Úterý 27. února 1923

Vorher möchte ich noch einer Methode einigen Raum in meinen Erörterungen widmen, die das ganze Jahr 1922 eine Rolle spielte und die letzten Endes, weil sie rücksichtslos betrieben wurde, den vollständigen Ruin unserer Wirtschaft zur Folge hatte. Ich meine die Methode der künstlichen Kronensteigerung, die Methode der Deflationspolitik. Mit außerordentlicher Energie hat man diese Politik von den ersten Tagen des Bestandes dieses Staates an betrieben. Wir wissen, daß alle Maßnahmen des Staates in finanztechnischer Beziehung der Deflationspolitik dienten, der künstlichen Kronensteigerung, die wir nun in ihren Auswirkungen heute erleben.

Ich erinnere nur an die Einziehung des halben Banknotenumlaufs, ich erinnere an die Sperre der Sparkassenguthaben, an die Konskriptionen, an die Trennung der èechoslovakischen Währung von den Währungen der übrigen Sukzessionsstaaten, weiter an den Versuch, die Staatss hulden abzubürden. Das Kapital der Kriegsanleihe könnte hier in unfangreicher Weise erörtert werden. Alles Dinge, die zu dem Zweck unternommen wurden, um in solcher Art auf den Kurs der èechischen Krone einzuwirken und ihren Stand zu erhöhen. Was weiter im Sinne der Rašín'schen Finanzpolitik geschah, war das gleiche an Rücksichtslosigkeit. Ich erinnere an die versppätete Anerkennung der österreichischen Vorkriegsrenten, an die Verkürzung der Vorkriegsrenten in der Zinsenfrage, an das Verhalten der Regierung in der Frage der Wiener Postsparkassa, in der Frage der Desequestration der Auslandsguthaben, ich erinnere weiter an das Verhalten der Regierung in der Frage der Bezahlung der Heereslieferanten u. s. w. Der Grundgedanke, den Wert der èechischen Krone möglichst hoch zu stellen, charakterisiert die Finanzpolitik mehr als zu Anfang des Bestandes dieses Staates etwa im Jahre 1922.

Es war nicht Wunder zu nehmen, daß die über die wahren Verhältnisse der Republik nicht informierte Spekulation des Auslandes sich der èechischen Krone immer mehr bemächtigte. Die Krone wurde so, nicht natürlich, sondern künstlich, auf den Stand vo netwa 20 Centime an der Züricher Börse hinaufgetrieben. Das hatte man zuwege gebracht. Der rückläufigen Bewegung an der Börse stand man aber und steht man zum Teil noch heute machtlos gegenüber und es muß hier festgestellt werden, daß es als ein Glück bezeichnet werden muß, daß diese rückläufige Bewegung, die vor einiger Zeit eintrat, nicht bis zum letzten Ende sich verwirklichte, denn es wäre möglich gewesen, die Krone viel tiefer fallen zu sehen, als es ihrem inneren Wert entsprochen hätte. Diese Deflationspolitik charakterisiert, wie ich schon sagte, das ganze Jahr 1922. Man führte sie von Regierungs wegen, nachdem man vorgab, sie durch das Ausland aufgezwungen bekommen zu haben, in allen Konsequenzen durch, rücksichtslos, ohne Rücksicht darauf, ob alles sich umlegte in diesem Staate und ob tausende selbstständige Existenzen dem Verderben zugeführt wurden und damit Zehntausende und Hunderttausende Menschen, die auf der Grundlage dieser selbständigen Existenzen ihr Leben aufgebaut haben, auch mit ins Verderben gerieten. Gewonnen haben bei dieser Kampagne nur die Banken, die ja wohl auch der Regierung den Rat gegeben haben, diese Deflationspolitik zu betreiben. Die Wirkung dieser Finanzmaßnahmen auf Industrie, Handel und Gewerbe waren katastrophal. Wir wissen, daß die Unsicherheit der Valutaverhältnisse die ganze Initiative lähmte. Die Entwertung der Lager machte Händler und Verbraucher kopfscheu. Die sinkenden Warenpreise, die teils künstlich und nicht immer einwandfrei durch die Deflationspolitik gedrückt wurden, verursachten einen Käuferstreik. Die Zahl der Insolvenzen stieg ins ungemessene. Sie wissen, daß Ausgleiche über Ausgleiche in den Rubriken der Tagesblätter zu finden sind, nicht immer lauterer Art und lauteren Charakters. Aber auch eine große Anzahl sehr ehrenwerter Firmen, die wie für die Ewigkeit geschaffen schienen, sind infolge der Auswirkung dieser Finanzmaßnahmen des Staates ins Verderben gebracht worden.

Meine sehr Verehrten! Ich erinnere weiter an die Einfuhr reichsdeutscher Waren, die dann im großen betrieben wurde, weil die Waren in Deutschland um 1/10 des Inlandspreises gekauft werden konnten. Ich erinnere daran, daß solcher Art Hunderte Millionen èechischer Kronen ins Ausland wanderten. Als erste der verschiedenen wirtschaftlichen Gruppen wurde von der Deflationspolitik die Industrie betroffen, die zum großen Teil Exportindustrie ist. Da die Steigerung der Kaufkraft unserer Krone im Inland und im Zusammenhang damit die Herabsetzung aller Preise für Bedarfsartikel mit der Wertsteigerung der èechischen Krone im Ausland nicht Schritt hielt, war es der Industrie unmöglich, mit dem Ausland konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Krise ist aber bei der Industrie nicht stehen geblieben, sondern hat infolge der allgemeinen Stagnation und dem damit in Zusammenhang stehenden Sinken der Kaufkraft der Bevölkerung auch auf das Gewerbe und den Handel übergegriffen. Auch die Landwirtschaft ist nicht unberührt geblieben, wie schon von einem landwirtschaftlichen Redner klargelegt wurde.

