Und nun kommen wir zu einem anderen Kapitel. Ich habe schon vorher gesagt, daß der Voranschlag selbstverständlich kein richtiges Bild über die Verwaltung und Gebarung des Staates geben kann. Ein noch weniger richtiges Bild haben wir, wenn wir uns nur die Ziffern des Investitionsprogrammes anschauen, ohne zu wissen, was von diesem Investitionsprogramm in Wirklichkeit durchgeführt worden ist. Heute haben Sie es aus dem Munde des Herrn Berichterstatters gehört, wie wenig von dem, was in den Jahren 1921 und 1922 im Voranschlage in Aussicht genommen wurde, zur Durchführung gelangte, daß es 50% des im Voranschlage eingestellten Betrages waren, der für Investitionen aufgebraucht wurde. (Posl. Taub: Im Jahre 1921! Es ist bezeichnend, daß im Jahre 1922 noch weniger!) Im Jahre 1922 wurde noch weniger verbraucht und es ist fraglich, ob wir bis Ende des Jahres 1922 zu dem Ergebnis kommen werden, das wir im Jahre 1921 zu verzeichnen hatten, (Posl. Taub: Trotz der Krise!), trotz der Krise, die wir schon seit langer Zeit haben, und obwohl es notwendig gewesen wäre, für Beschäftigungsmöglichkeit Vorsorge zu treffen und obwohl wir uns in einer eigenen Vorlage mit der Schaffung des nötigen Kredites für Investitionen beschäftigt haben. Nun finden wir, daß auch der Betrag von 3 Milliarden, der heuer im Voranschlag eingestellt wurde, selbst wenn er der vollständigen Verwendung zugeführt würde, angesichts der Verhältnisse, in welchen wir leben, angesichts der Krise vollständig unzureichend wäre.
Wenn ich schon von Investitionen spreche, so gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß wir alle Ursache haben mit den Investitionen, die durchgeführt wurden und durchgeführt werden, unzufrieden zu sein. (Sehr richtig!) Wenn wir ansehen, was gebaut wurde und was zu bauen beabsichtigt ist, so müssen wir feststellen, daß auch hier nicht die entsprechenden produktiven Ausgaben gemacht werden. Vorwiegend sind es Kasernen, deren Bau in Angriff genommen werden soll, und wir sind schon der Ansicht, daß man in der Zeit der Not, in der wir uns befinden, die Mittel für andere Zwecke aufzuwenden verpflichtet ist, daß es in erster Linie notwendig wäre zum Wohle und im Interesse der Bevölkeru ng Spitäler zu bauen, Sanitätsanstalten und Schulen zu errichten und den Selbstverwaltungskörpern bei Schaffung solcher Anstalten unter die Arme zu greifen. Sie sehen also, daß auch da wieder nicht gespart wird, wo es notwendig wäre, sondern dort, wo es zum Schaden der Bevölkerung gereicht.
Wir haben natürlich nicht nur die Forderung nach Tarifregulierung und Herabsetzung, beziehungsweise. Beseitigung der Umsatzsteuer und Kohlenabgabe gestellt, nicht nur die Forderung gestellt nach entsprechenden Investitionen, um Arbeitsgelegenheit zu schaffen, wir mußten selbstverständlich auch dafür eintreten, daß in diesem Staate eine vernünftige Zollpolitik durchgeführt werde. Sie haben aus den Ziffern, die ich Ihnen vorgelesen habe, ersehen, daß man im heurigen Jahre mit einer Mehreinnahme an Zöllen um rund 150 Millionen rechnet. Wir wissen aber, daß wir außer diesen Erhöhungen der Zölle, die im Voranschlage zum Ausdruck kommen, noch mit Forderungen, die von einem Teil der Majoritätsparteien aufgestellt werden, zu rechnen haben, mit der Forderung nach Einführung der Agrarzölle. Wir wissen nicht, wie sich die Koalitionsregierung zu dieser Frage stellt. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit meine warnende Stimme erheben und mit aller Entschiedenheit gegen ein solches Beginnen Stellung nehmen.
