Ètvrtek 30. bøezna 1922

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 132. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 30. bøezna 1922.

1. Øeè posl. Roschera (viz str. 84 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahl der Arbeitslosen hat im Laufe der letzten Monate und Wochen eine ganz bedeutende Vermehrung erfahren. Wir zählten im November vorigen Jahres nach der amtlichen Zählung des Ministeriums für soziale Fürsorge ungefähr 13.000 Arbeitslose und nach den Berichten, die uns zugegangen sind, soll die Zahl der Arbeitslosen im gegenwärtigen Zeitpunkt 50.000 betragen. Das ist aber nicht die wirkliche Zahl, diese amtlich festgesetzte Zahl, und sie läßt auch keinen Schluß zu, wie groß die Wirtschaftskrise in diesem Staate und die Arbeitslosigkeit im allgemeinen ist. Wir können feststellen, daß vielleicht nur ein Drittel bis ein Viertel der Arbeitslosen durch die amtliche Zählung erfaßt wird und daß die andere große Zahl der Arbeitslosen in dieser amtlichen Zählung nicht inbegriffen ist. Je mehr nun die Arbeitslosigkeit wächst, um so schwieriger werden die Lebensverhältnisse für unsere Arbeiterschaft. Die Arbeiter können sich von dem, was sie an Arbeitslosenunterstützung erhalten, nicht einmal soviel kaufen, um zur Not das nackte Leben zu fristen, und sie sind auch nicht imstande, andere Artikel zu kaufen, die sie zum Leben benötigen. Dadurch sinkt der Konsum weiter, die Produktion wird weiter eingeschränkt und so neue Arbeitslosigkeit geschaffen.

Man sagt uns: Ja, die Wirtschaftskrise als solche ist eine internationale Erscheinung und es ist unmöglich, daß wir imstande sind, auch nur das Mindeste zu tun, um diese Erscheinung, die durch den Krieg und seine Auswirkungen herbeigeführt wurde, zu beseitigen. Wenn ein anderer Friede geschlossen worden wäre und wenn im allgemeinen nach dem Kriege das Zusammenwirken der Völker zum Wiederaufbau der wirtschaftlichen Beziehungen beigetragen hätte, dann hätte dieser Zust and, wie wir ihn gegenwärtig in allen Staaten haben, nicht eintreten können. Ich erinnere daran, daß vorgestern der deutsche Reichskanzler Dr. Wirth im deutschen Reichstag erklärt hat: Die deutschen Arbeiter hungern bei der Arbeit und der englische und der französische Arbeiter ist arbeitslos und hungert. Es ist ein großer Widerspruch, den wir gegenwärtig in der ganzen Wirtschaft sehen, daß in England beispielsweise, wo die Valuta hochwertig ist, Hunderttausende, ja Millionen Arbeiter arbeitslos sind, die trotz der hochwertigen Valuta verhungern müssen, und daß auf der anderen Seite, wo man versucht, dieses Deutschland vollends niederzuringen und zum Zusammenbruch zu bringen, in diesem Deutschland die Leute wohl arbeiten, aber ebenfalls bei der Arbeit hungern, aber immer noch besser leben, als in jenen Staaten, wo die Leute arbeitslos sind und überhaupt über keinen Verdienst verfügen. Es wird eine besonders wichtige Aufgabe auch dieses Staates, in dem wir leben, sein, alles zu versuchen - und wenn die Kleine Entente einen Zweck und ihr Wirken einen Inhalt haben soll, muß sie alles tun - daß Deutschland vor dem Zusammenbruch bewahrt bleibt. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)

Meine Damen und Herren! Wenn Deutschland zus ammenbricht, so brechen unmittelbar auch wir mit zusammen, weil unsere wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland und Deutschösterreich so eng verknüpft sind, daß ein Zusammenbruch, ein Sturz ins Verderben auch für uns das Verderben mitbedeuten würde. Deshalb sagen wir, daß das, was drüben in Deutschland geschieht, wo man immer mehr Lasten den Deutschen auferlegt, daß dieser Zustand, wenn er in dieser Form weiter getrieben wird, auch uns und den Weststaaten letzten Endes zum Verhängnis werden muß. Wir haben die ganze Zeit hindurch, solange dieser Staat besteht, eine Wirtschaftspolitik der westlichen Orientierung betrieben. Man hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß wir davon abhängig sind, was in Frankreich und England geschieht, und man hat sich gar nicht um unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von den nächstliegenden Staaten gekümmert. Wir werden in Hinkunft das wird unsere volkswirtschaftliche Aufgabe sein - in diesem Staat versuchen müssen, uns weniger westlich zu orientieren, vielmehr uns nach den wirtschaftlichen Verhältnissen unserer nächstliegenden Staaten zu orientieren, mit denen wir in wirtschaftlich regen Beziehungen stehen.

Es gibt eigentlich heute zur Beseitigung der Krise in Europa zwei große Probleme. Diese zwei großen Probleme, die zu lösen sind, heißen Deutschland und Rußland. Ohne die Lösung dieser beiden Probleme in Europa, daß man auf der einen Seite Deutschland vor dem Zusammenbruch bewahrt und anderseits mit Rußland in innige Handelsbeziehungen tritt, damit wir auch dort wieder unsere Produkte absetzen können und die Menschen in Rußland das kaufen können, was wir erzeugen - ohne diese Lösung dieser beiden weltwirtschaftlichen Probleme wird eine Gesundung nicht eintreten und wird die Krise im allgemeinen nicht beseitigt werden können. Es kommen da ungefähr 200 Millionen Menschen in Betracht und es ist nicht gleich, ob diese Menschen in Europa zugrunde gehen, ob sie konsumieren, ob sie kaufen können, sondern es ist unsere Pflicht und die Pflicht jedes modernen Staatswesens und jedes modernen wirtschaftlichen Körpers im Staate, dafür zu sorgen, daß alle diese Menschen die Möglichkeit haben, mit uns in enge Beziehungen zu treten. Wir haben aber auch nicht bloß eine Weltwirtschaftskrise, sondern wir haben in diesem Staate eigentlich zwei Krisen: Wir haben auch eine inländische Krise, eine sogenannte èechoslovakische Krise. Es könnte vielleicht, wenn wir eine andere Wirtschaftspolitik seit Beendigung des Krieges betrieben hätten, in diesem Staate manches besser sein, als es im gegenwärtigen Zeitpunkt ist. Die èechoslovakische Republik ist ja in ihrem Innern kein allzuarmes Land. Wir haben eine ganze große Anzahl von Bodenschätzen in diesem Lande, die uns die Möglichkeit bieten, sie zu exportieren, um an ihrer Stelle Rohstoffe einzutauschen. Wenn wir schon nicht imstande sind, so wie wir es wollen, im allgemeinen zur Beseitigung der Weltwirtschaftskrise beizutragen, dann müssen wir versuchen und ehrlich versuchen, daß wir zumindest die Schwierigkeiten, die die Krise im Innern herbeigeführt haben, beseitigen helfen. Es wird allerdings nach den Erfahrungen, die wir mit unseren Handelsministern in unserem Staate gemacht haben, nicht leicht möglich sein. Ich kann mich erinn ern, daß gleich nach dem Umsturze der Handelsminister der ersten Regierung - ich glaube, es war der Handelsminister Dr. Stránský - ganz offen erklärt hat: "Ja, wir werden eine Industriepolitik machen, werden ber nur die èechische Industrie schützen, weil die deutsche Industrie des Schutzes nicht bedarf." Wenn wir eine Wirtschaftspolitik und eine Industriepolitik in diesem Staate machen wollen, dann muß es eine allgemeine sein, die frei von jedem nationalen Chauvinismus ist, denn jede einseitige Wirtschaftspolitik in diesem Staate muß sich auf der einen Seite zum Schaden der anderen Seite rächen. Wir haben dasselbe ja auch bei dem früheren Handelsminister Hotowetz gesehen. Und ich muß offen aussprechen, daß auch der gegenwärtige Handelsminister nicht der richtige Mann an seniem Platze ist. Er ist viel zu viel Nationaldemokrat und Parteimann und viel zu wenig Handelsminister, was im großen und ganzen in unserem wirtschaftlichen Leben zum Ausdruck kommt. Ich möchte nur an die letzte Zeit erinnern, an eine Aussprache anläßlich einer Enquete, die mit den Textilindustriellen und den Vertretern der Arbeiterorganisationen im Handelsministerium stattfand, wo die Unternehmer eine Reihe von Forderungen vorgebracht haben, die gewiß vom Standpunkt des Staates so nicht alle erfüllbar sind, aber ein Teil davon wäre sicherlich einer ernsten Würdigung auch vom Standpunkte der Arbeiter wert gewesen, daß man darauf näher eingegangen wäre. Der Herr Handelsminister Novák hat sich die Sache sehr leicht gemacht; er hat rund heraus erklärt: "Meine Herren! Wenn Sie wollen, daß wir das durchführen sollen, dann ist es am besten, Sie sperren Ihre Betriebe und die Arbeiter sollen umlernen." Ich weiß nicht, wie sich der Herr Handelsminister das Umlernen vorstellt. Gewiß wäre in diesem Staate das Umlernen sehr am Platze, und wir möchten ganz besonders dem Herrn Handelsminister den Rat geben, für sein Ressort umzulernen und eine Politik des wirtschaftlichen Aufbaues unbekümmert um nationale Eigenheiten in diesem Staate durchzuführen.

Wir haben vor ungefähr 14 Tagen eine gemeinsame Kundgebung durch unsere Gewerkschaftskommission, durch unsere politische Partei und die Genossenschaften erlassen, worin wir anführen, was geschehen muß, um auch im Inland zu versuchen, die Krise einigermaßen einzudämmen. Wir fordern darin, daß die Kohlensteuer beseitigt werden müsse, die eine ungeheuere Belastung für die Industrie bedeutet und zum Teil ihre Konkurrenzunfähigkeit herbeiführt. Ich erinnere ferner daran, daß die Aufhebung der Kokssteuer bedeuten würde, daß unsere Metallindustrie in einer ganzen Reihe von Industriezweigen arbeiten könnte und dadurch die Konkurrenzfähigkeit sichergestelltwerden könnte. Ähnlich steht es mit den Frachttarifen. Es wird im Wert der Frachtgüter kein entsprechender Unterschied gemacht und nicht berücksichtigt, ob der Wert der Ware groß oder klein ist. Auch auf die Entfernungen ist keine Rücksicht genommen, es wird auch kein Unterschied zwischen schwacher und starker Industrie gemacht. Das alles wird Berücksichtigung finden müssen bei unserer Wirtschaftspolitik, um die Möglichkeit zu schaffen, nach dem Auslande liefern und exportieren zu können. Es wird wichtig sein, daß dieRegierung denVersuch macht, speziell mit den Nachfolgestaaten, die aus dem alten Österreich entstanden sind, in ein Zollverhältnis zu treten, was uns besondere Begünstigungen bringt. Diese Länder, mit denen wir früher verbunden waren, waren zum Teil das natürliche Absatzgebiet für unsere Industrie.

Ähnlich steht es auch - und das isst glei chfalls eine Forderung, die wir gestellt haben - mit dem Abschluß von guten Handelsverträgen mit unseren Nachbarstaaten damit wir unsere Produkte dort absetzen und sie gegenseitig austauschen, daß wir kurz um in einen regen Verkehr ohne Schwierigkeiten und ohne Einschränkungen mit diesen Staaten treten kön en. Es wird die Aufgabe der Regierung und des Staates sein, dafür zu sorgen, daß unsere Krone nicht so sprunghaft in die Höhe schnellt, denn dieses sprunghafte Steigen der Krone hat auf der anderen Seite den sofortigen Verlust der Aufträge auf der ganzen Linie zur Folge. Ich will damimit nicht sagen, daß der Wert der Krone zu hoch angesetzt ist; ich habe die Überzeugung, daß der heutige Wert der Krone gerechtfertigt ist. Aber es muß die Regierung hier helfend eingreifen und versuchen, daß nicht mit dem Steigen der Krone auf der einen Seite das ganze Wirtschaftsleben auf der anderen Seite brachgelegt wird.

Ich möchte noch auf eine weitere Sache zu sprechen kommen, und daß ist der Umstand, daß wir in diesem Staate, wo wir zum Teil noch eine sehr rückständige Industrie haben, versuchen müssen, eine großzügige Industriepolitik zu machen und daß wir trachten müssen, eine technische Vervollkommnung unserer Industrie in diesem Staate durchzuführen. Auch die Bautätigkeit als solche muß gehoben werden und es werden die Mittel hiezu beschafft werden müssen in Form einer Zwangsanleihe. Es steht nicht so, daß wir im Inlande kein Geld haben und daß niemand im Inland imstande ist, Geld für diese Zwecke herzugeben. Nur muß sich der Staat erst das Vertrauen jener erwerben, die das Geld besitzen, und das ist nur möglich, wenn er die Schulden bezahlt, wenn er das Geld zurückerstattet, das die Leute dem Staate geborgt haben. Es wird heute soviel über Rußland gesprochen. Es ist dies ein Weltproblem aller Staaten, die sagen, Rußland solle seine Schulden an die ausländischen Staaten bezahlen. Aber wir, die wir selbst darüber reden, bezahlen nicht die Schulden, die wir eigentlich bezahlen sollten. Geschieht das, dann wird das Vertrauen im Innern wachsen und es wird möglich sein, daß wir in die Höhe kommen, daß wir Anleihen durchführen können, und das Vertrauen wird steigen, kurzum, es wird die Möglichkeit geschaffen, vorwärts zu kommen. Ich habe deshalb soviel über diese Eindämmung der Wirtschaftskrise gesprochen, weil wir in erster Linie Arbeit und lohnende Beschäftigung für unsere Arbeiter verlangen und nur dann, wenn die Möglichkeit nicht gegeben ist und der Arbeiter unverschuldet arbeitslos ist und keine Arbeit findet, nur dann muß die Unterstützung für den Arbeiter eintreten. Und wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Arbeiter durch den Staat so zu unterstützen ist, daß er auch in der Zeit, wo er feiern muß, wo seine Hände ruhen müssen, durch den Staat soviel bekommt, um mit seiner Familie menschenwürdig leben zu können. Das Gesetz, wie es gegenwärtig noch besteht, entspricht ja nicht dem, was wir eigentlich von der Arbeitslosenunterstützung wünschen. Wir hatten ursprünglich die Absicht, anläßlich der Verlängerung des Gesetzes eine Reihe von Abänderungsanträgen zu stellen. Wir wollten, daß zum Beispiel dieser Unterschied zwischen Orten mit 7000 Einwohnern und unter 7000 Einwohnern verschwinden soll, weil es heute in der Lebenshaltung des Arbeiters gar keine Rolle spielt, ob der Arbeiter in einer Gemeinde mit 6000 Einwohnern wohnt oder in einer solchen mit 8000 Einwohnern. Die Kosten der Lebenshaltung sind mitunter in einer Gemeinde mit 5000 Einwohnern höher als in einer anderen Gemeinde mit 10.000 und 15.000 Einwohnern und deshalb wollten wir, daß dieser Unterschied im Unter stützungssatz beseit werde und daß weiter eine Erhöhung der Unterstützung der Ehefrau auf 3 Kronen und für die Kinder auf 2 Kronen erhöht werde. Wenn wir davon abgekommen sind, diese Anträge einzubringen, so geschah dies deshalb, weil wir die Verlängerung der Geltungsdauer des Arbeitslosenfnfürsorgegesetzes ni cht gefährden wollten.

Und nun will ich einiges auch über die Handhabung des Gesetzes in der letzten Zeit sagen. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat am 19. September 1921 eine Durchführungsverordnung erlassen, die dringend abänderungsbedürftig ist. Diese Durchführungsverordnung birgt eine ganze Reihe von schweren Hären für die Arbeitslosen in sich. U. a. heißt es darin: "Wer durch eigene Schuld aus der Beschäftigung nach § 82 der Gewerbeordnung ohne Kündigung entlassen worden ist . . . . ." Ich weiß nicht, man hätte die Bestimmungen des § 82 G.-O. bei Erlassung dieser Durchführungsverordnung auch lesen sollen, denn u. a. bestimmt die Gewerbeordnung auch, daß ein Arbeiter auch dann entlassen werden kann, wenn er zu der Arbeit körperlich ungeeignet befunden wird. Daß das dann ein Grund sein soll, die Arbeitslosenunterstützung nicht zu gewähren, sehen wir nicht ein. Eine weitere Best immung der Durchführungsverordnung, die Anlaß zu berechtigten Klagen gibt, ist jene, wo es heißt, daß über 60 Jahre alte Personen Textilarbeiter, und die über 65 Jahren alten Personen, die keiner regelmäßigen Beschäftigung mehr fähig sind, die Unterstützung, eventuell noch bekommen können, falls durch amtsärtzliche Untersuchung die Arbeitsfähigkeit festgestellt wurde. Nun hat man aber diese Bestimmung so ausgelegt, daß man alte Leute kurzerhand aus der Unterstützung ausgeschieden hat. Die Arbeiter kamen zu uns und sagten: "Was sollten wir tun, wir mußten bei den politischen Behörden immer wieder intervenieren und erst dann war es möglich, daß diese Arbeitslosen in die Unterstützung aufgenommen wurden," Noch eine ganze Reihe von Bestimmungen in der Durchführungsverordnung wären einer gewissenhaften Überprüfung würdig und wir möchten wünschen, daß sich das Ministerium für soziale Fürsorge mint dem Gedanken vertraut mache, eine Überprüfung dieser Durchführungsverordnung vorzunehmen und dabei möglichst auch die Wünsche der Zentralgewerkschaften zu hören und die Bestimmungen diesen Wünschen und Beschwerden anzupassen. Wir machen weiters die Wahrnehmung, daß gegenwärtig auch die Arbeitsannahme in Deutschland, die früher durch Arbeitslose so oft erfolgte, wenn Arbeiter hier keine Arbeit finden konnten, vollständig unterbunden ist. Wenn ein Arbeiter, der verheiratet ist, nach Deutschland geht, ist er ganz außerstande, mit dem, was er dort verdient, seine Familie zu erhalten, wenn diese in der Èechoslovakei wohnt. Und obwohl dem so ist, mußten wir in der letzten Zeit die Wahrnehmung machen, daß die politischen Behörden alle Angehörigen dieser Arbeiter kurzerhand, wenn Frau und Kinder arbeitslos waren, aus der Unterstützung ausgeschieden haben unter Berufung darauf, daß der Mann in Arbeit stehe und infolgedessen imstande sei, seine Familie selbst zu erhalten. Ich weiß nicht, wie ein Arbeiter, der in einem Grenzort drüben in Deutschland 250, 300 oder 400 M. pro Woche verdient und davon 150 oder 250 M. nach Hause bringt, samt Familie davon leben kann, da er ja Lebensmittel nicht herüberschaffen darf, worüber jetzt an der Grenze scharf gewacht wird. Wir stehen auf dam Standpunkt, daß den Angehehörigen dieser Arbeiter die Unterstützung zuzuerkennen ist, weil diese außerstande sind, infolge dieser Schwierigkeiten den Lebensunterhalt für die Familie aufzubringen.

Ich möchte auch noch auf einige weitere Fälle zu sprechen kommen. Die Arbeitslosenunterstützung durch die politischen Behörden wird oft eingestellt, weil der betreffende Arbeiter ein kleines Häuschen sin Eigee nennt. Und weil das Gesetz oder die Durchführungsverordnung von einem besitzstand redet, so dient das den politischen Behörden dazu, diesem Arbeiter, der das Häuschen doch nicht aufessen kann und manchmal viel ärmer ist als der andere Arbeiter ohneHäuschen, die iUnterstützung einzustellen. Es wird in den meisten Fälleälle auch keine Rücksicht auf den Arbeitslohn des Familienerhalters genommen. Es ist doch nicht gleich, ob er 200 Kronen verdient, 300 und 400 oder vielleicht nur 50, 80 und 100 Kronen. Auch in diesen letzte ren Fällen wird den Angehörigen kurzerhand zumeist die. Unterstützung eingestellt. Wir haben weiter Beschwerde zu führen, soweit es sich um kinderreiche Familien handelt. Auch da nehmen die politischen Behörden keine Rücksicht darauf, daß diese kinderreichen Familien anders behandelt werden müssen als Familien mit weniger oder ohne Kinder.

Ein Erlaß is hinausgegangen, worin gesagt wird: jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen sind aus der Arbeitslosenunterstützung auszuscheiden. Gewiß, wir alle stehen auf dem Standpunkt, wer arbeiten kann und Arbeitsmöglichkeit hat, soll arbeiten. Aber es muß auch untersucht werden, ob dieser junge Arbeiter oder die Arbeiterin die körperliche Eignung zu dieser Arbeit besitzen, die man ihnen zumutet. Wir haben heute Arbeiter, die die Eignung besitzen, aber keine Kleidung, um die Arbeit annehmen zu können, kein Schuhwerk, überhaupt nichts anzuziehen. Wir haben wiederum junge Mädchen, die die Wirschaft für den Vater zu besorgen haben, der Witwer ist, aber die Tochter bekommt keine Unterstützung, es heißt, sie solle in Dienst gehen. Ich kenne z. B. einen Fall, wo der Mann ein Witwer ist, nur einen Arm hat; und man hat der Tochter die Unterstützung eingestellt und ihr gesagt, sie solle in den Dienst gehen.

Wir haben weiter Fälle, wo es sich um alte Eltern, um Großeltern handelt, wo die Söhne, Töchter und Enkel die einzige Stütze der Großeltern und Eltern sind und wo diesen die Unterstützung eingestellt wurde. Sie müssen ihre alten hilfsbedürftigen Angehörigen im Stich lassen.

Ferner möchten wir auch wünschen, daß die umständlichen Erhebungen durch die Gendarmerie beseitigt werden, damit das wochenlange Warten auf Unterstützung aufhöre. Wir verlangen weiter, daß dort, wo berechtigte Beschwerden vorliegen, wo der Auszahlungsort, der Kontrollort, mitunter zwei, drei und vier Stunden entfernt ist, daß man dort Rücksicht nimmt und einen näheren Ort bestimmt, weil man ja den Arbeitern nicht zumuten kann, daß sie, mitunter in schlechten Kleidern, drei bis vier Stunden weit zwei- bis dreimal der Woche laufen, mitunter die Bahnfahrt bezahlen müssen, wo sie doch ganz außerstande sind, das von der Unterstützung zu bezahlen. Ferner möchten wir noch das Verlangen stellen, daß ganz besonders über die Meldepflicht in der Arbeitsvermittlungsstelle eine neue Weisung hinausgehe. Wir habem in letzter Zeit die Wahrnehmung gemacht, daß die Unternehmer sich überhaupt nicht mehr an die Meldepflicht halten, sondern sie kurzerhand übergehen, indem sie sagen, sie haben einen Vertrag mit einer Organisation abgeschlossen, die bei näherer Einschau erst in letzter Zeit aufgetaucht ist, und sie entziehen sich infolgedessen der Meldepflicht. Wir haben Fälle, wo auf der einen Seite Arbeiter wochen- ja monatelang arbeitslos sind und nicht die Möglichkeit haben, unterzukommen, Arbeit zu finden, weil sich die Unternehmer nicht an die Meldepflicht halten. Wir möchten da wünschen, daß eine besondere, genaue, klare und präzise Weisung hinausgeht, die diese Umgebung von Seiten der Unter nehmer möglichst ausschaltet und unterbindet.

Das wäre so das Wichtigste, was wir im einzelnen zur Verlängerung des Gesetzes zu sagen hätten. Wir möchten bitten, daß unsere Wünsche im Interesse der Arbeiteterschaft berücksichtigt werden, daß die Härten beseitigt werden, die heute noch bestehen.

Wenn wir auch mit dem Gesetz im allgemeinen nicht so ganz einverstanden sind, so wollen wir doch keine Schwierigkeiten machen, weil wir auf dem Standpunkte stehen, daß das wenige, was wir haben, doch immerhin etwas ist. Deslalb haben wir uns entschlossen, unsere Anträge zuurückzuziehen und für das Gesetz in der Form zu stimmen, wie sie in der Vorlage vorgeschlagen ist. (Potlesk na levici).

2. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 88 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! In der gestrigen Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses ist von einem Gegner der Vorlage das Wort gefallen: "Die Arbeitslosenunterstützung wirkt demoralisierend." In dieser allgemeinen Fassung muß dieses Wort die bedauernswerten Opfer der unverschuldeten Arbeitslosigkeit tief verletzen und erbittern, da bei der heutigen Wirtschaftskrise auch die arbeitsfreudigsten Arbeiter bei allen Versuchen und Bemühungen, eine Arbeit zu finden, arbeitslos bleiben. Die heutige Arbeitslosigkeit, die auch besonders stark in den Siegerstaaten zutage tritt, ist eine Nachwirkung des unseligen Gewaltfriedens, der auf der einen Seite die Arbeiter zwingt, hungernd zu arbeiten, damit die Arbeiter des anderen Teiles arbeitslos hungern. Die soziale Gerechtigkeit verlangt, daß der Staat der Arbeitslosenfürsorge sein besonderes Augenmerk zuwende, besonders dann, wenn die verfehlte Wirtschaftspolitik dieses Staates an der Vermehrung der Arbeitslosigkeit die Hauptschuld trägt, wie es in diesem Staate der Fall ist. Wenn von mancher Seite die Arbeitslosenunterstützung mißbraucht und ausgenützt wird, dann wäre es Sache des Parlaments gewesen, anläßlich der Verhandlung des Gesetzes vom 21, Dezember 1921 wegen Verlängerung dieses Gesetzes, auch die Mittel und Wege in Erwägung zu ziehen, um einen Mißbrauch der Arbeitslosenunterstützung so weit als möglich zu verhüten und zugleich auch die notwendigen Verbesserungen und Ergänzungen bei diesem Gesetze anzubringen und zu beraten. Das ließ aber der hohe Rat unserer demokrati hen "Pìtka" nicht zu, da die sozialen und wirtschaftlichen Gegenstüe in dieser Regierungsstelle eine zu häufige Belastungsprobe nicht vertragen. Wer die Notwendigkeit einer ausreichenden Fürsorge für die Arbeitslosen bezweifelt, der komme z. B. in unsere deutschen Bezirks gegenden und studiere das Rätsel wie viele Arbeiter und kinderreiche Arbeiterfamilien mit diesen ohnedies äußerst karg bemessenen Gebühren der Arbeitslosenunterstützung das Auslangen finden können. Wenn man sich auf finanzielle Gründe beruft, wie es bei der Verhandlung im Ausschuß gleichfalls der Fall war, so müssen wir wiederum feststellen, daß die Sparsamkeit des Staates ganz wo anders einsetzen könnte und einsetzen müßte ud daß es beschämend ist, daß überhaupt nur bei einem Ministerium gespart wird, und das ist das Ministerium für soziale Fürsorge, gerade bei den Aufwendungen, die im Interesse der wirtschaftlich schwachen und ärmsten Volkskreise zu geschehen haben, bei der Invalidenfürsorge, bei der Arbeitslosenunterstützung u. dgl. Gelegenheit zum Sparen hätte das Ministerium oder die hohe Regierung in unzähligen Fällen. Da brauchen wir nur kurz hinweisen auf die Ausgaben für das Militär, für die Verwaltung, für die Auslandspropaganda u. s. w. Zunächst ssei einmal festgestellt, daß diese ungeheure Industriekrise, von der dieser Staat erfaßt ist, zum großen Teile durch die verfehlte Wirtschafts- und Handelspolitik der èechischen Regierungen verschuldet wurde, die sich auch auf diesem Gebiete viel mehr von national-chauvinistischen Gesichtspunkten, als von sachlichen Erwägungen leiten lassen. Wenn erklärt wird, daß das Sinken der Reichsmark und das Steigen der èechischen Krone die Wirtschaftsdepression im Inland begünstigt und die Arbeitslosigkeit gesteigert hat, so muß auch festgestellt werden, daß die Ursachen dieser Krisen viel tiefer liegen; sie liegen in der Aufrichtung der Grenzwälle, zwischen den Nachfolgestaaten, in der Valutatrennung, im Verluste des alten Absatzgebietes in den Nachbarstaaten, der durch die westliche Orientierung der èechoslovakischen Handelspolitik, wie der Herr Vorredner bereits dargelegt hat, verursacht wurde, so daß heute die Märkte der Nachfolgestaaten eben von den anderen Staaten besetzt sind. Dazu kommt ferner, daß die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie durch die unverhältnismäßighohen Produktionskosten, die nicht zuletzt durch die Kohlensteuer, die Transportsteuer, durch die unerträglichen anderen Steuern und Abgaben, die Vermögens- und Erwerbssteuer, die Umsatzsteuer u. dgl. hervorgerufen sind, ungemein vermindert wurde. Gestern hat ein deutscher Redner hier festgestellt, daß wir erst am Anfang einer großen Industrieund Handelskrise und infolgedessen auch am Anfang trauriger Erscheinungen der Arbeitslosigkeit stehen, und daß die Zahl der Arbeitslosen von 20.000 im November v. J. auf 50.000 im Feber d. J. gestiegen ist. Die Zahl dürfte heute natürlich schon eine ganz andere sein. Es wurde da auch erwähnt, daß bereits in der Industrie und im Gewerbe 103 geschäftliche Konkurse und 303 Ausgleiche angemeldet wurden und daß wir in den ersten Monaten dieses Jahres nicht einmal die Hälfte des vorjährigen Exportes erreicht haben. Durch die Nichteinlösung der Kriegsanleihe, durch die Nichthonorierung der Vorkriegsschulden ist eine Geldknappheit in der Industrie entstanden und die Investitionstätigkeit derselben lahmgelegt worden. Wie selbst von èechischer Seite festgestellt werden muß, wächst die Zahl den Insolvenzen und die Beschäftigungslosigkeit von Monat zu Monat und selbst bei der Reduktion können die Betriebe nicht aufrechterhalten werden, da dadurch die Produktionskosten zu sehr steigen im Vergleich zur Leistung. Hat nun der Staat durch seine verfehlte Wirtschaftspolitik die Industriekrise und deren unheilvolle Folgen, die Arbeitslosigkeit, verschuldet, so hat er auch die Pflicht, für die bedauernswerten Opfer der Arbeitslosigkeit aufzukommen und ihnen für die Zeit der unverschuldeten Arbeitslosigkeit eine menschenwürdige Existenz zu sichern, auch wenn die Arbeitslosigkeit in der letzten Zeit eine ganz bedeutende Verschärfung erfahren hat und wahrscheinlich eine noch größere Verschärfung erfahren wird. Mit Befremden muß festgestellt werden, daß auch jetzt diese wichtige Frage, an deren gerechten Lösung die Existenz vieler Arbeiter und Arbeiterfamilien hängt, mit unbegreiflicher Oberflächlichkeit behandelt wird. Trotz der herrschenden Wirtschaftskrise, die nicht in einigen Monaten abgebaut sein wird, hat der Regierungsantrag nur die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes bis zum 31. Juli in Aussicht genommen. Dadurch würde der Zustand der Existenzunsicherheit der Arbeitslosen unerträglich. Erst im sozialpolitischen Ausschusse gestern und heute im Budgetausschusse ist die Geltungsdauer des Gesetzes bis Ende 1922 verlängert worden. Da unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Anwendung des Genter Systems nach der Erklärung der Gewerkschaften noch nicht möglich wäre, wird das auch am Ende dieses Jahres nicht der Fall sein. Denn das Genter System rechnet mit normalenWirtschaftsverhältnissen, die in nächster Zeit nicht zu erwarten sind. Wir hätten gewünscht, daß man bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes die Erfahrungen, die mit dem Gesetze vom 21. Dezember gemacht wurden, verwendet und eine Verbesserung der Arbeitslosenunterstützung ermöglicht hätte, daß nicht wieder in jedem einzelnen Falle, wie es bisher notwendig war, bei allen Behörden eingeschritten und gebettelt werden muß, bevor die Arbeitslosenunterstützung an diejenigen, die ohne ihr Verschulden Arbeit und Arbeitsplatz verloren haben, ausgezahlt wird. Über die Unzahl der durch diese ungenauen und harten Bestimmungen notwendigen Interventionen und Vorsprachen könnte das Ministerium für soziale Fürsoge Auskunft geben. So aber hat sich der hohe Rat der "Pìtka" wiederum auf die einfache Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes festgelegt und es wäre bei den herrschenden Verhältnissen in diesem Hause von vornherein aussichtslos, irgend welche Abänderungsanträge zu stellen. Auch muß ja in dieser Weise vermieden werden, daß die ununterbrochene Geltungsdauer des Gesetzes irgendwie gefährdet werde.


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