Pátek 17. listopadu 1922

Nun noch einige allgemeine finanzpolitische Betrachtungen, die ich mir nicht versagen kann. Nach der mir gegebenen Antwort des Finanzministers im Budgetausschusse sollen ausländische Kredite nicht zur Deckung des Budgetabganges, sondern auch zur Deckung der Investitionen aufgenommen werden, weil, wie der Finanzminister sagte, innere Anleihen nicht zu haben sind. Warum sie nicht zu haben sind, darüber müßte sich die Finanzverwaltung eigentlich im klaren sein, wenn sie die Ziffern beachtet, die uns der Herr Berichterstatter Dr. Srdínko mitgeteilt hat. Die Verkehrsanleihe ergab zum 4. November d. J. statt der erwarteten Milliarden 589 Mill., die Baulosanleihe statt 1 Milliarde nur 85 Millionen und die Elektrizitätsanleihe statt 82 nur 10 Millionen. Ich frage: Wie sollen deutsche Staatsbürger, aber auch andere Staatsbürger, zu dem Staate ein Vertrauen haben, der dem Herrn Dr. Rašín in der Kriegsanleihefrage zu Willen ist, der zwar Sinn für strategische Bahnen hat, aber uns noch keinen Bahnkilometer im deutschen Gebiete zubilligt? Wie sollen wir die Telephonanleihe zeichnen, wenn man uns nicht einmal ein Verzeichnis der geplanten Telephonlinien gibt? Sollen unsere deutschen Geschäftsleute die Telephonanleihe zeichnen, damit die Herren mit Preßburg bequemer Polizeigespräche führen können? Wir sollen die Baulosanleihe zeichnen, wo noch keiner einzigen deutschen Gemeinde ein roter Heller Barunterstützung für Arbeiterwohnhäuser gegeben wurde und wo man die reichen für die Elektrifizierung des Staates bestimmten Mittel nicht ge zitätsunternehmungen zurücksetzt und unter das Joch des èechischen Kapitals zwingen will. Sagen Sie aber nicht, daß wir Deutsche den Staatskredit sabotieren! Es scheinen auch die èechischen Kreise zu ihrem Staate kein rechtes Zutrauen zu haben, wahrscheinlich seit demselben Augenblick, wo bei der braven, schafsgeduldigen deutschen Bevölkerung das Vertrauen aufgehört hat. Es scheinen auch die Èechen für diese Anleihe recht wenig Herzensneigung bekundet zu haben, denn sonst müßte der Ertrag weit höher sein. Das Ergebnis dieser Gedankenreihe ist: Der innere Staatskredit wird vernachlässigt, weil man nicht einbekennen will, daß man einen schweren volkswirtschaftlichen Unsinn gemacht hat. Dafür müssen in erhöhtem Ausmaße auch für laufende Ausgaben Auslandskredite gesucht werden. Zu deren Deckung wieder müssen, wie der Finanzminister ausdrücklich erklärte, die für die Pfundanleihe verpfändeten Zölle in ihrer außerordentlichen Höhe erhalten werden. Damit wird die Lebenshaltung der Bürger verteuert und die Absatzmöglichkeit unserer Erzeugnisse erschwert. Das ist der Weisheit letzer Schluß in der Finanzpolitik eines Mannes, der durch den kühnen Schnitt im Anfange seiner Währungspolitik mit stolzer Geberde die wirtschaftliche Unabhängigkeit seines Staates begründen und sichern wollte, der in der Zollpolitik nicht mehr sein eigener Herr ist.

Noch ein par Worte zu den Investitionen. An Investitionen werden für 1923 2999·7 Mill. Kronen beansprucht, um 263.67 Mill. Kronen weniger als für 1922.

Ich beharre auf meinem Standpunkte, da mag sich der Berichterstatter wenden und drehen wie er will, daß hier ein Mißbrauch des Wortes Investitionen vorliegt, weil es sich vielfach, wie zum Beispiel bei Kasernenbauten, um eine geteilte Budgetierung normaler Ausgaben handelt. Die Sonderverrechnung soll also eine Verschleierung des höheren Budgetabganges herbeiführen, obgleich selbst Frankreich einen Abgang von über 3 Milliarden ruhig zugibt. Mag sein, daß die französische Wirtschaft auf etwas festeren Füßen steht. Aber auch in anderer Beziehung ist dieser Investitionsvoranschlag nicht einwandfrei. Er beansprucht alljährlich für Bahnbauten und für andere Dinge Millionen, trotzdem diese Arbeiten nicht in Angriff genommen werden können. Eine ordentliche Budgetierung müßte aus einem Arbeitsprogramm die für das neue Jahr geplanten Arbeiten hervorheben, nicht aber Potemkinsche Dörfer bauen, durch die Erweckung des Anscheins fruchtbringender Investitionen, die in weiter Ferne liegen. Es soll der Anschein einer befruchtenden Investitionstätigkeit erweckt werden, die in Wirklichkeit in diesem Maße nicht vorhanden ist. Aber es kommt noch etwas, das noch viel schöner ist. Es sind im Budget auch einzelne Posten "Staatsbauten im deutschen Gebiet", wie zum Beispiel der Bau des Amtshauses in Gablonz, eines solchen in Graslitz und dergleichen mehr. Dinge, von denen ich zugeben will, daß sie imstande wären, Arbeit zu schaffen, falls man dabei deutsche Baugewerbetreibende und deutsche Arbeiter beschäftigt. Als wir aber im Budget vom Herrn Berichterstatter eine Anführung jener Bauten verlangten, die offensichtlich für das Jahr 1923 durchgeführt werden, damit keine falschen Hoffnungen in der Vevölkerung erweckt werden, erklärte er, es sei unmöglich, und lehnte es ab, weil auch bei diesen Bauten noch nicht die Sicherheit gegeben ist, ob sie im Jahre 1923 in Angriff genommen werden. Man will in die Welt hinausgehen und ihr vorlügen: Es geschieht so ungeheuer viel, es werden auch Staatsbauten durchgeführt im deutschen Gebiete, aber eine Garantie, daß sie wirklich durchgeführt werden, will man nicht geben. Es ist dies eine Politik des hohlen Scheines und des Blümel-Blamel-Vormachens, die aus jedem Staatsvoranschlag deutlich und klar zu uns spricht.

Ich möchte nun noch auf eine finanzpolitisch nicht unwichtige Tatsache aufmerksam machen. Mit Ende des Jahres 1923 läuft bekanntlich auch die Wirksamkeit der gültigen Einkommensteuer- und Erwerbsteuergesetze ab, es endet auch die Wirksamkeit der Verkehrsabgaben und der Umsatzsteuer. Noch im Vorjahre bei der Verhandlung der Umsatzsteuer wurde gesagt, daß das Jahr 1923 auch das Ende derselben bringen werde. Wir hatten schon damals das Gefühl gehabt und es auch schon gesagt, daß wir die klare Ahnung haben, daß nach alt-österreichischem Muster aus dem Provisorium ein Definitivum werden soll. Der èechoslovakische Fiskus hat an der Umsatzsteuer Gefallen gefunden. Dr. Rašín hat uns darüber belehrt, daß an eine Aufhebung der Umsatzsteuer nicht zu denken sei. Was gilt ein èechisches Ministerwort, das andere gegeben haben? Man ist eben nicht erbberechtigt. Vor Jahresfrist ist noch viel von der vielberühmten Steuerreform gesprochen worden. Nun ist es wieder recht still geworden und wir werden uns wahrscheinlich abermals mit einem Provisorium behelfen. Auf die alten Kleider werden wieder Flickflecken gesetzt werden. Der èechoslovakischen Staatsverwaltung mit positiven Vorschlägen zu kommen, das gewöhnen wir uns schon lange gründlich ab. Es fällt uns nicht bei, der èechoslovakischen Staatsverwaltung unsere ehrlichen Ratschläge für eine größere Wirtschaftlichkeit im Staatshaushalte aufdrängen zu wollen, zumal nach der Art, wie man unsere Mitarbeit bisher gewertet hat. Nur das eine will ich noch sagen, daß auch die vielgebrauchten Worte - im Motivenberichte des Herrn Ministers Dr. Rašín erscheinen sie wieder - von der Verwaltungsreform und dem Beamtenabbau große Phrasen bleiben werden. Was man durch eine mehrjährige Überproduktion, durch die Aufnahme zahlloser Protektionskinder von Vettern èechischer Politiker verschuldet hat, läßt sich nicht so durch ein par rasche Verwaltungs- oder legislative Maßnahmen ändern. Das erfordert einen Zeitraum von 12 bis 15 Jahren Übergangszeit; man müßte beginnen mit der Drosselung von Neuaufnahmen in den Staatsdienst. Das wird man nicht durchführen können, weil es so weit gekommen ist, daß jeder, der eine Mittelschule oder die Volksschule absolviert hat, mit seinem Zeugnis ein Recht auf eine öffentliche Anstellung zu haben scheint. Wenn Sie die Gründung von Trutzschulen fortsetzen werden, werden Sie zu einem Beamtenabbau nicht kommen, und wenn Sie dabei auch alle deutsche Beamten aus dem Staatsdienst hinausekeln, zurücksetzen u. dgl. Vielleicht werden Sie eines Tages die heute hinausgeekelten deutschen Beamten mit den Nägeln herausgraben wollen, werden sie als deutsche Kontrollbeamten gegenüber jenen Elementen suchen, von denen der Staatspräsident mit harten Worten sprach: "Ihr sollt arbeiten, Euch nicht fürchten und nicht stehlen!" Wir wissen, daß die Hetze gegen die deutschen Beamten von mächtigen èechischen Kreisen, nicht wegen vermeintlicher, angeblich mangelhafter Vaterlandsliebe, mangelnden Sprachkenntnissen oder Staatsfeindlichkeit geführt wird, sondern in Wirklichkeit ihrer größeren Gewissenhaftigkeit und größeren Arbeitsfähigkeit gilt, durch die ihre èechischen Beamtenkollegen in den Schatten gestellt werden.

Und zum Schlusse. Bei der letzten Steuerreforrn im alten Österreich, bei der bekanntlich auch - so unterdrückt waren die Èechen damals und von jeder Mitarbeit ausgeschlossen - Herr Dr. Rašín in ansehnlichem Maße mitwirkte, hat die Regierung an die Bevölkerung einen Mahnruf gerichtet, in dem es hieß: "Die besitzenden Klassen möchten sich bewußt sein, daß sie mit ihrer Steuerleistung dem Staate nicht als einer feindlichen Gewalt, sondern als der organisierten Volkswirtschaft gegenüberstehen, die ihre Rechtssicherheit verbürgt, die Voraussetzungen ihres wirtschaftlichen Gedeihens schafft und sichert und in steigendem Maße kulturelle Güter bereitstellt." Auf unser Verhältnis in diesem Staate angewendet ergibt sich klar die Antwort: Wir zahlen unsere Steuern und das Wort vom Nationalstaat, "Naše republika" tönt uns in allen Tonarten entgegen. Die Regierungsparteien sagen uns, daß sie keinen Ausgleich mit den Deutschen brauchen, weil sie das Schicksal und die Friedensverträge ausgeglichen haben. Sogar eine Auseinandersetzung über nationale Probleme lehnen sie ab. Die Anhänger der Regierungsparteien betrachten die Staatsverwaltung scheinbar als Selbstzweck. Unsere Rechtssicherheit, von der diese altösterreichische Regierung in ihrem Manifest spricht, erscheint uns so verbürgt, daß bis heute so viele deutsche Staatsbürger deswegen getötet wurden, weil sie Deutsche sind, und daß die Taten ungesühnt und ungerächt geblieben sind. Der Staat arbeitet unter Führung gewisser Finanzkreise, deren Prototyp Dr. Rašín ist, mit Absicht an der Untergrabung des Gedeihens unserer Randgebiete und will uns offensichtlich zu Bettlern machen. Die Bereitstellung kultureller Güter verwandelt sich in diesem Staate in Entziehung und Vorenthaltung kultureller Güter. Es scheint der Grundsatz maßgebend zu sein, den ich in veränderter Form eines Scherzwortes im alten Österreich - Ungarn: "Schwob zohlt, Magyar reit!" in: "Schwob zohlt, Èech reit!" anwenden will. Das sagen wir hier, das schreien wir in die Welt hinaus und daran hindern uns alle Propagandamillionen des Herrn Dr. Beneš und seiner Gesinnungsgenossen nicht. Wir werden auch nicht ablassen davon, allen schaffenden Ständen unseres Volkes und den anderen gequälten und bedrückten Minderheiten dieses Staates klar die Antwort zu predigen, daß es gegenüber den Nutznießern des jetzigen Systems einer starken Abwehr bedarf. Gilt aber der Grundsatz "Schwob zohlt, Èech reit!", dann sagen wir, daß die Dinge sich ändern können und das wohl der Tag kommen wird, wo das deutsche Volk den übermütigen èechischen Reiter abwerfen wird. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Jabloniczkého (viz str. 564 tìsnopisecké zprávy):

Verehrte Anwesende! In wahrhaft konstitutionellen Ländern ist das Parlament ein wirkender, lebender Organismus. Hierzulande haben sich die Gründer des Staates wahrlich nicht angestrengt, um das Parlament mit den Attributen des Lebens auszustatten. Demzufolge ist das Parlament auch das geworden, wozu es vom Anfang an verdammt war, zu einer leblosen Institution, zu einer demokratisch bemalten spanischen Wand, hinter der sich ein absolutistisches System verbirgt, mit der einzigen Bestimmung, die angeeigneten Minderheiten, also einen großen Teil der Bevölkerung, und wenn wir die unzufrie denen Slovaken hinzurechnen, die Mehr heit der Bevölkerung dauernd unter Botmäßigkeit zu halten. Aus diesem Grunde sind wir von dem hier herrschenden parlamentarischen Leben nicht sehr erbaut. Wir sehen ein, daß die Änderung der politischen Verhältnisse hier auf parlamentarischem Wege kaum möglich sein wird; dennoch dürfen wir das Parlament in unserem Kampfe um die unveräußerlichen Rechte unserer Völker nicht meiden, denn das Parlament bietet uns die einzige Tribüne, diesen Kampf vor den Augen der näheren und weiteren Öffentlichkeit zu führen. Wir müssen eine unserer Hauptaufgaben darin erblicken, an den vielfach unmöglichen Zuständen bei jeder Gelegenheit scharfe Kritik zu üben, um durch Bloßstellung der Verhältnisse die verantwortlichen Politiker dieses Staates irgendwie zu ihrer Pflicht zu zwingen. Nach altem parlamentarischen Brauch bietet die Debatte über den Staatsvoranschlag eine Möglichkeit, die Zustände im Staate kritisch zu beleuchten. Hiebei haben wir den Vorzug, daß wir uns auch diesmal, wie immer, an die reine Wahrheit halten können. Wir brauchen keine grellen Farben aufzutragen; wenn die Verhältnisse dennoch grell erscheinen, ist das jenen zu danken, die diese Verhältnisse wahrhaft grell herbeiführten.

