Ètvrtek 24. listopadu 1921

Der Handelsminister hat, vor drei oder vier Tagen, in Preßburg geweilt. Er hat eine Abordnung slovakischer Industrieller empfangen, welche ihm ihre Wünsche vorbrachten und vor allem verlangten, daß die slovakische Industrie bei Vergabe von Lieferungen und staatlichen Arbeiten gleiche Berücksichtigung erfahre, wie die èechische Industrie. Auf diese vorgebrachten Wünsche hat der Handelsminister der slovakischen Abordnung die Mitteilung gemacht, er werde in dieser Beziehung bei der Vergabe von staatlichen Lieferungen vollständige Objektivität und Unparteilichkeit walten lassen. Ich erinnere mich da, daß ich vor längerer Zeit, etwa vor 6 oder 7 Monaten, an den früheren Handelsminister eine Interpellation einbrachte und verlangte, daß die deutsche Industrie, die deutschen Handwerker, bei der Vergabe von staatlichen Lieferungen Berücksichtigung finden. Die Antwort, die ich von dem damaligen Handelsminister erhielt, steht in direktem Widerspruch zu der Antwort, die der jetzige Handelsminister der slovakischen Abordnung gegeben hat. Der Handelsminister hat damals die Interpellation dahin beantwortet, es sei nicht in seiner Kompetenz gelegen, daß er sich bei der Vergabe von Lieferungen irgendwie hineinmische, während der jetzige Handelsminister ausdrücklich den Standpunkt vertritt, daß er bei der Vergabe von Lieferungen vollständige Objektivität walten lassen werde. Nun, es ist ja eine bekannte Tatsache, daß uns dieser Staat immer nur dann in Anspruch nimmt, wenn es im Interesse des Staates gelegen ist, niemals dann, wenn der Staat etwas zu vergeben hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir für unser Industrie und für unser Handwerk bei der Vergabe von Staatslieferungen die vollste Berücksichtigung verlangen.

Wenn ich im allgemeinen in meinen Ausführungen die Lage des deutschen Gewerbes geschildert habe, geschah es besonders zu dem Zwecke, um die Öffentlichkeit von dieser Stelle aus aufmerksam zu machen, daß der Gewerbestand durch die Sperrung der sogenannten konskribierten Gelder - wobei wir den Standpunkt vertreten, daß die Konskribierung bei uns zu unrecht geschah, wir gehörten am 1. März 1919 noch nicht zur Èechoslovakischen Republik - weiter, daß durch die Nichteinlösung der Kriegsanleihe die Gewerbetreibenden zum größten Teil um ihr Anlagekapital gekommen sind, wozu noch kommt, daß sie die Postsparkassaguthaben in Wien und die sogenannten Heeresforderungen noch nicht zur Auszahlung bekamen. Wenn ich das Wort "Einlösung der Kriegsanleihe" heute gesprochen habe, möchte ich den einen Standpunkt vertreten: Wir haben keinen Anlaß, wegen Einlösung der Kriegsanleihe zu den Ministern der èechoslovakischen Republik betteln zu geben. (Souhlas na levici.) Wir müssen das eine sagen, daß sich auch dieser Staat durch Gerechtigkeit das Vertrauen des deutschen Volkes erwerben muß. Auch die èechische Regierung muß einsehen und der Tag wird kommen, daß auch diese Regierung, die Mehrheit dieses Hauses einsehen wird, daß sie nicht mit dem Kopfe durch die Wand kann und daß, wenn sie wirklich unsere Hilfe braucht, sie unser Vertrauen durch Gerechtigkeit zu erwerben hat. Und wenn sie - ich meine die Regierung - ihre Staatsanleihe in nächster Zeit durchbringen kann und will, - bisher haben die ganzen Staatsanleihen mit einem Fiasko geendet - darf sie nicht zögern, sondern sie muß daran gehen, die Lage aller Kriegsanleihebesitzer zu verbessern, das heißt, die Kriegsanleihe in gerechter Weise einlösen. Und noch einmal: Vertrauen kann bloß durch die Gerechtigkeit erworben werden. Da verweise ich auf die Verhaftung unseres Kreisparteisekretärs Hermann in Böhm. Leipa, der ohne Grund wegen einer Rede, die er anläßlich der Mobilisierung gehalten haben soll, über Betreiben des Staatsanwaltes Stefka in Böhm. Leipa verhaftet wurde. 40 Entlastungszeugen waren bereit, auszusagen, daß sich Hermann nicht der geringsten Übertretung schuldig gemacht habe, trotzdem wurde er in Haft genommen, in zwei Automobilen, - im zweiten befanden sich 6 bis zu den Zähnen bewaffnete Gendarmen - nach Jungbunzlau gebracht, weil er in Leipa angeblich nicht sicher war. Dort wurde er natürlich in der alten Kaserne untergebracht. Ich erinnere hier daran, wie unlängst in einer Sitzung irgendeines Ausschusses des Abgeordnetenhauses über das Los der politischen Häftlinge verhandelt und ihnen eine gewisse Bewegungsfreiheit zugebilligt wurde, daß aber gerade Hermann es war, der davon nicht verschont blieb, von Raubmördern angeredet zu werden, welche ihm zuriefen, was er denn eigentlich begangen habe, weil er gleichzeitig in Untersuchungshaft gezogen wurde. Durch ein solches Vorgehen kann man niemals das Vertrauen der Bevölkerung erwerben.

Die Industrie der Èechoslovakischen Republik, insbesondere die deutsche, hat eine harte Krise mitzumachen. Es ist notwendig, daß dieser Industrie Absatzgebiete geschaffen werden, weil die Bevölkerung des Landes Galizien, welches ehemals für unsere Industrieprodukte so aufnahmsfähig war, in Wegfall gekommen ist. Nun sollte man glauben, daß auch in dem Staatsvoranschlag, den wir in diesen Tagen verhandeln, auch für die Exportmöglichkeit der Industrie Vorsorge getroffen werde. Aber eigentümlicherweise ist das im Jahr 1922 nicht der Fall. Wir sehen, daß die Budgetpost "Industrieförderung" und "Schaffung neuer Absatzgebiete" eine Verminderung um 800.000 Kronen erfahren hat, das heißt um ungefähr 30 % weniger, und auf der anderen Seite, daß für direkte und indirekte Unterstützung der Ausfuhr ebenfalls eine ganz nennenswerte Herabsetzung um 1,850.000 Kronen des eingesetzten Betrages gegenüber dem Jahre 1921 erfolgt ist. Aus den Kreisen der Industrie ist bisher überall unserer auswärtigen Vertretung der Vorwurf gemacht worden, daß sie wohl auf ein prunkvolles Auftreten nach außen Wert legt, den wirtschaftlichen Verhältnissen der Industrie sowie des Gewerbes aber viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Welches Entgegenkommen finden wir aber in diesem Staatsvoranschlag gegenüber den Hunderttausenden Handwerkern? Für den Ankauf von Maschinen, für Subventionen und Gewährung von Darlehen ist gegenüber dem Vorjahre lediglich ein Betrag eingesetzt, der allerdings um 157.000 Kronen höher ist. Nicht höher, wie es in der Begründung dieser Post heißt, weil vielleicht die Maschinen und so weiter teuerer geworden sind, sondern dieser Betrag für Gewerbeförderung wurde deswegen erhöht, weil sich mehr Bewerber gefunden haben, die infolge der steigenden Not auf Unterstützung des Staates warten und auf die Maschinen Anspruch haben.

Nun die Subvention der Gewerbeförderungsanstalten. Ich möchte darauf verweisen, daß in Österreich die Gewerbeförderungsanstalten vor dem Krieg mustergültig geleistet worden sind.

In Reichenberg und anderen Städten wurden eigene fachliche Kurse zur Heranbildung der Meister, es wurden Buchhaltungskurse abgehalten, und jetzt, im gegenwärtigen Staatsvoranschlag, finden wir, daß für die Durchführung so notwendiger Kurse unmöglich mit diesen Beträgen das Auslangen gefunden werden kann, denn man kann mit 200.000 K für die ganze Republik derartige Kurse nicht durchführen. (Posl. Kostka: Die Beamten wurden gar nicht übernommen! Bis zum heutigen Tage!) Die Nichübernahme der Beamten ist besonders deswegen von unleugbar großer Bedeutung, weil es sich in den meisten Fällen um Beamte handelt, die durch 20 oder mehr Jahre ihren Dienst in tadelloser Weise in Reichenberg und anderen Orten versehen haben und heute nicht übernommen werden können, weil ihre Übernahme von der Verstaatlichung der Prager Anstalt abhängig gemacht wird.