Wenn wir heute eine Bilanz dieser Politik des Staats ziehen, so sehen wir dabei nur ein wirtschaftliches Leichenfeld ungeheurer Art vor unseren Augen. Das trifft aber ganz besonders die deutschen Gebiete, die ja auch heute noch wie in der Vergangenheit die Träger der Wirtschaft sind und die selbstverständlich durch derartige katastrophale Krisen immer mehr betroffen werden als andere Teile dieses Staates.

Nun sind große deutsche Kreise der Ansicht, daß das alles provoziert worden sei, daß die Herren um den Živnokonzern diese Finanzpolitik zu dem Zwecke betrieben, um den Ruin der deutschen Wirtschaft, der deutschen Bevölkerung herbeizuführen, die, einmal so erschüttert, eine eichte Beute für das mobile Kapital dieses Konzerns sein konnte. Ich will diesen Gedanken nicht weiter ausführen, aber ich erinnere daran, daß einzelne Fälle vorhanden sind, die Beweise wären für diese Behauptung, wie der Fall der Aussiger chemischen Fabrik, der Mannesmanwerke in Komotau u. s. w. Ich will diesen Gedankengang nicht weiter ausspinnen. Sicher ist, daß diese Finanzpolitik die furchtbarsten Ereignisse auslöste, für welche die Regierung, die vielleicht im Unterbewußtsein alle diese Maßnahmen, wie sie sich in der Finanzpolitik zeigten, über Auftrag des Živnokonzerns getätigt hat, nach allen Auswirkungen derselben sich doch bemüßigt fühlt, irgendwelche Hilfe zu bieten: die Regierung versucht in die Entwicklung einzugreifen. Das Erste aber, was die Regierung fo rdert, um eine Entspannung der Krise herbeiführen zu können, sind Opfer von den Bürgern, Opfer von den Angehörigen aller Wirtschaftsgruppen und nicht zuletzt von den arbeitenden Schichten, von den Staatsbeamten, von den Lehrern und in weiterer Folge von der Privatarbeiterschaft. Es ist ja bekannt: Diese Opfer, meine Verehrten, sind gebracht worden. Auch das muß hier festgestellt werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Motivenbericht zu dem Gesetze, mit welchem die Beamten- und Lehrergehalte reguliert wurden, des Gesetzes vom Dezember vorigen Jahres, in dem ohne Scheu von der Regierung zugegeben wurde, daß sie in der Herabsetzung der Löhne ein Mittel für die Regulierung von Angebot und Nachfrage erblickt, daß also der Arbeitnehmer so zum Experiment eines zu forzierenden Gesundungsprozesses, wie er durch die Deflationspolitik notwendig wurde, gemacht werden sollte. Die Kalkulation war folgende: Die Staatsangestellten bilden mit ihren Haushaltungsangehörigen eine große Zahl von Konsumenten, sie sind demnach ein wichtiger Faktor für die Regulierung der Nachfrage, ein umso wichtigerer, da der Konsum derselben sich auf die unentbehrlichen, notwendigen Lebensbedürfnisse beschränkt, bei welchen ein Preisrückgang von größter Bedeutung für die Nachfrage ist. Für die Nachfrage nach diesen Bedürfnissen sind nicht in letzter Linie die Einkünfte der Angestellten maßgebend. Diese Einkünfte sollen nicht nur der sinkenden Preistendenz angepaßt werden, sie wurden herabgesetzt, die sinkende Preistendenz zu bewirken. So geschah es, daß die Staatsbeamten, die Lehrer und in weiterer Folge Tausende arbeitender Menschen gezwungen wurden, einem Experiment für einen Gesundungsprozeß zu dienen, der eben eingeleitet werden mußte, weil die Deflationspolitik des Staates so glänzende Auswirkungen erzielte. Es sei mir hier erlassen, eine Kritik an diesen Dingen zu üben. Ich möchte auch einige positive Angelegenheiten hier besprechen. So wurde unnatürlicherweise eine Verbilligung gewisser Rohstoffe und Fabrikate und durch den Abbau der Löhne eine Verbilligung der Gestehungskosten der inländischen Waren erzielt. Es muß aber hier die Frage aufgestellt werden: Hat auch der Staat diesem Gesundungsprozeß etwas zuliebe getan, hat auch der Staat dem Gesundungsprozeß zuliebe Opfer gebracht? Das ist die entscheidende Frage, ob er, der Opfer verlangt, mit Opfern voranging. Solcher Art hätte er für seine an die verschiedenen Wirtschaftsgruppen gerichteten Forderungen eine moralische Begründung gehabt; hat, ich wiederhole, auch der Staat Opfer gebracht? Wir können auf diese Frage nur mit einem starren Nein antworten, denn die Steuern, die Zölle, die Bahn- und Posttarife sind stabil geblieben und doch konnte die Anpassung an den neuen von der Regierung geschaffenen Außenwert der Krone in der Warenerzeugung nur dann erfolgen, wenn alle Kalkulationsfaktoren in ungefähr gleicher Weise abgebaut worden wären. Der Staat indessen, der von seinen Arbeitern, von den Beamten und Lehrern eine immense Einschränkung ihrer Lebenshaltung verlangt, ist nicht imstande gewesen, seine Ausgaben im gleichen Ausmaße herabzusetzen. Man braucht zum Beweis dessen nur das Budget für 1923 zur Hand zu nehmen. In diesem letzten Staatsvoranschlagkom mt der dem èechoslovakischen Finanzsystem innewohnende Widerspruch wie nirgend anderszum Ausdruck. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wurde der Krone nkurs auf den inter nationalen Auslandsgeldmärkten auf ein Niveau genoben, das um mehr als das Doppelte über dem vorjährigen liegt und das Ergebnis all dieser èechischen Finanzpolitik ist bei dem Staate selbst, daß die Ausgabenseite des Staates im Jahre 1923 nur um den Betrag von 500 Millionen Kronen gegenüber dem Staatsvoranschlag pro 1922 geringer ist. Also einer mehr als 200%igen Kurssteigerung der Krone steht ein 2 1/2%iger Abbau der Ausgabenseite des Budgets gegenüber. (Posl. Patzel: Und das ist noch nicht sicher!) Ja, immer noch verschlingt der militärische Apparat die Summe von 2·7 Milliarden, auch in diesem Jahre werden immer noch Millionen und Abermillionen für unsere Auslandspropaganda verausgabt, für repräsentative Zwecke, deren Wert wir als ganz illusorisch ansehen, und solcher Art kann es unmöglich zu einer Verminderung der Belastung der Produktion kommen. Solcher Art ist es nur moglich, daß die neimische Produktion, die heute so ungeheuer be lastet ist, im Konkurrenzkampf mit anderen Industrien nicht bestehen kann. Sie wird immer mehr belastet. So wird auch im Jahre 1923 an Realsteuern aus den Bürgern des Staates herausgepreßt ein Betrag von 223 Millionen Kronen, an allgemeiner Erwerbsteuer 211 Millionen Kronen, an Erwerbsteuer der öffentlichen Rechnungsleger 215 Millionen, an Rentensteuer 50 Millionen, an Einkommensteuer 801 Millionen, an Kohlenst uer 1050 Millionen, an Umsatzsteuer rund 2 Milliarden Kronen. Also nicht einmal bei der drückendsten, der Kohlensteuer, der Warenumsatz- und der Transportsteuer hat irgendwie eine inschränkung des Staates stattgefunden. Dadurch macht der Staat selbst eine Anpassung der Produktion an den neuen Kurs unmöglich. Die Zollsätze, die höchstens sechsmal so hoch sein dürften als die Friedenssätze, sind heute noch dreißigmal so hoch, das Briefporto heute noch zehnmal so hoch und die für die Erzeugung so wichtige Kohle im Preise 15 mal so hoch als zu Friedenszeiten. Trotzdem Industrie, Handel und Gewerbe und die Arbeiterschaft in der Form des erzwungenen Abbaues in Löhnen und Bezügen im letzten halben Jahre ungeheure Opfer gebracht haben, konnte eine Entspannung der Krise nicht erfolgen, weil der Staat mit seinen Opfern zurückblieb.

Da will ich nun etwas vom Export sagen. Die Exporteure, welche in ausländischer Währung verkauft hatten, bekanen beim Eingehen der Exportdevisen nur einen Bruchteil des Betrages, mit welchem sie gerechnet hatten. Jene, welche um jedes Devisenrisiko auszuschalten, in èechischen Kronen dem Ausland verkauft hatten, bekamen entweder gar kein Geld oder Angebote, 30 bis 50% im Ausgleichswege anzunehmen, da die ausländischen Käufer es als unmöglich bezeichneten, die durch die hohe Krone entstandene Differenz aus eigener Tasche zu bestreiten. Solcher Art sind für die Bürger und die Wirtschaft des Staates unendliche Schäden entstanden. Man schätzt diesen Schaden lediglich für das Industriegebiet von Gablonz - und zwar ist das die Schätzung eines sehr ernsten Volkswirtschaftlers - auf rund eine Milliarde èechischer Kronen. Der wahre ziffernmäßige Schaden kann überhaupt nicht erfaßt werden. Die wirtschaftliche Situation ist also unheimlich. Im Gablonzer Bezirk z. B., in welchem wir noch im Jahre 1922 800 tätige florierende Bijouteriebetriebe tten, sind heute 600 von diesen vollständig geschlossen und lediglich 200 arbeiten nur 2 bis 3 Tage der Woche. Die Gürtlergenossenschaft in Kukan, dem südlichen Gebiete des politischen Bezirkes Gablonz, die im Jahre 1920 noch 700 Arbeiter in Bijouterie aufzuweisen hatte, hat nurmehr 84 zu verzeichnen. In den meisten Gebieten auch dieses Teiles des Gablonzer Industriegebietes wird nur 2 bis 3 Tage in der Woche gearbeitet. Früher wurden z. B. bei der Gürtlergenossenschaft Gablonz im Jahre 80 bis 90 Lehrverträge abgeschlossen, im letzten Jahre sind lediglich 12 solcher Verträge abgeschlossen worden. Eine Unmenge von Gehilfen und Meistern sind ausgewandert, weil sie in der Heimat keine Arbeit, im Ausland aber Verhältnisse-vorfinden, die eine Lebensmöglichkeit garantieren. Es sind entsetzliche Zustände. Von der rund 100.000 Seelen zählenden Bevölkerung des Gebietes, die von der Bijouterie leben, sind etwa 80.000 auf Teilarbeit in sehr geringem Ausmaße gesetzt. Die Arbeitslosigkeit ist in diesen Gebieten ungeheuerlich und wird immer größer und größer. Wenn behauptet wird, daß in der einen oder anderen Industrie in den letzten Wochen eine kleine Entspannung der Krise zu ve eichnen gewesen ist - ich will nicht untersuchen, inwieweit diese Mitteilungen auf Wahrheit beruhen - so muß hier gesagt werden, daß in dem Gebiete des politischen Bezirkes Gablonz an der Neiße, der eines der größten Krisengebiete darstellt, eine Entspannung der Krise bisher noch nicht zu verzeichnen gewesen ist und auch nicht in Aussicht steht, nach allen, die dieses Gebiet kennen. Im Zusammenhange mit dieser Notlage der. Bevolkerung dieser Bezirke steht die Kritik, die ich führen muß in Bezug auf die Unzulänglichkeit der Bestimmungen über die Unterstützung der Arbeitslosen. Wir finden heute noch, nicht nur in unserem Bezirke, sondern auch in anderen Bezirken, daß Tagarbeiter, Handlanger, landwirtschaftliche Arbeiter, Tischler, Gewerbetreibende, die in Not geraten sind, Kleinhäusler usw., überhaupt noch keine Arbeitslosenunterstützung beziehen. Es ist eine Unmenge Einze älle zu verzeichnen, die geradezu zur Kritik herausfordern und es ist jedenfalls nur mit Rücksicht auf die geringe zur Verfügung stehende Redezeit unmöglich, diese Fälle anzuführen. Die Leute gehen 5 bis 6 Wochen lang zum Kontrollamt, sie werden durch diese Zeit über vertröstet, um dann zu erfahren, daß sie überhaupt keine Unterstützung bekommen können, Leute, meine Verahrten, die sich am nächsten Tag einen Strick nehmen möchten, um sich aufzuhängen. Wir fordern einen Generalerlaß für alle Arbeiitslosen ohne Unterschied des Berufes, wir fordern weiter, daß verheiratete Kinder nicht auf das Vermögen des Vaters ang ewiesen sein dürfen. Die Firmen sind angewiesen, durch Refundierung die Unterstützung auszuzahlen, erhalten aber erst nach einigen Wochen die Geldmittel; es gibt eine Unmenge von Firmen, welche diesen Bestimmungen nicht genügen können. Also auch hier muß Wandel geschaffen werden. Nicht minder beklagenswert als die von der Arbeitslosigkeit unmitellbar Betroffenen, ich meine die Arbeitnehmer, nicht beneidenswerter ist die Lage auch jener selbständigen Existenzen, die durch die Krise um ihre Selbständigkeit kommen oder diese Selbständigkeit nur mit großer Mühe noch aufrecht zu erhalten imstande sind, und denen bisher noch gar keine Fürsorge des Staates zuteil geworden ist, etwa in einer Berücksichtigung, sei es dieser oder jener Art. Ja im Gegenteil, es werden an diese heute noch mit Mühe und Not ihre Existenz erhaltenden Leute die größten Anforderungen gestellt, wie es z. B. an einem Falle, der mir erst vor einigen Tagen mitgeteilt wurde, ersichtlich ist. Die Frau eines Beamten, die, weil die Familie kinderreich ist, von dem Gehalte des Mannes nicht leben kann, hat sich eine kleine Nebenbeschäftigung in Form eines Kollierhandels zurechtgelegt, und bekam für dieses ganz kleine Nebengeschäft an Erwerbsteuer 9000 Kronen vorgeschrieben, wozu 90% Kriegszuschläge kommen im Betrage von 8100 Kronen und 682% städtische - es ist in Gablonz - und landesfürstliche Umlagen per 61.368 Kronen, so daß diese Frau an Erwerbsteuer 78.480 Kronen zu zahlen hätte. Das klingt wie heller Wahnsinn und ist doch Wahrheit. Der Fall kann untersucht werden. Es muß noch erwähnt werden - um auch die katastrophale Lage der selbständigen Existenzen zu beleuchten, die, wie ich schon gesagt habe, nicht beneidenswerter ist als die Lage der vollständig arbeitslos gewordenen Arbeitnehmer, - daß z. B. die Einkommensteuer für die Jahre 1920, 1921 und 1922 und die Erwerbsteuer für das Jahr 1922 und 1923 auf Grundlage des Jahres 1921 bisher noch nicht vorgeschrieben war und erst heuer zur Veranlagung - und damit zur Vorschreibung gelangte und natürlich die Verpflichtung für die betreffenden besteht, diese Vorschreibung auch tatsächlich zu begleichen. Wenn wir uns also bei dieser Sache vor Augen halten, daß die Jahre 1920, 1921 und 1922 gute Geschäftsjahre waren, die Vorschreibungen für diese guten Geschäftsjahre also sehr hoch sein werden und wenn man sich die augenblickliche Lage dieser Leute ausmalt, kann man wohl konstatieren, daß 90 von 100 nicht imstande sein werden, dieser Verpflichtung nachzukommen und daß der Staat und die Regierung es sehr notwendig haben werden, auch diesen Leuten Fürsorge zuteil werden zu lassen. Wir fordern für das große Heer der Arbeitslosen in Form einer wirklich zum Leben genügenden Arbeitslosenunterstützung Hilfe seitens des Staates, wir fordern aber auch für die selbständigen kleinen Existenzen die Fürsorge des Staates, die sich etwa in Abschreibung der Steuern, insbesondere aber in Stundung derselben, ohne daß man die Zahlung einer 10%igen Verzugszinsengebühr verlangt, äußern könnte. Es ist hö chste Zeit, daß in diesem Sinne Vorkehrungen getroffen werden. Der Aufruf der Regierung vom 10. September 1922 verspricht die Vornahme großzügiger Investitionen, um solcher Art eine produktive Arbeitslosenfürsorge in die Wege zu leiten. Wir haben bisher noch nichts davon verspürt und ich kann nicht ermessen, in welcher Art und Weise es vorbereitet wird, dieses Investitionsprogramm zu realisieren. Wir betonen aber, daß die Vornahme desselben und die Realisierung desselben zu dem Zwecke sehr notwendig ist, das traurige Los hunderttausender Menschen zu lindern. Wir fordern aber auch, um die Produktion zu entlasten, daß der Staat im Verlangen und Fordern an seine Bürger mäßiger wird, daß insbesondere durch Novellisierung des Kohlenabgabegesetzes, durch die Auflassung der Umsatz- und Wasserkraftsteuer, durch Novellisierung des Gesetzes über die Luxussteuer, durch die Herabsetzung der Post- und Telegraphengebühren und der Frachtentarife auf den Bahnen für Kohle, Lebensmittel und Rohmaterialien vorgesorgt wird. Alle diese Maßnahmen können vorgenommen werden, wenn der Staat sich zum Grundsatze eines sparsamen Familienvaters bekehrt, wenn er sich in jenen unsinnigen Ausgaben einschränkt, die wir oft schon in diesem Hause aufgezeigt haben und bei denen eine Einschränkung tatsächlich vorgenommen werden kann. Wir fordern hier aber auch die Beseitigung aller Schikanen, die bisher immer noch Industrie, Handel und Gewerbe angetan worden sind. Ich könnte hier Bände erzählen, wollte ich die Schikanen aufzeigen, die im Verlaufe der letzten Jahre lediglich der Industrie, die ich besonders kenne, zugefügt worden sind, der Industrie meines Heimatsgaues, der Gablonzer Industrie. Hier muß auch eine gründliche Änderung getroffen werden, hier muß der Staat in seinem eigensten Interesse einen Abbau dieser Schikanen vornehmen, anstatt sie fortgesetzt zu verdichten und sich dadurch selbst Geldquellen zu verstopfen. In welcher Art und Weise gegen alle wirtschaftlichen Grundsätze in diesem Staate vorgegangen wird, beweist wieder ein Fall der letzten Tage, in dem die Bezirksverwaltungskommission in Eisenbrod der Regierung den Antrag stellte, den politischen Bezirk Gablonz zu zerschlagen und zu zerreißen und einen großen Teil der Orte des politischen Bezirks Gablonz a./N., darunter den gesamten Gerichtsbezirk Tannwald einer neuzuschaffenden politischen Bezirkshauptmannschaft in Eisenbrod anzugliedern. Man weiß, wie das ganze Gablonzer Bezirksgebiet eine einzige große wirtschaftliche Einheit darstellt, aufgebaut auf einem Faktor, der seit hunderten von Jahren gepflegt wird, dem Faktor der Glasindustrie, und durch Schaffensfreude und Fleiß der Bewohner zur Vollkommenheit sondergleichen gediehen ist. Wenn man das weiß und das geschichtliche Werden dieser Wirtschaftseinheit erfaßt hat, so muß das Projekt der Zerreißung dieses Bezirkes geradezu als ungeheuerlich erscheinen und es ist ganz und gar angebracht, daß ich auch im Zusammenhang mit den Äußerungen zur Wirtschaftskrise die Regierung von dieser Stelle aus ersuche, derartigen Wünschen irgendwelcher Faktoren, die sich gewiß nicht von sachlichen Erwägungen leiten lassen, nicht Rechnung zu tragen, sondern jene Wünsche zu beachten, die seitens der interessierten Gemeinden und Ortsteile in nächster Zeit schon an die Regierungsstellen vorgetragen werden. Ich habe gewiß nicht Gelegenheit, alle jene Mittel aufzuzeigen, welche seitens der Regierung veranlaßt werden könnten, um die spezifische Stärke der èechoslovakischen Wirtschaftskrise in der nächsten Zeit zu entspannen. Aber ich habe zumindest einige der Hilfsmittel aufgezeigt. Ich bin mir dessen bewußt, daß auch das alles nur Palliativmittel sind, die vielleicht zu irgend einer Verminderung der besonderen Dichte der Krise in diesem Staate beitragen werden, aber nicht zur gänzlichen Beseitigung der Krise, die, wie ich eingangs erwähnt habe, ein Ausfluß der allgemeinen Krise auf dem Weltmarkte ist. Unserer Meinung nach wird diese große Krise auf dem Weltmarkte, und insbesondere auf dem europäischen Kontinente nicht eher beseitigt werden können, bevor nicht die unnatürlichen Grundlagen beseitigt sind, auf denen Europa heute aufgebaut ist, jene unnatürlichen Grundlagen eines Kontinentes, die von Baumeistern geschaffen worden sind, die sich nicht durch Gründe der ernunft, sondern ledig ich von Wahnsinn und Irsinn leiten ließen. Deshalb stellen wir hier - über das Vermögen vielleicht der Regierung dieses Staates hinweg - die Forderung, daß auch die Hauptursache aller Krisen in Hinkunft, und zwar so rasch als möglich eseitigt werden möge, in der Form einer gründlichen Revision des Versailler Friedenswerkes. (Potlesk a souhlas na levici.)

5. Øeè posl. Krause (viz str. 2269 tìsnopisecké zprávy):

Hochverehrte Herren! Herr Kollege Simm hat die Lage der Gablonzer Glasindustrie geschildert. Ich möchte anschließend daran auf die Lage der Hohlglasindustrie in Haida und Steinschönau verweisen. Die Glasindustrie ist eine jener Industrien, die am leichtesten und ehesten von einer Geschäftskrise heimgesucht werden. Die Krise, die heute besteht, ist nicht die erste. Wir haben solche Krisen in der Glasindustrie schon wiederholt gehabt, aber eine Krise und Arbeitslosigkeit in diesem Umfang gewiß noch nicht. Die Arbeitslosigkeit ist katastrophal geworden, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Glasindustrie zu 90 bis 95% Exportindustrie ist, wohl lassen sich die Inlandspreise mit Rücksicht auf die Gestehungskosten aufrecht erhalten, aber nicht möglich ist die Aufrechterhaltung der Preise für jene Waren, die ins Ausland gehen, wo die Glasindustrie dem Wettbewerb des Auslandes oder seiner Industrie ausgesetzt ist, weil sie dort infolge der hohen Gestehungskosten nicht verkaufen kann. Eine Möglichkeit des Verkaufes im Auslande besteht darin, wenn die Gestehungskosten gegenüber 1914 nicht höher sind als das Sechsfache. Um die Lage der Glasindustrie sachlich zu schildern, genügt es, darauf hinzuweisen, daß im ganzen in der Èechoslovakei 127 Glasöfen sind. Das sind jene Betriebstätten, wo Glas erzeugt wird. Von diesen 127 Glasöfen sind derzeit 28 zur Hälfte in Betrieb, 25 ganzwöchentlich, dagegen können 74 überhaupt nicht arbeiten. Anschließend an diese großen Produktionsstätten sind die sogenannten Heimbetriebe. Das Glas, welches in diesen Öfen hergestellt wird, kommt in die Hand der Exporteure. Von diesen wird dieses Halbfabrikat an Hunderte von sogenannten Heimindustriellen abgegen, die das Glas veredeln, ihm die Politur geben, es bemalen, kurzum, für den Auslandsexport herstellen. Diese vielen Hunderte Heimarbeiter, die auch 1 bis 2 Gehilfen beschäftigen, sind heute vollständig arbeitsund brotlos geworden. Es entsteht nun die Frage: Ist es möglich oder wäre es der Regierung möglich, der Glasindustrie zu helfen, sie exportfähig zu machen und auf welche Weise könnte das geschehen?. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Zur Beantwortung dieser Frage ist es wohl notwendig, etwas näher auf das Wesen und auf die Eigenart der nordböhmischen Glasindustrie einzugeben. Die Glasindustrie benötigt zur Erzeugung des Glases in besonderen Mengen Sand, Soda, Pottasche und Marmorglas, bei dem sogenannten Flachglas eine immerhin beträchtliche Menge Koks. Zur Herstellung eines Quadratmeters Flachglas braucht der Ofen 25 kg Gaskohle, die ohne Zuschlag bere chnet heute 2·65 Kronen kostet, und wenn Sie berücksichtigen, daß ein solcher Quadratmeter Glas einen Verkaufswert von 10 Kronen hat, ergibt sich, daß der Preis der Kohle mit ungefähr 26 1/2 % am Werte des Glases beteiligt ist. Ich habe auch davon gesprochen, daß zur Er eugung des Glases Sand gebraucht wird, und zwar, wenn der Kilopreis von 100 Kilo berechnet wird, werden zur Erzeugung von Glas 70 Kilo Sand gebraucht. Es ist sicher, daß der Gestehungspreis des Sandes an und für sich fürdie Erzeugung nicht so bedeutend ist, wohl ber die Verfrachtung, die Kosten des Transportes von der Erzeugungsstätte bis zur betreffenden Glasfabrik. Da finden wir beispielsweis, daßdieser Sand von der Station Salesel bis zur Station Bilin im Jahre 1914 Frachtkosten in der Höhe von 29 Kronen verursachte, heute beträgt der Tarif 397 K. Das ist eine Erhöh-ung des Tarifes um 1369% oder aber, rund und verständlich ausgedrückt, das 14 fache des Friedenspreises. Bis zur Station Bleistadt finden wir für Sand im Jahre 1914 Transportkosten von 57 Kronen, heute von 762 Kronen; das ist eine Steigerung der Frachtkosten von 1137%. Wenn ich nun noch die Station Teplitz anführe, sehen wir, daß die Frachtkosten früher, vor dem Kriege 25 K, heute 341 Kronen betragen, daß sie also, in Prozenten ausgedrückt, eine Erhöhung von 1373% erfahren haben.

