Pátek 17. listopadu 1922

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 169. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 17. listopadu 1922.

1. Øeè posl. Patzela (viz str. 554 tìsnopisecké zprávy):

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen will ich namens meiner Partei, und gewiß auch in gesinnungsmäßiger Übereinstimmung mit vielen anderen deutschen Abgeordneten ein paar Worte über einen geistigen Kampf sprechen, der jetzt an den Prager deutschen Hochschulen geführt wird. Ich stelle fest: Wir billigen durchaus die Beweggründe der deutscharischen Studenten bei ihrem Streik, denn sie entspringen rein idealer Überzeugung, der Sorge um die Erhaltung des deutschen Charakters unserer deutschen Hochschulen. Sie gelten der Abwehr jenes jüdischen Eroberungsgeistes, der sich nicht mit dem Gastrecht an den Hochschulen der arischen Wirtsvölker begnügt, sondern der sie beherrschen will und auch zum Tummelplatz verschiedener moderner Reklamehelden machen will. Ich stelle dabei ausdrücklich fest, daß weder wir noch unsere Hochschüler beabsichtigen, wirkliches Verdienst herabzusetzen, herabzuwürdigen oder zu schmälern. Ich stelle auch ausdrücklich fest, daß der Kampf der deutscharischen Studenten in diesem Falle keiner Person, sondern einer Sache gilt, einer grundsätzlichen Anschauung, nicht der Person des Professors Steinherz, der hier in Frage kommt, dessen persönliche Gesinnung und Lehrtätigkeit von niemand in Zweifel gezogen wird. Ich wiederhole, der Kampf gilt einer Idee, gilt einer Sache.

Die Angelegenheit dürfte wohl auf akademischem Boden ausgetragen und erledigt werden. Umsomehr haben wir das Recht zu bedauern, daß die Sache auch von dieser Stelle und von anderer Stelle in schiefer Weise dargestellt und aufgefaßt wird. Gegenüber solchen Äußerungen erkläre ich: Es ist zumindest geschmacklos, wenn man die deutschvölkischen Hochschüler als Monarchisten bezeichnet, denn das widerspricht der Wahrheit und der ganzen Geschichte des deutschvölkischen Studententums in diesem Lande. Aber ich muß noch hinzufügen: Wir finden es unverständlich, wenn gerade aus Kreisen, die auf Grund ihrer Überzeugung und Weltanschauung sowohl den wirtschaftlichen, als auch den politischen Streik als erlaubtes Mittel ansehen und anwenden und in jedem Streikfalle das gewalttätige Eingreifen der Machtmittel und Organe des Polizeistaates ablehnen, wenn gerade aus solchen Kreisen förmliche Drohworte fallen, wenn eine Gruppe junger deutscher geistiger Arbeiter einen ehrlichen, aufrichtigen politischen Kampf führt. Wir sind aber der Meinung, daß vielleicht gerade solche Erscheinungen in vielen arischen Völkern über mancherlei Dinge der Gegenwart Licht und Klarheit verbreiten werden. So wird das deutsche Volk in seiner übergroßen Mehrheit dem mutigen Bekennertum seiner akademischen Bürger Verständnis und Würdigung nicht versagen. (Potlesk stoupencù øeèníkových.)

Nun zum Gegenstand der Tagesordnung: Ich beabsichtige nicht eine weitaus greifende politische Rede zu halten, denn unsere politische Stellung zum Staate und auch zur neuen Regierung wurde hier bereits dargetan. Ich habe auch nicht die Absicht, olle Camellen zu reden, wie uns die èechischen Herren so oft vorhalten, sondern ich will lediglich den Voranschlag für 1923 als wertvolles Lesebuch für unsere deutsche Bevölkerung behandeln, als Leitfaden der Staatsbürgerkunde, als Handbüchlein über Staatsbürgerrechte und -pflichten. Ich möchte gerade unserer deutschen Bevölkerung wünschen, daß sie diese Anleitungen zu diesem Lesebuch, die wir geben, - sie sind nicht erlogen und erfunden, sind keine Mittel einer lügnerischen Propaganda, sondern sind nackte kalte Ziffern der Wahrheit - recht aus giebig benützen, denn darin liegt viel Erkenntnis unserer Stellung im Staate und der Absichten der regierenden Mehrheits nation. Wir sind im Budgetausschuß um eine wohlwollende Kritik des Staatsvoran schlages ersucht worden. Ich erkläre allerdings, zu einer wohlwollenden Kritik haben wir Deutsche gar keine Ursache und keine Veranlassung. Ich stelle fest, unsere sachliche Kritik ist frei von vorgefaßtem Übelwollen, sie entspricht lediglich dem Streben nach Gerechtigkeit. Wir gehen auch an die Beurteilung dieses Staatsvoranschlages sine ira et studio, wobei ich freilich feststelle, daß das Studium des Voranschlages die ira, den Zorn über die Behandlung der Deutschen im Staate, sehr wohl hervorrufen oder verstärken muß. Zunächst fehlt zur Beurteilung der Verläßlichkeit gerade dieses Voranschlages immer noch jeder Maßstab. Wir haben zwar jetzt endlich den Rechnungsabschluß für 1919 erhalten. 1919 war aber das erste Budgetjahr der Èechoslovakischen Republik, die Ziffern dieses Voranschlages waren ganz willkürlich und wurden tatsächlich erst im letzten Monate dieses Jahres auf eine verläßliche Grundlage gestellt. Die Einkehr der Verhältnisse, seit denen sich der Staatsvoranschlag ungefähr auf derselben Höhe bewegte, erfolgte weit später, sodaß auch der Rechnungsabschluß für 1919 keine verläßliche Unterlage zur Prüfung des inneren Wertes dieses Voranschlages abgibt. Wenn der - Rechnungsabschluß für 1919 gegenüber dem Voranschlag sowohl 1 Milliarde Mehreinnahmen als auch 1 Milliarde Minderausgaben erbrachte und wenn daraus der Beweis gefolgert werden soll, es sei bisher immer vorsichtig präliminiert worden, dann frage ich, warum man uns nicht die - Ziffern zumindest des Gebarungsabschlusses zur Verfügung stellt: Wir werden dabei aber auch die Tatsache entgegenhalten müssen, daß diese Mehrerträgnisse gegenüber den Voranschlägen jeweils aus den Steuerrückständen aus dem alten Österreich herrühren, weil die Èechoslovakische Republik zwar mit ziemlich unbarmherziger Härte die Steuerrückstände der Jahre 1914 bis 1918 eintreibt, die dadurch entstanden waren, daß die Steuerträger regelmäßig auf Grund früherer Vorschreibungen Anzahlungen leisteten, wobei aber die Èechoslovakische Republik die Tatsache nicht berücksichtigt, daß alle Bevölkerungskreise den Rest dieser Steuerfälligkeit in der Form der Kriegsanleihe entrichteten, daß die Kriegsanleihe schließlich und endlich nichts anderes als eine andere Form der Steuerzahlung, darstellte und die Èechoslovakische Republik, wenn sie die bedingungslose Anerkennung der Kriegsanleihe ablehnt, infolgedessen von den Staatsbürgern - inwieweit das in den èechischen Gebieten der Fall ist, kann ich nicht kontrollieren, aber in den deutschen Gebieten ist es überall so - die Steuern doppelt einheben will. Die Ausgaben der Èechoslovakei sind seit, Aufrichtung des Staates in schwindlichtem Tempo auf die heutige Höhe hinaufgeklettert. Da wir das Präliminare der Investitionen entgegen der Anschauung, die die Berichterstatter hier immer entwickeln, hinzuzählen müssen, halten wir heuer mit der Zurechnung der Investitionen auf der ansehnlichen Höhe von 22370 Millionen, während an den Verhältnissen des alten Österreich und den Valutaunterschieden gemessen 16 Milliarden die unüberschreitbare Höchstgrenze bilden sollten. Trotzdem das angebliche Ersparungsbudget aus der Drosselung der Ansprüche der verschiedenen Ministerien entstand, sehen wir noch immer einen Abgang von 3550 Millionen, wobei wie im Vorjahre auf die Notaushilfen für die Staatsangestellten und Lehrer noch kein Bedacht genommen wurde. Im Übrigen ist aber auch die angebliche Drosselung der Ansprüche der verschiedenen Ministerien um etwa 6 Milliarden zum Teil nur eine scheinbare, denn der Finanzminister selbst stützt seine ganzen Ersparungsmaßnahmen in erheblichem Maße auf die erwartete Senkung aller Preise. Seit dem Voranschlag für 1921 bewegen sich die Ausgabenziffern mit verschiedenen Schwankungen auf derselben Höhe, und der Bericht der Ausschußmehrheit will diese scheinbare Stetigkeit mit der Wiederkehr normaler Verhältnisse im Wirtschaftsleben frohen Sinns erklären. Freilich steht dies im Widerspruche mit den mehrfachen Hinweisen auf die schwere Wirtschaftskrise, denen sich auch der Motivenbericht des Finanzministers nicht entziehen kann. Die Finanzverwaltung muß sich darüber im Klaren sein, daß die Belastungsmöglichkeit der schaffenden Stände die äußerste Grenze erreicht hat. Die Mittel dazu, um trotzdem in der Wirtschaftskrise Einnahmen nahezu in der alten Höhe zu erzielen, sollen die brutale Eintreibung der Steuerrückstände bieten, die Verminderung der Teuerungsaushilfen der im öffentlichen Dienste tätigen Kopfund Handarbeiter, obwohl ihre Lebenshaltung trotz des so gerühmten Preisabbaues den Friedensstand noch nicht erreicht hat, während die Offiziersgagen unvermindert bleiben. Der Staat verlangt, daß die Staatsbürger sich mit einem verminderten Einkommen behelfen, er selbst aber handelt nicht danach. Der Finanzminister lehnt jede Herabsetzung der Zölle, zumindest der sogenannten Finanzzölle, und der Tarife, aber auch der Steuern ab, sogar der Kohlensteuer, obwohl dies noch am 10. September l. J. in der bekannten Regierungskundmachung der Bevölkerung versprochen wurde. Èechische Ministerworte und Versprechungen verzichten also selbst von vornherein auf jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit. Diese Feststellung wollen wir auch von diesem Ort ausmachen.

Die Finanzpolitik der Èechoslovakei stützte sich zunächst auf eine Ausgestaltung der Kriegssteuern und auf die Eintreibung der alten Steuerreste, und suchte dann ihre Ergänzung durch die Kohlensteuer und Umsatzsteuer, deren unsoziale Seite die einführenden Minister selbst gekennzeichnet haben, und durch eine fortgesetzte Erhöhung der Verkehrstarife, während die Vermögensabgabe die Unterlage für die selbständige èechische Staatsbank bilden sollte. Die fortgesetzte Überlastung der Steuerämter mit neuen Steuern und die Novellierung bestehender Steuern sowie die allzuhohe Anspannung der Vermögensabgabevorschreibungen stellt dieses Ergebnis längst in Frage. Die Vermögensabgabe wird abgebaut werden müssen, soll sie nicht die schweren Erschütterungen der jetzigen Krise zu furchtbaren Ausbrüchen steigern, und die Finanzverwaltung wird froh sein, daraus die Zurückzahlung der zurückbehaltenen Banknoten bestreiten zu können. Ganz sonderbar aber mutete das Verhalten des Finanzministers gegenüber den Klagen über die hohen Tarife an, als er im Budgetausschuß mit einer großzügigen Gebärde uns hinwarf, es seien eigentlich nicht die èechoslovakischen Tarife hoch, sondern die Tarife der Nachbarstaaten niedrig, ein volkswirtschaftlicher Cynismus, der angesichts der Erkenntnis, die uns z. B. die Kohlenausfuhr brachte, als geradezu ungeheuerlich bezeichnet werden muß, und dessen in der ganzen Welt kein anderer Mensch fähig ist als Dr. Rašín.