Wenn wir schon von Zöllen reden, möchte ich auch einige Worte zu den Gebühren sprechen. Unsere Ausfuhr wird durch die Manipulation selbst bei der Ausfuhr kolossal erschwert. Sie wird aber auch erschwert durch Manipulationsgebühren, welche bei Artikeln, an deren Ausfuhr wir interessiert sind, eingehoben werden. Ich werde ihnen das auch an einem Beispiel des Voranschlages zeigen. Unter den Einnahmeposten des Ministeriums für öffentliche Arbeiten befindet sich eine Post von 30 Millionen Kronen, deren Streichung wir verlangt haben. Diese Einnahmepost soll aus den Gebühren erzielt werden, welche für ausgeführte Kohlen eingehoben werden. Die Halden türmen sich, wir sind nicht imstande, die Kohle, die produziert wird, abzusetzen, sind gezwungen Absatzgebiete für diese Kohle zu suchen, sie ins Ausland auszu führen: Die Ausfuhr ist aber dadurch er schwert, daß unsere Kohle im Ausland zu teuer ist, weil man sie dort nicht kaufen will und kann, da man sie anderwärts bil liger bekommt. Zu der Zeit nun, wo wir an der Ausfuhr der Kohle interessiert sind, wo es gilt, für die Bergarbeiter Arbeits möglichkeit zu schaffen, wo es notwendig wäre, durch Herabsetzung der Frachten eine Ausfuhrmöglichkeit zu schaffen, zur selben Zeit finden wir im Voranschlage die Einnahmepost von 30 Millionen Kronen, welche nichts anderes sind, als Gebühren, welche bei der Ausfuhr zu entrichten sind. Sie sehen also auch hier wieder eine be deutende Schädigung eines großen Teiles der Arbeiterschaft und es ist bezeichnend, daß unser Antrag auf Streichung dieser Post von der Mehrheit des Budgetausschus ses glatt abgelehnt worden ist.
Der Herr Finanzminister und auch der Herr Berichterstatter haben sich ungeheuer viel auf das Kapitel Landesverteidi gung eingebildet und festgestellt, daß wir da gegenüber dem Vorjahre Ersparnisse von 381 Millionen Kronen machen. Sie ha ben auch festzustellen versucht, daß diese Ersparnisse hauptsächlich im Sachaufwand durch den Preisabbau herbeigeführt werden.
Wenn wir aber aus dem Voranschlag des Herrn Landesverteidigungsministers oder besser gesagt, des Landesverteidigungs ministeriums einzelne Posten herausgrei fen, gerade aus dem Sachaufwand, so fin den wir, daß lustig weitergerüstet wird. Wir finden, daß z. B. für die Post "Kanzlei bedarf" im vorigen Jahre 25 Millionen, heuer 31 Millionen eingestellt wurden. Ich frage: wo ist da der Preisabbau? Oder Be quartierung: voriges Jahr 34 Millionen, heuer rund 44 Millionen, Pferdeankauf: voriges Jahr 39 Millionen, heuer 53 Millio nen rund, Sanitätswesen - dagegen hätte ich weniger einzuwenden - eine Steige rung von 22 auf 30 Millionen, Luftschifffahrt: voriges Jahr 105 Millionen, heuer 130 Millionen, Eisenbahnwesen - das ist aber nicht das Eisenbahnwesen, das dem Verkehr der Bevölkerung dient - eine Steigerung von 8 auf 18 Millionen, Auto mobilwesen: eine Steigerung von 151 auf 254 Millionen Kronen. Und wenn man vom Automobilwesen spricht, so wäre es wohl auch notwendig, einige Worte von dem Automobilunwesen in diesem Staate zu verlieren. Es hat sich die Ersparungs kommission mit dem Automobilwesen in einigen ihrer Sitzungen beschäftigt (Posl. Taub: Ausschließlich!), ausschließlich beschäftigt. Ich möchte bei dieser Gelegen heit auch feststellen, daß der Finanzminister der Ersparniskommission hervor ragendes Lob ausgesprochen und gezollt hat.