Die Lage der Glasindustrie ist derartig, daß sie exportfähig wäre, wenn ihre Gestehungskosten nicht mehr als das Sechsvielleicht das Siebenfache der Friedenskosten betragen würden. So aber finden wir in jedem einzelnen Artikel eine Erhöhung der Produktionskosten um das Zehn- bis Vierzehnfache.

Maßgebend für die Gestehungskosten - das möchte ich besonders hervorheben - sind die Kohlenpreise. Die Glasindustrie, die sich auf wenige Bezirke erstreckt, benötigt für ihren Betrieb jährlich 120.000 Waggons Kohle. Diese Kohle kostet gegenüber dem Friedenspreis das Achtzehnfache. Nun hat die Regierung durch ihre Vertreter die Richtigkeit dieser Steigerung bestritten und hat gesagt, daß die Erhöhung der Preise der Kohle lediglich das 9 1/2 bis lofache beträgt. Nun hat die Regierung jedenfalls bei Aufstellung dieser Statistik einen Fehler begangen, der darin besteht, daß sie bei der Feststellung der Preise von 1914 die sogenannte Preisliste 1, 2 und 3 angenommen hat, das heißt, die Preise für jene Kohle, die von Kleinhändlern, Kleinkonsumenten usw. bezogen wird. Sie hat nicht berücksichtigt, daß die Industrie damals und heute wesentlich billigere Kohlenpreise hat, Preise, die wesentlich niedriger sind. Es hat die Kohle im Jahre 1914 45 Kronen gekostet, jetzt 915 Kronen.

Um einen weiteren Artikel anzuführen, der für die Herstellung des Glases notwendig ist, nämlich die Soda, möchte ich folgendes erwähnen: Im Frieden hat die Soda 12 Kronen gekostet, heute kostet sie 500 Kronen. Stroh, das zur Verpackung des Glases notwendig ist, hatte einen Friedenspreis von 3.60 Hellern, heute kostet es 100 Kronen. Das Verpackungsma terial spielt bei der Glaserzeugung eine nicht unwesentliche Rolle. Für einen Waggon Glas sind Behälter oder Kisten notwendig, wozu 3000 bis 4000 kg Bretter benötigt werden.

Um noch einmal auf die Kohle zurückzukommen; ist es bezeichnend, daß im November 1922, also vor wenigen Monaten, die nordböhmischen Kohlenbergwerke versucht haben, in das Ausland Kohlen zu liefern. Die Preise wurden damals von den Bergwerksbesitzern festgelegt und die Kohle sollte ins Ausland bis zur Grenzstation geliefert werden um 1250 K. Meine Herren, 1250 K für die ausländische Industrie; für die inländische Industrie aber kostet dieselbe Kohle heute 1350-1390 K, wozu noch 30% Zuschläge kommen, so daß unsere Industrie damit rechnen muß, daß diese Kohle, die sie zur Erzeugung des Glases benötigt, 1755 K kostet, d. h. um 505 K mehr als sie in das Ausland geliefert worden wäre. Dazu kommt nocht, daß im ersten Fall die Kohle bis zur Grenzstation geliefert worden wäre, während die Preise für die Inlandsindustrie, ab Schacht gelten.

Meine Herren! Ich habe das alles etwas ausführlicher auseinandergesetzt, weil ich die Überzeugung habe, daß die Industrie bei einer solchen Förderung nicht bestehen, nicht lebensfähig sein kann. Was aber die Glasindustrie und alle Industrien wünschen und fordern müssen, sind Handelsverträge mit den übrigen Staaten, besonders mit Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, Schweiz und Belgien. Entsprechend einer richtigen Industrieförderung ist es aber auch weiter notwendig, daß die èechoslovakischen Konsulate in allen Gebieten der Welt die Industrie auch entsprechend fördern. Es geht nicht an, daß die èechoslovakischen Konsulate lediglich Repräsentationsämter sind; die èechischen Konsulate sollen ihr Hauptbestreben darauf ric ten, alle Bestrebungen der èechoslovakischen Industrie zu unterstützen und zu fördern. Wenn ich mir allerdings das Verhalten des Herrn Handelsministers Novák ansehe, der einfach den Vertretern der Industrie, die an ihn schreiben, er möge sie empfangen, damit er über die Lage der Glasindustrie unterrichtet werde, auf solche Wünsche und Anfragen überhaupt eine Antwort gibt, kann ich mir ganz ruhig die Tätigkeit der Konsulate gegenüber der Industrie vorstellen.

Im Dezember genannte Enquete stattgefunden. Haida, ein verhältnismäßig kleiner Bezirk, hat heute 2700 Arbeitslose. Die Arbeitslosigkeit, wurde bei der Enquete von den Vertretern der Arbeiter wie von den Vertretern der Industrie in den Vordergrund gestellt, kann nur bekämpft werden durch eine Ermäßigung der Kohlenpreise und der Frachtsätze. Vor dieser Enquete habe ich mit dem verstorbenen Finanzminister Dr. Rašín über diese Angelegenheit gesprochen und ihm gesagt: "Herr Minister, Sie können diese Arbeitslosigkeit, die Geschäftskrise im Gebiet Haida-Steinschönau sehr schnell mildern. Ermäßigen Sie die Tarife, die Kohlensteuer, ermäßigen Sie die Kohlenpreise selber!" Er gab mir darauf die Antwort: "Ja, das kann ich nicht tun, ich kann auf die Einnahmen, die sich aus diesem Titel ergeben, nicht verzichten." Ich habe darauf geantwortet: "Herr Minister, Sie wollen nicht verzichten. Wenn aber diese 120.000 Waggons Kohle nicht bezogen und nicht befördert werden, haben Sie dann die Einnahmen aus den Tarifen und aus der Kohlensteuer?" Er mußte mir selbstverständlich die Antwort schuldig bleiben. Seit dieser Enquete, zu welcher Handels- und Finanzministerium einen einzigen Vertreter geschickt hatten, wohl einen der jüngsten Beamten, der ausfindig zu machen war, ist nicht das Geringste geschehen, um diese Geschäftskrise aus der Welt zu schaffen, es sei denn, daß zur Industrieförderung die Verbücherung der Steuerrückstände gehört, was in Haida geschehen ist und wodurch natürlich die Kreditfähigkeit der Industrie noch mehr geschädigt worden ist.

Nun möchte ich bloß noch etwas anführen. Ich habe die Gestehungskosten des Glases gestreift, möchte nun aber auch die Belastung der Betriebe schildern, wie sie durch die Bemessung der Steuern entsteht. Das Finanzministerium hat vor wenigen Tagen eine Steuerreform angekündigt, die, wie ich glaube, am 1. Jänner 1924 ins Leben treten soll. Erwerbs- und Einkommensteuer sollen gemeinsam veranlagt werden, und zwar nach dem Einkommen. Das geschieht heute eigentlich auch schon. Außerdem soll die gleiche Kommission die Veranlagung vornehmen, und dann sollen die Zahlungsbogen für diese beiden Steuern zusammen ausgestellt werden. Weiters soll diese Steuerreform darin bestehen, daß eine ständige Vermögenssteuer für das brachliegende Vermögen zur Einführung kommt. Aber wie sieht denn eigentlich die Höhe unserer Steuern aus? Es wäre wahnsinnig, an solchen Fragen überhaupt vorübergehen zu wollen. Ist bei unserer Steuerbelastung eine gesunde Volkswirtschaft überhaupt möglich? Diese Frage möchte ich verneinen. Bei einem Einkommen von 40.000 K ist nach dem Gesetz eine Einkommensteuer von 1705 K vorgeschrieben. Dazu kommen 85 % Zuschläge, das sind 1499 K, zusammen 3204 K. Eineinhalb Prozent Erwerbsteuer, das macht 600 K und, nachdem wir ungefähr im Durchschnitt die Umlagen mit 700 % veranschlagen können, so macht das 4200 K, oder aber ei einem erwerbstätigen Einkommen von 40.000 beträgt die Steuerleistung 8004 K; das sind ungefähr 20 % des Gesamteinkommens bei einem verhältnismäßig kleinen Betriebe. Bei Einkommen in größeren Betrieben, lediglich bei solchen von 100.000 K Einkommen, stellt sich die Belastung für die Einkommensteuer auf 5109 K; es kommen 130% Zuschläge dazu, so daß die gesamte Einkommensteuer 11.750 K beträgt. Dazu kommen 2 1/2 % Erwerbsteuer, das ergibt wieder einen Betrag von 2500 K, die 700 % an Umlagen dazu ergeben 17.500 K. Insgesamt hat jeder Erwerbstätige, der ein Einkommen von 100.000 K hat, eine Einkommen- und Erwerbsteuer von zusammen 31.750 K und einigen Hellern zu entrichten, also nahezu ein Drittel des gesamten Einkommens. Aber dazu kommt noch, daß nunmehr die Erwerbsteuer für 1922 und 1923 nicht nach den Ergebnissen des Vorjahres, sondern nach denen des Jahres 1921 bemessen wird, also nach der besten Konjunktur, oder nach dem besten Geschäftsjahr soll die Steuer für das Jahr 1922 und 1923 bemessen werden und da wird es sehr häufig vorkommen, daß die Steuerbelastung höher sein wird, als das Einkommen, das längst verbraucht und aufgegangen ist, durch die ungeheuere Nachtragssteuerzahlungen aus den vorhergegangenen Jahren 1914 und 1918. Unter solchen Verhältnissen muß die ganze Volkswirtschaft zusammenbrechen. Uns kann es nur Recht sein, ist es doch nicht unser Staat, der dadurch eine Schädigung erfährt. Aber die Industrie kann unmöglich diese hohe Belastung, die 20 bis 30 % des Einkommens beträgt, auf sich nehmen, sie muß diese Steuerbelastung in die Preiskalkulation hineinnehmen. Infolgedessen schwindet natürlich auch die Möglichkeit eines Wettbewerbs mit anderen Staaten, die keine so hohen Steuern haben.

Wenn ich am Schluß meiner Ausführungen die ganze Wirtschaftslage zusammenfasse, finde ich, daß unsere Regierung in dieser Krise vollständig untätig war. Sie hat nichts getan. Die Folgen dieses Nichtstuns werden sich zeigen und ich bin sehr neugierig, wenn die Erwerbsteuer in diesem Jahre vorgeschrieben wird, wenn die Regierung erwartet, daß 21 1/2 Millionen Kronen mehr an Erwerbsteuer eingehen sollen, wie dann der Eingang dieser Steuern sein wird, denn wir leben in einer Zeit, wo die Umsätze um 30, 40 % und mehr zurückgegangen ind, wir leben in einer Zeit, wo nicht nur die Glasindustrie, die ich in den Vorderg rund meiner Ausführungen gestellt habe, sondern die gesamte Textilindustrie und andere Industrien ohne Beschäftigung dastehen, wir leben in einer Zeit, wo eine ungeahnte Wirtschaftskrise unsere deutschen Grenzbezirke erfaßt hat, eine Wirtschaftskrise, welche wegen der nahen Grenze auf Handel und Gewerbe katastrophal gewirkt hat. Und wir kommen zu dem Schlusse, daß diese Untätigkeit der Regierung gewollt ist. Die Regierung will den Untergang der deutschen Industrie, sie will den Untergang des deutschen Handels und des deutschen Gewerbes. Sie vergißt aber dabei, daß sie gleichzeitig damit eine Stütze des ganzen Staates untergräbt, der unter einer solchen Belastung fallen muß. Die Regierung hat nie versucht, mag sie wie immer geheißen haben, sich das Vertrauen der wirtschaftlichen Kreise zu erwerben. Sie verzichtet darauf. Sie und die jeweiligen Regierungen kannten nur eine deutschfeindliche Politik, eine Politik, die allerdings zum Untergang der deutschen Volkswirtschaft führen wird. (Potlesk na levici.)


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