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die Steuerhoffnungen der Finanzverwaltung. Wohl werden Umsatzsteuer und Kohlensteuer um je 400 Mill. Kronen niedriger eingeschätzt. Allein die allgemeine Erwerbsteuer soll gegenüber 1922 um 21.5 Mill. Kronen und die Erwerbsteuer der Aktiengesellschaften um 40 Mill. Kronen mehr erbringen. Glaubt der Finanzminister wirklich, daß die Volkswirtschaft, deren Verbrauch und Umsatz er selbst niedriger einschätzt, imstande sein wird, eine Steigerung der Erwerbsteuer zu vertragen, wenn dies gleich nur eine Eintreibung von Rückständen sein soll, kann er mit Recht bei vielen Aktiengesellschaften ein gesteigertes Erträgnis erwarten? Soll die Wirtschaft ein um 108 Millionen höheres Zollerträgnis und eine Mehreinnahme der Transportsteuern um 93 Mill. Kronen vertragen, trotz des Stillstehens zahlreicher Betriebe, trotz der Absatz- und Ausfuhrkrise, die der Minister als Gesundungskrise bezeichnet? Die Einkommensteuer wird um 168 Mill. Kronen höher eingeschätzt, zum großen Teil auf Kosten der Staatsangestellten und Lehrer. Dabei herrscht in den Steuerverhältnissen nach wie vor eine gewaltige Unsicherheit, die Steuerämter sind aus dem angegebenen Grunde mit Vorschreibungen jahrelang im Rückstande; fast alle Vorschreibungen er folgten infolge der höheren Weisungen, der Revisionen und willkürlicher Schätzungen zu hoch, sodaß bis 80 % der Erwerbsteuervorschreibungen rekuriert werden. Glaubt die Finanzverwaltung wirklich, daß sie, wie es jetzt heißt, in einem großen Aufwaschen eine Generalabweisung der meisten Rekurse anordnen und durchführen kann? Glaubt der Finanzminister wirklich, daß er dem Steuerträger das letzte Hemd vom Leibe nehmen kann? Vielleicht kann es passieren, daß auch die Rechnung des Herrn Rašín ein Loch hat. Der Finanzminister hat dieser Tage behauptet, alle Abrechnungen der letzten Verwaltungsjahre hätten schließlich einen Überschuß ergeben, weil vorsichtig präliminiert wurde. Auch diese Behauptung stimmt schon für das Jahr 1919 nicht, denn auch für 1919 betrug der Abgang über 2.100 Millionen. Wir erinnern uns da auch an das vielgerühmte Gleichgewichtsbudget des Dr. Engliš mit dem Pferdefuß des Nachtragsvoranschlages. Wir erinnern uns auch der Tatsache, daß alljährlich für laufende Ausgaben Kredite beschafft werden mußten.

Schauen wir uns ein paar Ziffern an, um die Leistungsfähigkeit der Staatsbürger zu betrachten! Nach dem Staatsvoranschlag für 1923 entfallen auf jeden Staatsbürger rund 600 K an öffentlichen Abgaben und Zöllen und von den Staatsausgaben überhaupt ein Betrag von 1500 K; das ist angesichts der Herabminderung des Einkommens weitester Bevölkerungskreise eine Ziffer, die weit das erträgliche Maß übersteigt.

Wenn wir nun einige der wichtigsten Posten des letzten und des neuen Voranschlages vergleichen, dann drängen sich einem naturgemäß über die Verwendung der Staatsgelder verschiedene Beobachtungen auf, und deswegen habe ich ja auch den Staatsvoranschlag einen wertvollen Leitfaden für Staatsbürgerkunde genannt. Auf ansehnlicher, zum Teil gesteigerter Höhe erhalten sich die Ausgaben, die unter dem Titel der Propaganda verzeichnet werden, sowohl beim Ministerium des Innern, wie beim Ministerium des Äußern, von denen wir wissen, welchen Zwecken sie dienen: Der Bespitzelung der Staatsbürger und der Vermehrung der Polizeistaats-Einrichtungen, sowie der Niedertrampelung und Niederlügung der Beschwerden der nationalen Minderheiten in diesem Staate. Herr Dr. Beneš wollte uns im Budgetausschuß belehren - und das zeigt so den guten Geschmack, den èechische Minister haben, - daß die Propagandamillionen des Außenamtes zu einem großen Teile der deutschen Bevölkerung und der deutschen Industrie zugute kämen. Ich meine, über Geschmack läßt sich nicht streiten und wir sind es schon gewöhnt, daß die èechischen Minister einander in Geschmacklosigkeit überbieten. Es ist aber nicht bloß eine Geschmacklosigkeit, sondern auch eine Verhöhung der Bewohner unserer deutschen Randgebiete, die er dafür verhöhnt, daß seine Außenpolitik die würdige Bettgenossin jener Wirtschaftspolitik darstellt, die uns die gegenwärtige Krise auf den Nacken gelegt hat. Im übrigen kann die Wesensart der neuen Regierung, dieser Regierung der gewaltigen Größen der Koalitionsparteien, nicht besser beleuchtet werden, als dadurch, daß sie den Dispositionsfond des alten Österreich in der stattlichen Höhe von 8 Millionen Kronen ins Budget aufgenommen hat. Ob Sie ihm nun einen anderen Namen geben oder nicht, feststeht, daß Sie das, was Sie im alten Österreich als äußerste moralische Korruption bezeichnet haben, fröhlich wieder aufleben lassen. Wir können schon verstehen, zu welchem Zwecke das geschieht, wenn wir uns der Tatsache der Verwendung von etlichen Millionen erinnern, die Sie für Volks zwecke bestimmt haben, in Wirklichkeit für Parteizwecke der Koalitionsparteien verwendeten. Daß wir eine solche Staats verwaltung, die offenbar von den Koali tionsparteien für sich als Selbstzweck auf gefaßt wird, nicht als eine reine, konsoli dierte, saubere Staatsverwaltung auf fassen können, werden Sie begreifen. (Posl. Knirsch: Es wird bald heißen statt "Koalitionsparteien" "Korruptionsparteien"!) Ganz richtig, das wird so kommen. Das èechische Volk führt schon ohnedies eine deutliche Sprache und die Herren werfen sich in ihren Zeitungen auch wunderliebe Dinge vor. Wenn man daran denkt, wie in den letzten Wochen die Auseinandersetzung über die Verhältnisse beim Boden amt in den èechischen Zeitungen ausgesehen hat, bis zuletzt ein èechischer Politiker dreinfuhr und zum Schweigen mahnte, weil man zuviel voneinander wisse - wenn man das alles bedenkt, dann findet man den Grund, warum Sie uns beim Bo denamte nicht mitkontrollieren lassen wollen: weil die Sumpfblase ausgestochen werden könnte, von deren Gestank die ganze Republik verpestet werden könnte.

Ein wertvolles Gut aus dem alten Öster reich waren die verschiedenen Einrichtun gen der Selbstverwaltung. Diese sucht der èechische Zentralismus mit allen Mitteln abzutöten und abzumurksen. Die Überweisungen an die Selbstverwaltungskörper erscheinen im heurigen Voranschlag um 177 Millionen niedriger. Trotzdem erlaubt sich die Regierung - ich muß schon das Wort aussprechen - die Frivolität, in demselben Atem an die Gemeinden die dringende Aufforderung zu richten, sie mögen durch Notstandsbauten mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Ukas nach dem anderen trägt den Gemeinden und auto nomen Verbänden Arbeiten des übertragenen Wirkungskreises auf. Die Umlagen einhebung hat man den Selbstverwaltung körpern abgenommen, läßt ihnen aber die Schulden auf dem Hals, die die Finanzverwaltung schuldig ist. Das heißt soviel, daß die Steuerträger nicht nur die Steuern, sondern auch die Umlagen der Staatskasse abführen müssen. Der Staat aber bleibt den Gemeinden die Umlagen schuldig. Vor wenigen Tagen erfuhr ich, daß der Staat der Gemeinde Asch, einer Stadt mit 18.000 Einwohnern, nicht weniger als 1 1/2 Millionen Kronen seit Anfang November v. J. schuldig ist, die die Steuerträger für die Gemeinde Ascheingezahlt haben. Der kleinen Bergarbeiterstadt Osseg bei Dux ist der Staat 1,200.000 K schuldig. Dann soll eine Gemeinde noch Notstandsbauten vorkehren und Arbeiterhäuser errichten! Der Staat bringt durch sein Vorgehen in die Gemeindewirtschaft selbst die heilloseste Verwirrung. Ob es bei den èechischen Parteien, die auch alte Autonomisten in ihren Reihen haben, auch so ist, wissen wir nicht. Uns erscheint aber die Gemeindeauto nomie, die Möglichkeit der freien Regelung der Gemeindeverwaltung, als etwas wertvolles, weil es aus einer großen Zeit her vorgegangen ist, für die allerdings die Èechoslovakische Republik in ihrer großen Zeit recht wenig Verständnis zu haben scheint. Nun hat Herr Dr. Rašín dieser Tage auch über die etwas zu großen Aus gaben der Landeskataster und von einem Beamtenüberfluß bei den Landesausschüssen, namentlich beim böhmischen Landesausschuß gesprochen. Der böhmische Landesausschuß hat sich dagegen verwahrt. Ich vermag im Augenblick nicht zu entscheiden, ob ein Beamtenüberfluß bestehe. Nur soviel möchte ich feststellen, daß die Wirtschaft beim böhmischen Landesausschuß seit Jahren unter dem Widerspruch der Deutschen von den engeren und weiteren Gesinnungsgenossen des Herrn Dr. Rašín beherrscht wurde und daß man dort vor 12 Jahren deutsche Beamte deshalb gemaßregelt hat, weil sie Vorschläge erstatteten, wie einer Überfüllung mit Beamten zu steuern wäre. Es wurde ihnen gesagt: Dort, wo wir die Macht haben, müssen wir auch Beamte unterbringen, die einen Teil ihrer Dienststunden dazu verwenden, um für die "Národní Jednota" zu arbeiten. Wenn also beim Landesausschuß Beamtenüberfluß herrscht, so mögen sich die Herren bei der mehr oder minder großen Nase des Dr. Rašín nehmen, oder meinetwegen bei seiner Zunge.

Eine gewaltige Ersparnis wird uns triumphierend beim Landesverteidigungsministerium angekündigt, das um 333.7 Millionen Kronen weniger anfordert, als im Vorjahre. Ja, der Herr Kriegsberichterstatter Bradáè - wenn ich so sagen darf - wollte uns im Budgetausschuß glauben machen, die Èechoslovakische Republik verlange nur ungefähr 15% aller Staatsausgaben für ihr Militär, also weit weniger als alle - Siegerstaaten - Deutschland und Österreich kommen ja nicht in Betracht - und als Sowjetrußland. Die Berechnung wäre ja sehr wertvoll, wenn sie den Vorzug der Wahrheit hätte. Dieses Vorzuges entbehrt sie allerdings. Es ist auch diese Rechnung unzutreffend. Denn - helfe, was helfen kann - wenn man das Militärbudget nicht allzuhoch erscheinen lassen will, setzt man einfach ein paar Hundert Millionen, die für Militärbauten ausgegeben werden, in das Budget des Ministeriums für öffentliche Arbeiten oder die sogenannten Investitionen, obwohl es ganz neu ist, daß Kassernenbauten und Gebäude für Auslandsmissionen fruchtbringende Investitionen darstellen. Die Ziffer von 20% wird unter diesen Umständen die richtige sein. Wir wissen auch, daß dieses Ministerium im Jahre 1921 entgegen dem Beschlusse der Nationalversammlung Mehrausgaben von 1100 Mill. Kronen gemacht hat, abgesehen von den Ausrüstungs- und Mobilisierungskrediten. Bei einer Armee, wo man die Slovakei, Karpathorußland und Hultschin als Kriegs gebiet betrachtet und den dortigen Offizieren Feldzulagen auszahlt, die man freilich der Mannschaft verweigert, bei einer Armee, die mehr Stabsoffiziere als Subaltern offiziere zählt, kann man wohl von Militarismus in Reinkultur sprechen. Außer dem beweisen die Posten für die französische Militärmission und für die Stu dien èechoslovakischer Offiziere in Frankreich, daß die Èechoslovakei nach wie vor der ergebene Gendarm Frankreichs sein soll und will. Herr Minister Udržal hat uns Deutschen im Budgetausschuß voll Hohn gesagt, natürlich werde die Ausbil dung der èechoslovakischen Mannschaft nach den Grundsätzen der siegreichen französischen Armee durchgeführt. Wir haben Kenntnis von den Heldentaten der französischen Farbigen in den deutschen besetzten Gebieten und der Herr Kriegs minister darf sich nicht wundern, wenn wir mancherlei ungesühnte Taten èechischer Soldaten in deutschen Gebieten da neben halten und ihn fragen, ob er die Fortsetzung der Parallele auch nach dieser Richtung wünscht.

Gespart wird auch beim Kapitel "Öffentliche Arbeiten" um 62.6 Mill. Das in einer Zeit, wo die Arbeitslosigkeit den Staat zur Durchführung von fertigen Projekten als Notstandsarbeiten verpflichtet. Eine Übersicht der geplanten Arbeiten, auf die wir großes Gewicht legen würden, haben wir bis heute nicht erhalten. Dagegen erhalten wir die eigenartige Mitteilung, daß die èechoslovakische Staatsverwaltung von Unternehmungen, die zahlreiche eigene Arbeiter und Angestellte entlassen haben, seit Wochen die Aufnahme èechischer Legionäre, èechischer Arbeiter und Beamten zu erpressen sucht, ohne Rücksicht auf die arbeitslosen Angestellten und Arbeiter der Gebiete, in denen diese Unternehmungen ihren Sitz haben. Die Mannesmannwerke und andere erhielten die Aufforderung zur Aufnahme von Legionären in den Betrieb, und dies alles zu einer Zeit, wo sie ihre alten, seit Jahren beschäftigten Arbeiter und Beamten kündigen mußten. Das ist ein klares System, und daß wir uns dem nicht fügen und beugen, werden Sie begreifen. Die Sache geht sogar soweit, daß man die Gewährung von Heereslieferungen an Firmen, die sich in deutschen Händen befinden, an die Aufnahme èechischer Arbeiter binden will, und dies alles im deutschen Gebiete und ohne Rücksicht darauf, daß die Firmen einen großen Teil ihrer Arbeiter entlassen mußten, welche jetzt brotlos herumlaufen. Der èechische Nationalismus fragt eben nicht nach Hunger. Es ist dasselbe Gefühl im Kleinen, dem Clémenceau im Großen Ausdruck gegeben hat, als er sagte, daß es um 20 Millionen Deutsche zu viel gibt.

Noch ein Wort zur Behandlung der Slovakei. Wir finden im Voranschlag so manche Aufwendung, die aussieht, als würde der Slovakei eine weit über ihre Steuerleistung hinausgehende Sorgfalt zugewendet. Ein genaues Hineinsehen zeigt uns aber, daß inn Wirklichkeit für die wirtschaftliche Erschließung der Slovakei herzlich wenig getan wurde, daß sogar Steuern und Pensionen als Mittel zur Verleihung korumpierender Gnadengeschenke Aufwendungen in der Slovakei militärischen und polizeilichen Zwecken dienen, in einem sehr starken Maße auch zur Niederhaltung des Willens der Mehrheit der Bevölkerung. Das muß festgestellt und auch unseren deutschen Bürgern gesagt werden.

Hunderte neuer Millionen fordert ferner das Bodenamt, ohne daß wir Deutsche auch die Möglichkeit einer Mitkontrolle hätten. Um 135 Mill. steigern sich die Anforderungen der Finanzverwaltung und um 711 Mill. die Kosten des staatlichen Schuldendienstes, die bereits ein Siebentel aller Staatsausgaben ausmachen. Beim Eisenbahnwesen soll sich zwar der Auf wand um 454 Mill. vermindern, weil die notwendigen internen Arbeiten vermin dert oder verbilligt erscheinen, die Einnahmen aus dem Eisenbahnverkehr wer den aber immer noch um 6 Mill. höher ein geschätzt, trotzdem nach den Angaben des Motivenberichtes dieses Ministeriums die erzielten Verkehrseinnahmen im ersten Halbjahr 1922 infolge der starken Stagnation von Handel und Industrie die erwartete Höhe nicht erreichen. Gerade bei die sem Ministerium wird vom Abbau der Beamten gesprochen. Allerdings fehlt uns ein Plan über diesen Beamtenabbau. Wir wissen schon, worum es geht. Es sollen nicht überzählige Beamte, die seit dem Umsturze, ohne etwas zu können, oder etwas zu leisten, in den Staatsdienst kamen, die den Staatsdienst als eine angenehme Sine kure betrachten, veranlaßt werden, sich anderweitig im Wirtschaftsleben Unter kunft zu suchen, sondern der Abbau soll, vor allem auch mit Mitteln der sprachlichen Qualifikation oder Nichtqualifikation, zunächst unseren deutschen Beamten gelten.

Lehrreich ist auch die Mitteilung, das Telephon dürfte für 1922 nicht den erwar teten Ertrag von 113 Mill., sondern nur 101 Mill. erbringen. Auf einen Staats bürger würden für 1923 rund 59 Kronen an Postgebühr entfallen, 7 Kronen soll er durch Telegramme und 10 Kronen durch das Telephon zu den Staatseinnahmen bei tragen. Das beweist, daß auf der einen Seite unsere Postgebühren zu hoch sind, daß aber auch andererseits jene Telephon politik falsch ist, welche glaubt, die Ge bühren ins Ungemessene erhöhen zu kön nen und die gezwungen wird, neue Linien in erster Reihe für andere als rein wirt schaftliche Zwecke zu errichten, für mili tärische und Polizeizwecke oder vielleicht für das Unterhaltungsbedürfnis der Herren èechischen Offiziere mit ihren Herzerln in der Slovakei.

Schließlich greift das Ersparungs system auch auf das Schulwesen, für das 95 Mill. K weniger angefordert werden. Der Motivenbericht zum Finanzgesetz begründet diese Ersparnis damit, daß der systematische Ausbau des Schulwesens vollendet sei. Wir wissen genau, daß diese Vollendung erfolgt ist, allerdings auf Kosten des deutschen Schulwesens, daß beim deutschen Schulwesen gespart wird, keineswegs am èechischen. Wenn wir die unwiderlegliche Ziffer vor uns haben, daß im ganzen 332 Mill. Kronen für das èechische und 61 Mill. Kronen für das deutsche Schulwesen ausgeworfen werden, also für uns 16% des Aufwandes, dann wissen wir, auf welche Kosten gespart wird. Auf der einen Seite eine Drosselung und Zurücksetzung des deutschen Schulwesens, auf der anderen Seite aber das, was der neue Unterrichtsminister selbst bestätigt hat, der von einer Überproduktion an geistigem Proletariat gesprochen hat, was ja die Bestätigung der von mir im Vorjahre vorgebrachten Anschauung bedeutet, daß das èechische Volk über das Maß des Bedarfes hinaus eine Treibhauskultur züchtet und daß mit der Errichtung neuer Anstalten eben meist Èechisierungsabsichten im deutschen Gebiete verfolgt werden. Wir wissen natür lich, daß die Errichtung der meisten èechischen Schulen nicht aussachlichen Bedürfnissen erfolgt, daß man ruhig alte Gymnasien im eigenen Gebiete verfallen läßt, die sich in einem Zustande befinden, daß es eine Schande für das Volk des Comenius ist. Aber wenn nur eine Anzahl neuer Schulen in deutschen Gebieten errichtet wird, und wenn man auch für diese Schulen eigene Sonderzüge einstellen lassen muß. Aber es muß den Deutschen der Geßlerhut gezeigt werden. (Posl. Knirsch: Aber es kommt auch einmal der Tellschuß!) Hoffentlich wird auch unserem Volke einmal der Tell nicht fehlen!

Wie man unser Geistesleben behandelt, dafür noch ein kleines Beispiel. Die Herren haben im Vorjahre angesichts der reichen Zuwendungen an èechische Schriftstellervereine meinen Antrag auf Zubilligung von 5000 Kronen für die Pensionsvereinigung der deutschen Journalisten angenommen; ausgezahlt ist der Betrag bis zum heutigen Tage nicht. So klein der Fall ist, so typisch ist er. Das Unterrichtsministerium führt Beschlüsse der Mehrheitsparteien einfach nicht aus. Nun mögen die Herren nicht glauben, daß wir Gnadengaben "dary z milosti" erbetteln. Was wir verlangen, ist nur unser gutes Recht.


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