Immer hört man von èechischer Seite, daß die Minderheiten alles hätten, was ihnen gesetzlich gebührt. Ich werde die Situation der Minderheiten der Slovakei schildern, um an der Hand von Tatsachen zu beweisen, welch ungeheure Unwahrheit diese Behauptung darstellt. Ein unerläßliches Attribut eines demokratischen Staates ist das Recht des Vereinslebens. Gleich nach dem Einzug haben sich die staatlichen Organe auf unsere bestehenden Vereine gestürzt und nach einem Leidensweg von nahezu vier Jahren sind unsere Vereine dahin gelangt, daß keiner von ihnen mit bestätigten Statuten dasteht. Es schwebt über allen das Damoklesschwert des Auseinanderjagens. Viele wurden aufgelöst, ihr Vermögen wurde eingezogen; einen schweren Daseinskampf haben sie zu bestehen. Wie ungerecht die staatliche Sprengung unserer Vereine war, beweist der Umstand, daß das Verwaltungsgericht in allen Fällen, wo man unsere Vereine aufgehoben hat, den verfolgten Vereinen Recht gab. Was nützt es aber? Nach dem Spruche des Verwaltungsgerichtshofes löst man diese Vereine einfach wieder aus den gleichen Gründen auf. Es hat sich eine gar eigentümliche Praxis herausgebildet. Sobald man merkt, daß ein Verein bei uns über ein Vermögen verfügt, welches für die eigenen chauvinistischen Vereinsgründungen zu gebrauchen wäre, rückt man dem Verein unter der Maske des staatlichen Interesses an den Leib. Die neuen Herren sind nicht der Art, daß sie aus ihrer eigenen Tasche etwas für ihre Zwecke opfern, ihre moralischen Eigenschaften reichen nur aus, für ihre eigenen Vereine die Früchte des Opfermutes und des Fleißes der Minderheiten in Anspruch zu nehmen. Daß es hiebei zu Rechtsbrüchen kommt, was könnte das einen echten Èechoslovaken alterieren? Es handelt sich ja immer nur um den Bruch von Minderheitsrechten, und da ist Straflosigkeit politischer Lohn. Während der vier Jahre des Bestandes der Republik war es in der Slovakei nicht möglich, einen neuen Verein zu gründen. Schon im Jahre 1919 hat man den Versuch damit gemacht. Am krassesten war es es bei der Gründung des Vereines der Ungarn in der Slovakei. Nach vier Jahren ist man heute endlich soweit, daß das Ministerium die Genehmigung der Statuten nicht bewilligt hat; jetzt können die Gründer wenigstens den Schutz des Verwaltungsgerichtshofes anrufen. Es ist unbeschreiblich und unaussprechlich, welche Fülle von Tücke, Vexationen und Verfolgungen von Seiten der staatlichen Organe aufgebracht wird, um jede Vereinsgründung unmöglich zu machen. Politische Vereine zu gründen fällt unter den heutigen Verhältnissen den Minderheiten bei uns durchaus nicht ein. Doch wird jede Vereinsgründung unmöglich gemacht, wahrscheinlich unter dem nicht wegzuzaubernden Einfluß des allbekannten Sprichwortes: Wie der Schelm selbst war und ist, so denkt er über andere. Dem gegenüber werden èechoslovakische Vereine mit allen möglichen und unmöglichen Zielen gegründet und es wird ihnen die Genehmigung der Statuten von den staatlichen Organen prompt geliefert.

Im Februar 1919 hat man die evangelische Kirchenautonomie in der Slovakei suspendiert, um die evangelischen deutschen und ungarischen Minderheiten zwecks leichterer Entnationalisierung irgendwie in das Lager der slovakischen evangelischen Kirche zu drängen. Das Mittel hiezu haben die Gewaltpolitiker im evangelischen geistlichen Organ als von der Regierung ernannte Zwangsliquidatoren in dem Oktroi einer Kirchenverfassung von oben bald gefunden, der bestandenen freien Kirchenautonomie. Natürlich hat die gleichgesinnte Regierung den Gedanken einer neuen evangelischen slovakischen Kirchenverfassung mit Vergnügen aufgegriffen. Aber jedes Kind weiß, daß die Quelle jeder kirchlichen protestantischen Macht in den einzelnen Gemeinden liegt und ich mache die protestantische Welt der Slovakei ohne Unterschied der Nationalität auf die Gefährlichkeit eines Oktrois einer Kirchenverfassung von oben und auf die Gefährlichkeit einer Genehmigung durch die Regierung von dieser Stelle aus besonders aufmerksam. Die evangelische Kirchenautonomie ist kein staatliches Sukzessionsgut, über welches die Regierung zu verfügen berechtigt wäre. Die Genehmigung der Kirchenautonomie durch die Regierung steht im Widerspruch mit den durch Jahrhunderte erkämpften Rechten der evangelischen Kirche überhaupt und drückt die Kirche selbst auf das Niveau von Geselligkeitsvereinen herab. Es ist größte Vorsicht geboten, wenn man nicht will, daß die wertvollsten ideellen Güter, für welche die Ahnen gelitten und vielfach auch geblutet haben, durch den unbezähmbaren Chauvinismus einiger Verblendeter verloren gehen. Die protestantische Kirche in der Slovakei hat sich in der Vergangenheit fern von der Politik gehalten, um nicht die Religion zu gefährden. Die heutige evangelisch-èechoslovakische Kirchenpolitik ist wahrhaft nur Politik und dringt in die evangelische Kirche bis zum Altar. Im Nógrader Komitat hat man einen gewissen Michael Lancziak zum Senior eines Kirchenkreises gewählt. Dieser sonderbare Seelsorger hat bei seiner Installierung in der Kirche vor dem Altar folgendes erklärt: "Ich verkünde hier vor dem Altar mutig mein politisches Credo. Ich verkünde, daß die Slovaken und die Èechen eine Nation sind, welche miteinander ganz verschmelzen müssen, und es ist Aufgabe unserer Kirche, dies mit allen Mitteln zu fördern." Ich frage, ob dieser Mann ein würdiger Diener Gottes werden kann? Seine Rede ist eine Entheiligung der Kirche und des Altars. So darf ein evangelischer Priester nie in der Kirche sprechen.