Wir haben allerdings vergebens im Aus schuß die Anfrage gestellt, wofür der Er sparniskommission dieses Lob gezollt wurde, denn wir haben von den Er folgen ihrer Beratungen in Wirklichkeit nicht allzuviel konstatieren können. Im Gegenteil, wir haben bei den Beratungen im Finanzausschuß festzustellen Gelegen heit gehabt, daß man sich über die Anregungen der Ersparniskommission hinweg gesetzt hat; es hat die Ersparniskommission nicht nur gegen das Automobilunwesen Stellung genommen, sondern auch gegen einen durch das Bodenamt beabsich tigten Ankauf eines Hauses. Es ist der Er sparniskommission der Preis, welcher für dieses Objekt gefordert wurde unverhältnismäßig hoch vorgekommen (Posl. Taub: Nachgewiesen ist es worden!) sogar, wie jetzt ebenvon einemMitglied der Ersparnis kommission festgestellt wird, nachgewiesen worden, das der Ankaufspreis unverhält nismäßig hoch ist. Obwohl die Ersparnis kommission nun gegen den Ankauf ein stimmig Stellung genommen hat, wurde dieses Haus vom Bodenamt angekauft, welches dem Ministerratspräsidium oder dem Ministerpräsidenten direkt unter stellt ist. Ich frage Sie, mit welcher Berech tigung kann der Finanzminister der Ersparniskommission - wohl kann er ihr ein Lob aussprechen dafür, daß sie etwas Schlechtes verhindern wollte - aber mit welcher Berechtigung kann der Finanzmi nister diese Ersparniskommission so her ausstreichen, wenn sie überhaupt seit Mo naten keine Sitzungen mehr hatte, nicht einberufen wurde (Posl. Taub: Der Grund ist uns ja bekannt, weil Rašín und Kramáø einer Partei angehören!) und sich mit all den schwebenden wichtigen Angelegenheiten, nicht zu beschäftigen in die Lage kam? Daß Rašín seinen Busenfreund Kramáø angestrudelt hat, ist eine Sache für sich, aber wir können nur nicht begreifen, daß dieses Lob auch gerechtfertigt ist, daß die Tribune des Parlament zu diesem Zweck mißbraucht wurde. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Und nun weiter. Wir finden in der Post "Landesverteidigung": "Artilleriewesen": eine Erhöhung von 28 auf 34 Millionen, "Explosivstoffe": eine Steigerung von 33 auf 44 Millionen, "militärische Übungen": eine Steigerung von 40 auf 52 Millionen. Wenn wir uns so diese einzelnen Posten aus dem Kapitel Landesverteidigungsministerium herausgreifen, frage ich Sie: Wo sind die Ersparungen auf Grund des Preisabbaues? Nun möchte ich bei der Gelegenheit gleich feststellen, daß auch der Herr Landesverteidigungsminister zu den Gegensätzen in der Auffassung im Ausschusse Stellung genommen hat. Ich möchte vorausschicken, daß von allen Berichterstattern, Rednern der Majorität und auch den Ministern anerkannt wurde, daß die Redner der Opposition im Ausschusse sich bemühten, sachlich Kritik zu üben und wirklich mitzuarbeiten an der Beratung des Voranschlages. Nur der Landesverteidigungsminister machte eine Ausnahme, der in ziemlich grober Weise gegen die polemisierte, die es wagten, an dem Kapitel "Landesverteidigung" Kritik zu üben. Ich meine schon, daß der Landesverteidigungsminister, der nicht aus dem Kreise der Berufsmilitärs hervorgegangen ist, sondern aus den Kreisen eines Standes, der durch den Militarismus und seine Kosten arg in Mitleidenschaft gezogen wird, nämlich dem Bauernstand, die allermindeste Ursache hätte, sich auf das hohe Roß zu setzen, sondern daß er im Gegenteil alle Ursache hätte, insbesondere er, der im alten Österreich eine andere Haltung zur Frage des Militarismus einnahm, diese Frage von einem ganz anderen Gesichtspunkt zu beurteilen. Ich wiederhole es: die beste Gewähr für die Sicherheit des Staates sehen wir nicht in Militarismus, Gendarmerie und Polizei, sondern darin, wenn sich die Verwaltung des Staates bemüht, alles zu unternehmen und nichts zu unterlassen, was notwendig ist im Interesse des Wohlbefindens der Bevölkerung. Wenn die Bevölkerung sich wohl befindet im Staate, dann wird sie weder Gendarmerie noch Polizei brauchen, - da meine ich die politische Polizei - noch wird sie den Militarismus gegen den sogenannten inneren Feind, wie Sie es immer sagen, Ibenötigen, Wir wissen schon andere Mittel und Wege, um herbeizuführen, daß die Bevölkerung zufrieden sei und ihr die Kosten des Militarismus erspart werden können. Wir, die wir gegenüber dem Militarismus im alten Österreich und allüberall einen ablehnenden Standpunkt eingenommen haben, nehmen uns auch in der Èechoslovakei das Recht, mit aller Entschiedenheit gegen den Militarismus aufzutreten und verlangen, daß die Kosten desselben, die die Bevölkerung so bedrücken, herabgemindert werden. Es handelt sich dabei nicht nur um die Kosten, sondern auch um eine prinzipielle Frage, um den Gegensatz zwischen uns und Ihnen. Sie blasen jetzt in dieselbe Schalmei, die sie in Österreich von den Blutshetzern gehört haben: "Rüsten, stehendes Heer sind die beste Gewähr für die Aufrechterhaltung des Friedens". Wir waren und sind auch heute anderer Ansicht. Und die ist, daß gerade das Rüsten und daß gerade die stehenden Heere eine Gefährdung des Friedens bedeuten. Also nicht nur, weil es gilt am richtigen Orte zu sparen, sondern weil es auch gilt, den Frieden zu erhalten: Hinweg mit dem Militarismus!
Wenn wir schon vom Sparen sprechen, können wir nicht umhin, schon in der Generaldebatte auf eine äußerst auffällige Post in dem Voranschlage hinzuweisen. Sparen! Und plötzlich finden wir im Kapitel "Ministerratspräsidium" unter den Ausgaben für den Ministerpräsidenten eine Post, mit der Sie in den Voranschlägen bisher nicht gekommen sind, nämlich den Dispositionsfond. Den "Reptilienfond" haben wir diesen Fond schon im alten Österreich bezeichnet und mit aller Schärfe und Entschiedenheit gegen solche Fonds Stellung genommen. Sie schämen sich auch des Namens, - ich weiß nicht wie er im Bericht des Budgetausschusses heißt ich habe den Bericht des Budgetausschusses noch nicht angeschaut. (Posl. Taub: Er ist umbenannt worden!) Aber Sie haben im Budgetausschuß selbst der Meinung Ausdruck gegeben, daß "Dispositionsfond" nicht die richtige Bezeichnung sei, nicht weil die Bezeichnung die Sache nicht trifft, sondern weil Sie sich schämen, offen zuzugeben, daß es wieder nichts anderes als der Reptilienfond ist, haben Sie die Umbenennung dieses Dispositionsfondes vorgenommen, aber den Betrag unverändert gelassen; nicht weniger als 8 Millionen Kronen sind es, die als Dispositionsfond zur freien Verfügung des Ministerpräsidenten gestellt werden. Im alten Österreich waren diese Beträge, die wir, und nicht nur wir, sondern Sie mit uns, mit aller Entschiedenheit bekämpft haben, bedeutend geringer, als der Betrag, der jetzt eingestellt wurde. Auf der einen Seite: Ausgaben mit vollen Händen für den Militarismus, für den Dispositionsfond, auf der anderen Seite Drosselungen. Unser Redner in der politischen Debatte Dr. Czech hat schon darauf verwiesen, welcher Umschwung in der Zeit von Tusar bis Švehla eingetreten ist. Er hat insbesondere die Frage der Sozialisierung in seine Erörterung einbezogen. Ich möchte nun aufGrund des Voranschlages oder einiger seiner Ziffern zeigen, welcher Umschwung seit 1920 und 1921 eingetreten ist. Wir finden im Voranschlag für 1923 bei Kapitel 1 "Präsident der Republik" einen Mehraufwand von 2 Millionen K gegenüber 1920, bei "Kanzlei des Präsidenten" von 5 Millionen, "Nationalversammlung" von 18 Millionen. Wir finden bei der Staatsschuld einen Mehraufwand von 1.632,000.000 Kronen. Wir wissen, daß es sich nicht nur um Schulden handelt, die von 1920 bis 1923 gemacht wurden, welche zur Vergrößerung der Post führten, sondern daß es sich auch um Schulden handelt, die gemacht wurden, bevor noch der èechoslovakische Staat bestanden hat. Wir finden weiter ganz interessante Posten ich kann nicht alle nennen, - beim Ministerium für La desverteidigung, wo gleichfalls eine ganz bedeutende Steigerung zu verzeichnen ist. Bei dem Ministerium für Nationalverteidigung wird ein Betrag von 410 Millionen Kronen mehr erfordert gegenüber dem Jahre 1920. Im Jahre 1920 betrug das Erfordernis für das Ministerium für Nationalverteidigung 2.364,000.000, für 1913 2.775,000.000, also um 410 Millionen Kronen mehr. Beim Landwirtschaftsministerium sehen wir auch eine Steigerung um 612 Millionen.
Sehen wir uns nun einmal die Ministerien an, die uns etwas mehr interessieren, als die erwähnten. Da finden wir, daß beim Ministerium für soziale Fürsorge keine solche Steigerung aufzuweisen ist. Für dieses Ministerium wurden im Jahre 1920 988, für 1923 nur mehr 735 Millionen angefordert, also hier kein Plus, sondern ein Minus von 252 Millionen gegenüber 1920. Wenn wir uns nun diese Posten ansehen, kommen wir darauf, daß wir alle Ursache haben, gegen dieses Sparsystem, das von Seite des Herrn Rašín und seiner Parteien entwickelt wird, Stellung zu nehmen. Es ist selbstverständlich, daß wir mit einer solchen Sparerei nicht einverstanden sein können, im Gegenteil alle Ursache haben, gegen ein solches Sparsystem Stellung zu nehmen. Ähnlich verhält es sich beim Kapitel "Gesundheitsministerium", nicht anders beim Kapitel "Ministerium für öffentliche Arbeiten". Es werden unsere Redner in der Spezialdebatte die Möglichkeit haben und von ihr auch Gebrauch machen, unsere Beschwerden zu diesen Kapiteln eingehend zum Ausdruck zu bringen.
Ich möchte nun in großen Umrissen sagen, welch großes Interesse wir zum Beispiel an der Inangriffnahme von öffentlichen Arbeiten haben und verlangen, daß dieses Ministerium höher dotiert wird, damit entsprechende Arbeiten, nicht nur Investitionsbauten, durchgeführt werden können. Wenn ich schon vom Ministerium für öffentliche Arbeiten spreche, möchte ich nicht die Gelegenheit vorübergehen lassen, festzustellen, daß wir es als argen Mangel empfinden, daß bis heute der Wirkungskreis der einzelnen Ministerien noch nicht auf gesetzgeberischem Wege geregelt ist. Es wäre gerade bei der Besprechung des Kapitels "Ministerium für öffentliche Arbeiten" notwendig, hervorzuheben, daß eine solche amtliche Regelung des Wirkungskreises eine unbedingte Notwendigkeit ist, daß dem Ministerium für öffentliche Arbeiten der entsprechende Aufgabenkreis zugewendet wird, daß nicht von einem beliebigen Ministerium irgendwelche Arbeiten in eigener Regie, ohne daß das Ministerium für öffentliche Arbeiten befragt oder ein Gutachten eingeholt wurde, in Angriff genommen werden.
Ich verweise darauf, daß wir bei Beratung des Voranschlages Gelegenheit hatten, zu hören und festzustellen, daß kolossale Beträge zur Adaptierung der Burg ausgegeben werden. Wir haben die Anfrage gestellt, ob das produktive Ausgaben sind, ob nicht in der Zeit der gegenwärtigen Not von einem solchen Aufwand Abstand genommen und diese Beträge zur Herstellung nützlicherer, notwendigerer Bauten verwendet werden könnten. Wir leiden kolossal unter der Wohnungsnot. Wir haben das Baugesetz und wissen, daß durch dieses Bauförderungsgesetz richtige Erfolge nicht erzielt wurden. Der Herr Berichterstatter Dr. Srdínko und andre Herren haben den Versuch unternommen, die Schuld, daß nicht mehr getan wird, darauf zu wälzen, daß die Losanleihe nicht den entsprechenden Erfolg zeitigte, daß man nicht die Milliarde, die man erhofft hat, eingenommen hat, sondern kaum ein halbes Hundert Millionen, ich glaube gegen 50 Millionen Kronen. Sie wundern sich, daß dem so ist? Wundern Sie sich, daß das Vertrauen der Bürger des Staates zur Finanzgebarung des Staates so gesunken ist, so herabgedrückt wurde? Er wäre ganz interessant, zu vernehmen, ob die Losanleihe nur in deutschen Gebieten und deutschen Kreisen versagt hat, wie Sie es uns einzureden suchen. Ich glaube, daß auch die èechischen Kreise nicht allzuviel für diese Losanleihe gezeichnet haben. (Posl. Taub: Im ganzen 58 Millionen!) Ich weiß, im ganzen 58 Millionen. Ich habe das festgestellt, aber ich meine, daß nicht eine Sabotage der deutschen Bevölkerung einsetzte, sondern daß es am Vertrauen der Gesamtbevölkerung fehlt. Und an diesem Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber allen Anleihen trägt sehr viel schuld der heutige Finanzminister Dr. Rašín. Wir haben uns nie der Hoffnung hingegeben, daß es möglich sein wird, durch eine Anleihe jene Beträge zu verschaffen, die zur Belebung der Bautätigkeit notwendig sind, die eine Linderung der Wohnungsnot her beizuführen geeignet wären. Wir haben uns auch nie der Hoffnung hingegeben, daß die Staatsgarantie genügen werde, eine entsprechende Belebung der Bautätigkeit herbeizuführen, und wir haben uns überzeugt, daß dem so ist. Es fehlt an den Mitteln und da wäre es notwendig, durch Staatshilfe jene Mittel zu schaffen, die zum Wohnungsbau erforderlich sind, wäre es notwendig, auf anderer Seite zu sparen, um für Bauzwecke die nötigen Mittel auf bringen zu können.
Von den Investitionen habe ich
schon gesprochen. Ich möchte noch einige Worte zu den Notstandsbauten
verlieren. Von der Bevölkerung wird ungeheuer viel gefordert,
um die Notstandsbauten durchzuführen. Die Gemeinden, die Bezirke
wenden sich an die Ministerien, verlangen die Herrichtung, die
Erbauung von Straßen, fordern die Regulierung von Flüssen und
Bächen, verlangen, daß Arbeitsgelegenheit geschaffen werde, damit
die Arbeitslosigkeit gebannt oder wenigstens gemildert werden
könnte. Wir brauchen nicht wiederholt zu versichern, daß wir nicht
in erster Linie für die Arbeitslosenunterstützung, sondern für
die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten sind und da fehlt die Bedeckung,
da fehlen die Posten, die im Voranschlag einzustellen eine unbedingte
Notwendigkeit gewesen wäre. Die Gemeinden, die Bezirke haben nicht
die Mittel und es genügt nicht, wenn man die Arbeitslosenunterstützung
zu diesem Zwecke zur Verfügung stellt, sondern es ist wohl notwendig,
einen höheren Aufwand zu leisten, als es der Fall gewesen ist.
Und wenn ich auch schon bei der Arbeitslosenunterstützung bin,
möchte ich auch, ohne meinem Kollegen, der zum Kapitel "soziale
Fürsorge" sprechen wird, vorzugreifen, feststellen, daß wir
im Budgetausschuß auf Grund der Erfahrungen, die wir heuer gemacht
haben, uns bemüßigt sahen, einen Antrag auf Erhöhung des Betrages,
der zur Deckung der Post "Arbeitslosenunterstützung"
in den Voranschlag eingestellt wurde, zu stellen. Sie wissen,
daß wir im Vorjahre in den Voranschlag eine Post von 75 Millionen
Kronen eingestellt hatten, daß diese Post nicht ausreichend war
und der Herr Minister mit einem Nachtragskredit von 100 Milionen
Kronen kommen mußte. Der Herr Finanzminister hat, wie ich bereits
vorhin erwähnte, zugeben müssen, daß die Krise noch von einer
ziemlich langen Dauer sein werde. Wir fürchten, daß die Krise
einen noch weit größeren Umfang, als sie schon hat, annehmen wird
und daß es ausgeschlossen ist, mit dem Betrage, den wir heuer
zur Verfügung haben, im nächsten Jahre das Auslangen zu finden.
Wir haben die Erhöhung der Post von 75 auf 150 Millionen gefordert.
Dieser Antrag wurde abgelehnt. Ein èechischer Parteigenosse, Kollege
Kasík, erklärte zur Begründung der Ablehnung dieses Antrages,
daß die Regierung ohnehin in der nächsten Zeit mit einem neuen
Entwurf zur Regelung der Arbeitslosenunterstützung - das Gesetz
läuft ja, wie wir wissen, mit dem 31. Dezember dieses Jahres abkommen
müsse und daß es nicht notwendig sei, dieser Regierungsvorlage
vorzugreifen. Es wurde nicht nur dieser Antrag auf Erhöhung der
Post auf 150 Millionen abgelehnt, es wurden alle Anträge abgelehnt,
die im Budgetausschuß von uns gestellt wurden und die von unseren
Kollegen in der Spezialdebatte noch werden besprochen werden,
die darauf abzielten, eine Änderung, beziehungsweise Erhöhung
oder Streichung einzelner Posten des Budgets herbeizuführen. Sie
wurden mit der Begründung abgelehnt, daß es nicht angeht, solche
Anträge anzunehmen, für welche ke ne Bedeckung vorhanden sei.
Wenn man die Einstellung einer Post fordere, müsse man auch für
die Bedeckung sorgen. Wenn man die Streichung einer Post fordere,
durch die die Einnahmen des Staates verringert werden, müsse gleichfalls
für Bedeckung des Ausfalles Vorsorge getroffen werden. Aber dieselben
Herren, die den Standpunkt vertreten, daß eine Änderung aus den
angeführten Gründen nicht zulässig sei, kamen selbst mit einer
Änderung und es wurde einmütig von der Majorität des Budgetausschusses
ein Antrag beschlossen, daß für Kultusausgaben der Betrag, der
im Voranschlag eingestellt ist, um 9 Millionen Kronen zu erhöhen
sei. Und selbst die Herren, die auf dem Standpunkt einer Trennung
der Kirche vom Staat, einer Trennung der Kirche von der Schule
stehen, stimmten für diesen Antrag des Berichterstatters und bemäntelten
ihre Haltung damit, daß sie wohl für die Tren nung der Kirche
von der Schule, der Kirche vom Staat seien, daß aber, solange
diese Trennung nicht durchgeführt sei, man den Katecheten zahlen
müsse, ob er nun dieser oder jener Konfession angehöre, und zu
diesem Zwecke sei es notwendig, diese 9 Millionen Mehrerfordernis
einzustellen. Da hatte man die Bedeckung! Man hatte sie aber nicht,
als es sich darum handelte, das für die Arbeiterklasse Notwendige
herbeizuführen. Und wenn Sie nun diese, Sie werden wohl zugeben,
sachliche, von unserem Gesichtspunkt aus notwendige Kritik des
Voranschlages berücksichtigen, werden Sie es begreiflich finden,
daß wir, wenn wir auch sonst gar keine Ursache hätten, wenn nicht
auch zu gleicher Zeit die Vertrauensfrage damit erledigt würde,
wir schon aus rein sachlichen Gründen und Motiven alle Ursache
hätten, in der schärfsten Weise gegen diesen Voranschlag Stellung
zu nehmen. Nun aber haben wir nicht nur diese sachlichen Motive
zur Ablehnung des Voranschlages, sondern wir haben bei der politischen
Debatte durch unsere Redner schon unsere Stellung zur Regierung
präzisiert und gezeigt, daß wir wenig Ursache haben, mit den Verhältnissen
im Staate selbst zufrieden zu sein, daß wir wenig Ursache haben,
irgend jemanden von der Majorität Vertrauen zu votieren. Wir haben
Forderungen nach mancher Richtung hin erhoben. Ich habe schon
vorhin von dem Versuch, einen Ausgleich zu schaffen, beziehungsweise
eine Verständigung herbeizuführen, gesprochen. Wir haben keine
entsprechenden Vertretungen in mancher Körperschaft, die für uns
von äußerster Wichtigkeit ist. Nicht nur in der gesetzgebenden
Körperschaft, in der Nationalversammlung, werden für uns wichtige
Beschlüsse gefaßt, wir haben neben dieser Körperschaft auch noch
andere Körperschaften, in welchen wir aber bisher keine Vertretung
haben. Sie haben ein allgemeines Wahlrecht geschaffen, auch für
die Gemeinden; wir haben in den Gemein den unseren Einfluß. Wir
haben aber den Einfluß nicht mehr in den angeblich autonomen Körperschaften,
welche über die Gemeinden gesetzt sind. Wir haben nicht den entsprechenden
Einfluß in den Be zirksvertretungen, wir haben nicht den entsprechenden
Einfluß auf die Verwal tung durch die bestehenden Landesvertre
tungen. Wir haben eigentlich keine gewählten Vertretungen mehr.
Es wird uns zwar immer eingeredet, daß in Mähren noch eine gewählte
Landesvertretung sitze. Aber es ist nicht der Fall, ihre Mandats
dauer ist längst abgelaufen und wider rechtlich sitzen einzelne
Herren noch dort als gewählte Vertreter. Sie wurden ergänzt durch
ernannte Vertreter. Es ist ungeheuerlich, daß in der für uns so
wichtigen autonomen Landesverwaltung in Mähren bisher kein deutscher
Sozialdemokrat Sitz und Stimme hat. Wir haben diese Forderung
wiederholt in diesem Hause erhoben. Es wurde ein Resolutionsantrag
in diesem Sinne im Hause selbst angenommen. Wir haben dieser Forderung
Ausdruck ver liehen in einer Aussprache gegenüber Ver tretern
der Mehrheit, gegenüber Mini stern, und wir haben wiederholt von
Ministern das Wort bekommen, daß unserem anerkannt gerechten Verlangen
nach einer Vertretung in der Landesverwaltung ent sprochen werden
wird. Bis heute vermissen wir diese Vertretung, bis heute haben
wir noch keine Vertreter in der für uns wichtigen Körperschaft
sitzen. Bei jeder Budgetdebatte, bei jeder Beratung des Voranschlages
des Bodenamtes haben wir die Forderung erhoben nach einer ent
sprechenden Vertretung im Bodenamt, vergebens. Sie haben unsere
Forderungen, unser Recht mißachtet. Sie sehen also, daß wir, abgesehen
von sachlichen Gründen, welche uns zur Ablehnung des Voranschlages
bewegen, auch prin zipielle Gründe genug haben und es ist selbstverständlich,
daß wir nicht an ders können als unser Mißtrauen einerseits und
unsere Unzufriedenheit anderer seits zum Ausdruck zu bringen durch
Ablehnung dieses Voranschlages. (Potlesk na levici.)