvertrag von Versailles, der in seinen unmöglichen Klauseln den durch den Krieg an und für sich zerrütteten Apparat der wirtschaftlichen Organisation Europas vollständig zertrümmerte und einer gründlichen Revision zugeführt werden müßte, wenn man die heutigen Verhältnisse zu verbessern ernstlich gewillt wäre. Freilich, der Friede sollte nur einen Wirtschaftsorganismus treffen, den deutschen, den wollte man vollständig zerschlagen; das ist gewiß ein schrecklicher Plan, aber noch schrecklicher als dieser Plan ist die naive Meinung der Baumeister Europas, diesen Plan realisieren zu können, diesen Plan der Zerrüttung, der vollständigen Vernichtung eines integrierenden Bestandteils der kontinentalen Wirtschaft vollführen zu können ohne Auswirkung auch auf die anderen Wirtschaftseinheiten. Heute zeigt sich das anders, man sieht, wie der ganze europäische Organismus in ein Chaos verwandelt wird, und schon ist die öffentliche Meinung der Welt dem Friedensvertrag von Versailles gegenüber eine revidiertere, als das noch etwa vor Jahresfrist gewesen ist. Das kann wohl hier behauptet werden, so paradox diese Behauptung im gegenwärtigen Augenblick angesichts der Ereignisse besonders in Westdeutschland sich ausnimmt.
Ich habe solcher Art betont, daß wir uns niemals unseren Blick haben trüben lassen. Unsere Partei zeigt seit Jahr und Tag den Urgrund aller wirtschaftlichen Wirren auf und bekämpft diesen Urgrund. Das möchte ich an die Spitze meiner Erörterungen gestellt haben und ich füge hinzu, daß, wenn sich die Regierung der Republik am 10. September des verflossenen Jahres in einem Aufruf an die gesamte Bevölklkerung wandte und Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise ankündigte, daß dieser Aufruf der èechoslovakischen Regierung... (Nepokoj.)
Místopøedseda dr. Hruban (zvoní): Prosím o klid.
Posl. Simm (pokraèuje): Meine Herren! Die èechischen Arbeiter würden eine Freude haben zu sehen, wie sich ihre Abgeordneten bei der Abführung der Wirtschaftsdebatte in so schöner Weise unterhalten. Es fehlt nur noch der photographische Apparat, um eine solche Gruppe einmal aufzunehmen und den Arbeitern draußen vorzuweisen. Es würde den Arbeitern vielleicht ein anderes Licht aufgehen. Meine sehr Verehrten! Ich wiederhole, die Regierung hat in einem Aufruf vom 10. September des verflossenen Jahres Maßnahmen angekündigt, die zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise dienen sollen. Von uns wäre der Ernst der Versicherungen, die in diesem Aufruf stehen, nur geglaubt worden, wenn an erster Stelle die Regierung auch ihre Bereitwilligkeit erklärt hätte, mitzuhelfen an der Beseitigung des Urgrundes aller Krisen, die sich nicht nur lokal in diesem Staate, sondern allgemein zeigen, wenn die Regierung sich auch bereit erklärt hätte, den Wahnsinn mitbeseitigen zu helfen, der besonders aus dem Reparationsproblem des Versailler Friedensvertrages hervorgeht. Die Reparationsklauseln geben wahnsinnigen Menschen vom Schlage eines Poincaré, die ja längst ins Irrenhaus gehören und nicht an verantwortliche Stellen, an die sie gestellt worden sind, um Völker und Nationen zu regieren, immer wieder Gelegenheit, ihre Politik zu steigern zum Unglück der Völker und Nationen ganz Europas. Der Aufruf der Regierung vom 10. September 1922 kennt allerdings nicht den Kardinalgrund der Krise, den ich hier aufgezeigt habe, und kennt somit auch die Kardinalmittel nicht, die Krise zu beseitigen. Der Aufruf spricht lediglich von Mitteln, die der Beseitigung der besonders starken hierstaatlichen Krise dienen sollen. Er verspricht Taten gegen die heimische Krise in Form einer durchgreifenden Bekämpfung der Teuerung, damit die Kaufkraft der èechischen Krone im Inland ihrem Wert auf den ausländischen Geldmärkten angepaßt wird, er verspricht die Vornahme öffentlicher Bauten zum Zwecke der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, verspricht staatliche Lieferungsaufträge in großem Umfang, was einer produktiven Arbeitslosenfürsorge gleichgekommen wäre. Der Aufruf verspricht Verordnungen, wonach die Gründe überprüft werden sollen, die zu Betriebseinschränkungen, bzw. Einstellungen führten, er verspricht die Novellisierung des Gesetzes über die Kohlenabgabe, Herabsetzung der Eisenbahntarife, Posttarife, Änderung der Zollsätze und dgl. Der Aufruf beschäftigt sich also mit der èechoslovakischen Krise, und infolge dessen dünkt es uns notwendig, uns auch mit der èechoslovakischen Wirtschaftskrise zu beschäftigen, die zum größten Teil eine Folge der Ausstrahlung der allgemeinen Weltwirtschaftskrise ist, die aber doch hier durch verfehlte Maßnahmen eine besondere Stärke erreicht hat. Das Ergebnis des Nachdenkens über die hierstaatlichen Zustände ist dann die Einsicht, daß wohl die Ausstrahlung der Krise auf dem Weltmarkt auf den èechoslovakischen Staat und seine Wirtschaft nicht aufzuhalten war, daß aber die spezifische Verdichtung der Krise bei uns hätte verhindert werden können. Ich will damit sagen, daß die èechoslovakische Krise das ureigenste Produkt der èechischen Staatskunst, der èechischen Volkswirtschaftsund Finanzpolitik und in weiterer Linie das Ergebnis von regierungsseitigen, die Wirtschaftsverhältnisse beeinflußenden Verordnungen und Verfügungen und sonstigen Maßnahmen ist, die sich bei Betrachtung der Wirtschaftslage von allem Anfang an dem nüchternen Wirtschaftspolitiker schon lange als Fehlgriffe erwiesen. Es muß weit zurückgegriffen werden, um all das zu beleuchten. Ich erinnere an die verkehrten außenhandels-politischen Richtlinien, die hier nach dem Umsturz zurechtgelegt wurden und die man teilweise bis heute beibehalten hat, die erzwungene Umstellung unserer Exportrichtung nach dem Westen, eine Handelspolitik, die dem Gefühl nach gemacht wurde, wo der Verstand nicht sprechen durfte, und ganz ausgeschaltet wurde. Was wäre natürlicher gewesen, als wenn damals der Staat, der durch den Umsturz der Erbe von 75% eines großen Produktionsapparates aus dem alten Österreich-Ungarn wurde, sich in seiner Handels- und Wirtschaftspolitik bemüht hätte, zu diesem Produktionsapparat, den er übernahm, auch Absatzgebiete zu finden, die damals zu finden gewesen wären. Was wäre vernünftiger und verständiger gewesen, als wenn die Handelspolitik damals in den ersten Tagen des Bestandes des Staates versucht hätte, die Überproduktion des alten Staates in die altgewohnten Absatzkanäle zu leiten und so der Entwicklung irgendwie die Wege zu ebnen. Das ist nicht getan worden. Ich habe das schon angedeutet, es ist niemals in diesem Staate erkannt worden, daß die Produktion nicht Selbstzweck ist, sondern daß sie nach wirtschaftlichen und kommerziellen Absatzmöglichkeiten zu behandeln ist. Diese Verfehlungen auf dem Gebiete unserer Außenhandelspolitik blieben aber nicht allein. Auf allen Gebieten der Wirtschaftspolitik sind Fehler begangen worden. Ein ebenfalls wesentlicher Grund, der auf dem Gebiete der Èechoslovakei zur Verschärfung der Wirtschaftskrise an der Weltkrise gemessen beitrug, ist die ständige Verschlechterung der Produktionsgrundlagen der hiesigen Wirtschaft durch eine von Tag zu Tag fühlbarer werdende Belastung der Produktion. Es müßte hier die Frage aufgestellt werden, wieso es kommt, daß die Èechoslovakei, die doch als assoziierte Macht weder Reparationen noch Wiedergutmachungen auf Jahrzehnte zu leisten hat, wie etwa das benachbarte Deutsche Reich, wieso gerade dieser Staat zu dieser unendlichen Belastung seiner Bürger kommen mußte. Ich komme auf den Grund hiefür noch zu sprechen.