Zeitungsberichten zufolge hat der soeben zum evangelischen slovakischen Bischof gewählte Modreiner evangelische Pfarrer Samuel Zoch, als er Župan in Preßburg war, erklärt, er kenne keine christliche Barmherzigkeit, denn er sei Verwaltungsbeamter. Wahrlich, er scheint den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, denn èechoslovakische Verwaltungsbeamte in der Slovakei und christliche Barmherzigkeit - Ehre den wenigen Ausnahmen sind nach den durchaus bitteren Erfahrungen, die wir gemacht haben, unvereinbarliche Begriffe. Aber der Mann, der so denkt, ist nach echter evangelischer Auffassung nicht geeignet, einer großen christlichen Gemeinschaft als Führer vorzustehen. Auch die Beispiele zeigen, wie notwendig es ist, zu dem einzig richtigen Prinzip, die protestantische kirchliche Hierarchie von unten aufzubauen, je eher zurückzukehren.

Noch einer exotischen Blume aus unserem politischen Wiesenfeld in der Slovakei muß ich Erwähnung tun. Die Verfassungsurkunde des Staates bestimmt, daß Rechte und Pflichten gleich sein sollen. Die Advokaten Böhmens, Mährens und Schlesiens erfreuen sich ihrer Autonomie. Die Advokaten ex partibus infidelium, aus der Slovakei, haben keine Autonomie. Sie ist im Jahre 1920 aufgehoben worden. Man hat einige durch die Regierung ernannte Chauvinisten dorfmäßigen Kalibers den Advokaten aufgehalst und hat dem so geschaffenen Bastard den Namen Advokatenkammer gegeben. Die erste Ausgabe ihres Daseins erblickten die neuen Chefs der slovakischen Advokaten darin, daß sie sich ihre Zivilliste auf Kosten ihrer Kollegen, ohne sie zu befragen, im Vielfachen jener bescheidenen Honorare, welche die noch autonom gewählten Funktionäre bezogen hatten, ganz souverän festgesetzt haben. Die zweite Aufgabe erblickten sie in der Purifikation des Advokatenstandes, aber Gott verzeih! Nicht in der moralischen Purifikation, denn damit hat man es bei uns auf keinem Gebiete eilig; un aufschiebbar erschien ihnen bloß die politische Purifikation, natürlich nur unter denjenigen Kollegen, die sich zu den Minderheiten bekannt haben. Mit brutaler Androhung von Folgen, welche die Existenz des einzelnen betrafen, zwang man die Furchtsamen zum tatsächlichen Aufgeben ihrer sprachlichen Minderheitsrechte. Man hat Kollegen verfolgt, weil sie auf ihren Stampiglien den historischen - Namen ihres Aufenthaltsortes gebrauchten, wozu sie ein gutes gesetzliches Recht haben. Man hat einen Kollegen in Disziplinaruntersuchung gezogen und ihn mit der Begründung, nachdem auf seine Besserung keine Aussicht bestehe, unter Anklage gestellt und man hat ihn sicherlich auch schon verurteilt. Meine Verehrten! Höher geht es nimmer! Und das haben Advokaten, Juristen, getan. Was sollen wir erst von denjenigen verlangen, die ohne entsprechende Vorbildung, bloß in Schnellkursen von einigen Wochen vorbereitet, auf unsere Leute als Beamte losgelassen worden sind.

Man hat gleich anfangs 1919 ausgedehnte Kirchengüter der katholischen Kirche beschlagnahmt und bis heute nicht zurückgegeben. Man ist aber auch seit Jahren, seit der Zeit der Beschlagnahme bis heute, die Verrechnung der Einkünfte dieser Güter schuldig geblieben. Leute, die genötigt sind, um die Anerkennung der Staatsbürgerschaft einzukommen oder die èechoslovakische Staatsbürgerschaft zu erwerben, zwingt man, auf ihre Kriegsanleihe zu Gunsten des Staates zu verzichten. Ich frage nun: hat es je einen Staat gegeben, der von denjenigen, die seine Staatsbürger werden wollen, solche Beträge abzapft? Das ist nichts anderes, als eine staatlich provozierte Demoralisation. Einerseits trachtet man den Wert der Kriegsanleihe, solange sie sich im deutschen und ungarischen Besitz befindet, mit Gewalt herabzudrücken, indem man einer auf moralischer und wirtschaftlicher Basis zu erfolgenden Regelung ausweicht, andererseits sammelt man aber in einer ganz besonderen Art und Weise Kriegsanleihe für den Staat. Ich spreche den Verdacht aus, daß wenn - sich einmal der überwiegende Teil der Kriegsanleihe teilweise in staatlichem Besitz und teilweise im Besitz der èechischen Banken, um eine Bagatelle erworben, befinden wird, man sofort bemüht sein wird, die schon lange sich hinziehende Frage der Kriegsanleihe zum allgemeinen Wohl gefallen zu lösen.

Die Gemeindewahlen haben bei uns bis heute nicht stattgefunden, in den Gemeindevertretungen sitzen Elemente zweifelhaften moralischen Wertes und wildfremde Menschen, die keine Ahnung von den andersgearteten Lebensinteressen der Gemeinden und der Bevölkerung haben. Die Gemeinden machen Schulden, die Schulden zu zahlen werden die Urbewohner bemüssigt sein. Sie werden aber für ihre beispiellose Geduld als besonderen Lohn das Nachsehen haben und das besondere Vergnügen, mit der geballten Faust in der Tasche schimpfen zu können. Man hat unsere Städte, die seit Jahrhunderten ein Hort der Kultur und des Fortschrittes überhaupt waren, zu Dörfern degradiert, nur aus politischen Motiven. Man hat die tausendjährigen Einrichtungen der Komitate aus denselben Motiven zerstört, um die in den einzelnen Komitaten bestehende relative deutsche und ungarische Mehrheit überall zu einer machtlosen Minderheit herabzudrücken. Und genau so ergeht es den Minderheiten auf allen anderen Gebieten des Lebens. Nicht nur ihre politischen Rechte, sondern auch ihre Ansprüche auf Anstellung und Pensionen werden aus nichtigen Vorwänden geschmälert, entzogen, um sie einzuschüchtern und mürbe zu machen. Ihre Kultur und ihre Schulen sind besondere Angriffsobjekte des wildesten Chauvinismus. Dieses unwürdige mehrjährige Regime berufener und unberufener, aber immer gewissenloser Nutznießer des neuen staatlichen Lebens und ihrer Helfershelfer hat es bewirkt, daß heute Millionen den Staat als Zwangsjacke empfinden, wo ihnen nur moralischer, nationaler und materieller Ruin droht.

Trotz der Unterdrückung hielten sich die Minderheiten bis jetzt tadellos, diszipliniert. Dies ist nicht vielleicht ein Verdienst des neuen Staates, sondern ist vielmehr den bestandenen geordneten Verhältnissen und der gesitteten Erziehung aus der alten Monarchie gutzuschreiben. Und dennoch werden die Minderheiten unaufhörlich der Irridenta und des Hochverrats beschuldigt. Die Minderheiten haben es wirklich nicht notwendig, Irridenta oder Hochverrat zu üben. Dies besorgen jene Chauvinisten, die durch Rechtsbruch, Drangsalierungen, Atrozitätsakte bei den Minderheiten Unzufriedenheit, Unsicherheit der Existenz und das enervierende Gefühl des Unterdrücktseins und dadurch einen chronischen Zustand des Gemüts, daß es so nicht weiter gehenkann, schaffen. Die Chauvinisten, Spitzel und Spione, die man bei uns auf die Minderheiten gehetzt hat, und ihre Drahtzieher sind die eigentlichen Irridentisten, Hochverräter und Schädlinge des Staates. Es wäre um jeden Minderheitsgroschen und um jeden Minderheitsmenschen wirklich schade, sie für irridentistische Zwecke zu opfern, sobald dieses Geschäft von Staats wegen und auf Staatskosten so sicher besorgt wird. Die vielen fehlgeschlagenen Hochverratsprozesse beweisen es zur Genüge, daß der Irridentismus bei uns heute noch keinen Boden gefunden hat. Aber wenn man die bisherige Politik weiter beibehalten wird, dann ist es sicher, wie der Tod, daß der Irridentismus eines Tages da sein wird, großgezogen eben durch die befolgte Politik. Man wird solange von einer höheren Schweiz faseln, bis man auf einmal ein Irland im Staate haben wird. Und genau so wie sich das gewaltige England trotz barbarischester Abwehr Irlands nicht entledigen konnte, kraft ganz derselben Gesetzmäßigkeit der geschichtlichen Entwicklung, wird es auch in diesem Staat nicht möglich sein, das geschaffene Irland mit brutalen Mitteln der Gewalt zu bannen. Also allwissende Staatskünstler èechoslovakischer Prägung, nur weiter lustig loshämmern auf die Minderheiten, bis dieselben zum irländischen Stahl gehärtet sein werden! Dann werden auch die ungezählten Millionen für die ausländische Propaganda nichts helfen.

Wie die Kanäle dieser Propaganda laufen, darauf bin ich einmal zufallsweise gekommen. Ich stieg eines Tages in einen Prager Hotel ab und fand auf dem Tische des mir zugewiesenen Zimmers ein offenbar vergessenes Briefpapier mit nachstehendem englischen Aufdruck: "James Keating, Ratgeber für den öffentlichen Informationsdienst in England, unterstellt dem Ministerium des Äußern der Èechoslovakischen Republik." Also dahin geht ein großer Teil unserer Säfte. Das ist die vielberühmte ausländische Freundschaft, die man mit schwerem Geld bezahlen muß. Die Minderheiten gratulieren herzlichst zu diesen Freunden der freigebigen Machthaber der Èechoslovakischen Republik.

Bei der Befolgung des heutigen Kurses ist aber auch um jene Millionen, bezw. Milliarden schade, die man für die Heeresausrüstung verwendet. Sicherlich will man einen gewissen Mangel an innerem Zusammenhalt in der Armee mit einer überwältigenden technischen Ausrüstung wettmachen, was vom rein sachlichen Standpunkte auch richtig ist. Doch ist zu bedenken, daß auch das beste Maschinengewehr nur in der Hand eines herzhaften Soldaten einen Wert hat, sonst gehört es ins alte Eisen. Man hat jedoch bis heute diejenigen Helden, die im vergangenen Weltkriege für den alten Staat gestorben sind, und auch diejenigen, die zu Krüppeln geworden sind, ob ihrer Hingebung, ihrer Pflicht und Eidestreue zum alten Staat sowohl in den Zeitungen als auch in öffentlichen Reden nur verlacht und verhöhnt, ihren Waisen, Witwen und Eltern die ohnehin karge Pensionsversorgung aus nichtigen Gründen nicht zuerkannt oder entzogen.

Diese fortgesetzte Verhöhnung ist nicht danach angetan, um den Soldaten Mut für die Zukunft zu geben. Vielmehr kann die fortwährende Verhöhnung leicht Schule machen und dann ist es auf ewig aus mit dem Soldatemmut. Auch die politische Betätigung der Soldaten kann keine Sympathie und keine Beruhigung erwecken. Ich habe nie verstehen können, was die Soldaten bei Vernichtung von Firmentafeln, Gassentafeln und Denkmälern zu suchen haben? Für jeden ehrlichen Menschen ist es immer ein widerlicher Anblick, wenn sich Soldaten in Zerstörung von Eigentum oder Atrozitäten ergehen, solche Erscheinungen müssen notwendigerweise auch eine Atmosphäre der Mißachtung für diesen Beruf erwecken. Der Soldat soll sein Kriegshand werk üben, um in der Stunde der Not seine Pflicht erfüllen zu können, und der Staat soll die Soldatenhetzer unschädlich ma chen. Da wäre Energie wohl am Platze. Will man für die Zukunft sorgen, dann müssen die von mir bisher geschiderten, überaus mißlichen Zustände ein Ende fin den und man muß den Minderheiten mehr Achtung entgegenbringen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP