Übrigens habe ich bereits erklärt,
daß wir aus den angeführten Gründen nicht in der Lage sind, für
diese Vorlage zu stimmen. Wir werden unser gegenteiliges Votum
in dem vollen Bewußtsein dessen abgeben, daß wir unsere nationale
Pflicht erfüllen, wenn wir gegen diese Vorlage Stellung nehmen,
denn wir wollen nicht, daß ein deutsches Land in die finanzielle
Abhängigkeit der èechischen Regierung gerät. Auch dann würden
wir dies nicht wollen, wenn man von einer wirklichen Hilfe sprechen
könnte. Hier ist davon aber keine Rede, sondern das, was uns vorgelegt
wird, das ist nichts anderes, als eine Augenauswischerei vor Europa,
die den Herren Èechen ein Zeugnis verschaffen soll, daß sie alles
getan haben, um Österreich zu retten, und daß es, wenn es trotzdem
an dem Anschlußgedanken festhält, eben nicht zu retten ist und
wert ist unterzugehen. An diesem Gedankengang werden wir uns nicht
beteiligen und werden daher ggen die Vorlage stimmen. (Potlesk
na levici.)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe in aller Kürze eine Erklärung meiner Parteifreunde zu
dieser Vorlage abzugeben und dazu führe ich aus: Die Valutakatastrophe,
die über Deutschösterreich in den letzten Tagen hereingebrochen
ist, überbietet alles, was über dieses arme Land, seit es in seiner
jetzigen Form besteht, gekommen ist. Das ist der Abgrund, oder
wenigstens schon der Rand des Abgrundes. Alles fragt sich: wie
ist das möglich und wohin soll das führen? Wir geben als Antwort
darauf und es wird immer deutlicher und leider in furchtbarer
Weise deutlich, was wir stets gesagt haben, seitdem die Friedensverträge
vom Jahre 1919 bestehen: Diese Friedensverträge sind keine Basis,
auf der der Wiederaufbau Europas erfolgen könnte, sondern sie
sind im Gegenteil eine Quelle der Zerstörung, namentlich zunächst
für das arme Österreich, und wenn sie nicht revidiert werden,
so wird es soweit kommen, wie immer und immer gesagt werden muß,
daß sie noch eine Quelle der Zerstörung für ganz Europa werden.
Der Friedensschluß von St. Germain hat dieses Deutschösterreich
in einer Gestalt konstruiert, daß es nicht leben und nicht sterben
kann, oder besser, daß es sterben muß und nicht leben kann. Es
ist dieses Land vielleicht ein Beispiel dafür, wohin ein Staat
in politischer und wirtschaftlicher Ohnmacht sinken kann. Es ist
ein Beispiel dafür, wie tief ein Staat fallen kann, ohne daß die
weltmächtigen Macher der heutigen Verhältnisse in Europa ingreifen,
ohne daß ihr demokratisches Empfinden, ich möchte sagen, ihr Menschheitssgewissen,
sie bewegt, helfend einzugreifen. Wir wissen, wie Österreich seit
Jahren in die ganze Welt betteln geht, wie ihm mehr oder weniger
fast mit Hohn da und dort Hilfe versprochen und wie ihm keine
geworden ist. Und erst als dieser Staat nicht nur krank war, sondern
schon anfing, in Todeszuckungen fast umzukommen, da endlich sind
gewisse Kreditbewilligungen eingeleitet worden und auch da ist
noch die Ausführung verzögert worden. Da mußte die Valutakatastrophe
der letzten Tage kommen, daß man endlich daran geht, die Kreditgewährung
gewissermaßen durchzuführen. Wir sind speziell der Meinung, daß
die Èechoslovakei nicht ganz schuldlos an den trostlosen Zuständen
in Deutschösterreich ist. Ich führe diesbezüglich nur an, ohne
das weiter auszuführen, - denn das haben die Herren Vorredner
schon gesagt, - einmal die drangsalierende und ausbeutende Behandlung,
die Deutschösterreich von Seiten der siegreichen Èechoslovakei
seit dem Friedensschluß erfahren hat. Ich möchte aber ganz besonders
auf zwei Umstände hinweisen, die die Schuld der Èechoslovakei
gegen Deutschösterreich zum Ausdruck bringen. Es ist Tatsache
- und wenn der Herr Außenminister es noch so sehr leugnet: die
Außenpolitik dieses Staates ist ganz und gar französisch. Es wird
dem Herrn Außenminister niemand glauben, wenn er immer und immer
behauptet, dies sei nicht der Fall. Sie ist durchaus französisch
und wir wissen, daß hauptsächlich von Frankreich der Gedanke ausgegangen
ist, das zu verhindern, was nach dem Ausgange des Weltkrieges
die natürliche Entwicklung gewesen wäre, schon nach dem Grundsatze,
daß der Teil zum Ganzen strebt, nämlich die Vereinigung Deutschösterreichs
mit dem übrigen Deutschland; nd die Èechoslovakei hat das vollständig
mitaufgegriffen und ist mit Schuld daran, daß diese natürliche
Entwicklung noch immer mehr gehemmt wird. Das ist das Eine, was
wir der Èechoslovakei zum Vorwurf machen. Das Zweite ist unserer
Meinung nach die Vergiftung des Verhältnisses zwischen Deutschösterreich
und Ungarn. An dem ist die Èechoslovakei ganz besonders schuld.
Meine Hochverehrten, wenn zwei Staaten aufeinander angewiesen
wären, so sind dies ganz besonders Deutschösterreich und Ungarn.
Die Geschichte beweist es, daß diese beiden Länder immer wieder
zusammengekommen sind, wenn es auch Perioden gegeben hat, wo sie
gegeneinander gekämpft haben. Es waren eben die Lebensbedingungen
viel kräftiger, und das ist auch heute noch so. Es wäre für Deutschösterreich
Ungarn der natürliche Absatzboden seiner Industrieerzeugnisse
und umgekehrt würde der Überschuß der landwirtschaftlichen Produkte
Ungarns ausreichen, um das ausgehungerte Wien zu ernähren. Meine
Hochverehrten, wenn soviel von der Konsolidierung Mitteleuropas
gesprochen wird, so muß hervorgehobben werden, daß zu dieser Konsolidierung
am meisten beitragen würde, wenn Deutsch-österreich und Ungarn
wirtschaftlich in einer gewissen Freundschaft zueinander konsolidiert
wären. Das würde auch eine große politische Bedeutung haben, und
das Freundschaftsverhältnis dieser beiden Staaten wäre ein politischer
Machtfaktor, der wenigstens ebenbürtig dastände der politischen
Bedeutung der Kleinen Entente. Und man sollte meinen, daß eine
Regierung, welche vorgibt, daß ihr soviel an der Konsolidierung
Mitteleuropas gelegen ist, das freundschaftliche Einvernehmen
dieser beiden Staaten, die sich sozusagen ergänzen, fördern würde.
Aber gerade das Gegenteil! Und es ist leicht erklärlich, wieso.
Speziell Ungarn hat sich für das legitime Königtum entschieden
und nun wissen wir, daß ein hauptbewegender Faktor in der Außenpolitik
des Herrn Außenministers Dr. Beneš die Habsburgerphobie
ist, es könnte, wenn in Ungarn das Königtum der Habsburger konsolidiert
ist, (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.) gewisse
Auswirkungen auf Deutschösterreich haben, und das muß verhütet
werden, und darum mußte etwas gefunden werden, das verhindert,
daß zwischen Deutschösterreich und Ungarn ein entsprechendes Freundschaftsverhältnis
zustande käme. Und wir wissen, in dieser Hinsicht ist ein Danaergeschenk
gemacht worden, das Burgenland, (Sehr richtig!) und das
ist hauptsächlich durch die Èechoslovakei geschehen; und dadurch
ist die Èechoslovakei schuld daran, daß Deutschösterreich in diesen
Zustand gekommen ist. Und nun, meine Hochverehrten, beteiligt
sich also die Èechoslovakei auch an dieser Kreditgewährung. Wir
sind durchaus nicht der Meinung, als würde diese Kreditgewährung
erfolgen, weil etwa die Leitung der Èechoslovakei das Unrecht,
das sie an Deutschösterreich begangen hat, einsieht! Nein! es
ist hier schon ausgeführt worden und wir wissen, daß dieser Zustand,
wie er in Deutschösterreich herausgewachsen ist, nach der Èechoslovakei
herüberdroht. Die Industriekrise, welche die Èechoslovakei mit
all ihren Begleiterscheinungen durchmacht und hundert andere Dinge
sind durch die Lage in Deutschösterreich mit verursacht, und die
eigene Gefahr ist es daher hauptsächlich, daß ein Kredit gewährt
werden soll. (Posl. Böhr: Wiehtigtuerei ist mit dabei!) Die
Wichtigtuerei ist sicher auch da und auch die Augenauswischerei.
Wir würden uns dieser Kreditgewährung von unserem Standpunkt aus
freuen, aber wir können es nicht, wenn wir die Begleiterscheinungen
ins Auge fassen. Es ist erstens ein verhältnismäßig jämmerlich
geringer Betrag, zweitens sind die Bedingungen für diesen Kredit
geradezu derartige, daß sie eine neue Aussaugung, eine neue Belastung
dieses gequälten Staates bedeuten und namentlich, meine Hochverehrten
- das ganz besonders nach der Rede, die wir heute vom Herrn Dr.
Rašín vernommen haben ist diese Kreditgewährung benützt
worden, um auf das arme Deutschösterreich einen politischen Druck
auszuüben. Wir wissen das ohnehin schon. Was vom Lanaer Vertrag
in die Öffentlichkeit gedrungen ist, zeigt das ja auch. Nun, meine
Hochverehrten, ich habe aus dem Grunde zu erklären: Wir werden
für diesen Kredit stimmen. Der Hauptbeweggrund, warum wir für
denselben stimmen, ist der, weil wir schließlich unseren Parteifreunden
in Deutschösterreich nicht in den Rücken fallen wollen, weil wir
ihnen die Verantwortung überlassen. Aber wir müssen erklären,
daß uns das schwer fällt. Wir protestieren gegen die drückenden
Bestimmungen des Kredites, wir protestieren namentlich dagegen,
daß sie zu einer politischen Pression gegen Deutschösterreich
ausgenützt wird. Im übrigen haben wir den Wuns h, es möchte die
Entwicklungu so erfolgen, und das wird geschehen, weil es naturgemäß
ist, daß das Ganze zum Teile kommt, d. h. daß alle vom Deutschen
Reiche losggetrennten deutschen Volkskörper zu ihm einmal zurückkehren
werden (Bravo!), und insbesondere wünschen wir dem armen
gequälten Deutschösterreich, daß da Maß seiner Leiden voll sei
und daß endlich Tage kommen, die ertragbar sind, ganz besonders
für das bodenständige Volk in Deutschösterreich. (Souhlas potlesk
na levici.)
Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, in diese Debatte einzugreifen. Ich hatte die Möglichkeit, im Auswärtigen Ausschuß unseren Standpunkt klarzulegen und es schien mir unnötig, dass elbe noch einmal im Plenum zu tun. Wenn ich mich trotzdem zum Worte gemeldet habe, so geschah es deshalb, weil der Herr Referent des Auswärtigen Ausschusses und insbesondere der Haupt redner der èechischen Seite, ich glaube bisher der einzige Redner der èechischen Seite, Herr Dr. Rašín, mich dazu aufgefordert haben, um nicht das Wort provozieren zu verwenden.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Herr Referent des Auswärtigen Ausschusses zwas behauptet hat, daß er als Referent über alle Vorgänge im Auswärtigen Ausschuß berichten wolle, daß er aber dann doch ein wenig zu sehr Licht und Schatten bei dieser Berichterstattung ungerecht verteilt hat, indem er seinem persönlichen Standpunkte ziemlich weiten Spielraum geboten hat und indem er wohl tatsächlich vollkommen richtig über die Vorgänge, insbesondere über die Anträge, die im Auswärtigen Ausschuß gestellt wurden, berichtet, aber hiebei zwar volles Gewicht auf die Anführung der Gegenarg umente gelegt hat, aber den Argumenten, die wir für unsere Anregungen vorgebracht haben, keinen Raum geboten hat.
Ich würde das allein aber auch noch nicht als einen Anlaß betrachten, mich mit den Ausführungen des Herrn Referenten Kollegen Dr. Hnídek zu beschäftigen, wenn nicht auch hier wiederum in seinen Ausführungen zwei Gedanken wiedergekehrt wären, die wir im Auswärtigen Ausschuß gehört haben und die denn doch nicht unwidersprochen bleiben können.
Der eine Gedanke ist der, daß, wenn wir jetzt die Lebensunfähigkeit oder die schwere Lebensfähigkeit Österreichs behaupten, das ein eklatanter Beweis für die sogenannte Ausbeutungstheorie im alten Österreich ist, jener Gedanke, den man in die Massen geworfen und der dort ungeheuer viel Verwirrung und Unheil angerichtet hat.
Meine Damen und Herren! Ich will da ganz kurz sein. Denn ich glaube, daß Herr Kollege Hnídek selbst nicht einen Augenblick an die Richtigkeit und Überzeugungskraft dieser Argumentation glaubt. Glaubt wirklich irgend jemand, daß auf diese Weise ein Beweis für diese merkwürdige Ausbeutungstheorie geschaffen werden soll dafür, daß, wenn man eine durch die Jahrhunderte gewordene Wirtsch aftsgemeinschaft künstlich zerreißt und mitten darin eine ihrer Verbindungen, ihrer natürlichen Beziehungen beraubte kleine Oase übrig läßt, daß diese Oase vom allen Anfang an nur auf fremde Kosten gelebt habe und ein Parasit an diesem großen gemeinsamen Wirtschaftskörper war und daß diese Zerreißung nicht im Gegenteil die gegenseitige wechselweise Befruchtung in dem ursprünglichen großen Wirtschaftsorganismus aufdeckt?
Ein zweites hat Herr Dr. Hnídek im Auswärtigen Ausschuß gesagt und es heute wiederholt, und das ist, daß die Österreicher ihre ganze Politik machen, um zu beweisen, daß sie nicht selbst leben können, um den Anschlußgedanken lebendig zu erhalten, um gewissermaßen gegen die Friedensverträge oder gegen den Geist der Friedensverträge fortgesetzt zu remonstrieren. Die Österreicher, heißt das, versetzen sich also freiwillig in den Zustand der Verelendung, nur um einen politischen demonstrativen Beweis zu erbringen. Es gehört wirklich außerordentlich viel Zurückhaltung dazu, um gegenüber einer derartigen Argumentation scharfe Worte zu vermeiden. (Souhlas na levici.) Ich kann nur sagen, daß mich diese Argumentation sehr stark an jene erinnert, welche Herr Dr. Kramáø in der großen politischen Debatte hier vorgebracht hat, wo er mit einem überlegenen ironischen Lächeln gesagt hat: "Deutschland könnte zahlen, wenn Deutschland nur wollte." Die Ziffern waren ihm gleichgültig, ob es 132 Milliarden oder welche Ziffern immer sind, Deutschland kann zahlen, wenn es nur will. Herr Dr. Kramáø ist seiner Vergangenheit nach ein Finanzpolitiker. Das hindert ihn aber nicht, eine Behauptung aufzustellen, von der jetzt jeder ernst zu nehmende Volkswirtschaftspolitiker der Welt abgerückt ist. Dem Herrn Doktor Kramáø ist es ganz gleichgültig, ob die Konferenz der internationalen Finanzgrößen zusammentritt und ausdrücklich erklären muß, daß die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands bezüglich dieser Milliarden begründet ist. Er stellt diese Behauptung hier demagogisch auf und es ist eine ebenso demagogische Behauptung, wenn gesagt wird, daß diese Verelendung Österreichs nur auf eine demonstrative Politik Österreichs zurückzuführen ist. Herr Dr. Hnídek hat ein Mittel in der Westentasche. Dieses Mittel besteht darin, daß er sagt: "die Österreicher sollen es doch machen, wie es die Èechoslovakei gemacht hat." Meine Damen und Herren! Warum vergißt Herr Dr. Hnídek gerade in diesem einen Augenblick einen Unterschied, den er sonst niemals vergißt, den Unterscgied zwischen Siegerstaaten und besiegten Staaten (Sehr richtig!), warum vergißt Herr Dr. Hnídek in diesem einen Augenblick, daß Österreich unter einer Reparationslast zugrunde gerichtet werden kann, daß dieses Damoklesschwert einer unberichtigten Reparationslast über Österreich schwebt? Und warum vergißt er, der sonst diesen feinen Unterschied zwischen besiegten und Siegerstaaten immer so aufrecht erhält, warum vergißt er an die eine Tatsache, daß, als die Friedenskonferenz tagte, der èechoslovakischeStaat unter strategischen, unter ökonomischen, unter welchen Rücksichten immer gebaut wurde, um ihm eine möglichst lebensfähige Gestaltung zu geben, während man bei Österreich eben nicht mehr diesen Maßstab anwenden konnte, selbst wenn man ihn hätte anwenden wollen, weil die Nachbarstaaten aus wirtschaftlichen, aus strategischen Gründen sich die Grenzen so ziehen wollten, daß für Österreich nichts mehr übrig blieb.
Und dann, meine Herren, gestatten Sie mir zu den Ausführungen des Herrn Dr. Hnídek noch eine kleine Bemerkung zu machen. Herr Dr. Hnídek hat in seinen Schlußsätzen gesagt: wir wollen mit dieser Vorlage einen Beweis für die Loyalität gegenüber Österreich erbringen. Herr Dr. Hnídek hat aber leider vergessen, trotzdem sein Referat nur wenige Minuten gedauert hat, daß er zu Eingang seines Referates gesagt hat: "Was ist denn diese Vorlage im ganzen? Sie ist nichts als eine Konversion von Schulden." Meine Herren! Durch eine Konverssion von Schulden noch dazu unter Bedingungen, die nicht gerade glänzend genannt werden können, beweist man meines Erachtens keine hervorragende Loyalität. (Sehr richtig!) Das Rätsel ist zu lösen. Der Herr Kollege Hnídek steht in einem Raume, aus welchem 2 Fenster führen, und spricht zu beiden Fenstern hinaus. Das eine Fenster geht auf die enge èechische Lokalgasse, wo die Menge steht, welche gewohnt ist, gegen Österreich verhetzt zu werden und die darum nicht versteht, warum man überhaupt einen Kredit an Österreich gewährt. Für die war der erste Teil bestimmt. Und dann wendet sich Herr Dr. Hnídek zum zweiten Fenster und dieses Fenster führt auf die große internationale Avenue und dort muß man erklären, daß man diesen Kredit gibt, um Loyalität gegenüber Österreich zu beweisen, um dem internationalen Wohlwollen für Österreich doch Rechnung zu tragen und auf diese Weise einen gewissen, sagen wir es ehrlich, guten Eindruck zu schinden. Meine Damen und Herren, und nun gestatten Sie mir ganz kurz einige Bemerkungen zu den Ausführungen des errn Dr. Rašín. Ich muß sagen, es hat mich selten eine Rede derart erregt und derart erbittert, wie die Rede des Herrn Dr. Rašín. Herr Dr. Rašín ist ein Finanzpolitiker, dessen Bedeutung ich mit keinem Worte anzweifeln will. Herr Dr. Rašín will auf dem Gebiete der Finanzpolitik ernst genommen werden. Er hat zweifellos auch in seiner heutigen Rede einige Wahrheiten gesagt, aber diese wenigen Wahrheiten ertrinken in einem Meer von Haß, in einem Meer von zynischer Verachtung, in einem Meer jenes Hochmuts, der meiner Ansicht nach der unssympathischeste aller Hochmute ist, des Hochmutes des Reichgewordenen gegenüber dem Verarmten. (Souhlas na levici.) Meine Herren! Es wird vielleicht unter diesen Umständen überflüssig sein, sich des Näheren mit den Argumentationen des Herrn Dr. Rašín zu beschäftigen. Aber auf eines möchte ich denn doch aufmerksam machen, daß man mit solchen Zahlen, wie sie hier aus vergilbten Büchern oder aus gewissen Zeitungsartikeln herausgelesen werden, nichts über die Bedeutung eines so großen Problems beweisen kann, wie das Problem Deutschösterreich ist. Und dann, meine sehr geehrten Herren, es ist in diesem Staate zu wenig beliebt, an das Beispiel der Schweiz erinnert zu werden, und umso merkwürdiger hat es uns berührt, daß gerade in dieser wirtschaftlichen Frage ein Vergleich zwischen Österreich und der Schweiz herangezogen worden ist, trotzdem jeder flüchtige Kenner der beiderseitigen Verhältnisse sagen muß, daß es sich dort um einen naturgemäßen in Jahrhunderten erwachsenen Organismus der Gemeinsamkeit handelt und hier um das Stück Rest einer großen Wirtschaftsgemeinschaft, das künstlich übriggeblieben ist. Wenn man von dort einen Vergleich der Lebensfähigkeit herholen will, dann glaube ich, beweist man wohl, daß man in diesem Falle nicht objektiv zu urteilen vermag, oder zu urteilen wünscht. Meine Damen und Herren! Es gibt ein Rezept, und das ist das Rezept der Selbsthilfe. Ich sage, wir haben gegen dieses Rezept nicht das mindeste einzuwenden, ich glaube, auch kein ernster österreichischer Politiker wird jemals etwas gegen dieses Rezept gesagt haben. Aber gegen die Herren, welche hier als Mentoren und Berater auftreten mit dem Rezept der Selbsthilfe, gegenüber diesen Herren kann man denn doch die Frage wagen, ob die Herren berechtigt sind, von Selbsthilfe zu sprechen, welche es Österreich unmöglich machen, jene Politik zu treiben, welche es für sich als die Politik der Selbsthilfe betrachtet, und das ist die Politik des Anschlusses Österreichs an Deutschland. (Souhlas na levici.) Es sind Fehler geschehen; ich bin weit entfernt, das alles gutzuheißen, was in Österereich geschehen ist. Es sind Fehler geschehen; aber ich möchte sagen, daß alle diese Fehler herausgewachsen sind aus dem ungesunden Boden, auf dem gearbeitet werden mußte, herausgewachsen sind aus der künstlichen Politik, zu der Sie Österreich genötigt haben, weil sie ihm die natürliche Politik zu treiben nicht erlauben.
Ganz kurz zur Rede des Herrn Dr. Rašín nur noch das eine: Herr Dr. Rašín hat gesagt: Ich stimme für den Kredit, weniger aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus politischen Gründen, ich stimme deshalb für den Kredit, weil wirdamit den Beweis erbringen wollen, daß die von den österreichischen und den èechoslovakischen Deutschen verbreiteten Gerüchte - ich glaube, der technische Ausdruck im Èechischen, der nicht übersetzt werden kann, lautet "klepy" - "Klatscheeien", falsch sind, als ob die cchoslovakische Regierung irgendwie an diesem Schicksal teil hätte, dem Österreich jetzt zusteuert. Wir wollen gar nicht von Einzelheiten sprechen, wir wollen nicht die Liste der Beweise aufrollen, die wir angehäuft haben in den Jahren von 1918 bis zu diesem Tag. Aber das eine können wir sagen: wenn jemand zweifeln könnte überdie Stimmung, in der zumindest die ersten Regierungen dieses Staates gegenüber Österreich sich befanden, dann braucht man nur die Worte des Herrn Dr. Rašín zu hören, der der Finanzminister dieser Regierungen war. Glauben Sie wirklich, daß ein Herr, der jetzt mit einem solchen Haß von Österreich spricht, als Finanzminister eine Politik der Freundschaft, der Annäherung, der Hilfeleistung gemacht hätte? Wir wollen aber nicht von Hilfeleistung, wir wollen nicht von Loyalität sprechen: meine Herren, seien wir uns doch klar darüber, es wird im internationalen Verkehr ganz so wie zumeist auch im Privatverkehr nicht unter dem Gesichtspunkt des Gefühls gehandelt, sondern es wird gehandelt unter dem Gesichtspunkt egoistischer Interessen. Wir nehmen es niemand übel im internationalen Verkehr, wenn er seinen gesunden Egoismus betätigt. Wir nehmen es nur übel, wenn umgekehrt an Stelle eines gesunden Egoismus eine Politik der Mißgunst, des Ressentiments und der Rache für irgendwelche eingebildete vergangene Sünden getrieben wird. Unter diesem Gesichtspunkt des Ressentiments betrachte ich aber die Politik, welche von einem Teil der Entente gegenüber der Anschlußidee gemacht wird. Der Friede von Versailles und die anderen Friedensschlüsse haben an zahllosen Stellen schwere Knechtungen des Selbstbestimmungsrechtes vorgenommen. Aber ich muß sagen, die schwerste, die am wenigsten verständliche und die am empfindlichsten treffende Vergewaltigung dieses Gedankens ist gegenüber Deutschösterreich erfolgt. Man kann es verstehen, wenn reale Interessen einen Staat zwingen oder zu zwingen scheinen, sich gegen irgend eine Betätigung eines grundsätzlichen, eines sittlichen Gedankens zu wenden. Aber beim Anschluß Österreichs waren keine realen Interessen, kein gesunder Egoismus im Spiele, sondern nichts anderes war im Spiele als der Prestigegedanke Fr nkreichs, als diese ungesunde Vorstellung, daß doch das besiegte Deutschand nicht mit einem Gewinn an Territorium und Menschen aus diesem Kriege herauskommen könnte. Und diese Prestigepolitik, von der man allmählich in der ganzen Entente abzurücken beginnt, diese Prestigepolitik, die schon in Frankreich selbst Gegner gefunden hat, nicht bei irgendwelchen kommunistischen oder besonders links orientierten Männern, sondern Männern wie Paul Hervé, diese Prestigepolitik, die sollen wir mitmachen, die soll der èechoslovakische Staat mitmachen? Ich will nicht davon sprechen, wie wir darüber denken, sondern davon, wie der èechoslovakische Staat über diese Frage denken müßte. Ich glaube, darüber sind Sie sich wohl alle im klaren, daß sich der Gedanke, der viele von Ihnen einmal beeinflußt hat, da es ganz schön ist, in einer Oase inmitten von Staaten mit schlechter Valuta zu leben, daß sich dieser Gedanke wohl als völlig verfehlt erwiesen hat und daß Sie froh wären, wenn Sie jetzt in einer anderen Nachbarschaft und anderen Umgebung leben und arbeiten könnten. Aber etwas anderes, meine Damen und Herren: unter den Gefahrenmöglichkeiten, die die Èechoslovakische Republik immer fürchtet, ist der Gedanke der Donauföderation mit oder ohne Verbrämung durch eine Restauration der Habsburger besonders gefürchtet. Glauben Sie nicht wirklich, meine Herren, daß dieser Gefahr, wenn Sie sie schon fürchten, durch nichts wirksamer begegnet werden kann, als durch den Anschluß Österreichs an Deutschland? Glauben Sie nicht, daß diese natürliche Politik eine viel wirksamere Bekämpfung dieser Gefahr ist, als eine noch so teuere, noch so zwecklose Mobilisierung? Und daher haben wir unseren Standpunkt in dieser Frage durch einen Resolutionsantrag, den ich Ihnen zur Annahme empfehle, vollkommen präzis zum Ausdruck gebracht.
Was die Kreditvorlage selbst anlangt,
nur ganz wenige Worte. Wir mißbilligen die politische Situation
und jene Umstände, die dazu geführt haben, daß Österreich überhaupt
in dieser Weise in eine Politik der Kredite hineingezogen worden
ist. Wir verurteilen es, daß diese Vorlage im besonderen mit politischen
Motiven verquickt worden ist, die mit ihr gar nichts zu tun haben
und gewissermaßen ein Äquivalent gegenüber der politischen Leistung
sein sollen. Wir mißbilligen es, daß die Bedingungen der Vorlage
so formuliert sind, daß sie drückend sind und in manchen Punkten
eine Einschränkung der österreichischen Souveränität bedeuten,
alles Umstände, auf die schon von anderen Seiten hingewiesen worden
ist. Wenn wir uns trotzdem entschließen, für diese Vorlage zu
stimmen, so geschieht dies unter dem Gesichtspunkte, daß wir auch
nur die Scheinhilfe, die Österreich in dieser Notlage erwartet,
abzulehnen nicht das Gewissen haben und weil wir auch nicht das
Gewissen haben, eventuell eine Erschwerung der politischen und
wirtschaftlichen Situation Östereichs dadurch herbeizuführen,
daß wir hier in irgend einer Weise zur Ablehnung der Kredite beitragen.
Meine Damen und Herren! Diese zwei Sektoren, die sie nicht gerne
in ihren Reihen sehen, die werden heute ein Bild bieten, wie es
selten bei politischen Fragen geschieht: es werden einige sitzen
und es wird die Mehrzahl stehen. Aber täuschen Sie sich darüber
nicht, daß das nur Unterschiede in den Nuancen sind. In der großen
Frage des deutschösterreichischen Problems, in der Frage, was
wir für Deutschösterreich wünschen, in der Frage des Anschlusses,
stehen wir heute vom äußersten rechten bis zum äußersten linken
Flügel geeint da. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Es ist wohl notwendig, daß ich mit Rücksicht auf die Meinungsverschiedenheiten der im parlamentarischen Verbande vereinigten Parteien zu dieser Vorlage auch den Standpunkt meiner Partei in dieser Frage kennzeichne. Ich erkläre von vornherein, daß wir für diese Vorlage stimmen werden, erkläre aber auch gleichzeitig, daß wir in der Auffassung über das Zustandekommen dieser Vorlage wohl alle eines Sinnes sind, und in der Richtung glaube ich, waren auch die Redner der Vertreter jener Gruppe, die nicht im deutschen parlamentarischen Verband sitzt, auf demselben Standpunkt. Der Entschluß, für die Vorlage zu stimmen, fällt mir und auch meiner Partei nicht leicht und wohl all denen, die von deutscher Seite dafür stimmen, genau so schwer wie mir. Die Gründe nochmals zu erörtern, halte ich für überflüssig. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß die Umstände, die seit dem Lana-Vertrag in die Erscheinung getreten sind, es doch etwas leichter machen, heute die Sache anders zu behandeln als damals unmittelbar nach der Verlautbarung und dem Bekanntwerden der Abmachungen von Lana, beziehungsweise von Prag.
Wir können nach zwei Seiten hin, nach einer wirtschaftlichen und einer politischen, streng unterscheiden. In der wirtschaftlichen zu helfen und mitzuwirken, waren wir von vornherein eigentlich alle einig. Die Begleiterscheinungen, die es uns schwer, ja fast unmöglich gemacht haben, auch hier mitzutun, waren von der politischen Seite ausgehend. Und heute haben wir von dem ersten Teil etwas vor uns, etwas, was wir von vornherein nichtablehnen wollten. Und wenn wir danebeen den zweiten, den politischen Teil, betrachten, so ist er eigentlich im Verhältnisse zu damals, wie wir ihn erfahren haben, durch die Erscheinungen doch schon sehr stark abgeschwächt. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Abmachungen des Lana-Vertrages auf politischem Gebiete zu wiederholtenmalenAbschwächungen undWiderrufungen der beteiligten Seiten in den Zeitunggen erfahren haben. Es hat Dr. Beneš dementiert, es hat Schober dementiert, es wurde von allen Seiten abgeleugnet, was eigentlich ausgemacht war und man hat dadurch die Wirkungen des politischen Vertrages von vornherein abgeschwächt, ehe er in die Erscheinung treten konnte. Geben wir uns doch keiner Täuschung hin: Schober ist über den Lana-Vertrag gefallen. Wenn er damals nicht unmittelbar ging, so war sein späterer Abggang unbedingt eine Folge der Abmachungen in Lana, und damit ist kundgetan, daß der politische Teil der Abmachung von Lana áuch eine entschiedene Ablehnung in Deutschösterreich erfährt. Ich glaube auch, daß der Vertrag von Lana, soweit er politische Seiten enthält, nie in Wirkung treten kann, das sich die Prager Herren damals vorgestellt haben und was sie erreichen wollten, wird an dem gesunden Sinn der Deutschösterreicher von vornherein zerschellen.