Und nun möchte ich besonders noch eine weitere Budgetpost, die das Gewerbe betrifft, die Gewährung von gewerblichen Krediten, die Förderung von Einkaufsorganisationen und die Fachbestrebungen erwähnen. Für alle diese wichtigen Zweige finden wir im Staatsvoranschlag einen Betrag von 420.000 K, sage und schreibe 420.000 K, eingesetzt, sodaß vielleicht durchgängig auf einen Handwerker, den es betreffen würde, ein Betrag von 3 K oder ähnlich entfallen würde. Und nun möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Budget oder der Staatsvoranschlag, den wir heute zu verhandeln haben, ein gedrosseltes Budget genannt werden muß und daß beispielsweise für die Unterstützung der kriegsbeschädigten Gewerbetreibenden lediglich ein Betrag von 500.000 K eingesetzt erscheint. Wir haben in einer Reihe von Anträgen diese Verhältnisse in Betracht gezogen und durch diese Anträge wenigstens das eine verlangt, daß der vorjährige Zustand, der vorjährige Betrag, d. h. für 1921, auch für den Staatsvoranschlag für 1922 Geltung haben soll, d. h. eingesetzt wird. Es ist eine Tatsache, daß unter derartigen Verhältnissen, wie ich sie in gedrängter Kürze nunmehr geschildert habe, durch die ungeheuere Steuerbelastung, die weit über das Einkommen geht, und insbesondere angesichts der mangelnden Fürsorge von Seite des Staates der Gewerbestand, wenn es so weitergeht, unrettbar dem Untergang zugeführt wird und aus diesem Beweggrunde heraus ertönt aus diesen Kreisen des Gewerbestandes jedenfalls hüben und drüben der eine Ruf, daß der Gewerbestand bei der zukünftigen vor der Tür stehenden Altersversicherung vollständige Berücksichtigung finden muß. Die Kosten der Altersversicherung werden nicht so unerschwinglich sein, sie werden deshalb leichter zu ertragen sein, weil das Budget von 22 Milliarden Kronen denn doch eine Ausgabe von, sagen wir rund einer Milliarde Kronen leichter ertragen muß.

Nun, meine Verehrten, haben wir bereits durch frühere Gesetzentwürfe aus den Jahren 1908 und 1911 während der Ministerpräsidentschaft Beck und Bienerth wenigstens die Grundlage für eine zukünftige Sozialversicherung, und da finden wir in dem Gesetze, daß beispielsweise die Versicherten in jenem Jahre einen Betrag von rund 128 Millionen Kronen aufzubringen hatten, daß der Staat Beiträge zu leisten hatte, die in den ersten vier Jahren nach Inslebentreten der Altersversicherung 2 Millionen, in 10 Jahren dann 38, in 15 Jahren 64 1/2 Millionen betragen und dann im Beharrungszustand in den späteren Jahren den Staat mit einer Ausgabe von 98.4 Millionen Kronen belastet hätten. Es ist selbstverständlich, daß mit der geringen Höhe dieser Ausgabe von 1908 und 1911 nicht gerechnet werden kann und man müßte eigentlich annehmen, daß entsprechend der Teuerung vielleicht das Zehn- bis Fünfzehnfache der damaligen Ziffern für die Berechnungen der Kosten der Altersversicherung angenommen werden, welchen Betrag man allerdings, nachdem die Zahl der zu Versichernden bloß die Hälfte betragen dürfte, wie im alten Österreich, um die Hälfte verringern könnte. Wir Gewerbetreibende wollen bei dieser Altersversicherung besonders das eine, daß die Altersversicherung ohne Rücksicht auf das Einkommen und auf die Erwerbssteuer möglich sei und durchge führt werde. Wir wollen keine Ausschei dung der Handwerker, die möglicherweise ein höheres Einkommen haben, weil natur gemäß im Laufe der Jahre während der Wirksamkeit des Handwerkers er älter wird, seinen Kundenkreis verliert, nicht mehr so beweglich ist, und er würde dann erst in den späteren Jahren in die Altersversicherung eintreten können. Jedenfalls ist auch unser Gesetzentwurf, den wir zu erwarten haben, auf der Grundlage auf gebaut, daß die Höhe der eingezahlten Renten maßgebend sein wird für die Ren te der betreffenden Versicherten. Eines möchte ich noch sagen: Wir vertreten den Grundsatz, daß wir der Altersversicherung unserer Gehilfen und Lehrlinge sympa tisch gegenüberstehen, aber wir verlangen auf der anderen Seite, daß auch der Ge werbestand einbezogen werde, daß wir ferner gleiches Recht in dieser Altersver sicherung wie die Arbeiterschaft genie ßen, d. h. einen gleich großen staatlichen Zuschuß zu der gewährten und erworbenen Rente bekommen, und wir wollen auch weiters, daß wir uns diese zukünftige Altersversicherung in den betreffenden Bezirksstellen wenigstens finanziell selbst ausbauen dürfen, weil wir durch unsere Erfahrungen in unseren gewerblichen Berufskrankenkassen die Überzeugung ge wonnen haben, daß diese gewerblichen Organisationen, die ich da erwähne, wirklich Segensreiches geleistet und zur Be friedigung des ganzen Gewerbestandes gearbeitet haben. (Souhlas na levici.)

7. Øeè posl. Palme (viz str. 1093 protokolu):

Meine Damen und Herren! Ich habe heute vor allem die Aufgabe, mich mit dem Kapitel "Übergangswirtschaft" zu befassen, und da finden wir, daß dasselbe im Jahre 1920 mit 2 1/2 Milliarden, im Jahre 1921 mit 361 Millionen und im Jahre 1922 neuerdings wieder mit 601 Millionen im Voranschlag verzeichnet ist. Statt eines Abbaues finden wir also in diesem Kapitel ein Mehr von 240 Millionen, und wir möchten gerne wissen, für welche Zwecke dieses Mehr Verwendung finden soll, nachdem wir ja in den Kapiteln, die mit dazu gehören, wie die Arbeitslosenfürsorge und die Unterhaltsbeiträge, so gewaltige Streichungen im Budget vor gesehen finden.

Wir sehen, daß in dem Kapitel "Unterhaltsbeiträge" im Jahre 1921 noch 100 Millionen im Budget vorgesehen waren, während für 1922 bloß 23 Millionen dafür eingestellt sind. Es sind also 77 Millionen weniger eingestellt und wir müssen uns schon fragen, ob es möglich sein wird, mit diesem geringen Betrage das Auslangen zu finden. Vor allem empfinden wir hier, daß diese Beträge schon ohne Ersparungskommission eingesetzt sind. Allerdings wenn man sieht, wie die Regierung vorgeht, wie dies anläßlich der letzten Mobilisierung beobachtet wurde, daß man die Unterhaltsbeiträge derart bemißt, indem man die alten Unterhaltsbeiträge einfach mit einer 50%igen Erhöhung bemessen hat, so muß man sagen, daß mit einem solchen Betrage niemand mehr existieren kann. Nachdem das Gesetz über die Auszahlung von Unterhaltsbeiträgen für eingerückte Rekruten und Reservemänner am 31. Dezember d. J. abläuft, so ist es dringend notwendig, ein neues Gesetz zu schaffen, und in diesem neuen Gesetz müssen die Unterhaltsbeiträge in einer Höhe von mindestens 4 bis 5 Kronen pro Tag und anspruchsberechtigte Person festgesetzt werden, und es würde sich daher empfehlen, den von uns eingebrachten Antrag zur Grundlage der Beratung zu nehmen. Es kommen uns auch von allen Seiten in der letzten Zeit Beschwerden zu, daß die eingereichten Ansuchen um Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen bis heute zum großen Teil noch nicht erledigt sind, die Auszahlung ist in vielen Bezirkshauptmannschaften noch nicht vorgenommen worden. Wie hier die Familien leben sollen, wo bei der Einrückung das Letzte hergegeben wurde, um die betreffenden Männer ausrüsten zu können, und die Leute jetzt zu Hause mittellos dastehen, das Rätsel möge uns das zuständige Ministerium selbst lösen.

Ein weiteres trauriges Kapitel des Voranschlages ist die Frage der Arbeitslosenfürsorge. Im Budget 1921 waren 100 Millionen Kronen, im Jahre 1922 sehen wir bloß 75 Millionen Kronen, also um 25 Millionen Kronen weniger eingestellt. Um diese Herabsetzung nun zu verstehen, brauchen wir uns nur anzusehen, wie das Gesetz über die Ergänzung und Abänderung der Arbeitslosenversicherung vom 12. August 1921 vom Ministerium für soziale Fürsorge und den politischen Behörden ausgelegt und gehanhabt wird. Bis heute ist eine Durchführungsverordnung über den Anspruch der Saisonarbeiter auf Arbeitslosenunterstützung auf Grund des Gruppenverzeichnisses vom Ministerium noch immer nicht herausgegeben worden. Eine diesbezügliche Eingabe unseres deutschen Bauarbeiterverbandes in Reichenberg vom 4. Oktober 1921, wo bezugnehmend auf den § 19 des Gesetzes um Zuerkennung der Arbeitslosenunterstützung für die Bauarbeiter, Pflasterer, Zimmerleute, Anstreicher, Stein-, Chamotte- und Lehmarbeiter ersucht wurde, ist vom Ministerium für soziale Fürsorge in der Weise beantwortet worden, daß die Bauarbeiter als Saisonarbeiter vorläufig keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, solange nicht durch eine ev. Regierungsverordnung imSinne des § 19 des Gesetzes vom 12. August 1921 eigene Bedingungen für die Arbeitslosenunterstützung an die Saisonarbeiter festgesetzt werden. Das Ministerium für soziale Fürsorge verlangt nun von den einzelnen Fachorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Äußerungen, auf welcher Grundlage diese Unterstützung erfolgen könnte. Die bis heute eingelaufenen Gutachten sollen bisher eine sichere Grundlage für die Festsetzung der Unterstützung an die Saisonarbeiter nicht ergeben haben. Feststellen will ich dabei, daß bis heute der deutsche Bauarbeiterverband in Reichenberg um ein solches Gutachten gar nicht angegangen wurde und es macht hier den Eindruck, als wenn für die Regierung auch in diesem Falle nur die èechischen Organisationen vorhanden wären und sie auf die Deutschen keinerlei Rücksicht nehmen würde, um sie in solchen Angelegenheiten zu befragen. Also deswegen, weil das Ministerium bis heute die Verordnung für die Saisonarbeiter noch nicht herausgegeben hat, können ruhig ungezählte Tausende von Saisonarbeitern, besonders jene, die jetzt von der Mobilisierung zurückgekommen sind und jetzt nirgends Arbeit finden, einfach mit ihren Familien zuhause verhungern. Daß dies ein vollständig unhaltbarer Zustand ist, sollte wohl auch das Ministerium für soziale Fürsorge begreifen. Ich will mich auf eine lange Begründung und auf den Hinweis auf die Durchführung des neuen Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 19. Juli 1921 gar nicht einlassen. Denn da wird darauf hingewiesen, daß für den Fall, als das alte Gesetz keine Verlängerung erfahren sollte, am 1. Jänner schon das neue Gesetz in Kraft treten soll. Ich halte das für eine unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen vollständig unmögliche Sache, die meiner Ansicht nach eine Widerlegung von diese Seite aus gar nicht notwendig macht, weil sie praktisch undurchführbar ist. Und wenn uns bei jeder Gelegenheit, wie auch bei dieser Entscheidung, die das Ministerium dem Bauarbeiterverband gegeben hat, immer und immer wieder der alte Kohl von den Ersparnissen der Saisonarbeiter, mit denen sie in den Zeiten der Arbeitslosigkeit leben sollen, aufgewärmt wird, muß endlich einmal klipp und klar gesagt werden, das unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen es keinen Saisonarbeiter mehr gibt, der bei längerer Arbeitslosigkeit von den Ersparnissen leben könnte. So liegen heute die Dinge und das Ministerium für soziale Fürsorge hat die Pflicht, endlich und so rasch als möglich die Durchführungsverordnung für die Saisonarbeiter herauszugeben, damit auch diese große Schichte der Arbeiterschaft die notwendie Unterstützung erhalte.

Die Mängel des Arbeitslosengesetzes vom 12. August 1921 sind ohnehin arg genug, und die Arbeitslosen mit ihren Familien müssen heute in Not und Elend die Mängel dieses Gesetzes bitter büßen. Besonders jene Bestimmung, wo es heißt, daß jene Arbeiter, die innerhalb eines Jahres bereits 6 Monate die Arbeitslosenunterstützung beziehen, derselben verlustig werden, hatte zur Folge, daß zum Beispiel im Bezirk Joachimsthal-Platten eine große Menge von Handschuharbeitern und -Arbeiterinnen ins tiefste Elend gestürzt worden sind, weil in diesem Bezirk überhaupt keine andere Arbeitsmöglichkeit zu finden ist. So wie es diesen geht, geht es auch vielen Tausenden anderer Arbeiter. Ich verweise hier nur noch auf die Arbeiterschaft im politischen Bezirk Bärn in Mähren. Dort sind die Textilarbeiter infolge von Betriebseinschränkungen schon seit der Kriegszeit durch Arbeitslosigkeit besonders hart betroffen.

So stehen zum Beispiel in der Stadt Liebau ganze Betriebe still. Es handelt sich meist um ältere Arbeiter, welche für einen anderen Beruf kaum zu brauchen sind. Auch findet sich keine Arbeitsgelegenheit, da Notstandsarbeiten im Bezirke nicht durchgeführt werden. Auf Grund des alten Gesetzes bezogen in diesem Bezirk 870 Personen die Arbeitslosenunterstützung. Diese armen Leute waren seinerzeit erfreut zu hören, daß die Nationalversammlung eine Erhöhung der Unterstützungssätze beschlossen habe. Welche Enttäuschung wurde ihnen jedoch bei der Durchführung, als sie erfuhren, daß die Unterstützungsdauer durch das neue Gesetz zeitlich begrenzt wurde. Der größte Teil der Arbeitslosen wurde der Unterstützung nun verlustig; in diesem Bezirk sind von 870 Personen nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes 743 Personen die Unterstützungen eingestellt worden, so daß heute nurmehr 127 Personen die Unterstützung weiter beziehen. Ferner ist es eine Grausamkeit dieses Gesetzes, daß die über 60 Jahre alten Personen von der Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen sind.

Dazu kommt noch die Art und die Form, wie draußen die politischen Behörden das Gesetz handhaben, und Abweisungen vornehmen, die in keinerlei Weise begründet sind. Ich will hier nur 2 Fälle im Bezirke Bärn herausgreifen, wo zum Beispiel ein Mann und eine Frau abgewiesen wurden, obwohl beide keine Arbeit, dafür aber ein altes baufälliges Häuschen haben, für das sie 110 Kronen Mietzins einnehmen, aber 120 Kronen jährlich Steuer zu zahlen haben. Ein zweiter Fall: Ein Witwer, selbst arbeitslos, mit einem noch jungen arbeitslosen Sohn; zu Hause hat er ein fremdes Kind für 50 Kronen monatlich in Pflege.

Sie wurden abgewiesen, weil ihr Unterhalt nicht gefährdet sei. Bei einer solchen Handhabung des Gesetzes ist es selbstverständlich, daß die Erbitterung unter der Arbeiterschaft immer größere Kreise zieht.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber ein paar Worte über die Graslitzer Angelegenheit verlieren, die im Hause schon besprochen worden ist. Mein Kollege Hillebrand hat die Situation, wie sie in Graslitz vor sich gegangen ist, wahrheitsgemäß und klar geschildert. Die Vorfälle sind dann auch weiter in voller Wahrheit durch eine Interpellation geschildert worden, die seitens unseres Klubs im Hause eingebracht worden ist. Wenn ich heute dazu ein paar Worte verliere, so deshalb, weil ich es hier öffentlich annageln will, wie die èechische Presse die èechische Bevölkerung über diese Vorfälle aufklärte. In einem Artikel der "Národní Politika" vom 5. November und einem Artikel der "Národní Demokracie" vom 3. November sind Schilderungen enthalten, die einfach von Unwahrheiten strotzen. Hier wird behauptet, daß ein Korporal Svoboda verschleppt wurde und um 2 Uhr nachts auf der entgegensetzten Seite der Stadt schrecklich verprügelt aufgefunden wurde, so daß er eine schwere Gehirnerschütterung erlitt. Weiter wird behauptet, alle Soldaten und Offiziere seien durch Steine schwer verletzt worden. Selbst meine Worte, die ich am Grabe der Gefallenen dort gesprochen habe, sind vollständig unterschlagen worden und es werden mir Sätze in den Mund gelegt, die nie über meine Lippen gekommen sind. So wird weiters auch die Arbeiterschaft beschuldigt, daß jene mit dem Zuge von Falkenau heimkehrenden Bergarbeiter es gewesen seien, welche dort die Parole des Nichteinrückens ausgegeben haben. Gleichzeitig werden auch die Sozialdemokraten im allgemeinen beschuldigt, daß sie dort mitgehetzt haben, damit es zu jenen traurigen Vorfällen komme. Wir haben klar nachgewiesen, daß besonders der letzte Vorwurf vollständig unwahr und das reine Gegenteil richtig ist. Heute kann ich hier ruhig versichern, daß das, was in den èechischen Blättern geschrieben wurde, es sind nur ein paar Proben, die ich hier bringen kann, ich kann mich nicht auf alles einlassen, - vollständig unwahr ist, und das, was ein Körnchen von Wahrheit hat, schrecklich übertrieben wurde. Wenn in einer solchen Form bei allen derartigen Vorfällen das èechische Volk jederzeit so informiert wird, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn es auch umgekehrt zu Exzessen kommt, wie seinerzeit in Eger, die dem èechischen Volke ebenso übertrieben dargestellt wurden, und in jenen traurigen Exzessen in Prag und anderen Städten ihren Ausklang fanden.

Nun gestatten Sie mir, zu einem anderen Kapitel überzugehen, nämlich zum Kapitel des Handelsministeriums. Wir finden hier im Voranschlag für 1922 einen Betrag von 21 Millionen, im Vorjahr einen solchen von 20,627.000 Kronen eingestellt, also beinahe dieselbe Summe wie im Vorjahre. Diese Summe ist selbstverständlich viel zu gering für dieses wichtige Kapitel unseres Budgets, wenn man dagegen die 3 1/2 Milliarden in Betracht zieht, die hier für den Militarismus Verwendung finden. Die Èechoslovakei ist ein Land, reich an Bodenschätzen mit seiner hochentwickelten Exportindustrie; ich verweise hier vor allem anderen auf die Maschinen- und Textilindustrie, Glaswarenerzeugung, Porzellanindustrie u. s. w., ich verweise ferner auf unseren Export an Kohle und Zucker. Trotzdem ist unsere Handelsbilanz bis heute vollständig passiv. Worin liegen nun die Ursachen? Unser natürliches Absatzgebiet, die Nachfolgestaaten, wie Deutschösterreich, Jugoslavien, Polen und Ungarn wurden seitens des Handelsministeriums und der Regierung im allgemeinen ungemein stark vernachlässigt. Man hat imVerkehrmit diesen Ländern seitens der Regierung die allergrößten Schwierigkeiten gemacht. Dasselbe geschah aber auch gegenüber Deutschland und den nordischen Ländern, wo der Einund Ausfuhr der Rohprodukte und Fertigfabrikate die ungeheuerlichsten Erschwernisse unsererseits bereitet werden. Wir sind mit unserem Handel fast zur Gänze auf diese Staaten angewiesen. Trotzdem hat man krampfhaft versucht, durch die westliche Orientierung den Handel nach Frankreich und die anderen Ententestaaten zu leiten, und hat damit der Volkswirtschaft die allergrößten Wunden geschlagen, die sich dadurch gezeigt haben, daß wir fortwährend mit einer gewaltigen Arbeitslosigkeit draußen zu kämpfen haben. Wir sehen es aus unserer Handelsstatistik, wenn wir die Ziffern der Einfuhr und Ausfuhr betrachten, nach denen im Jahre 1921 aus Deutschland von der gesamten Einfuhr 53.09 % gekommen sind, aus Österreich 8.38%, von der Ausfuhr nach Deutschland 44.74%, nach Österreich 34.67 % gesendet wurden. Wir konstatieren also, daß 61.47 % von der gesamten Einfuhr aus Deutschland und Österreich gekommen sind, daß 79.41 beinahe 80% unserer Ausfuhr nach diesen beiden Staaten geleitet wurden, währenddem die 5 Ententeländer Frankreich, Amerika, Belgien, Italien und England nur 10.26% unserer gesamten Einfuhr und 6.16% unserer Ausfuhr in Anspruch genommen haben. Die sonstigen Gebiete partizipieren mit 28.27% an der Einfuhr und mit 14.43% an der Ausfuhr. Sie sehen aus diesen Ziffern, daß wir vollständig mit unserem ganzen Wirtschaftsleben und Handel angewiesen sind auf Deutschland und Deutschösterreich, und daß die Ententeländer in dieser Frage für uns nur wenig in Betracht kommen. Trotzdem man weiß, daß dem so ist, hat man politisch und wirtschaftlich diesen Ländern in den letzten Jahren die denkbar größten Schwierigkeiten gemacht.

Ich will noch weiter ein Wort verlieren über den Wert der Ein- und Ausfuhr, wo amtliche Ziffern nicht zu erreichen sind, wie schon mein Kollege Taub in seiner Rede erwähnt hat. Die Einfuhr im Jahre 1919 betrug 6.507,307.000 K, die Ausfuhr 5.687,569.000 K, es war also ein Passivum von 819,738.000 K vorhanden. Etwas besser gestaltet sich das Jahr 1920, wo die Einfuhr 16.383,532.000 K betrug, die Ausfuhr dagegen schon 16.189,865.000 K ausmachte, sodaß das Passivum zurückging auf 193,607.000 K, und eine Besserung gegen das Jahr 1919 von 626,131.000 K zu verzeichnen war. Wir sehen also, daß bei einer guten Handelspolitik, die auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bei uns volle Rücksicht nimmt, es gar nicht schwer wäre, in unserem Lande eine vollständig aktive Handelspolitik zu erreichen.

Wenn wir etwas begrüßen, so ist es die endliche Aufhebung des Amtes für Außenhandel, das nun organisch in das Handelsministerium eingegliedert werden soll. Ich will heute diesem sterbenden Amte die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal wiederholen, sie sind allen nur viel zu gut bekannt. Wir haben nur den einen Wunsch, daß das neue Handelsministerium unter der einheitlichen Leitung jene Leute an die Spitze des Außenhandels setzt, die nicht nur den guten Willen haben, wie es der Handelsminister in der letzten Sitzung des Ausschusses für Handel u. Gewerbe erklärte, sondern die auch das richtige Verständnis und die Fähigkeit, den Außenhandel in jene Wege zu leiten haben, daß wir zu einer aktiven Handelsbilanz kommen. Wir müssen uns im Auslande draußen jenes Vertrauen wieder erringen, das wir leider, wie der Handelsminister selbst zugestehen mußte, durch unsere schlechten Waren und schlechte Bedienung draußen vielfach verloren haben.

Dann möchte ich die Regierung fragen: Wann wird endlich einmal mit der Reform unserer Handels- und Gewerbekammern begonnen werden? In dieser Hinsicht rührt sich aber nicht das Geringste. Hier haben wir immer noch die alten privilegierten Kasten sitzen und sehen nicht das Geringste, daß die Regierung endlich einmal daran denkt, hier Wandel zu schaffen. Wir möchten ferner die Regierung noch fragen, wie lange gedenkt man noch die Arbeiter und Angestellten warten zu lassen auf die Angestellten- und Arbeiterkammern, damit auch die Arbeiter und Angestellten selbst einmal ein Forum haben, wo sie imstande sind, ihre Interessen so zu beraten und zu fördern, wie es allen übrigen Klassen zum grossen Teile zugestanden wurde. Ich möchte ferner die Regierung fragen, was mit der Förderung der wirtschaftlichen Genossenschaften bis heute ist. Auch die scheint man so ziemlich ganz vergessen zu haben, ja im Gegenteil, wir sehen, daß sich hier sogar ein Widerstand seitens der Regierung gegen diese Genossenschaften geltend macht.

Ich will noch ganz kurz ein Kapitel berühren, u. zw. die Frage des Post- und Telegraphenwesens. Ich möchte endlich wünschen, daß von Seiten der Regierung das Koalitionsrecht dieser Angestelltengruppe des Staates einmal vollständig anerkannt wird und jene Verfolgungen, denen sie bis heute immer noch ausgesetzt war, endlich eingestellt werden, und daß ferner die veralteten Personalkommissionen, die immer noch ernannt werden, endlich beiseitigt werden und Kommissionen Platz machen, die aus freier Wahl hervorgehen, damit die Möglichkeit besteht, sich jene Leute herauszusuchen, welche die Interessen ihres Standes zu vertreten in der Lage sind. Es ist aber auch notwendig, daß gesagt werde, daß die Regierung endlich darauf drängen muß, daß in der Frage der Errichtung neuer Postämter, der Erweiterung des Telephonnetzes mehr gemacht wird, als bis heute diesbezüglich geschehen ist. Notwendig ist auch, da die Zustände im Scheckamt vollständig geändert werden und daß durch einen modernen Ausbau dieser Institution und eine klaglose Gebarung aus ihr eine Zentralstelle geschaffen wird, die es der Industrie und dem Handel ermöglicht, den kostspieligen Verkehr mit den Banken einzuschränken und diese Institution auszunützen. Die Klagen über Fehler und Mängel dieser Institutionen mehren sich in der letzten Zeit ganz gewaltig und es ist notwendig, daß sich das Postministerium einmal eingehend um die Zustände in diesen Amte bekümmert.

Zum Schlusse möchte ich noch ein paar Worte über die Investitions- und Verkehrsanleihe verlieren. Wie allen bisherigen Anleihen ist auch dieser ein Erfolg nicht beschieden gewesen, sondern wir haben gehört, daß statt 1.400,000.000 heute kaum 400,000.000 gezeichnet worden sind. Die Industrie ist dabei durch die Waggonabgabe kolossal geschädigt, die Gewerbetreibenden und der Handel sind durch die hohe Telephonabgabe, die dem Staate sicherlich nicht viel genützt hat, schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, die Kreditfähigkeit des Staates hat dadurch keineswegs gewonnen. Wenn der Staat in Zukunft derartige Anleihen mit Erfolg machen will, gibt es nur einen Weg, sich in erster Linie das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu erwerben, nämlich den Weg, der durch die volle Einlösung der Kriegsanleihe gegeben ist. Zur Frage der Sachdemobilisierung möchte noch erwähnen, daß dieselbe durch eine eigene Kommission durchgeführt wird, die keinem Ministerium untersteht. Das Erfordernis im Budget ist mit 880.000 Kronen festgesetzt. Auffalend ist bei dieser Post, daß so viele Einnahmen im Kapitel Militarismus zu finden sind, sodaß wir denn doch verlangen müssen, daß im Parlament Aufklärung darüber gegeben wird, in welchem Zusammenhange dieselben stehen.

Sie werden also zugeben, daß auf Grund dieser Beschwerden, die wir heute hier vorzubringen haben, wir nicht in der Lage sind, für das Budget zu stimmen, nachdem wir uns, solange diese Verhältnisse bestehen, in schärfster Opposition zur Regierung befinden müssen. (Souhlas a potlesk na levici.)

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