Pondìlí 21. listopadu 1921

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr. Luschka (pokraèuje): Bitte Herr Kollege, es kommt noch etwas anderes. Wir brauchten über diesen Posten nicht zu sprechen, wenn nicht der Vorgleich angebracht wäre, daß ein verheirateter ausgedienter Staatsbeamter der IX. Rangsklasse auch monatlich nicht mehr als 900 K bezieht und so eigentlich der Staat für ein Reitpferd mehr ausgibt, als für einen ausgedienten Staatsbeamten. Es ist ein Jammer für die Staatsbeamten, und besonders für die Pensionisten, daß sie so miserabel gezahlt sind. Bei Titel 5. des selben Kapitels fällt die Post über die Be wirtschaftung des Staatsgutes Lanna auf, welches im kommenden Jahre in den ordentlichen Ausgaben mit 170.676 Kronen passiv abschließt; dazu noch 8.7 Millionen außerordentlicher Ausgaben, so daß der Staat nicht weniger als 8,865.843 Kronen für ein Betriebsjahr bei diesem Staatsgut draufzahlen wird. Der Ankaufspreis soll 25 Millionen Kronen betragen haben. Wenn nun der Erfolg der staatlichen Bewirt schaftung der ist, daß in einem Betrieb etwas mehr als ein Drittel des gesamten Wertes in einem Jahre draufgezahlt wird, so kann man ermessen, wie notwendig die Privatwirtschaft gerade im Interesse des Staates und also im öffentlichen Interesse ist und was hier alles Bodenreform heißt. Bei Kapitel III: Nationalversammlung, ist die höchst undemokratische Tatsache fest zustellen, daß ungefähr 350.000 Staats bürger in Ostschlesien, Weitra, Zips und Arwa bisher noch immer nicht zur Aus übung des Wahlrechtes zur Nationalver sammlung gelangt sind (Výkøiky.) wohl in stillem Einverständnis mit der parla mentarischen Regierung, die die bezüg liche Vorlage, welche mit 4. November 1920 datiert ist, einfach nicht erledigen läßt. Und wie mit den Nationalversamm lungswahlen, so steht es auch mit der Hintanhaltung der Gemeindewahlen in diesen Gebieten. Meiner Überzeugung nach ist das ein Hohn auf die souveränen Rechte moderner Völker, wenn der Minister des Innern die bezüglichen Interpella tionen damit abfertigte, daß er den Zeit punkt hiefür noch nicht für geeignet er klärte, um die Wahlen, - wahrscheinlich im seinem Sinne - anstandslos durchfüh ren zu können. An die Verwirchlichung der Gauvertretungen scheint man nicht mit großen Ernste zu gehen. Es ist vielleicht auch richtig, daß die geschichtlich gewor dene Eigenart der Länder nicht so im Handumdrehen durch ein Gesetz aus gelöscht werden kann. Jedenfalls aber müssen wir verurteilen, daß indessen staatliche Landesverwaltungskommissionen eingesetzt worden sind, welche gegen die Rechte und Wünsche der oft sehr stattlichen deutschen Bevölkerung verstoßen. So ist in Böhmen überhaupt noch kein einziger Deutscher in der Landesverwaltungskommission, wiewohl die deutsche Bevölkerung ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmacht. In Mähren besteht nur ein ungesetzlicher anachronistischer Landesausschuß und in Schlesien ist die Zusammensetzung der Landesverwaltungskommission ebenso im direkten Widerspruche zu den Wünschen und Rechten der Bevölkerung. Sämtliche deutschen Parteien Schlesiens haben einvernehmlich an die Regierung die Forderung zu stellen, daß in Schlesien ehestens entweder, wie es in einem angeblich demokratischen Staate nur billig ist, ein freigewählter schlesischer Landtag inzwischen wieder beginnt oder das mindestens für die kürzeste Übergangszeit die Landesverwaltungskommission so zusammengesetzt wird, wie es den tatsächlichen völkischen Verhältnissen Schlesiens entspricht. Der jetzt bestehende außergewöhnliche Zustand, daß der stärkste Volkstamm in Schlesien, die Deutschen, nur 3 Mandate von 10 Mandaten besitzen, wird von uns als einevölkische Schande empfunden, deren Beseitigung eine Forderung selbstverständlicher politischer Gerechtigkeit ist. Bei der Nationalversammlung sind nur insgesamt 14 Übersetzungsbeamte angestellt; diese Sparsamkeit entspricht nicht der Billigkeit. Diese Zahl müßte wesentlich erhöht werden, wollte man ernstlich daran gehen, die Sprachenfrage nach internationalen Gerechtigkeitsgrundsätzen inner- und außerhalb des Hauses zu regeln. Besonders auffallend erscheint es, daß das Ministerratspräsidium mit nahezu 5 Millionen im Voranschlage aktiv abschließt.

Es wäre nur zu wünschen, daß es ein gutes Omen für die politischen Erfolge des Ministerrates sein würde, und auch in erster Linie hinsichtlich des Sprachenproblems, welches seit dem Sprachengesetze der Revolutionversammlung jedenfalls weder gelöst ist noch in der Praxis zu einer Verbesserung der Verhältnisse geführt hat. In der "Prager Presse" war im Sommer dieses Jahres zu lesen, daß der Vizepräsident des Senates, Senator Klofáè, als Vertreter der Nationalversammlung mit einer größeren Abordnung zum Sokolkongreß nach Nordamerika für mehrere Wochen zu verreisen gedenke. Es wurde dabei verschwiegen, wer die mit Rücksicht auf den schlechten Stand der èechischen Krone gegenüber dem Dollar sehr bedeutenden Kosten einer derartigen Fahrt bezahlt. Wir müssen bei diesem Anlaß nur dagegen protestieren, daß zu diesem Zweck etwa der Repräsentationsfond des Ministeriums des Äußern in Anspruch genommen wird, da dieser auch aus deutschen Steuergeldern zusammengesetzt ist und wir es keinesfalls zulassen können, daß deutsche Steuergelder für Manifestationen, die, nicht in letzter Linie, einen deutschfeindlichen Charakter haben, ausgegeben und auf diese Art mißbraucht werden.

Wenn die Herren aber einmal gemeinnützig Nordamerika bereisen wollten, da lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf Canada, wo nach dem nordamerikanischen Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein Sprachenrecht geschaffen wurde, welches die sehr bedeutende französische Minderheit derart zufrieden stellte, daß es im Weltkriege gerade diese war, welche, mit Rücksicht auf die gewährleistete Erhaltung ihrer Nationalität, zu den Stützen der englischen Suveränität dieses Gebietes wurde. Es wäre nicht unangebracht, wenn eine derartige Gerechtigkeit und Friedlichkeit sich auch die èechoslovakische Regierung angelegen sein ließe. Sie sollten weder die Manöver aller Art Nebenregierungen noch die Straßenmacht fürchten, um Ihren Verpflichtungen nach dem Minderheitsschutzvertrag in ehrlicher und einwandfreier Weise nachzukommen. Das Sprachengesetz nämlich setzt dem pulsierenden Leben der Völker den toten Satz von 20% als Stichzahl entgegen, welcher über Sein oder Nichtsein der Sprache in einem Gebiete entscheidet. Wenn in der Verfassung festgesetzt ist, daß jede Art gewaltsamer Entnationalisierung unerlaubt ist, so hat dieses Sprachengesetz sich schwer gegen diesen Grundsatz der Verfassung vergangen. Denn es ist gar keine Frage, daß gerade die Entziehung des Sprachenrechtes eine der gewaltsamsten Verletzungen einer Nationalität beinhaltet. Es liegt auch eine technische Ungerechtheit in dieser bürokratischen Aufzäumung der Lösung des Sprachenproblems, weil doch 19.9 % einer Minderheit in absoluter Zahl viele Tausende im einem Gebiet umfassen können, welche für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung dieses Gebietes von der größten Bedeutung sind.

Wir stimmen mit dem Herrn Ministerpräsidenten vollkommen darin überein, daß jeder, der Desorganisation und Anarchie verbreitet und der glaubt, daß ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Politik im Betrügen und in Zweideutigkeiten besteht, bestraft werden muß, und fordern, daß dieser Grundsatz überall und unter allen Umständen inund außerhalb dieses Staates gehandhabt werde.

Das Ministerium des Innern hat den ungeheuerlichen Bedarf von 550 Millionen, welche wohl am augenfälligsten beweisen, wie wenig in Wirklichkeit gespart wird.

Ist es denn notwendig, für die Presseabteilung, Amtskredite der Polizeibehörden und sonstige derartige Zwecke so große Millionenzahlen einzusetzen, um das unerhörte Spitzel- und Propagandasystem, das in allen Ressorts in verschwenderischester Weise geübt wird, zu sichern? Das Denunziantentum und Zuträgertum verdient nicht bezahlt, sondern hinausgeworfen zu werden. (Výkøiky.) Ist es denn notwendig, im Ministerium des Innern eine ganze Abteilung zur Evidenz der politisch Unverläßlichen zu führen und dadurch den niedrigsten Instikten politischer Leidenschaft und manchmal auch persönlicher Rache Tür und Tor zu öffnen? Ich verweise insbesondere abermals auf die Not des Hultschiner Landes, wo ein nationaler Vergewaltigungsprozeß nach wie vor ungehemmt vor sich geht und in allen Beziehungen eine staatsbürgerliche Rechtlosigkeit auf Grundlage der bisher parlamentarisch überhaupt noch nicht genehmigten Regierungsverordnung vom 4. Mai 1920 schafft, welche direkt als europäischer Skandal gebranntmarkt werden muß. Dort werden alle, welche ihre deutsche Nationalität nicht verraten wollen, in einer Unfreiheit gehalten, welche die unglaublichsten Auswüchse polizeilicher Willkür beinhaltet.

Es sind dort Beamte, die weder die theoretische noch die praktische volle Bildung ausweisen können, nichtsdestoweniger aber z. B. in Vertretung des Bezirkshaupt mannes auf Grund des Prügelpatentes vollkommen frei die drakonischesten Strafen verhängen dürfen.

Ich bin mit meinen Ausführungen leider bald am Schlusse, da ich schließlich meinen Klubkollegen auch noch Redezeit freilassen muß. Aber ich kann nicht um hin, beim Voranschlag des Ministeriums des Äußeren, welches die Staatsbürger mit mehr als einer Viertelmilliarde belastet, darauf hinzuweisen, da ß diese Kosten nicht ganz im Einklage mit den diplomati schen Erfolgen stehen.

Solange sich die Kleine Entente nicht exponiert hat, konnte man ihr in optimistischen Kreisen die ruhmredig verheißene europäisch Bedeutung beimessen. Nach den letzten Ereignissen scheint sie aber ihr Prestige bedeutend verloren zu haben. Es ist nicht gelungen, die Forderung nach Aufhebung des Abkommens von Venedig durchzusetzen, noch weniger die völkerrechtlich noch nie dagewesene Ersatzforderung für die Mobilisierungs kosten gegen Ungarn. Wohl aber dürften jetzt aus der Mobilisierung die Kosten der Apanage für das Exkaiserpaar in Madeira entstanden sein. (Výkøiky.) Es ist viel leicht am Schlusse auch noch die Möglich keit einer ungarisch-rumänischen Personalunion entstanden, und wenn der stärkste Bestandteil der Kleinen Entente hinwegfällt, hat diese ganze Kombination ein Debacle erlitten. Wenn man schließ lich jetzt gerade von französischer Seite hie und da vom Wiederaufleben des Ge dankens eines Zollvereines der Nachfolge staaten ließt: Was das für ein Erfolg der Kleinen Entente sein soll, kann ich ein fach nicht ermessen. Nach den letzten Er eignissen nützt es auch nichts, in der Anfreundung an Polen über so manches hin wegkommen zu wollen.

Es ist ja auch ein besonderes Pech, daß der so feierlich und zeremoniös hier ge feierte Minister Skirmunt nach seiner Rückkehr mehr oder weniger gerade im polnischen Landtag in derartige Schwierigkeiten kam, daß Zeitungsnachrichten schon seine emission verkünden.

Es wäre jedenfalls sehr interessant zu erfahren, ob der Herr Ministerpräsident anläßlich seiner Rücksprache mit dem Minister der Äußeren in Polen auch die Fragen besprochen hat, welche Ostschlesien betreffen und die jedenfalls die dringendste Aussprache zwischen diesen beiden Ministern des Äußeren verlangen. Da wäre vor allem einmal die Frage, wie die Guthabungen èechoslovakischer Staatsangehöriger, welche in Polen erliegen, honoriert werden, weiters wie die Schlesische Bodenkreditanstalt wieder saniert werden könnte, welche zirka 20 Millionen im polnischen Gebiet Ostschlesiens ausstehen hat, die nunmehr von den Schuldnern in polnischen Mark bei den Gerichten Polnisch-Ostschlesiens deponiert werden und auf Löschungsklagen hin als gelöscht erkannt werden. Endlich ist es von großer Notwendigkeit, daß über die Staatsbürgerschaft in Ostschlesien Klarheit geschaffen werde, in welcher Angelegenheit ich schon interpelliert habe, um zu erfahren, wann endlich das Übereinkommen zwischen der Èechoslovakei und Polen vom 29. November 1920 im Gesetzblatt verlautbart werden wi rd, so daß die daraus für die èechoslovakischen Staatsangehörigen entspringenden Rechte, was insbesondere bei Invalidenpensionen und sonstigen Renten sehr ins Gewicht fällt, auch tatsächlich realisiert werden. Ob mit diesen Besprechungen der beiden Herren Minister des Äußeren ein Kredit Frankreichs in ursächlichem Zusammenhange steht, läßt sich nach Zeitungsnachrichten allein nicht feststellen, wird aber nicht unwahrscheinlich, wenn man das Militärbudget ohne die Mobilisierungskosten in Betracht zieht, welches heute schon zirka drei Mi!liarden ausmacht und eine Armee stellt, welche mindestens 25% über den durch die Friedensverträge festgesetzten Stand beträgt. Diese Umstände sind umso eigentümlicher, als doch gerade von hier aus immer nach Entwaffnung der Nachbarn gerufen wird und man mit allen Pressionen die Erniedrigung des Standes der auswärtigen Wehrmächte, wie immer sie heißen, auf den durch die Friedensverträge festgesetzten Stand verlangt. Es ist dies ein Widerspruch in sich selbst und kann vielleicht nur so erklärt werden, daß man doch im Geleite der französischen Orientierung steht - trotzdem immer behauptet wird, daß die hiesige Regierung kein Werkzeug einer fremden Macht abgibt und daß im Geiste dieser französischen Orientierung die Wehrmacht der Èechoslovakischen Republik als Strafsanktion gegen Deutschland und seine Freunde auf die Dauer betrachtet wird. Wäre es denn sonst möglich, daß gerade die Oberstkommandierenden der Armee französische Generäle sind? In Troppau ist ebenfalls ein französischer Staatsangehöriger, ein Oberst, èechischer General, welcher nicht weniger als 70.000 Kronen monatlich beziehen soll, mit einem Generalstabschef, ebenfalls französischer Stabsoffizier, welcher monatlich 48.000 Kronen erhält, während die altbewährten und geschulten Offiziere einheimischer Staatsbürgerschaft, gleichgültig welcher Nationalität, aber insbesondere deutscher Nationalität, ihren Beruf rücksichtslos verloren haben oder dort kein Fortkommen mehr finden.

Im Dienste der Demokratie und der Freiheit will die Regierung laut ihrer programmatischen Erklärung ihres Amtes walten. Von Volksherrschaft im edlen Sinne des Wortes spüren wir nichts, von Freiheit noch weniger. Wir halten uns in der Auffassung über Freiheit an die Worte Schillers: "Was ist des Freiestenn Freiheit? Recht zu tun," und verlangen, daß in allen Staatsausgaben sowie in dem ganzen polit: schen System dem deutschen Volke endlich einmal sein Recht werde. Es wäre undeutsch und hieße Verstecken spielen, wollte man glauben machen, daß wir nicht in jeder Post des Sach- und Personalaufwandes ein Damoklesschwert gegen uns vermuten. Zahlen sprechen. Lassen Sie dieser Sprache, die sicherlich durch kein Sprachengesetz gehemmt sein kann, im kommenden Jahre im eigensten Interesse, zugunsten auch des deutschen Volkes dieses Staates, im Sinne von Anstand, Demokratie und Recht, freie Bahn! (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Häuslera (viz str. 688 protokolu):

Werte Damen und Herren! Bereits voriges Jahr bei der Budgetdebatte stellten meine Kollegen bei dem Kapitel "Ministerium des Inneren" Anträge, um die unhaltbaren Zustände, die in dieser demokratischen Republik herrschen, zu beseitigen und Verbesserungen herbeizuführen. Aber beinahe alle diese Anträge sind abgelehnt worden. Die Verhältnisse haben sich nicht gebessert, zum Großteil noch verschlechtert, und wir müssen nun heute wieder Stellung nehmen und müssen versuchen, Kritik zu üben, um vielleicht doch die Möglichkeit zu haben, die Regierung zu beeinflussen, damit sie sich bemühe, bessere Verhältnisse herbeizuführen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.) Der frühere Ministerpräsident und jetzige Minister des Innern hat bei seinem damaligen Amtsantritt an die Beamtenschaft einen Erlaß herausgegeben, in welchem unter anderem die Worte vorgekommen sind: "Die politischen Behörden müssen von dem Gedanken durchdrungen sein, daß sie Volksämter sind, daß das Volksinteresse Staatsinteresse ist. Sie müssen bei ihren Amtshandlungen von dem Geiste der Demokratie durchdrungen sein." Das sind gewiß sehr schöne Worte, aber wie sieht die Praxis aus? Davon nur einige Beispiele.

Wir haben ein veraltetes österreichisches Vereins- und Versammlungsgesetz. Aber selbst in der Zeit des Ausnahmszustandes war es während des Krieges im alten Österreich möglich, ohne besondere Belästigung Versammlungen abhalten zu können. In der demokratischen Republik ist das anders. Da verlangt beispielsweise der Bezirkshauptmann von Sternberg, daß Vereinsversammlungen drei Tage vorher angemeldet werden müssen. Wir müssen fragen: In welchem Gesetz steht das? Uns ist davon nichts bekannt; höchstens bei Volksversammlungen ist dies vorgeschrieben. Aber was kümmert sich ein Bürokrat um bestehende Gesetze? In den meisten Versammlungen sind Spitzel anwesend. Die Spitzel der politischen Behörden überwachen jetzt alle Versammlungen, überall, wohin man kommt, macht sich dieses Ungeziefer bemerkbar. Und jede Anzeige eines solchen Spitzels genügt vollständig - dafür sind Beispiele in Schlesien vorhanden - daß der Landespräsident sofort den Auftrag gibt, gegen den Redner die Anklage zu erheben und die Untersuchung einzuleiten; also nicht erst auf die Anzeige des Regierungsvertreters, der doch ohnehin anwesend ist, es genügt vielmehr die Anzeige des Spitzels vollkommen, um einen in den Anklagezustand zu versetzen. Vereine werden als staatsgefährlich aufgelöst, Versammlungsverbote, Versammlungsauflösungen sind an der Tagesordnung. Eingaben wegen Neuerrichtung von Vereinen werden, wenn sie nicht genügend gestempelt sind, ganz einfach abgelehnt, es wird ihnen die Genehmigung verweigert. So war es zum Beispiel bei einem Sportverein in Brünn der Fall. Selbst Tischgesellschaften werden unter die Kontrolle der Spitzel gestellt, Gendarmerie und Polizei wird überall aufgeboten, zum Beispiel in Zuckmantel in Schlesien. Alles wird überwacht, damit ja keine staatsgefährlichen Umtriebe geschehen. Konfiskationen häufen sich in jeder Weise; ich verweise auf die vorgekommenen Konfiskationen der letzten Zeit: "Sozialdemokrat", "Volksrecht", "Volkswille" u. s. w. Vor allem erfreuen sich die sozialistischen Zeitungen einer vorzüglichen Aufmerksamkeit durch die Pressezensoren und so leiden die sozialistischen Zeitungen alle an Flecktyphus. Aber man erlaubt sich in der Èechoslovakischen Republik selbst die Interpellationen der Abgeordneten zu konfiszieren. Ich glaube, das hätte sich im altösterreichischen Staat kein Beamter erlauben dürfen, was sich in der Èechoslovakischen Republik die Beamten herausnehmen können.

Wenn wir also untersuchen wollten, wer denn das staatsgefährliche Treiben führt, wäre es sicherlich auf Seite der Beamten unter Duldung der Regierung zu finden. Oder sind es keine staatsgefärlichen Handlungen, wenn ungesetzlich Versammlungsanmeldungen verlangt werden, wenn auf Grund entstellter Spitzelberichte Anklagen erhoben werden, oder ist dies die Demokratie im Interesse des Volkes laut Erlaß des Ministers, den ich eingangs erwähnt habe und den die Beamten draußen so "verständnisvoll" durchführen? Ist aber das letztere nicht der Fall und ist der Minister damit nicht einverstanden, wo bleibt dann die starke Hand, einzugreifen und diese Übelstände zu beseitigen? Aber meine Damen und Herren, wie kann man das verlangen, wenn wir besti mmte Gerüchte hören, daß Minister, und zwar Herr Udržal und Herr Stanìk noch immer Verwaltungsratstellen bekleiden sollen, obwohl § 74 der Verfassungsurkunde lautet: "Ein Mitglied der Regierung darf nicht Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates oder Vertreter von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung sein, soferne diese Gesellschaften sich mit Erwerbstätigkeit befassen." (Min. Udržal: V den svého jmenování jsem složil tyto funkce!) Sollte das wahr sein, so wäre es ein Beweis, daß Mitglieder der Regierung die Verfassungsgesetze mißachten. Wir erwarten, daß die Herren Minister im persönlichen Interesse sich bemühen werden, Aufklärung zu schaffen.

Wir wollen also einmal vor allen Dingen ein freies Vereins- und Versammlungsrecht, das die Jugendlichen und Frauen gleichberechtigt behandelt wie die Männer, wir wollen die vollständige Preßfreiheit und die Beseitigung des Bürokratischen Einflusses bei Versammlungen und Vereinen. Aber anstatt den bürokratischen Einfluß zu beseitigen, stärkt und erhöht man den Stand der Gendarmerie und Polizei. Aus dem Voranschlag für 1922, der uns vorliegt, ist zu ersehen, daß für das Zentralpolizeiorgan 470.000 K gegen 90.000 K im Vorjahre ausgeworfen werden, also 380.000 K mehr als im Vorjahre, oder eine Steigerung von ca. 400%. Für Druck und Versand von Gesetzen und Verordnungen werden 6,459.000 K ausgeworfen. Allerdings heißt es, daß darin auch einige Ausgaben für das Ministerratspräsidium enthalten sein sollen. Für Zulagen der Angestellten in der Slovakei und Karpathorußland werden 72 Millionen gegen 60,459.834 K im Vorjahre ausgeworfen. Die Beamten selbst haben nichts davon, sie müssen einen doppelten Haushalt führen, Wohnungen können sie für ihre Familien nicht bekommen, sondern müssen selbst noch daraufzahlen und darunter leiden. Im alten Österreich hat man Millionen und Millionen für Bosnien und die Herzogovina daraufgezahlt. In der Èechoslovakei zahlt man Millionen um Millionen für die Slovakei und Karpathorußland darauf.

Ein Überblick zeigt schon, wie man um das Wohl der Slovakei und Karpathorußland besorgt ist. Die Ausgaben für Polizei und Gendarmerie in Karpathorußland betragen 24,248.600 K gegen 13,187.183 K im Vorjahre. Für Polizeiämter und Organe werden 5,894.860 K gegen 1,778.970 K im Vorjahre ausgewiesen; das ist eine Steigerung für die Gendarmerie und Polizei zusammen in Karpathorußland um rund 103 %. Also anstatt das Schulwesen auszubauen, anstatt die soziale Fürsorge auszugestalten, werden Millionen um Millionen für Gendarmerie und Polizei hinausgeworfen, weil man überall staatsgefährliche Elemente sieht, weil man alle Versammlungen überwachen läßt, aber nicht bloß in der Slovakei und Karpathorußland, sondern auch in allen anderen Gebieten dieses Staates, wie ich bereits eingangs meiner Ausführungen gesagt habe. Deshalb kostet der Aufwand für die Polizei so viele Millionen, ohne daß diejenigen, welche den Dienst machen, etwas davon haben. Bei jeder Versammlung wittert man staatsgefährliche Umtriebe.

Selbst bei kleinen Versammlungen wird die Gendarmerie aus dem ganzen Bezirke zusammengezogen und dabei bekommen die Leute täglich 25 K Diäten. Wenn er nicht hungern will - denn mit 25 K kann er nicht auskommen - muß er dann von seinem kargen Gehalt noch daraufzahlen. Aber für die Gendarmerie besteht nicht die Möglichkeit, sich ihr Recht zu erkämpfen, denn für die Gendarmerie gibt es kein Koalitionsrecht. Alle Staats-, Gemeinde- und Landesbeamten haben es, nur die Gendarmerie nicht. Wir verlangen, daß auch der Gendarmerie endlich das Koalitionsrecht gegeben wird.

Überall, wo wir hinsehen, sehen wir nichts als Willkürlichkeiten von Bürokraten. Die Bezirkshauptleute machen, was sie wollen. Der Bezirkshauptmann von Neutitschein gibt direkt den Auftrag, das Kaiser Josef-Denkmal zu entfernen, und zwar als Befehl, der binnen 24 Stunden ausgeführt werden muß. Ähnlich handelt der Bezirkshauptmann von Sternberg, der das Kaiser Josef-Denkmal in Mähr.-Neustadt zu entfernen befahl. Meine Damen und Herren! Wenn draußen von diesen Beamten so vorgegangen wird, wo rücksichtsloser Weise nur Befehle erteilt werden, wo bleibt da das Zusammenarbeiten mit der Bevölkerung? Wenn aber solche direkte Befehle erteilt werden, so ist das eine direkte Aufforderung an die èechischen Minderheiten, Aktionen einzuleiten. Wundern Sie sich dann nicht, wenn es zu Vorfällen, wie in Eger, Teplitz u. s. w. kommt, und wenn wir wieder fragen, wer staatsgefährlich ist, werden Sie darauf kommen, daß es Ihre Beamten sind, die Leiter Ihrer Behörden. (Posl. Hillebrand: Erziehung zur Legalität, wie der Herr Ministerpräsident sagt!)

Wir haben voriges Jahr bei der Budgetdebatte verlangt, daß endlich einmal im Hultschiner Gebiete die Gemeindewahlen durchgeführt werden sollen. Wir haben nachträglich eine Interpellation eingebracht, aber bis heute ist ganz einfach nichts geschehen. Man ignoriert alle volksfremden Leute und schaltet und waltet dort ganz willkürlich zur Unzufriedenheit und zum Ärgernis der Bevölkerung.

Einen Fall will ich herausgreifen. In Friedek sind unsere Genossen und die Deutschbürgerlichen aus der Verwaltungskommission ausgetreten, um gegen die Verschleppung der Gemeindewahlen zu protestieren. Was ist geschehen? Man hat ganz einfach in die Verwaltungskommission Èechen ernannt und ist stillschweigend darüber hinweggegangen. Die Wahlen sind nicht ausgeschrieben worden. Unter dem Kommando des Regierungskommissärs Tesaø ist dort eine unerträgliche Willkürherrschaft eingerissen. Er macht, was er will. Man versucht, die Gemeindefinanzen, die trostlos sind, zu sanieren, indem man indirekte Steuern diktiert, ganz einfach kommunale Abgaben vorschreibt, beispielsweise für 1 kg Fleisch 80 Heller Abgabe, für ein Lastenauto jährlich 1000 Kronen Abgabe. Bezeichnend ist aber, daß für Luxusautos keine Abgabe vorgeschrieben wird. Der Regierungskommissärstellver treter in dieser Verwaltungskommission Kubaschek, ein Sozialdemokrat, wurde durch eine verleumderische Pressehetze von diesem Posten direkt verdrängt und es wurde an seine Stelle ein gewisser Dr. Sekera gesetzt. Dieser ist nun in die Lage versetzt, als Regierungskommissärstellver treter des autonomen Stadtmagistrates in Friedek in dessen Kompetenz fallende Ur teile zu vollstrecken, als Richter und als Rechtsfreund in einer Person. So schauen die Zustände und Rechtsverhältnisse aus! Ein anderer Fall, der dem Ministerium des Innern zur Kenntnis gebracht wurde, ist der, daß das Mitglied einer Verwaltungskommission, ein Prokurist Marek, als Mitglied dieser Kommission Tausende von Kronen durch sonderbare Holzgeschäfte verdient hat. Dieser Mann war charakter los genug, sich Lebensmittel aus der amerikanischen Mission im Werte von 40.000 Kronen anzueignen. Und trotzdem sitzt dieser Mann noch immer in der Verwal tungskommission und bekleidet noch diese Ehrenfunktion. Es gibt natürlich noch un zählige andere Beschwerden, die aber nur beseitigt werden können, wenn endlich einmal Wahlen in die Gemeinden durch geführt werden. Nicht nur im Hultschiner Gebiet ist es notwendig, die Gemeinde wahlen zur Durchführung zu bringen, son dern es gibt noch eine ganze Anzahl an derer Gebiete. Ich verweise da auf Süd mähren, Misslitz z. B., wo bis heute noch keine Wahlen durchgeführt wurden. Eben so ist es höchste Zeit - und wir müssen dies von dieser Stelle aus urgieren - daß endlich einmal die Wahlen in die Nationalversammlung für das Hultschiner und Teschener Gebiet durchgeführt werden, damit die dortige Bevölkerung die Möglichkeit hat, den skandalösen Zuständen dadurch ein Ende zu bereiten, daß ihre Vertreter von hier aus Stellung zu nehmen und ihren Einfluß geltend zu machen imstande sind. Wenn wir endlich die neue Zusammensetzung der Landesverwaltungskommissionen verfolgen, so sehen wir, daß die Deutschen in Böhmen überhaupt keine Vertretung in der Landesverwaltungskom mission haben. Trotzdem das Gesetz im Senat bereits beschlossen ist, wird es ganz einfach dem Abgeordnetenhause nicht vor gelegt, damit es nicht erledigt werden kann. In Mähren haben die deutschen Sozialdemokraten im Landesverwaltungsaus schuß keine Vertretung, trotzdem sie die stärkste deutsche Partei innerhalb Mäh rens sind. Wir verlangen also eine beschleu nigte Erledigung dieser Angelegenheit. Schließlich möchte ich auch noch darauf verweisen, daß es höchste Zeit ist, eine Verwaltungsreform durohzuführen, damit an Stelle von Bürokraten gewählte Vertreter, die das Vertrauen der Bevölkerung genießen, zu entscheiden haben. Im Verfassungsgesetz ist die Kreiseinteilung, die allerdings abänderungsbedürftig ist, bereits festgelegt worden. Wo bleibt die Durchführung? In Böhmen sind die Bezirksausschüsse unter dem Einflusse der bürgerlichen Parteien zusammengesetzt worden, so daß ganz ungerechterweise die Arbeiter entweder verhältnismäßig zu schwach oder überhaupt nicht vertreten sind. Alles verlangt eine Erledigung, eine dringende Änderung. Wenn aber die Regierung und ihre Bürokraten wollen, dann verstehen sie es auch, fest zuzugreifen, vor allen Dingen, wenn es sich um Deutsche handelt und wenn es sich gegen die Deutschen richtet. Da könnten wir Beispiele anläßlich der Volkszählung anführen, wo Kommissionen in ihrer ungerechten Zusammensetzung teilweise ganz willkürlich vorgegangen sind und Leute gezwungen haben, sich als Èechen zu erklären, eventuell unter Androhung von Strafen. Wir haben aber nichts davon gehört, daß gegen diese Leute irgendeine Strafe diktiert worden wäre, daß man strafend vorgegangen wäre. Dagegen wurde aber eine große Anzahl von Gemeindevorstehern in den Anklagezustand versetzt und schwer bestraft, weil sie sich zur. Zeit der Volkszählung Kataster anlegen wollten, um eine Grundlage für die gesetzlich vorgeschriebene Errichtung von Gemeindebibliotheken zu schaffen. Das ist doch nicht verboten und es wurde auch in keiner Weise die Volkszählung durch diesen Vorgang beeinträchtigt. Ein Beispiel: In Mähr.- Schönberg wurden diese Drucksorten zwei Tage vor der Volkszählung mit der Weisung ausgeteilt, daß sie erst nach der Volkszählung abzuliefern sind. Die Verteilung wurde jedoch über Weisung der politischen Behörde sofort eingestellt, ja teilweise verteilte Drucksorten wieder zu rückgezogen, so daß eine Beeinträchtigung der Volkszählung unter keinen Umständen erfolgen konnte. Die Volkszählung fand erst am zweiten Tage darauf statt. Trotz dem wurde aber der Bürgermeister zu 6 Tagen Arrest und 6000 Kronen Geld strafe verurteilt. