Pátek 16. prosince 1921

Aber dieses Gesetz trifft nicht bloß die Staatsbeamten, es trifft auch die Beamten der autonomen Körperschaften, die Gau-, bzw. Landes-, Bezirks- und Gemeindebeamten. In dieser Hinsicht ist es, wie bereits gekennzeichnet, ein schwerer Eingriff in die Gemeindeautonomie. Aber darauf mußten wir auch gefaßt sein, denn wir haben bereits seit 2 oder 3 Jahren Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß Sie eine wirkliche Gemeindeautonomie gar nicht wollen. Sie haben eine große Finanzkommission eingesetzt, sie haben die Gemeindepolizei verstaatlicht, zum Teile wenigstens, und dgl. mehr. Das Gesetz von 17. Dezember 1919, das sogenannte Gemeindebeamtengesetz, anerkennt aber die Gemeindeautonomie wenigstens noch in diesem Punkte, indem es den Gemeinden das Recht gibt, die Höhe der Bezüge ihrer Beamten festzustellen. Im § 25 heißt es ausdrücklich, daß auf jeden Fall den bisherigen Angestellten das Recht gewahrt bleibt, in den ersten drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sich frei zu entscheiden, ob sie auf Grund dieser Bestimmungen oder auf Grund der bisherigen Vereinbarungen mit ihrem Dienstgeber behandelt werden wollen. Aus dem heutigen Gesetze spricht ein ganz anderer Geist. Hier wird das Recht der Gemeinde- und Bezirksämter gestört, hier wird den Gemeindebeamten das wohlerworbene Recht genommen, das sie bisher hatten, indem ihnen die Gemeinden in zuvorkommender Weise eine bessere Bezahlung gewährten. Sie sprechen von derGleichstellung der Gemeinde- und Bezirksbeamten und der autonomen Beamten mit den Staatsbeamten, aber es ist keine Gleichstellung; es ist auch eine Gleichstellung insoferne nicht möglich, als die Staatsbeamten besondere andere Begünstigungen haben, wie Fahrpreisermäßigungen, Wohlfahrtseinrichtungen, Bekleidungsaktionen und dgl. mehr. Die fehlen den Gemeindebeamten. Durch die Bestimmung des § 3 des vorliegenden Gesetzes, den Sie allerdings im Budgetausschuß etwas verbessert haben, indem der erste Satz dieses Ausgleichungsgesetzes bis Ende des Jahres 1922 durchgeführt werden soll, wird nun die Lage der Gemeindebeamten wesentlich verschlechtert. Viele, die heute mehr haben, werden Tausende und Abertausende verlieren, besonders jene, welche einen schweren Dienst in den Gemeinden haben, z. B. in den Kurorten.

Der schwerste Eingriff ist jedoch im § 2 enthalten. Das ist die Durchbrechung des Paritätsgesetzes. Hier wird einfach den Lehrern die schwererrungene Parität wieder genommen, es werden ihnen nur 80, bzw. 70% der jetzigen Bezüge belassen. Die Begründung im Motivenbericht ist geradezu glänzend. Es heißt hier, daß die wirtschaftliche Stellung der Lehrerschaft nach der Verwirklichung des Paritätsgesetzes verhältnismäßig bedeutend besser ist, als bei den Staatsbeamten. Aus diesem Grunde müsse die Verringerung erfolgen. Nun, meine Herren, ich habe bisher in meinem Leben noch keinen einzigen Lehrer gesehen, der ein Millionär geworden wäre. Ich habe noch keinen Lehrer gesehen, der einen größeren Besitz erwerben konnte. Dafür aber habe ich Lehrer gesehen, die nach einer schweren Dienstzeit, in der sie sich 30, 35 oder 40 Jahre unausgesetzt geplagt haben, mit Hungerlöhnen in Pension gegangen sind. Denn die jetzigen Lehrer-Pensionisten sind sehr schlecht daran und es ist geradezu ein Skandal, wovon die Leute heute leben müssen. Sie verhungern bei lebendigem Leibe. Trotzdem wird immer von der Wichtigkeit des Lehrerberufes gesprochen, von der Wichtigkeit der Erziehung der nächsten Generation, daß das Wohl und Wehe jedes Volkes und damit auch des Staates von dieser Erziehungsarbeit abhängt. Denn hier werden Geschlechter herangezogen und jeder von Ihnen wird den wohltätigen Einfluß der Arbeit eines Lehrers bemerkt haben. Jahrzehnte lang hat der Kampf gedauert, bis man dieses Paritätsgesetz durchgeführt hat. Am 23. Mai 1919 wurde endlich die Gleichstellung mit den Staatsbeamten beschlossen. Der Art. 2 des Paritätsgesetzes stellt ausdrücklich fest, daß den Lehrern nicht bloß die Dienstbezüge gleich den Staatsbeamten zukommen sollten, sondern auch die übrigen Begünstigungen. Im § 6 des Gesetzes, Abs. 5, werden die Vorrückungsfristen der Bürgerschullehrerschaft in Übereinstimmung mit jenen der Gruppe B der Staatsbeamten gebracht. Das Gesetz vom 7. Oktober 1919 sichert den Beamten der Gruppe C die Vorrückung in die VI. Rangklasse, womit natürlich auch für die Lehrerschaft die Vorrückungsfrist festgesetzt wurde. Der Gesichtspunkt, der bei diesem Gesetz gewahrt wurde, war: gleiche Arbeit, gleiche Vorbildung gleiche Bezahlung. Das war der oberste Leitsatz für diese Gehaltsregelung. Aber auch hier zeigte sich wieder, daß man die geistige Arbeit niemals richtig wertet, daß man sie geringer einschätzt als die manuelle Arbeit. Man sieht sie nicht und weil sie nicht faßbar ist, macht man Unterschiede und unterschätzt sie; und das führte dazu, daß tatsächlich einmal behauptet wurde, daß die Tätigkeit einer Waschfrau von diesem Gesichtspunkt aus viel notwendiger und wichtiger ist, als die Tätigkeit eines hohen Beamten. Von den Beamten ist besonders wieder der Lehrerstand der schärfsten Kritik ausgesetzt. Denn hier sieht man immer nur das Angenehme, das Gute, die kurze Arbeitszeit und all das Unangenehme, das dieser Beruf mit sich bringt, übergeht man. Man sieht nicht, wie mühselig die Arbeit ist, die bei der Erziehung der Kinder zu leisten ist. Es kommt freilich manchmal im häuslichen Kreise zum Ausdruck, wenn Mutter oder Vater erklärt: Ich wollte kein Lehrer sein, denn ich hätte mich schon lange aufgehängt, mir wäre die Geduld gerissen. Da wird es anerkannt, welch schwerer Beruf der Lehrerberuf ist. Es hat lange gedauert, bis man die Arbeit der Lehrerschaft etwas besser gewertet hat. Aber man sieht hier nur die kurze Arbeitszeit, wie ich sagte, nicht aber, was drum und dran hängt, die viele Arbeit, die der Lehrer sonst noch zu leisten hat. Es ist interessant, daß einmal eine Aufstellung darüber gemacht wurde und daß hier eine Arbeitsleistung herauskam, die in Summa 50 bis 56 wöchentliche Arbeitsstunden umfaßt. Die durchschnittliche Lehrverpflichtung besteht allerdings nur in 21 bis 24 Lehrstunden.

Aber hiezu kommt noch eine ganze Reihe anderer Verpflichtungen, wie die Aufsicht vor Beginn des Unterrichtes, die Beaufsicht igung der Schüler in der Mittagszeit, Korrekturen, Konferenzen, Amtsvorschriften, Kataloge, Zeugnisse, Klassenbücher, Schulbesuchsausweise, Schulbücherei, Supplierungen u. dgl. Wir kommen im Summa zu einer Stundenleistung von durchschnittlich 9 Stunden pro Tag. Im alten Österreich hat man das bereits anerkannt und hat die Unterrichtsstunde der sonstigen Kanzleistun de gleichgestellt. Man muß das mitgemacht haben im praktischen Leben, man muß die Nervenanspannung und die Anforderungen in der Schule mitgemacht haben, die gerade das Unterrichterteilen durch das fortwährende Sprechen an die Lehrer stellt, und man wird begreiflich finden, daß Kanzleiarbeit und Schulunterricht einen wesentlichen Unterschied machen. Ich will nicht darauf hinweisen, daß bekanntlich berühmte Ärzte sich darüber ausgespro chen und gezeigt haben, daß die Arbeit des Lehrers außerordentlich anstrengend und aufreibend ist, wie der Nervenarzt Dr. Sänger, der sagte, daß eine Schulstunde wenigstens gleich zwei Arbeitsstunden in anderen geistigen Berufen zu rechnen ist. Es ist also ein schwerer Beruf, der nach zehnmonatlicher Arbeit zwei Monate Aus spannen erfordert. Von diesem Gesichts punkte ist die Parität damals durchgeführt worden. Man ist daran gegangen, die Leh rerbildung zu heben und die qualitative Arbeit der Lehrer besser zu werten. Damit soll nun wieder aufgeräumt werden. Wir gehen auch hier wieder nach rückwärts, wie schon bei so vielem in diesem Staate. Die ganze Schulreform, die hier nach an geblich neuzeitlichen Gesichtspunkten durchgeführt wird, ist gegenüber dem alten Österreich ein Rückschritt ärgster Art, so auch hier bei der Durchbrechung der Parität. Sie hat allerdings wahrschein lich den Neidern und Übelwollern schon zu lange gedauert und der Kampf um die Pa rität hat ziemlich bald eingesetzt. Der erste Anprall erfolgte schon seinerzeit unter dem Lehrerfeind, dem Finanzminister Dr. Engliš, der sich besonders die Bürger schullehrerschaft und Handarbeitslehrer schaft heraussuchte. Er versuchte damals die Staatsbeamtenschaft gegen die Lehrer zu mobilisieren. Er wollte dem einem etwas mehr geben, dem anderen etwas weniger, er wollte durch den Eigennutz die Be amtenschaft teilen. Das "Teile und herrsche", "divide et impera", sollte auch hier wieder zur Geltungkommen, es gelang aber damals nicht. Die Staatsbeamten fielen nicht um, sie hielten der Lehrerschaft die Treue. Ein zweitesmal ging der Anstoß vom Finanzministerium aus, indem man an den Landesausschuß in Mähren und an die Landesverwaltungskommissionen in Schlesien und Böhmen mit der Forderung herantrat, zu untersuchen, ob den Bürger schullehrern die Vorrückung in die VI. Rangsklasse gebühre. Ein dritter Durchbruch des Paritätsgesetzes wurde bei der Fahrp reisermäßigung versucht und auch durchgeführt, obwohl meiner Auffassung nach den Lehrern unter allen Umständen die Fahrpreisermäßigung gebührt, wurde durch eine kluge Auslegung des Gesetzes, bzw. weil es nur eine Verordnung war, den Lehrern dieses Recht beim Verwaltungsgericht oft streitig gemacht. Der vierte Versuch wurde im Vorjahre gemacht, indem man den Lehrern die Notaushilfe nicht bezahlen, bzw. sie verkürzen wollte. Sie sehen also, wie systematisch hier an der Durchbrechung der Parität seit Jahr und Tag gearbeitet wurde; mit allen Mitteln, in der Öffentlichkeit, in der Presse, bei jeder Gelegenheit wurde darauf hingewiesen, daß die Lehrerschaft viel zu viel bekommt, daß sie Riesenlöhne bezieht, daß der Direktor einer Bürgerschule viel mehr bekommt, als z. B. ein Gerichtspräsident. Beson ders die Handarbeitenlehrerinnen haben hohe Bezüge, größer als ein Direktor, usw. Zum Schluß wurde immer die Forderung gestellt, das Gesetz müsse unter allen Umständen novelliert werden. Ich will auf all diesen Unsinn nicht eingehen. Es ist deshalb ein Unsinn, weil das Paritätsgesetz auf gleicher Vorbildung, auf gleicher Arbeit aufgebaut ist. Infolgedessen würde eine Durchbrechung von Grund aus eine Ungerechtigkeit gegen die Lehrerschaft bedeuten. Es würde zu weit führen, all das zu widerlegen und zu zeigen, daß den Lehrern bei dieser Begründung bei Gleichstellung mit der Beamtenschaft nichts geschenkt wurde. Wenn aber das Gesetz den einzelnen Beamten Tausende im Jahre nimmt, so nimmt es den Lehrern noch viel mehr. Die Kürzung beträgt z. B. bei ledigen Lehrern in der XI. Rangsklasse eine 30%ige - 1312 Kronen, in der X. Rangsklasse 1800, in der IX. 2160, in der VIII. 2520 K usw. Beim verheirateten Lehrer mit 2 Kindern in XI. 2700, dann geht es weiter 2952, 3384, 4032, usw. Bei Lehrern mit 6 Kindern steigt die Verkürzung von 4104 auf 6048 K in der Vll. Rangsklasse. Dazu kommen noch 8% Pensionsbeiträge und 25% Einkommensteuer, d. h. mit anderen Worten, in der Stadt beträgt die Verminderung 15 bis 17% und auf dem Lande 20-25% der bisherigen Bezüge, d. h. 1/4 des bisherigen Gehaltes wird der Lehrerschaft einfach weggenommen. Ich muß staunen über den Mut, den die èechische Mehrheit der Koalitionsparteien, ich muß staunen über den Mut, den der Berichterstatter aufgebracht hat, als er damit heraustrat in einer Zeit, da die Teuerung so groß ist, wo der karge Gehalt dieser Beamtenschaft nicht einmal zum notwendigsten reicht, daß dieser karge Gehalt noch gekürzt werden soll. Ich will nicht davon sprechen, daß dieses Gesetz gewissermaßen auch ein Rechtsbruch ist gegenüber dem Paritätsgesetz, das durch ein anderes Gesetz aufgehoben wurde. Mit einem Federstrich, sozusagen über Nacht, werden hier den Staats-, Landes-, Gemeinde- und Bezirksbeamten Tausende weggenommen, in einer Zeit, wo Sie für die Mobilisierung, die sich nachträglich als eine Blamage erwiesen hat, Millionen und vielleicht eine Milliarde hinausgeworfen haben. Ich muß staunen, daß Sie den Mut aufgebracht haben, dieses Gesetz uns heute vorzulegen, in einer Zeit, da sie für die Ausrüstung des Heeres einen neuen Kredit von 500 Millionen anfordern. Ich muß staunen über den Mut, den Sie aufbringen, gerade heute in der Sitzung, wo Sie für das Bodenamt Millionen bewilligt haben. Die Folge dieses Gesetzes, was natürlich niemand verstehen wird, weil es gerade jetzt kommen mußte, wird eine ungeheuere Erbitterung sein, eine Erbitterung, die in gar keinem Verhältnis zu dem Effekt dieses Gesetzes stehen wird. Denn was erzielen Sie damit? 8 % Pensionsbeiträge machen nach dem Motivenberichte im ganzen 140 Millionen im Jahre aus und durch die Zahlung der 25% Einkommensteuer gewinnen Sie im ganzen 40 Millionen, in Summa 180 Millionen, in einer Zeit, wo wir ein Milliardenbudget von über 20 Milliarden, demgegenüber diese 180 Millionen gewiß nur ein Pappenstiel sind, gerade erlebt haben. Das ist der materielle Effekt. Aber einen anderen Effekt werden Sie mit dem Gesetz erzielen, meine Herren von der Mehrheit, einen Effekt, auf den Sie wahrscheinlich nicht gefaßt sein werden. Ich sagte es schon vorhin: eine ungeheuere Erbitterung wird in der Staatsbeamtenschaft platzgreifen und wird den Beamten jede Lust und Liebe zur Arbeit nehmen. Die Beamtenschaft wird es als ein Unrecht empfinden, daß gerade bei ihr mit dem Preisabbau begonnen werden soll, bei ihr, die phnehin die ganze Zeit über zwischen den Mühlsteinen der wirtschaftlichen Verhältnisse beinahe schon zermalmt wurde, bei der Beamtenschaft, die immer mehr verproletarisiert wird. Ich sagte vorhin schon, ich staune über die èechische Mehrheit, über die Koalitionsparteien, daß sie eigentlich die festeste Stütze dieses Staates umzureißen beginnen. Sie wissen, daß dieser Staat von Geburt an mit einer ganzen Menge von Geburtsfehlern behaftet ist. Sie wissen, daß der Staat unendlich viele Schwächen besitzt. Und gerade aus diesem Gesichtspunkt heraus müßten Sie das Hauptgewicht darauf legen, eine tüchtige fleißige Beamtenschaft zu besitzen. Heute aber stoßen Sie Ihre Beamtenschaft in das wirtschaftliche Elend hinunter. Sie lassen sie bei Löhnen verkommen, mit denen sie unter gar keinen Umständen das Auslangen finden können wird. Sie streuen heute eine unheilvolle Saat aus, vor deren Fol gen Sie selbst einmal erschrecken werden. Sie reißen Ihren Beamten das bißchen Lie be und Lust zu diesem Staat vollständig aus dem Herzen. Die Beamten werden erkennen, daß eigentlich in dem viel verlästerten Österreich ihre Stellung eine viel bes sere gewesen ist, als heute in dieser demokratischen Republik. Und ich sage Ihnen: Sie legen heute die Axt an die Wurzeln dieses Staates. Sie beschließen etwas, wovon die Folgen sich vielleicht erst in den nächsten Jahren zeigen werden, wovon Sie die Folgen wohl erst in der Zukunft ver spüren werden. Uns von der deutschen Op position, meine Herren, kann es ja gleich giltig sein, wie Sie sich diesen Staat selbst zu Tode regieren. Wir wurden in diesen Staat ohne unseren Willen hineingepreßt und wir haben schon hundertemale er klärt, daß es uns gleichgültig sein kann, welches Schicksal er nimmt. Aber aus Menschlichkeitsgründen müssen wir uns heute gegen dieses Attentat auf die Beamtenschaft im allgemeinen kehren. Aus Menschlichkeitsgründen müssen wir den schärfsten Protest einlegen und den äußer sten Kampf androhen, weil wir dieses Ge setz als eine schwere Ungerechtigkeit empfinden. Wir haben die namentliche Abstimmung beantragt. Wir wollen sehen, wer von Ihnen den Mut aufbringt, dafür die Hand zu erheben. Wir wollen sehen, ob Sie draußen vor Ihrer Beamtenschaft be stehen werden, ob vor allem jene Beamten vertreter, die in Ihren eigenen Reihen sit zen, bestehen werden. Mit Fingern wird man auf die Herren zeigen müssen. Der Deutsche Parlamentarische Verband wird geschlossen gegen dieses Gesetz stim men. Ich kann Sie zum Schluß nur wieder einmal warnen, warnen, wie schon unzähli gemale es von unserer Seite geschehen ist. Aber es ist Schade um jedes Wort, das man in diesem Hause verliert. Es verhallt voll kommen unbeachtet. Sie gehen den Weg, den Ihr Chauvinismus Ihnen weist. Gehen Sie ihn weiter, denn wen die Götter ver derben wollen, den schlagen sie mit Dummheit! (Souhlas a potlesk na levici.)

6. Øeè posl. Simma (viz str. 1617 protokolu):

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muß meiner Freude Ausdruck verleihen, die ich darüber empfinde, daß es auch èechische Kollegen gibt, die warme Worte für die lnteressen der Staatsbeamtenschaft und Lehrerschaft gefunden haben, über deren Schicksal heute in diesem Hause entschieden wird. Ich freute mich darüber, von einem èechischen Kollegen solche Worte zu hören, weil damit das Argu ment weggenommen wird, das in diesem Hause sehr häufig von den èechischen Parteien gebraucht wird, wenn wir gegen eine Regierungsvorlage stimmen, das Argument, daß es lediglich nationale Gründe sind, die uns ständig bestimmen, gegen eine Regierungsvorlage Stellung zu nehmen.

Unsere Partei muß gegen den vor liegende Regierungsentwurf in der aller schärfsten Weise Stellung nehmen. Ich kann sagen, daß selten noch ein Regie rungsentwurf uns so tief berührt und so aufgeregt hat, als der vorliegende, der eine Regelung der Begünstigungen vornehmen will, die aus Anlaß der außerordentlichen Teuerungsverhältnisse der Staatsbeamtenschaft und der Lehrerschaft gewährt worden sind. Allerdings, es ist eine bittere, eine furchtbare Ironie die in diesem Worte "Regelung" liegt. Denn das ist keine Regelung der Begünsti gungen für die Staatsbeamtenschaft und Lehrerschaft, das ist vielmehr der beginnende Lohnabbau in einer Zeit, in der nichts begreiflicher sein müßte, als die Bezüge der Staatsbeamtenschaft und Lehrerschaft mit Rücksicht auf die Steigerung der Teuerungsverhältnisse zu erweitern und zu erhöhen. Als wir in den letzten Wochen von dem Plane der Regierung, bzw. des Ausschusses der Regierung Kenntnis erhielten, den Staatsbeamten und Lehrern 8 % Beitrag zum Pensionsfond und weiter eine Leistung von einem Viertel der Personalbeziehungsweise Renteneinkommensteuer vorzuschreiben und bei der Lehre rschaft einen Abbau ihrer Bezüge von 20-30% vorzunehmen, waren wir nicht imstande, dieser Nachricht, die wir zunächst aus den Tagesblättern schöpften, auch nur einigermaßen Glauben zu schenken. Wir hielten es nicht für denkbar, daß die Regierung in einer Zeit des Fortbestandes der außerordentlichen Teuerung, in einer Zeit der offenbaren Steigerung dieser Verhältnisse, der Aufwärtsbewegung aller Preise für Lebensmittel und sonsti gen Bedarfsartikel, in einer Zeit, in der die Teuerung ärger geworden ist, als sie im Jänner und Feber des Jahres geherrscht hat, wie das aus den amtlichen lndexziffern zu ersehen ist, daß die Regierung in einer solchen Zeit den Gedanken, wie er in der Regierungsvorlage ausgedrückt ist, auch nur für diskutabel halten könnte. Wenn die Regierung, wie es im Motivenberichte heißt, zugibt, daß der Gru nd, der seinerzeit zur Gewährung außerordentlicher Teuerungsaushilfen und Notaushilfen geführt hat, fortbesteht und wenn sie diese Teuerungs- und Notaushilfen unter diesen Umständen bis Ende 1922 weiter zuzubilligen bereit ist, so muß es als eine sozial rückschrittliche Maßnahme bezeichnet werden, wenn zu den Bestimmungen der §§ 5, 7 und auch des § 2 des Gesetzes geschritten wird. Es ist nicht so lange her, daß man die Staatsbeamten und Lehrer aus der öffentlichen Verpflegung ausgeschieden und dadurch den Haushaltungsplan der Staatsbeamten und Lehrer durch diese Maßnahme allein schon schwer ins Wanken gebracht hat. Wir haben seinerzeit rechtzeitig festgestellt, wie tief diese Eingriffe in die Familienhaushalte der Staatsbeamten und Lehrer gewesen sind. Es war nur selbstverständlich, daß die Staatsangestellten und Lehrer sich nach ihrer Ausscheidung aus der öffentlichen Verpflegung mit dem Gedanken trugen zu versuchen, dieses Plus an Ausgaben für ihre Lebensführung durch eine Mehrforderung in ihren Bezügen irgendwie auszugleichen. Es wird doch niemand behaupten können - es tun dies ja auch die Regierungsleute nicht daß die heutigen Bezüge der Staatsbeamten und Lehrer eine wirkliche Anpassung an die Ökonomie der Gegenwart wären. Im Gegenteil, sie sind bei allem, was gewährt wurde, nur ein klägliches Mittel, sich im gegenwärtigen Lebenskampf arbeitsfähig zu erhalten.

Die Staatsbeamten und Lehrer bleiben trotz aller Zulagen und Begünstigungen, die ihnen seit dem Umsturz gewährt worden sind, die Stiefkinder der Zeit. Es war den Staatsbeamten und Lehrern nicht so wie anderen Ständen möglich, die Anpassung an die Ökonomie der Gegenwart vorzunehmen, indem sie die Preise ihrer Produktion und der von ihnen geschaffenen Werte erhöhten. Meine Herren, ein Blick in die Haushaltung der Staatsbeamten und Lehrer muß heute jeden von der Wahrheit dieser Worte überzeugen, wenn er nicht offensichtlich die Augen verschlossen hält in böswilliger Absicht und es in böswilligem sozialen Unverständnis nicht einsehen will. Trotz oft trostloser Verhältnisse, wie sie bei einzelnen Staatsbeamten und Lehrerfamilien herrschten, war der Geist dieser Beamten gut, weil sie an das alte traditionelle Elend in Zeiten gewöhnt wurden, da es anderen vielfach besser ging. Ich sagte, jeder Mensch hätte es verstehen müssen, wenn die Staatsbeamten, als sie aus der öffentlichen Versorgung mit Mehl ausgeschieden wurden, mit neuen Forderungen gekommen wären. Sie haben es nicht getan, ein Beweis von der hohen Auffassung ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft, allerdings ein Beweis, der Ihnen nunmehr schlecht gelohnt wird. Die Wirkungen der §§ 2, 5 und 7 sind für die einzelnen ganz ungeheuer, derart, daß selbst ihre Zumutung schon einen Sturm der Entrüstung verursachte, daß aber ihre Realisierung eine Verzweiflungsstimmung schaffen wird. Die Kollegen Brodecký und Schollich wiesen an der Hand von Ziffern nach, wie groß die Einbußen für die Beamten und Lehrer sein werden. Wenn meine Herren, die geringsten Wirkungen dieser Bestimmungen selbst bei Beamten und Lehrern der XI. Rangsklasse über 1000 Kronen ausmachen, wenn die Wirku ngen der 20, bzw. 30%igen Abgabe von der Aktivitätszulage in krassen Fällen 5000 bis 6000 K jährlich ausmachen, dann möchte ich mir jenen ansehen, der behaupt et, daß diese Vorlage von dem Betroffenen schadlos wird ertragen werden können. Es soll nicht angezweifelt werden, daß die Gehälter und die Zulagen eine erhebliche Post im Staatshaushalt darstellen. Nach dem Motivenbericht machen die Notaushilfen rund 1440 Millionen bei den Staatsangestellten und 180 Millionen bei der Lehrerschaft aus, wofür keine Bedecku ng vorhanden wäre. Aber trotz dieser großen Gesamtsumme ist das, was die einzelnen Staatsangestellten und Lehrer erhalten, bei den heutigen Verhältnisser nichts Übermäßiges, so daß es geradezu ein Frevel wäre, wenn man gerade die Bezüge der Fixangestellten des Staates zur Deckung der großen Ausgaben heranziehen würde. So drückend die Maßnahmen für den einzelnen sind, in ihrer staatsfinanziellen Wirkung sind sie eigentlich ganz Null Kollege Schollich hat nachgewiesen, daß die Ersparung nicht mehr als 180 Millionen beträgt. Diesen Betra g, der für den Staat nicht in Betracht kommt, will man aus den Taschen der Staatsbeamten und Lehrer nehmen. Wir protestieren auf das allerentschiedenste gegen diese Maßnahmen, die einen Sturm der Entrüstung hervorbringen muß. Mit größerem Hohn ist wohl selten einem Stand begegnet worden, wie heute den Staatsbeamten und Lehrern, denen anstatt der Stabilisierung der Bezüge, die unbedingt kommen muß, die heutige Vor lage auf den Weihnachtstisch gelegt wird. Von einer Regierung, in der die sozialisti schen Parteien, das muß betont werden, einen maßgebenden Einfluß besitzen, wird das heurige Weihnachtsfest für Hunderte und Tausende Familien angesichts dieser Vorlage sehr traurig gemacht. Die vielen Hunderte und Tausende mögen sich bedanken bei den èechischen sozialistischen Parteien, die in der Regierungskoalition sitzen, die moralisch verantwortlich sind für das Unglück, welches über Hunderte und Tausende kommen wird. (Souhlas na levici.)

Mit dieser Vorlage stellt sich der Staat an die Spitze jener Faktoren, die das Rad der sozialen Entwicklung zurückdrehen wollen, er folgt hier den Spuren jener privaten Arbeitgeber, die schon seit Wochen und Monaten versuchen, soziale Errungenschaften zunichte zu machen. Wir werden bei jeder Gelegenheit auf den großen Wahnsinn hinweisen, der in allen Tathandlungen der Regierung liegt, jener Regierung, die mit Unterstützung der èechischen sozialistischen Parteien Milliarden in den Rachen des Militarismus wirft und hunderte Millionen für ein unnötiges, wahnwitziges Experiment wie die Mobilisierung hinauswirft, aber nunmehr an der unrechtesten Stelle zu sparen anfangen will. Das klagen wir vor der zivilisierten Menschheit an, es ist ein Schandmal ärgster Art, eine Kulturschande, die heute beschlossen werden soll. Zuerst sollte die Regierung die skandalöse Korruptionsund Protektionswirtschaft, die Millionen und Milliarden gekostet hat, beseitigen, es sollte zunächst viel anderes geschehen in diesem Staate, bevor man zu solchen Maß nahmen greift, wie sie die heutige Vorlage darstellt. Wenn wir gegen die Regierungsvorlage stimmen, wenn wir in letzter Stunde von der Regierungskoalition Ein sicht fordern, dann ist das keine über flüssige Forderung, sondern eine For derung, die wir berechtigterweise stellen, zu der wir innerlich gedrängt werden und gezwungen sind. In ganz entschiedener Weise wenden wir uns aber auch gegen den Durchbruch des Paritätsgesetzes vom 23. Mai 1919, welches die jahrelangen grund sätzlichen Forderungen der Lehrerschaft der Verwirklichung zuführte. Auch jenes Gesetz soll durchbrochen werden, welches am 23. Mai 1919 bewilligt wurde, wodurch Sie den Lehrern die Sorgen abnahmen, sie aus ihrem kläglichen Leben zu einem sor genfreien führten, durch das sie dem Lehrerstand, der durch Jahrzehnte um ein menschenwürdiges Dasein gekämpft hat, dieses menschenwürdige Dasein zum Teile gegeben haben. Als die erste Nationalversammlung am 23. Mai 1919 das Lehrerparitätsgesetz beschloß, da bezahlten sie eine Schuld an die Lehrerschaft, die durch die erste Revolutionsnationalversammlung an die èechische Lehrerschaft beglichen wurde. Da bedankten Sie sich für jenen hohen nationalen Geist, den gerade die èechische Lehrerschaft in das èechische Volk gebracht hatte, und der zum großen Teil mit beigetragen hatte zu den großen Errungenschaften, welche das èechische Volk durch den Umsturz und in der folgenden Zeit errungen hat. Diese Begeisterung der èechischen Regierung für die èechische Lehrerschaft ist sehr bald verflogen. Was der Motivenbericht in der Begründung der besonderen Behandlung der Lehrer sagt, die in Prag und in Orten der ersten, zwe iten und dritten Ortszulagenklasse nur 80 % Aktivitätszulage bekommen sollen und in den übrigen Orten lediglich 70 %, das ist keine Begründung, das ist eine vage, unverantwortliche Behauptung. Das Paritätsgesetz muß unbedingt gewahrt werden. Eine Verkürzung der Aktivitätszula ge der Lehrerschaft wäre eine Durchbrechung des Paritätsgesetzes und eine Kampfansage an die Lehrerschaft. Dieses Gesetz vom 23. Mai 1919, das die Lehrerschaft nach einem jahrzehntelangen Kampfe zu erringen vermochte, müßte ein heiliger und unantastbarer Besitz bleiben. Die Lehrerschaft wird für die Erhaltung desselben alles wagen, denn sie hat mit dem Verluste dieses Gesetzes alles zu verlieren. Wer sich an dem Paritätsgesetz vergreift, der ist der offene Feind der Lehrerschaft, das muß hier gesagt werden, (Souhlas na levici.) jener Feind, gegen den die Lehrerschaft mit allen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, zu kämpfen wissen wird. Im übrigen ist es geradezu unglaublich, daß jene Männer, die dieses Paritätsgesetz geschaffen haben, nunmehr Hand an dasselbe legen. Die Art und Weise, wie die ganze Regierungsvorlage hier in diesem Hause behandelt wird, das Bemühen der Regierung nach der beschleunigten Verabschiedung der ganzen Regierungsvorlage ist nur wieder ein weiteres Charakteristikon für die Art und Weise, wie hier in diesem Hause Arbeit gemacht wird. Das ist ein weiteres Kennzeichen für das System, das hier herrscht und das einmal gebrochen werden muß, koste es, was es wolle. (Souhlas na levici.)

Wir appellieren in der letzten Stunde in der letzten Minute an die Einsicht der èechischen koallierten Parteien. Wir appellieren in letzter Stunde an die èechische Regierung, abzulassen von den furchtbaren Eingriffen, die Sie durch dieses Gesetz beabsichtigt. Wir sind im Sinne des Antrages Brodecký, der im sozialpolitischen Ausschusse gestellt wurde, für die ausschließliche Annahmen des § 1 dieses Gesetzes und für die Beiseiteschiebung aller anderen Bestimmungen dieses Gesetzes für eine fernere Zeit. Wir richten diesen Appell besonders an die sozialistischen Parteien der èechischen Regierungekoalition, die eingedenk sein mögen der Kämpfe, die Sie im alten Österreich für die Besserstellung der Beamtenschaft und der Angestellten in sozialer Beziehung ausgefochten haben. (Souhlas na levici.) Sie werden sich doch hoffentlich nicht nachsagen lassen wollen, daß Sie für die Beamtenschaft des eigenen Staates nicht soviel übrig haben, wie seinerzeit für die Beamtenschaft des vielgeschmähten und vielgelästerten Österreich. Meine Partei wird für den Antrag Brodecký stimmen. Sollte derselbe trotz aller unserer Einwendungen dennoch abgelehnt werden, so bitten wir Sie, doch wenigstens für den Abänderungsantrag des parlamentarischen Verbandes zu stimmen zu § 2 des Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen monatlichen Aushilfe. Der Abänderungsantrag lautet: "Den im § 1 und § 2 genannten Personen sind am 31. Dezember l. J. die gesamten Bezüge eines Monates als Neujahrsbeitrag für 1922 auszuzahlen." Stimmen Sie dafür, Sie machen nicht alles gut, aber Sie werden einigermaßen den tiefen Eingriff in die Haushaltung der Staatsbeamten und der Lehrerschaft wettmachen. Wir haben diesen Antrag aus ganz bestimmten Grün den gestellt, um Ihnen die Ausrede zu neh men, die Sie gebrauchen, daß Sie aus prinzipiellen Gründen nicht für die gänzliche Aufrechterhaltung aller Bestimmungen sein können. Wir legen Ihnen diesen An trag vor, prüfen Sie ihn und wir bitten Sie, dafür zu stimmen. (Potlesk na levici.)


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