Úterý 20. èervna 1922

Und nun einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Rašín. Mit Emphase hat er ausgerufen: Wir leihen Österreich dasselbe, wie England! Meine Herren! Von Dr. Rašín, der sicher ein Fachmann auf dem Gebiete des Finanzwesens ist, hätte ich die Anwendung einer derartigen Arg umentation überhaupt nicht erwartet. England ist wirklich an der Gestaltung der Dinge in Österreich viel weniger interessiert, als die Èechoslovakei. Das habe ich bereits durch die Zahlen uns erer Außenhandelspolitik nachgewiesen. Mit der Industrie habe ich mich bereits beschäftigt. Dr. Rašín steht auf dem Standpunkte, daß in Österreich fast dieselbe Industrie ist wie in Böhmen. Er hat darauf hingewiesen, daß es ein Unglück für Österreich war, daß der Banknotenumlauf so vermehrt wurde. Auch wir stehen auf dem Standpunkte und es wäre nur zu wünschen gewesen, daß die Hilfe, die allein in jener Situation Österreich daran gehindert hätte, Banknoten zu drucken, rechtzeitig gekommen wäre. (Souhlas na levici.) Es ist keineswegs Österreich da an schuld. Aus den ganzen Ausführungen Dr. Rašíns hat ein grundsätzlich eingefleischterHaß gegen die Deutschen undÖsterreich und gegen dieses Wien, dem er nicht auf den Namen kommen kann, gesprochen. Er hat sich dazu verstiegen, von Vídeòští chlapi zu sprechen. Er hat gemeint: Wien hat es bewiesen, wie Recht wir gehabt haben, als wir Wien gehaßt haben; denn es zeigt sich, daß auch jene Länder, die gegenwärtig in Gemeinschaft mit Österreich sind, von Wien nichts wissen wollen. Es würde zuweit führen, wollte ich mich in dieser Richtung mit Dr. Rašín auseinandersetzen. Der èechoslovakische Staat besteht erst seit 3 1/2 Jahren und ich glaube sagen zu dürfen, daß es große Schichten der Bevölkerung gibt, die keineswegs Prag so ins Herz geschlossen haben, als es Dr. Rašín vielleicht glauben möchte. Es gibt große Schichten der èechischen Bevölkerung und auch jener Kreise, die in der Regierungsmehrheit sitzen, die keineswegs Prag so hoch schätzen, wie Dr. Rašín es meint.

Er hat gesagtgt, in Wien wird gespielt, wird nicht gearbeitet. Ich glaube sagen zu können, daß auch in der Èechoslovakei, daß auch in Prag gespielt wird, wie überhaupt, wenn sich Dr. Rašín mit einem Problem beschäftigt, ihm immer nur die oberste Schichte der Bevölkerung, nur die kapitalistische Schichte vorschwebt. Er bewegt sich viel zu wenig in den Arbeiterkreisen und kennt viel zu wenig die Not der Arbeiter. Wir müssen diese Verdächtigung des Wiener Volkes, soweit sie sich auf die arbeitenden Menschen bezieht, mit Entrüstung zurückweisen. (Souhlas na levici.) Man braucht, glaube ich, nicht inWien und Österreich zu leben, man braucht nur hie und da einen Ausflug nach Wien zu machen, um die Not und das Elend zu sehen, unter welchen die arbeitenden Menschen leben, man braucht nur anzusehen, welches Leben die Familien und die Kinder dieser Arbeiter zu führen haben. Dafür zeugt schon, daß tausende und abertausende dieser armen Würmer jahraus jahrein hinausgeschickt werden müssen, um sich ein wenig zu erholen, um ein wenig gerüstet zu sein, für die Not und das Elend, dem sie wieder im nächsten Jahre entgegengehen. Wie man angesichts dieser trostlosen Situation, die das Herz eines jeden Menschen rühren muß, so sprechen kann, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Dr. Rašín hat gemeint, daß eine Änderung der Mentalität des Volkes notwendig ist. Ja, es ist eine Änderung der Mentalität notwendig, aber der Mentalität der Kapitalistenklasse hier und dort. (Souhlas na levici.) Was an uns liegt, um das herbeizuführen, soll sicher geschehen.

Ich glaube schließen zu können, indem ich sage: Der Ausfall der Wahlen im Burgenlande, zu dem ich unsere österreichischen Genossen auf das herzlichste beglückwünsche, hat den evidenten Beweis erbracht, daß das österreichische Volk gewillt ist, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, wenn sich die geggenwärtigen Gewalthaber in Österreich als unfähig erweisen sollten, eine Politik zu machen, die im Interesse des arbeitenden Volkes, im Interesse der Republik, ist. Wir werden also mit ruhigem Gewissen und im Bewußtsein, wenigstens ein Quentchen dazu beizutragen, das Elend in Österreich gemildert zu haben, für die Vorlage stimmen. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. dr. Lodgmana (viz str. 1038 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren und Damen! Es ist wohl notwendig, daß auch meine Partei zu dieser traurigen Erbschaft des leider Gottes sehr unzulänglichen, Gott sei Dank aber jetzt verstorbenen Kanzlers Schober in Österreich Stellung nimmt, umsomehr als es vielleicht sonst falsch gedeutet werden könnte, warum meine Partei sich im auswärtigen Ausschuß gegen die Vorlage ausgesprochen hat und warum sie auch hier gegen diese Vorlage Stellung nehmen wird. Es ist dies umso notwendiger, als der Verlauf der Wechselrede ja zur Genüge bewiesen hat, daß diese Vorlage durchaus nicht das ist, als as sie sich gibt, eine Finanzvorlage, sondern daß sie vielmehr eine bedeutende politische Grundlage, einen politischen Hintergrund hat.

Ich möchte die Frage, ob für diese Vorlage einzutreten sein wird oder nicht, von zwei Gesichtspunkten aus beurteilen. Erstens von der Beantwortung der Frage aus, ob der hier Österreich bewilligte Kredit Österreich eine wirkliche finanzielle Hilfe bringt, und zweitens, ob er politisch zu rechtfertigen ist.

Ich will nicht auf die Einzelheiten der Vorlage eing ehen. Das hat der Herr Referent bereits besorgt und auch meine Herren Vorredner haben sich mit einzelnen Bestimmungen zur Genüge beschäftigt.

Ich habe nur die Absicht, auf drei Momente hinzuweisen, die, wie ich glaube, hier nicht genügend erörtert worden sind, die aber immerhin das Wesen dieser Vorlage kennzeichnen. Zunächst ist dies der Umstand, daß der Kredit, den die èechoslovakische Republik Österreich gewährt, in dem Augenblick in einen Völkerbundkredit übergeht, wo Österreich einen solchen Völkerbundkredit zugesprochen erhält. Und da glaube ich, wäre es denn doch gut, zu wissen, ob die Nachrichten auf Wahrheit beruhen, welche seinerzeit dahin lauteten, daß der Herr Minister des Äußeren Dr. Beneš sich in Genua dagegen ausgesprochen hat, daß die Generalpfandrechte der siegreichen Länder Österreich gegenüber auf die Tagesordnung der Konferenz von Genua gestellt werden, und ob es richtig ist, daß Italien die Besprechung der Rückstellung dieser Generalpfandrechte durchsetzen wollte, daß aber diese Besprechung über Einspruch der Kleinen Entente, jedenfalls des Herrn Ministers des Äußern Dr. Beneš unterblieben ist, mit der Begründung, daß dieser Gegenstand nicht auf dem Programm von Genua stand. Wenn diese Nachricht der Wahrheit entspricht, dann glaube ich, meine Damen und Herren, ist doch diesem Verhalten des Vertreters der èechischen Regierung eine große Bedeutung im Verhältnis zu der hier verhandelten Vorlage zuzumessen.

Zweitens: Herr Kollege Taub hat gemeint, daß die Lokalbahnaktien, welche in dieser Vorlage verpfändet werden, gewiß zu einem niedrigen Kurs würden übernommen werden. Ich weiß natürlich nicht, zu welchem Kurse sie in Rechnung gestellt worden sind. Aber ich möchte in dieser Beziehung auf die Bemerkung des Finanzministers Dr. Gürtler hinweisen, der bei Beratung dieser Vorlage im österreichischen Nationalrat selbst angeführt hat, daß es natürlich die betreffenden Verwaltungen jederzeit in der Hand haben, die Dividenden der in Betracht kommenden Aktien so niedrig zu stellen, daß diejenigen Besitzer, welche nicht èechischer Nationalität sind, an dem Besitze dieser Aktien gar kein Interesse mehr haben; mit anderen Worten, er wollte damit sagen, wenn die èechische Regierung will, so werden diese Lokalbahnaktien solange nichts wert sein, solange sie sich nicht in èechischen Händen befinden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird auch ganz bestimmt eintreten. In dieser Richtung wird sich zweifellos die Politik der èechischen Regierung bewegen.

Und schließlich ein ganz kurzes Streiflicht auf das, was schon heute durch diese Vorlage verdient worden ist Es ist dies die Kleinigkeit von 1 1/2 Millionen Kronen, welche bereits als Provision für die Vermittlung des Vorschusses auf diesen hier zu bewilligenden Kredit ausgezahlt worden sind. Sie sehen also, meine Damen und Herren, - und es ist selbstverständlich, daß die Živnobank, der ja auch Herr Dr. Rašín gewiß sehr nahe steht, in erster Reihe bei diesen Unternehmungen beteiligt ist, - daß bei allen diesen Unternehmungen das Interesse der vermittelnden Banken gewiß zumindest nicht zu kurz kommt. Soviel über die finanzielle Bedeutung der Vorlage.

Politisch, meine Damen und Herren, gilt von dieser Vorlage wahrlich das alte römische Wort: "Timeo Danaos et dona ferentes." Ich stelle erstens fest, daß der Herr Minister des Äußern Dr. Beneš auf eine von mir im auswärtigen Ausschusse diesbezüglich vorgebrachte Anfrage seinerzeit ausdrücklich erklärt hat, daß die Prager Abmachungen ein Ganzes bilden, und daß sie natürlich so zu verstehen sind, daß das eine ohne das andere nicht in Kraft treten werde. Das hat er ausdrücklich festgestellt. Demgegenüber stelle ich fest, daß sich heute das Haus in der Lage befindet, über einen Teil dieser Abmachungen hier sein Urteil abgeben zu müssen, ohne offiziell in Kenntnis der politischen Abmachungen zu sein. Ich erachte es als dem Wesen des Parlamentarismus widersprechend. Mag auch der Herr Berichterstatter des auswärtigen Ausschusses die Ansicht vertreten haben, die Abmachungen hätten keiner politischen Ratifikation durch das Parlament bedurft, so behaupte ich, daß sie trotzdem vorzulegen gewesen wären, weil sie im engsten Zusammenhang mit dieser dem Parlament vorzulegenden finanziellen Vorlage stehen.

Nun, meine Damen und Herren, müssen wir diese Vorlage natürlich nicht nur vom Standpunkte Österreichs, sondern auch von Standpunkte unserer, der deutschsudetenländischen Politik beurteilen. Und wir glauben hier sagen zu dürfen, daß mit diesen Abmachungen, die Kanzler Schober seinerzeit hier in Prag und in Lana getroffen hat, uns, den Sudetendeutschen, der Dank des Hauses Österreich vermittelt wurde, der bereits sprichwö rtlich bekannt ist. Ich scheue mich gar nicht, festzustellen, daß die Politik, die das österreichische Kabinett in dieser Frage verfolgt hat - und ich mache in erster Reihe Schober für diese Politik verantwortlich - derartig ist, daß sie mit den Interessen, welche wir vertreten und zu wahren haben, sich kreuzt. Aber in der Politik hat man natürlich nicht mit Anerkennung oder Dank zu rechnen. Sonst müßte ich sagen: Das ist wahrscheinlich der Dank, der uns dafür zuteil wurde, daß wir im Jahre 1918 einhellig uns an Österreich angeschlossen haben.

Aber der Dank von der anderen Seite ist den Herren auch schon zuteil geworden, denn heute haben wir bereits erfahren, was es heißt, wenn Österreich sich in die Schuldknechtschaft der èechischen Regierung begibt.

Nun wurde hier ausgeführt, daß es nicht wahr sei, daß die èechoslovakische Regierung eine Politik gegen Wien betrieben hätte. Ich will auf diese Frage nicht näher eingehen; ich glaube, daß für jederman, der Gelegenheit hatte, die Zeiten nach dem Umsturz mitzuerleben, die Politik der damaligen maßgebenden Herren in Prag ziemlich durchleuchtend und klar war. Es hat vielleicht nur noch gefehlt, daß die Herren von der èechischen Politik öffentlich ihrem Wunsche Ausdruck gegeben hätten, dieses Wien und dieses Österreich möchten zugrunde gehen. Gewiß haben sie alles unternommen, was dazu führen konnte, und darüber können die Herren, die Gelegenheit hatten, diese Dinge in Wien mitzuverfolgen, genügend Auskunft geben. Aber, meine Damen und Herren, es wird hier und wurde auch heute wiederum die Bemerkung vorgebracht, daß durch die Behauptung, Deutschösterreich sei nicht lebensfähig, eigentlich bewiesen wurde, daß das seinerzeitige Deutschösterreich, nämlich solange es im Verbande der österreichischen Mona rchie war, von den Sudetenländern erhalten wurde. Ich bedauere, daß ein ernst zu nehmender Politiker überhaupt eine solche Parallele ziehen kann. Man kann doch unmöglich aus der einen Behauptung das andere ableiten, man kann doch den damaligen Staat, der ein einheitliches Wirtschafts- und Zollgebiet war, nicht willkürlich auf irgendwelche Teile beschränken und zerschneiden. Das ist doch eine ganz kindliche Auffassung, mit der man sich ernsthafterweise gar nicht beschäftigen kann. Was im übrigen die Anschlußfrage betrifft, werde ich ja noch Gelegenheit haben, dazu einige Worte zu sagen. Ich habe mir während der Wechselrede, die ich hier gehört habe, weiß Gott gewünscht, es möchte Herr Kanzler Schober hier sein, um zu hören, was er sich von dieser Stelle aus sagen zu lassen hat als Gegengeschenk dafür, daß heute die èechische Reepublik so großmütig ist, dem armen bankerotten Österreich einen Kredit in èechoslovakischer Währung zu leihen. Da, glaube ich, hätte er eine andere Auffassung von der Loyalität des Herrn Dr. Beneš gewonnen, die er ja gelegentlich so unterstrichen hat, daß er sogar soweit ging, zu behaupten, Herr Dr. Beneš sei bemüht, den Deutschen in diesem Staate Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er hat wie in so vielem anderen auch hier gezeigt, daß er vollkommen unterrichtet war, und auf unsere diesbezüglichen Anfragen hat er keine Antwort gewußt.

Nun, der Herr Berichterstatter Doktor Hnídek hat Österreich einige gute Lehren mit auf den Weg gegeben und ich hoffe, daß auch die Herren, die jetzt im Kabinett sitzen, diese wichtigen Lehren nicht unbeherzigtg lassen werden. Erstens einmal hat Österreich ordentlich zu wirtschaften, zweitens kann ihm nicht geholfen werden, solange es so wirtschaftet, wie heute und es möchte sich ein Beispiel an uns nehmen. Bitte, meine Dam en und Herren, das sind doch natürlich nur Worte. Es ist aber zumindest unvorsichtig von dem Berichterstatter eines Ausschusses, hier in dieser amtlichen Eigenschaft so zu sprechen, denn sonst könnte Österreich mit der naiven Anfrage zurückantworten, ob damit vielleicht auch die Aufstellung eines Heeres von 150.000 Mann gemeint sei. Dann erwähnte der Herr Berichterstatter die Erfüllung des Vertrages von Lana, insbesondere bezüglich der èechischen Minderheit und das èechische Schulwesen inÖsterreich. Ich glaube, es wird niemanden geben, der sich dagegen ausspricht, daß in dieser Beziehung alles geschehe, was der Gerechtigkeit entspricht. Wogegen wir uns aber ganz entschieden und immer wieder verwahren müssen, ist das, daß man von diesem Platz aus versucht, uns hier in eine Parallele mit der èechischen Minorität in Wien, Oberösterreich oder sonstwo in Österreich zu stellen. Dieser Vergleich ist gänzlich unmöglich und unstatthaft und zeigt nur, mit welchen Augen die Friedensverträge hierzulande angesehen werden.

Der Herr Berichterstatter des Finanzausschusses hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir hier vor einem ungeheuren Valutaproblem stehen und es fraglich ist, ob dieses Problem durch Anleih en überhaupt gelöst werden kann. Ich stimme ihm in diesem Punkte völlig bei. Dieses Problem wird durch Anleihen, sei es dieser oder jener Art, niemals gelöst werden, und der Herr Berichterstatter des Finanzausschusses hat auch die Hand auf die schwärende Wunde Europas gelegt, indem er gesagt hat, daß die Verhältnisse im dreizehnten Jahrhundert - ich glaube, dieses Jahrhundert hat er genannt - fast wiederzukehren scheinen, wo jeder kleine Staat, jede Stadt dachte, für sich allein wirtschaften und arbeiten zu können. Das ist die Wunde, an der Europa krankt. Heute hat man Europa zerschlagen in eine Menge kleiner in sich selbst unvollkomme

er und nicht ausgebauter Wirtschaftsgebiete, anstatt daß man, dem Zuge der Zeit folgend, die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Völker erweitert hätte. Solange diese Verhältnisse, wie sie sich heute auf den Friedensverträgen von Versailles und St. Germain usw. aufbauen, solange diese Verhältnisse nicht beseitigt werden, solange wird es weder zur Konsolidierung, noch zu eineem Frieden in Europa kommen. Darüber mögen sich alle, die hier mitzusprechen haben, vollständig im klaren sein.

Nun zu Herrn Dr. Rašín, der mit der ihm üblichen Zungenfertigkeit so bittere Wahrheiten, wie er meinte, hier festgestellt hat und uns erklärt hat, woran eigentlich dieses verrottete Österreich krankt. Ich bin der letzte, der etwa leugnen wollte, daß die Politik in Österreich in vielfacher Beziehung verkehrt und fals ch war. Ich habe eben vor einer Weile den Standpunkt der offiziellen Politik Österreichs gerade an dieser Vorlage kritisiert. Aber wenn Herr Dr. Rašín ein Werk des jetzigen Präsidenten Dr. Hainisch aus dem Jahre 1880 anführt, welches sich betitelt "Die Zukunft der Deutschösterreicher", und dieses Werk zum Beweise für die heutigen Verhältnisse anführt, dann muß ich denn doch zunächst einmal fragen, ob Herr Dr. Hainisch unter Deutschösterreichern damals nur das jetzige Deutschösterreich oder vielmehr nicht auch die deutschen Sudetengebiete inbegriffen hat. Man kann daher, meiner Ansicht nach, ein derartiges Werk durchaus nicht beiziehen, wobei ich auf Einzelheiten nicht eingehen will, die im übrigen auch schon gestreift worden sind. (Posl. inž. Jung: Es wäre besser, wenn er sich auf Ausführungen des Präsidenten Masaryk aus früherer Zeit beziehen würde!) Auch das wäre sehr wünschen swert. Herr Dr. Rašín macht nun zwei Faktoren für die Verhältnisse in Österreich verantwortlich, zunächst einmal die Bevölkerung und zweitens die unmögliche Politik des Landes, und er sagt - ich verstehe einen solchen Standpunkt zu würdigen - daß es heute unter den schwierigen Nachkriegszeiten die Pflicht einer jeden führenden Regierung sein müßte, der Bevölkerung ins Gedächtnis zu rufen, daß eine Heilung der heutigen Schäden nur durch angestrengte Arbeit und Anspannung aller Kräfte erfolgen kann. Ich glaube, auch in dieser Beziehung kann ihm jedermann beipflichten, wenn auch freilich nicht zu leugnen ist, daß man vom Sitze mehrerer Verwaltungsratstellen aus Enthaltsamkeit allerdings leicht zu predigen in der Lage ist. Aber grundsätzlich ist das zweifellos richtig und es ist auch richtig, daß das System, welches nicht nur in Österreich, sondern auch anderwärts vielfach verfolgt wurde, bisher durchaus nicht zur Heilung der Schäden und zur Konsolidierung der Staaten geführt hat.

Aber eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf man, glaube ich, füglich nicht zum Vergleiche heranziehen: Herr Dr. Rašín meint, es sei in drei Jahren gelungen, durch eine verkehrte Politik die Bevölkerung Österreichs gegen Wien aufzubringen, was infolge der Taubennatur der Èechen hier erst in drei Jahrhunderten möglich gewesen sei. Ich glaube, Herr Dr. Rašín würde bei Nachprüfung einer solchen Behauptung mir Recht geben, wenn ich behaupte, daß diese drei Jahrhunderte, die das èechische Volk in den Mauern Österreichs verbracht hat oder wie Sie sagen, verbringen mußte, viel leicht die Rettung des èechischen National gedankens waren und daß gerade das èechische Volk während dieser drei Jahr hunderte nicht im mindesten die Ursache hatte, von solchen Gefühlen erfüllt zu sein, wie sie heute nach seiner Schilderung im übrigen Österreich gegenüber Wien herrschen. Nun sind natürlich zweifellos diese Gefühlsmomente in Österreich vorhanden; ich habe nicht die Aufgabe, auf sie näher einzugehen, denn sie sind ja vollständig bekannt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Politiker sollte natürlich auch wissen, daß es unmöglich ist, so einfach etwas, was klaar erkannt wurde, in die Welt zu setzen, solange nicht hiefür die tatsächlichen oder psychologischen Vorbedingungen und Voraussetzungen geschaffen worden sind. Man kann nicht Epochen beliebig überspringen und andere an ihre Stelle setzen, sondern auch hier gilt der Satz, daß sich eine aus der anderen entwickelt; und wir können heute durchaus nicht sagen, daß in dieser Beziehung Österreich an den Abschluß seiner Entwicklung angelangt ist, genau so wenig, wie es der èechischen Regierung mögglich war, die bolschewistischen Auswüchse nach dem Umsturze hier zu beseitigen und zu verhindern, und Sie werden mir alle echt geben, daß derartige Dinge hier vorgekommen sind. Genau so wenig kann eine Regierung anderwärts in dem brodelnden Chaos der Ereignisse einfach so fortschreiten, wie sie es rein verstandesgemäß erkennen könnte. Freilich, ich will nicht leugnen, daß man vielleicht hätte Mehreres machen können.

Dr. Rašín nannte in seiner Rede die Politik Österreichs eine Bankerottpolitik und erklärte, Österreich hätte alle Vorteile weggeworfen, welche ihm natürlich zugekommen waren; es sei im ggroßen und ganzen eine Spielhöhle und sein Kapital sei entweder entwertet oder verschwúnden. An der Richtigkeit der letzteren Behauptung läßt sich gewiß nicht zweifeln. Nur scheint mir der Sanierungsplan Dr. Rašíns denn doch etwas zu einfach gewesen zu sein; er sagte nämlich selbst, es müßte zuerst die Mentalität der Bevölkerung Österreichs geändert werden. Das ist ein großes Wort, gelassen ausgesprochen. Ich glaube, daß es auch beim besten Zureden nicht gelingen wird, die Mentalität Dr. Rašíns z. B. in der nationalen Frage zu ändern, und um wieviel weniger kann man glauben, daß das so im Handumdrehen ohne weiteres bezüglich einer Massenerscheinung der Fall sein könnte. Er hat den Bolschewismus, den er als trockenen Bolschewismus bezeichnete, verurteilt und hat zum Schluß erklärt - und das scheint mir für die deutschen Parteien, welche vor der Frage stehen, ob sie für oder gegen diese Vorlage Stellung zu nehmen gedenken, denn doch zi mlich wichtig zu sein - er hat erklärt, daß er seine Stimme dieser Vorlage aus politischen Gründen geben werde, um gewissermaßen so den Beweis zu erbringen, daß die Einwürfe, welche man von deutscher, und zwar von hierländischer und ausländischer deutscher Seite gegenüber der èechischen Politik erhebt, unrichtig seien. Es ist also klar, daß auch für jene Seite dieser Kredit in erster Reihe ein Politikum ist und auch Dr. Hnídek hat im Ausschusse gemeint: "Ja, wenn die Deutschen kein Interesse an diesem Kredite hätten, dann mchten sie es nur sagen. Ich habe ihn darauf aufgefordert, ruhig gegen diesen Kredit zu stimmen, und ich fordere auch heute die èechischen Parteien hiezu auf wir wenigstens wollen von diesem Staat weder Gnaden noch Gunstbezeugungen haben; wenn andere dies notwendig befinden, dann mögen Sie es natürlich auch verantworten.

Im Übrigen möchte ich Herrn Dr. Rašín eines sagen: Für uns ist die Anschlußfrage Österreichs an Deutschland in erster Reihe keine Wirtschaftsfrage. Wir leugnen nicht, wir sind uns darüber klar, daß diese Frage natürlich ein ungeheures ökononmisches und wirtschaftliches Moment in sich einschließt. Aber an sich ist für uns die Frage des Anschlusses Österreichs an Deutschland nichts anderes als eine Frage des Willens der betroffenen Bevölkerung. Und so haben wir auch unsere Politik hier eingerichtet und es ist ganz müssig, heute darüber zu reden, ob dieser Anschluß in Bälde oder nicht in Bälde erreicht werden wird. Meiner Überzeugung nach wird er kommen, weil er kommen muß, denn diese Bedürfnisse, diese Bestrebungen der Völker sind natürlich stärker, als papierene Resolutionen und selbst als Friedensverträge, auch dann, wenn sogar der Name des Dr. Beneš unter ihnen zu lesen ist. Genau so wie wir die Frage des Anschlusses Deutschösterreichs an Deutschland betrachten, genau so betrachten wir die Lösung des gesamten Problems nicht nur Mitteleuropas, sondern Europas überhaupt, und wenn es überhaupt möglich sein soll, zwischen den einzelnen Völkern die heute aufgerichteten Zoll-, Polizei- und andere Hindernisse zu beseitigen, dann gibt es hiezu nur eine Grundlage, und das ist die Erfüllung des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen. Ohne Erfüllung dieses Rechtes wird es natürlich niemals zu einer Einigung Europas in dem von mir angedeuteten Sinne kommen, obzwar diese Einigung im Zuge liegt und obzwar ich die Überzeugung habe, daß sie stärker ist als alle Hindernisse, die sich ihr heute in den Weg stellen.

Und nun einige kurze Bemerkungen zu dem, was mein Herr Vorredner gesagt hat. Herr Kollege Taub hat der Meinung Ausdruck gegeben, daß darüber, ob Österreich durch diese Vorlage versklavt wird, wie sich Herr Kollege Jung ausgesprochen hat, in erster Reihe die Österreicher selbst zu entscheiden haben. Gewiß, daran läßt sich nicht zweifeln. Wir aber haben von unserem Standpunkt aus zu überprüfen, ob wir diese Notlage der Österreicher dadurch unterstreichen wollen, daß wir eine derartige Stellungnahme der èechischen Regierung zu Österreich gutheißen, und daher bin ich der Anschauung, daß wir eine ablehnende Haltung einzunehmen haben.

Daß Herr Kollege Taub es für notwendig befunden hat, vom Weltkrieg als von unserem Krieg, wie er sich ausdrückt, zu sprechen, das erscheint mir nachgerade als Ladenhüter, den man nichtmehrhervorziehen sollte, weil es so leicht ist, darauf hinzuweisen, daß ja doch die gesamte deutsche Sozialdemokratie in Deutschland für den Krieg gestimmt hat durch die Bewilligung der Kriegskredite und daß die österreichischen Sozialdemokraten eben zu ihrem Glück vielleicht der Möglichkeit benommen waren, durch Schließung des Hauses, ebenfalls hiezu Stell ng zu nehmen. Also lassen wir das, meine sehr gegehrten Damen und Herren, es hat keinen Zweck darüber zu sprechen. (Výkøik: Dieses Glückes sind Sie auch teilhaftig geworden.) Gewiß, auch ich habe damals nicht sti mmen können, ich rühme mich aber dessen nicht. Und Herr Kollege Taub hat davon gesprochen, daß leider Gottes dieses Österreich unseren Vorschlag zur Sanierung seiner Finanzen systematisch abgelehnt hat. Bitte, ich weiß nicht, was ich unter "unserem" Vorschlag zu verstehen habe, ich bin heutte nicht in der Lage, mich in den Schattierungen der verschiedenen sozialdemokratischen Parteien auszukennen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)

Ich bitte, meine Worte durchaus nicht als Kritik zu betrachten, sondern lediglich als die Feststellung einer Tatsache, die ich sofort zu Ihrem Wohlgefallen erklären werde. Ich muß sagen, daß ich annehme, daß Herr Kollege Taub sich mit den in Österreich gemachten Vorschlägen der Sozialdemokratie in Beziehung auf die Sanierung der österreichischen Finanzen identifiziert. Allerdings muß ich bemerken, daß die österreichische Sozialdemokratie in dieser Beziehung mehr Wasser hineingegossen hat, als das sozialdemokratische Weinprogramm überhaupt noch verträgt, während die sozialdemokratische Partei im Jahre 1918 mit vollem Winde, mit vollen Segeln der Sozialisierung entgegensteuerte, haben wir jetzt feststellen können, daß das neueste Programm der österreichischen Sozialdemokratie sagt: "Wir begnügen uns damit, ein System praktischer Maßregeln vorzuschlagen, die durchwegs schon im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung durchführbar sind. Die Sozialisierung wird bis aufweitereszurückgestellt." (Posl. Èermank: Quelle nennen!) Das ist zitiert von Dr. Karl Brockhaus. (Posl. Èermak: Ist das eine offizielle Parteikundgebung?) Aber das ist ja doch bekannt und war in allen Zeitungen zu lesen. Ich bin der letzte, der diesen Sozialisierungsplänen eine Träne nachweint, denn ich weiß ja gar nicht, was darunter verstanden wird. Aber die Begründung für dieses Verhalten der sozialdemokratischen Partei ist zumindest interessant. Während die unentwegten Marxisten selbstverständlich auf dem Standpunkt der Verelendungstheorie stehen müssen, (Výkøiky a odpor nìm. soc. dem. poslancù.) während wenigstens Marx bekanntlich auf dem Standpunkt der Verelendungstheorie stand, aus der sich heraus die Sozialisierung entwickeln sollte, sprechen heute die österreichischen Sozialdemokraten von der Gefahr der fortschreitenden Verelendung der Massen. (Výkøiky.) Das ist ein Widerspruch, wie man ihn größer sich nicht vorstellen kann. Und es nützt kein Lächeln und es nützt kein Ableugnen; es ist eben so geworden, und nicht nur in Österreich, daß sich die eherne Wirklichkeit als hä rter und strenger erwiesen hat, als die papierenen und geistigen Theorien. Das sehen wir auch heute Schritt für Schritt und wir können uns daher gar nicht verwundern, wenn heute diese Vorschläge wesentlich anders aussehen, als sie noch vor einem Jahr ausgesehen haben.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP