Ètvrtek 16. listopadu 1922

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 168. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 16. listopadu 1922.

1. Øeè posl. dr. W. Feierfeila (viz str. 473 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Man kann es wirklich nicht leugnen, daß in dieser Republik, die sich so gerne mit dem ehrenden Wort "höhere Schweiz" nennen hört, sehr zahlreich und sehr arbeitsam regiert wird. Sehr zahlreich . . . . . diese Ministersessel, wenn sie auch meistens leer sind, stehen so dicht beisammen, daß absolut kein neuer mehr in der Reihe Platz hätte; und sehr arbeitsam . . . . . Die Herren werden sich ebenso wie ich erinnern an eine Notiz, die unlängst durch die Blätter ging, daß zum Beispiel das Unterrichtsministerium der höheren Schweiz im Jahre 1921 dreimal soviel Akten erledigt hat, als das Unterrichtsministerium des alten Österreich. Wenn es also auf das Regiertwerden ankäme, so müßte wirklich die Èechoslovakei das sein, was sie seinerzeit von einem Herrn aus der Regierung genannt worden ist, eine Insel der Seligen. Das aber isist sie ganz gewiß nicht, oder wenigstens nicht mit allgemeiner Zustimmung. Sehen Sie, nur ein Beispiel möchte ich anführen: Unlängst ging durch die Blätter die Nachricht, es seien seit der Aufrichtung dieser Republik 70.000 Slovaken aus ihrer Heimat nach Amerika ausgewandert. Welch eine Unsumme von Elend in weitesten Kreisen setzt das voraus! Abgesehen von dem rein menschlichen Fühlen, das man einer Auswandererfamilie entgegenbringt, sollte man doch meinen, daß diejenigen, die auf diesen Staat eingeschworen sind, die in ihm ihr Ideal oder vielleicht sogar ihr Idol finden, wenigstens doch über diese Erscheinung nachdenken müssen, wenn Tausende die Republik verlassen und gerade aus solchen Kreisen, die ja ganz bestimmt keine hohen Anforderungen an das Leben stellen, wenn die das Land, das doch schließlich das Land ihrer Väter ihr Vaterland ist, verlassen und lieber das ungewisse Los der Auswanderung wählen, als daß sie in der Heimat bleiben. Meine Herren! Das gibt ungeheuer zu denken. Die Insel der Seligen ist das nicht.

Ein zweites Moment: Wir stehen - oder wenigstens ich stehe - noch unter dem Eindruck der Abstimmung von vorgestern. Wir wissen ja, die Anschauungen aus den Kreisen der Opposition in diesem Hause gehen ja weit auseinander. Aber wie verbittert und wie entrechtet müssen sich diese Kreise der Opposition fühlen und wie verbittert und entrechtet müssen sich die Massen des Volkes, die durch diese Opposition hier vertr ten sind, fühlen, wenn sich die gesamte Opposition unter Hintansetzung aller Unterschiede zu diesem gemeinsamen Antrage zusammengefunden hat. Das ist nicht eine Erscheinung, wie sie auf der Insel der Seligen vorkommt. Gewiß hat niemand, ich auch nicht, von vornherein etwa ein anderes Schicksal dieses Antrages erwartet, als es eingetreten ist. Aber der Ausgang der Abstimmung über diesen Antrag ist doch nach meiner Meinung nach zwei Seiten hin nicht ohne Bedeutung.

Einmaal: Es ist ja richtig, daß auch die Majoritätsparteien in ihren Anschauungen so weit auseinandergehen, daß manche meinen, sie hätten eigentlich unter dem ge meinsamen Hut nicht Platz. Aber die Ma joritätsparteien werden durch ein binden des Moment zusammengehalten, das unter allen Umständen wirksam ist. Es braucht nur, von weiter Ferne vielleicht, ein kleiner Schatten aufzutauchen, der ein Zeichen da für sein könnte, daß auch die anderen noch mitreden wollen - sofort ist das Haus der Majorität geschlossen, sofort sind sie wieder dicke Freunde. Das war so und wird wohl so bleiben. Das zweite Moment ist folgendes: Diejenigen, welche trotz aller Erfahrungen, die wir in den 4 Jahren ge macht haben, unbelehrbar geblieben sind, in dem Gedanken, daß bessere Verhältnisse eintreten würden, daß die Majorität gegen über der Minorität zu einer besseren Ein sicht kommen werde und dgl., haben jetzt wirklich eine neue Belehrung erhalten und es wäre mir ganz unbegreiflich, wenn sie auch durch diese neue Erfahrung nicht endlich belehrt würden. Es fällt mir nicht im mindesten ein, irgendeiner Oppositions partei nahezutreten, aber als ich nlängst den Führer der deutschen Sozialdemokra ten, den verehrten Herrn Dr. Czech reden hörte, der mit eindringlichen Worten ausführte, wie oft schon von Seite der deutschen Sozialdemokraten den èechischen Gesinnungsgenossen die Hand hinge streckt wurde und daß die deutschen Sozialdemokraten auch diesmal noch die Hand bieten, da habe ich an die immer wieder erfolgende Abweisung gedacht. Und am Tage darauf hat der Führer der èechischen Sozialdemokraten gesprochen und die dargebotene Hand neuerlich zurückgewiesen.

Jetzt ist durch die Ablehnung der fraglichen Antrages diese Zurückstoßung noch einmal deutlich unterstrichen worden. Wenn ich das so besonders hervorhebe, so tue ich es deshalb, weil ich mir denke, es wäre doch wohl ein Schritt zu einer sehr bedeutungsvollen Sache für die Oppositionsparteien, insbesondere soweit sie deutsch sind, wenn es möglich wäre, eben so wie die Majoritätsparteien unter allen Umständen so dick zusammenhalten, auch für die Opposition wenigstens für die Belange unseres Volkes eine Stelle zu schaffen, welche die Vertreter aller deutschen oppositionellenKreise mitumfassen würde; ja, eine solche Stelle für die Minoritätenvölker der Republik überhaupt zu schaffen, und daß von dieser Stelle aus für das Inland und für das Ausland der Kampf um die Rechte der Minoritäten geführt wird, um die Rechte jener Völker, über welche einfach hinweggegangen wird, obzwar sie in ihrer Gesamtheit fast so stark sind, wie die Majorität. Wenn dieser gemeinsame Antrag der Opposition der erste Versuch hiezu gewesen wäre, dann wäre das, meiner Meinung nach, ein Ereignis, welches in der leidensvollen Geschichte der Oppositionsparteien seit dem Bestande dieser Republik oder seitdem dieses Haus versammelt ist, jedenfalls das bedeutungsvollste wäre.

Im übrigen habe ich im Namen meiner engeren Parteifreunde zu erklären, daß wir selbstverständlich diesen Staatsvoranschlag vollständig ablehnen, weil wir kein Vertrauen zu der Regierung haben. Es ist keine solche Änderung eingetreten oder auch nur angedeutet worden, welche uns veranlassen müßte, unsere bisherige Hal tung in unserem Verhältnisse zu den bisherigen Regierungen und namentlich auch zur Bewilligung oder Nichtbewilligung des Staatsvoranschlages zu ändern. Es hat sich gar nichts im Wesen der Regierung oder der Majoritätsparteien geändert, denn ob diese Parteien von 5 Männern, von der be rühmten Pìtka, geleitet und geführt wer den oder von 10 Männern, wie in den Zei tungen berichtet wird, ist wohl ganz be deutungslos und belanglos. Und ebenso ist es mit der Regierung. Ob die Regierung unter dem Namen Èerný oder Beneš oder unter dem Namen des jetzigen Herrn Ministerpräsidenten geführt wird, das wird an dem System gar nichts ändern und außerdem wissen wir es alle und es hat der Herr Ministerpräsident es in seiner An trittsrede ja auch noch deutlich unter strichen, daß die Leitgedanken dieselben bleiben werden. Wir dürfen uns nicht täu schen, worum es geht. Es geht ums Ganze. Solange dieser Staat auf seinem Irrtum beharrt, daß die Friedensverträge, welche diesen Staat im gewissen Sinne sanktioniert haben, und die wieder auf der ausgemachten Schuld des deutschen Volkes an dem Kriege beruhen, unveränderlich sind, solange in diesem Staat über die Friedensverträge diese Ansicht herrscht, solange er in dem rundirrtum verharrt, der Staat sei so etwas wie ein Nationalstaat und kein Nationalitätenstaat und daß er darum in dem Sinne eines einheitlichen Nationalstaates ausgebildet werden muß, solange ihnen offen und deutlich als nächstes Ziel die Durchsetzung der deutschen Gebiete von Böhmen, oder, wie man sich ausdrückt, der verdeutschten Gebiete, und deren Vernichtung vorschwebt, solange, meine Herren, ist unsere Stellung gegeben. (Sehr richtig!) Es mag ja sein, daß der Regierung an unserem Urteil blutwenig liegt, aber es ist einmal so, wenn sie uns vielleicht auch etwas verächtlich belächelt und denkt: "Wir brauchen Euch nicht" wir haben eben kein anderes Mittel, als daß wir unsere Meinung hier aussprechen. (Posl. Kostka: Sie brauchen uns schon, aber zum zahlen!) Dazu brauchen sie uns bestimmt, da reden Sie auch immer deutsch, die Einladungen zu den Zeichnungen der Anleihen sind nicht bloß èechisch. Nun, meine hochverehrten Herren, wir müssen hervorheben, daß die ganze reiche Gesetzgebung in diesem Staate diesen Grundgedanken deutlich erkennen läßt, die einschneidendsten Gesetze zielen auf das von mir angegebene Endziel deutlich hin, und selbst unschuldig klingende Gesetze haben im Hintergrunde mehr oder weniger dieses Endziel. Man wäre versucht, das hier ausführlich zu behandeln, ich will es aber nicht tun und möchte nur ganz kurz auf einige Beispiele hinweisen. Die Gesetzgebung über die Bodenreform hat keinen anderen Zweck als das deutsche Gebiet zu durchsetzen und womöglich zu vernichten. Die verschiedenen Verstaatlichungen, die wir erlebt haben und die noch kommen werden, haben, man mag sonst Gott weiß, was für Gründe vorschieben, ausschließlich nur diesen Zweck. Unlängst war in einer èechischen Zeitung das ist jedenfalls unverdächtig und das möchte ich besonders betonen, - von der kommenden Verstaatlichung des Egerer Bahnhofs die Rede und da ist so schön ausgeführt, was diese Verstaatlichungsaktion für einen Zweck hat; das muß man ei nmal hervorheben und unterstreichen, und man erkennt aus diesem besonderem Falle, was eine solche Verstaatlichungsaktion überhaupt bezweckt. Dieses Blatt sagt: "Es ist ewig schade, daß wie diesen Grenzbahnhof nicht gleich nach dem Umsturz übernommen haben, aber jetzt muß er übernommen werden. Wenn er übernommen wird, so wird die Folge die sein, daß die deutsche Reichsbahnverwaltung ihre 1800 Angestellten zurückziehen muß. Dadurch werden ebensoviel Stellen für unsere Leute frei." Das Blatt fährt dann fort: "Unter diese 1800 Angestellten werden und müssen mindestens 1500 Verheiratete mit Familie sein." (Výkøiky na levici.) "Daraus folgt", sagt das Blatt weiter, "daß die bis jetzt in Eger bestehende zweiklassige Volkschule sofort in eine fünfklassige Knaben- und Mädchenvolksschule umgewandelt werden muß, es muß eine Knaben- und Mädchenbürgerschule kommen und im nächsten Jahr eine èechische Mittelschule. Und mit dem Heer unserer Beamten werden sich dort èechische Gewerbetreibende und Kaufleute niederlassen und zum Schlusse wird dieses Egerland, das uns gehört, endlich auch äußerlich ein solches Aussehen erhalten, daß man erkennt, es gehört zur Èechoslovakei." Hier, meine Herren, ist deutlich und offen gesagt, was die Verstaatlichungsaktion für einen Zweck hat. Nehmen Sie die Schulpolitik dazu, das führe ich gar nicht aus, obzwar man versucht wäre, auf irreführenden Veröffentlichungen von Seite des Vorsitzenden des Landesschulrates die Berichtigung, die übrigens schon erfolgt ist, auch hier zu bringen. Nehmen Sie meinetwegen die angestrebte Verstaatlichung des Kurortewesens, die Verstaatlichung der Sicherheitspolizei ja sogar eine Art Verstaatlichung der Apotheken, die jetzt erfolgen soll, nehmen Sie die versuchte Beseitigung der deutschen Sektion des Landesschulrates und der deutschen Sektion des Landeskulturrates. Nehmen Sie - so fein ausgerechnet ist alles - die Beseitigung, möchte man sagen, von deutschen Gruppen des Roten Kreuzes u. s. w., so muß man sagen, daß da ein Plan darin ist. Und ist das der Fall, so müssen wir von uns gestehen: wir sind ein Volk arg in Not. Wir können wegen dieser Tendenz, welche konsequent beobachtet wird, zu dieser Regierung kein Vertrauen haben, wir lehnen deshalb auch den Staatsvoranschlag ab. Ich muß aber zwei Momente ganz besonders unterstreichen: In den Kreisen der Opposition, namentlich im deutschen Volke, wird die Meinung immer mehr und mehr verbreitet, daß wir einen vollständigen Rechtlosigkeit gegenüberstehen. Wenn man so die verschiedenen Verstaatlichungsaktionen ein bißchen betrachtet, möchte man sagen, das gehe einfach nach dem Satze: "Was Du hast, das gefällt mir und darum muß es mir gehören, und ist ein Gesetz da, wird es nach dem Gesetz gehen, ist aber noch kein Gesetz hier, so werden wir ein Gesetz schaffen, daß wir auch da nach dem Gesetze die Sachen für uns nehmen können." Das ist so der Grundgedanke von alldem. Nun, meine Herren, das an sich muß ein Gefühl ungeheurer Rechtlosigkeit erzeugen und man kommt da noch auf jene Erscheinungen zurück, welche, so schwer sie sind, ungestihnt geblieben sind - ich möchte da z. B. darauf verweisen, wie oft Blut vergossen worden ist unter unserem Volke, von den Kaadner Morden an bis herauf zum letzten Ereignisse in Freudenthal, wo wieder ein Menschenleben zum Opfer gefallen ist, die Sache von Aussig, Wiesa und Oberleutensdorf, der Einbruch in Postelberg ich habe die Namen in ihrer Fülle nicht einmal so präsent. Wenn wir also ein einzigesmal gehört hätten, daß ernst zu nehmende Untersuchungen geführt worden sind oder wenn es die Regierung nur ein einzigesmal der Mühe für wert erachtet hätte, hier im Hause darüber Rechenschaft zu geben! Ich weiß nicht, ob das in einem Parlament, das westlich von der Èechoslovakei liegt, vorkommen könnte! Das sind Erscheinungen, die uns das Gefühl der Rechtlosigkeit und der Verbitterung erzeugen und darum können wir den Staatsvoranschlag der Regierung nicht bewilligen.

Ein anderes Moment, meine Herren, will ich auch besonders unterstreichen, und das ist die so oft besprochene Frage der Kriegsanleihe. Einer unserer Parteifreunde hat unlängst im Senat darüber gesprochen, aber wir wollen das auch hier im Hause hervorheben. Wir wissen, daß der Herr Finanzminister bei Antritt seines Amtes die Worte gesprochen tat: es ist eine res judicata, die Sache ist abgetan; dann noch dazu die Begründung! "Nie war das Abgeordnetenhaus so einig, wie damals in der Ablehnung des Antrages, den die Regierung Beneš über die Einlösung der Kriegsanleihe eingebracht hat, sowohl die deutschen als auch die èechischen Parteien". Meine hochverehrten Herren! Es ist ja richtig! Wer den Schaden hat, hat für den Spott nicht zu sorgen, aber es ist doch ein bißchen eigentümlich, wenn der Finanzminister die Tausende und Hunderttausende, welche durch die Nichteinlösung der Kriegsanleihe in entsetzliche Not gekommen sind - die ich gar nicht schildern kann, - und die jetzt wieder darauf gelauert haben, wie sich der neue Finanzminister dazu stellen wird, die die Hoffnung gehegt haben, daß nun doch eine Lösung kommen muß, diese Unglücklichen in der Weise noch mit kaltem Hohn und Spott abfertigt. Daher muß er sich jetzt gefallen lassen - ich bringe nicht gern persönliche Sachen - aber es ist kein Geheimnis, ist durch die èechischen Zeitungen gegangen, die dem Minister vorgerechnet haben, daß er ein Einkommen von Millionen hat. Ja, meine Herren, wer das hat, der hat keinen Sinn, kein Verständnis für die Not, welche die Nichteinlösung der Kriegsanleihe in Tausenden und Tausenden Familien erzeugt hat. Und dazu. Weil ich den Herrn Finanzminister erwähnt habe, möchte ich noch etwas erwähnen, in seiner Aussprache über die finanziellen Pläne u. s. w. hat er auch die ganz besondere Belastung hervorgehoben, welche die Finanzen durch die Durchrechnung der Dienstjahre der Beamten erfahren. Ja, da muß ich dasselbe sagen, was ich vorhin gesagt habe; wenn einer ein Millioneneinkommen hat, dann vielleicht hat er keine Schätzung dafür, was etwa 100 K mehr oder weniger im Monat im Leben eines Beamten und seiner Familie für Bedeutung haben. (Sehr richtig!) Hochverehrte! er hat gesagt, es würde der Abbau eintreten mit Beginn des Frühjahrs, aber kein Wort über die von allen Beamten ohne Unterschied der Nation geforderte Stabilisierung der Gehälter, kein Wort über das Jammerschicksal der staatlichen Ruheständler, kein Wort über die trostlose Lage, in welcher man die Altpensionisten läßt! (Sehr richtig!) Ich habe das ganz besonders hervorheben wollen, weil ich weiß, was in diesen Kreisen für ein Elend herrscht, aber es ist das auch eine Ursache, daß wir der Regierung das Staatsbudget nicht bewilligen können.

Ich komme noch einmal auf die Kriegs anleihe zurück; Sie sehen, da ist ein sehr interessantes Moment. Der Herr Minister präsident Švehla - mein Gott, man wird halt nicht oft an die österreichische Zeit erinnert werden wollen, aber das ist auch durch die Presse gegangen und der Schutzverband der Kriegsanleihebesitzer hat die schwarz auf weiß vorhandenen do kumentarischen Belege in seinen Händen, - der Herr Ministerpräsident war seiner zeit, vor mehreren Jahren ein großer Patriot, ein großer Werber für die Kriegs anleihe; da ist der "Venkov" der Beweis dafür. Es ist freilich etwas bitter, wenn ihm das jetzt schwarz auf weiß vorgehalten werden muß. Da ist er namentlich einge treten für die vierte Kriegsanleihe und hat in einem flammenden Aufruf, der von ihm unterzeichnet ist, dargetan, wie der patrio tische Sinn der Bevölkerung das glänzende Ergebnis der Kriegsanleihe ergeben habe und es auch zu erwarten sei, daß diese vierte Kriegsanleihezeichnung mit dem selben Erfolge enden würde, und er be gründet das damit, daß man in den Papieren der Kriegsanleihe bitte, das ist buchstäblich zitiert - Papiere von abso luter Sicherheit erhält. Sehr verehrte An wesende, jetzt ist er in der Lage, das, was er damals in dem flammenden Aufruf unterschrieben hat, wahrzumachen, jetzt ist er als Ministerpräsident dazu da, zu beweisen, daß es Papiere von absoluter Sicherheit sind. Freilich, es ist ja lächerlich hier zur Regierung zu sprechen, wenn man am ersten Tage der Budgetdebatte den Ministertisch vollständig leer findet. Wir ha ben zu der Regierung kein Vertrauen; dazu muß ich noch eine kleine Begründung an führen, bevor ich schließe, ganz besonders wegen der total verfehlten und verfahre nen äußeren Politik dieses Staates. Ich schaue da ganz besonders auf das Schick sal Deutschösterreichs und des deutsch österreichischen Volkes. Wir wissen, was dieses Volk seit vier Jahren zu dulden hat. Meine Herren, was man manchmal liest von dem Prasser- und Schlemmerleben in gewissen Lokalen in Wien, das ist nicht das Wiener Volk, das wissen wir. Ich habe un längst einen Ausweis in der Hand gehabt, einen ofiziellen, der gibt ein entsetzliches Bild. Ich will nur das eine Moment hervor heben: Da sind von allen Wiener Kindern nur 10 % hinlänglich ernährt, 90% - das ist ein offizieller Ausweis - sind unter ernährt, über 70% sind skrophulös und etwa 50 % unter diesen Unglücklichen sind tuberkulös. Meine Herren, die Verantwor tung für dieses - Sie gestatten mir das Wort, - Kollektivsterben tragen diejenigen, welche diesen österreichischen Staat in seiner wirtschaftlichen Unmöglichkeit geschaffen haben; und da hat die èechoslovakische äußere Politik einen großen Teil der Verantwortung, hat bestimmt den aller größten Teil. Wir wissen ja, was die Schöpfer der Friedensverträge für geo graphische Kenntnisse hatten. Wenn dieses Österreich zustande gekommen ist, ist es das ausschließliche Werk des Außenmini sters Dr. Beneš. Der hat eine furchtbare Verantwortung; dazu kommt noch, daß, sooft dieses arme Land den einzigen Weg betreten wollte, der die Rettung bringt, den Anschluß an das deutsche Volk - denn schließlich strebt ja jeder Teil zum Ganzen nach dem Naturgesetz - er immer und immer wieder den Weg dazu verrammelt und verriegelt hat. Und jetzt wissen wir in seiner Aussprache unlängst hat er es hier gesagt - er glaubte, Österreich werde leben und bestehen. Er sagte das ganz feierlich und apo diktisch. Ich weiß nicht, ob vielleicht daraus ein bißchen das Gewissen spricht, Aber eines muß ich denn doch hervorheben, was nicht so einfach als ein Zeitungsbericht zu nehmen ist, den man liest und an den man dann nicht weiter denkt, das ist auch in seriösen Blättern aufgemacht gewesen, ich sage da nichts Neues, die Herren wissen es ja ebensogut wie ich: Wenn die gegenwärtige internationale Kreditaktion für Deutschösterreich die Rettung nicht bedeuten würde, so hat Außenminister Dr. Beneš bereits mit der italienischen Regierung Verhandlungen angeknüpft, den letzten Rest des ehemaligen Kaiserstaates aufzuteilen; es soll ein Alpenstaat als Pufferstaat gebildet werden, ganz und gar unter italienischen Einfluß, und das andere unter unserem, Hochverehrte Anwesende, ich glaube das, auch dann wenn etwa der Herr Minister aufstünde, uns zu sagen, daß es nicht wahr ist. Ich glaube es, nach denbisherigen Erfahrungen; es ist also der Dolch schon bereit, um im entsprechenden Augenblick in diesen letzten Rest des alten Österreich gestossen zu werden. Aber eben deshalb, weil das so ist, lehnen wir jeden Voranschlag für diese Regierung ab; und noch ein Moment.

Sehen Sie ferner: der Herr Außenminister hat es bestimmt verstanden, die ganze Welt mit seinen Ideen zu erfüllen, seine Auslandspropaganda ist eine umfangreiche und leider muß ich sagen, in seinem Sinne eine erfolgreiche. Wir wissen, wie er die Friedenskonferenz in die Irre geführt hat mit seinem Memoire III, wo er feierliche Versprechungen gegeben hat, die eigentlich nichts anderes beinhalten als unsere Selbstverwaltung. Ich will diesen Punkt hier nicht weiter ausführen, die Herren kennen ihn ja ebensogut wie ich. Das war die erste große ofizielle Irreführung. Jetzt soll in Genf eine Reihe von neuen Memoranden den Mitgliedern der Beratung übergeben werden. Wir werden über diese Memoranden ja vielleicht noch einiges hören und werden dann nicht anstehen, die entsprechende Richtigstellung dazu zu geben.

Meine Herren, wir müssen diese äußere Politik auch ganz besonders verwerfen wegen der wirtschaftlichen Folgen. Ich bin der Überzeugung, daß die Politik des Ministers mit die Hauptursache der wirtschaftlichen Katastrophe ist, für das Kaltstehen unserer Fabrikschlote ist. Sehen Sie einmal, da haben sich die Herren Minister seinerzeit soviel zugute getan darauf, daß 80 % der ganzen österreichischungarischen Industrie auf èechoslovakischen Boden übernommen worden sind; aber ni cht 80 % der Bevölkerung! Das hätten Sie ja gerne gesehen, aber es ging doch nicht. Diese alte österreichisch-ungarische Industrie hat die Konsumbevölkerung mit 55-60 Millionen im eigenen Lande gehabt, die 80 % der Industrie in der Èechoslovakei haben aber eine Konsumbevölkerung von nur 12 1/2 Millionen. Wir haben - ich erinnere mich - schon vor 3 Jahren auf die Erscheinung hingewiesen, die kommen muß und die jetzt gekommen ist; dazu kommt, daß das Absatzgebiet Deutschland fehlt. Deutschland ist das Hauptexportgebiet für die Èechoslovakei, zum Teil auch Österreich und Ungarn; und ein Export aus der Èechoslovakei nach den westlichen Ländern ist nur zum geringen Teile vorhanden. Meine Herrn, der letzte Grund für die Entwertung der Mark ist der, daß Frankreich seine Raubpolitik gegen Deutschland bis heute, bis zum letztem Punkt durchgeführt und das ist natürlich auch die Ursache - weil doch die Èechoslovakei in den Reihen der Siegerstaaten steht - daß die èechische Krone derzeit eine Edelvaluta darstellt. Die Èechoslovakei mußte wegen der Valutadifferenz Mark-Krone Deutschland als Absatzgebiet verlieren und selbst jene Länder, welche ehedem einen gewissen Bedarf in der Èechoslovakei gedeckt haben, lassen jetzt die Èechoslovakei links liegen, weil sie die betreffenden Artikel in Deutschland viel billiger bekommen. Das sind die Gründe dieser entsetzlichen Wirtschaftskrise und was uns als Abwehrmittel hingestellt wird, wird nicht imstande sein, die Sache endgültig zu lösen. Ich glaube es dem Herrn Finanzminister, wenn er gestern gesagt hat, die Krise werde eine andauernde sein. Ja, sie wird andauern, solange bis eine Neuorientierung eintritt, bis mit dem ganzen System gebrochen wird, bis die Orientierung dorthin erfolgt, wohin alle wirtschaftlichen Beziehungen hinweisen und von wo also allein die Rettung erfolgen kann, zum deutschen Volke.

Ich will zum Schlusse kommen. Nach der großen Antrittsrede des Ministerpräsidenten von unlängst hat das Regierungsorgan - das kennen wir ja - die "Prager Prese", einen fulminanten Artikel geschrieben" in dem sie das neue Ministerium das Ministerium der Konsolidierung nennt. Nun, es sind schon etwa drei Wochen vergangen. Ich glaube aber nicht, daß einer von uns sagen kann, es wäre nur ein Zeichen dafür vorhanden, daß eine Konsolidierung eintritt. Nein, ich muß schon sagen, es ist die Erbitterung, die Kluft, dieses Abstoßen, nie so groß gewesen, wie vielleicht in diesen Tagen. Übrigens ich muß das sagen, liegt uns die Sorge um das Schicksal dieses Staates nicht am Herzen. Durchaus nicht. An erster Stelle liegt uns am Herzen die Sorge für unser Volk, soweit es in diesem Staate sein muß, und für die Rechte unseres Volkes werden wir eintreten jederzeit, ob gelegen oder ungelegen. Ich weiß, man spricht jetzt soviel von der Loyalität, an der es uns fehlen soll. Meine Herren, wenn man von Loyalität spricht, ist uns ein schlechtes Beispiel gegeben worden. Wir brauchen loyal nur so zu sein, wie es die Herren vor 5 und 6 Jahren gewesen sind. Sie haben kein gutes Beispiel gegeben. Mir kommt fast vor, daß hier ein Loyalitätskoller herrscht, wonach man auch mit dem Herzen zum Staate stehen soll. Es ist hier mit der Loyalität so wie draußen in Deutschland, wo man vom Erfüllungskoller spricht. Aber ob loyal oder nicht loyal, das wird uns nicht hindern, gelegen oder ungelegen, für die Rechte unseres Volkes, für die Sicherheit unseres Bodens, einzutreten. Erst dann werden wir unser Verhalten der Regierung gegenüber ändern, wenn uns diese Sicherheit geboten ist. Heil unserem Volke. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Kafky (viz str. 484 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Ich gedenke von dem alten Rechte der parlamentarischen Übung Gebrauch zu machen und die allgemeine Debatte über den Staatsvoranschlag dazu zu benützen, um einige allgemeine politische Erwägungen anzustellen und einige allgemein politische Fragen zu berühren. Es wird unvermeidlich sein, bei dieser Gelegenheit auf die Bildung der Regierung und ihre Ernen nung zurückzukommen; es ist dies umso weniger vermeidlich, als es in diesem Hause wenig Gelegenheiten gibt, wo es möglich ist, allgemein politisch zu sprechen, als die Einschränkung der Redezeit, unter der naturgemäß in erster Linie die Oppositionnn leidet, diese Gelegenheiten noch stark herabsetzt und als anderer seits doch wiederum die Möglichkeit, mit einer Regierung und zu einer Regierung zu sprechen, schon deshalb sehr beschränkt ist, weil man diese Möglichkeit eigentlich nur zweimal hat. Ich meine na türlich, auch nur ideal zu ihr zu sprechen, denn wirklich mit ihr zu sprechen ist des halb unmöglich, weil die Herren Minister den meiner Ansicht nach vollkommen un gehörigen Weg betreten haben, am ersten Tag der Debatte über den Staatsvoran schlag im Hause zu fehlen. (Výkøiky na levici.) Ich muß es der Koalition über lassen, sich selbst bei ihren Ministern dar über zu beschweren, wie von Seiten der Regierung das Parlament mißachtet wird, und ich möchte es dem Herrn Präsidenten überlassen, wie er es mit der Würde des - Parlamentes vereinbarlich findet, der artige Zustände einreißen zu lassen. Ich spreche also nicht von der Möglichkeit, zu der Regierung, wenn sie anwesend ist, zu sprechen, sondern ich meine, es ist rein theoretisch und akademisch nur selten möglich, sich an die Regierung zu wenden. Man hat diese Gelegenheit einmal bei der Debatte über die Regierungserklärung und eventuell noch einmal, wenn es sich um den Staatsvoranschlag handelt. Denn, meine Herren, in der Èechoslovakei, in diesem konsolidiertesten Staate von Mitteleuropa, war es bisher noch keiner Regierung möglich, sich mehr als einen Staatsvoranschlag bewilligen zu lassen, und ich gebe der festen und hoffnungs frohen Überzeugung Ausdruck, daß auch diese Regierung im nächsten Herbst nicht in der Lage sein wird, sich ein zweites Budget von diesem oder einem anderen Hause bewilligen zu lassen.

Meine Herren, wir sind jetzt einige Wochen von der Bildung der neuen Regierung entfernt, wir haben eine gewisse nötige Distanz gewonnen, um diese Regierung klar und objektiv betrachten zu können, und ich muß doch sagen, daß wir das Urteil, welches wir zunächst im Überschwang der Überraschung gefällt haben, vollkommen beizubehalten in der Lage sind. Diesem sogennanten großen Ministerium ist nicht nur im Hause ein außerordentlich kleiner Empfang zuteil gewor den, sondern dieses große Ministerium hat auch eine sehr kleine Erklärung abgegeben - ich meine natürlich nicht den Umfang, der ja doch nur von dem größeren oder geringeren Fleiß des konzipierenden Ministerialbeamten abhängt - sondern wenn man den Inhalt der Regierungserklärung ins Auge faßt. Ich finde, daß diese Regierung viel weniger gesagt hat als irgend eine frühere, obzwar auch die früheren nur wenig zu sagen in der Lage waren, und ich finde dafür allerdings die Erklärung völlig auf der Hand liegend, denn eine Regierung, welche genötigt ist, das "Einerseits" des Hauptsatzes durch das "Anderseits" des Relativsatzes abzuleugnen, bzw. zu desavouieren, eine solche Regierung kann nichts anderes als programmatisch Erklärung zustande bringen, als einige Bogen beschriebenen Papiers. Meine Herren, das ist das Wesen dieser Koalition. Ich bin nicht so naiv zu behaupten, daß Koalitionsregierungen an sich etwas unrichtiges oder auch nur etwas ungewöhnliches sind. Ich bin überzeugt und weiß, daß schließlich und endlich schon seit jeher, seit Beginn des parlamentarischen Lebens in allen Staaten, in denen sich nicht von vornherein das anglo-amerikanische Zweiparteiensystem eingelebt hat, Koalitionsregierungen notwendig waren und daß auch in den Musterländern des Zweiparteiensystems man zu diesen Koalitionsregierungen übergehen mußte. Koalition heißt in gewissem Sinne Kompromiß. Koalition heißt Verzicht auf gewisse Forderungen, Hervorhebung dessen, was verschiedenen Parteien gemeinsam ist. Aber, meine Herren, es ist unmöglich, Koalitionen zusammenzubringen und aufrecht zu erhalten, welche alle Schichten der Bevölkerung vereinigen sollen, alle Schichten, die untereinander die größten Gegensätze in Weltanschauungen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Einstellungen besitzen, und es ist unmöglich, Koalitionen zu bilden und aufrecht zu erhalten, die darin bestehen, daß alle Schichten eines Volkes über alle Schichten aller anderen Völker herrschen sollen. (Posl. dr. Hnídek: Proto je tøeba tìch kompromisù!) Ich bin nur der Ansicht, daß auch jede Kompromißmöglichkeit ihre Grenzen hat. Ich stelle fest, daß solche Koalitionen, wie wir sie hier am Ruder sehen, auch in anderen Staaten gewesen sind, sogenannte Konzentrationskabinette. Aber diese Konzentrationskabinette, meine Herren, die waren in Zeiten der allergrößten Not, die waren in Zeiten der drohenden Kriegsgefahr vorhanden. Ich glaube mir doch die Frage vorlegen zu müssen: Ist ein solcher Fall da? Ich bestreite nicht, daß ein solcher Fall da ist, aber dazu muß ich nur das eine bemerken: Die Tatsache, daß Sie genötigt sind, eine allnationale Koalition zu schaffen und durch vier Jahre festzuhalten, ist der beste von Ihnen selbst gegebene Gegenbeweis dagegen, daß Sie zu irgendeinem, geschweige denn zu einem hohen Grade der Konsolidierung der Verhältnisse in diesem Staate vorgeschritten sind. Sie haben selbst damit angefangen, und gestehen mit jedem Tage neu ein, daß Sie in Kriegsgefahr sich befinden, und der Staat, der in Kriegsgefahr sich befindet, ist von der Konsolidierung meilenweit entfernt. (Posl. dr. Hnídek: Máme mnoho nepøátel a proto je tøeba tìch kompromisù a koalice!)


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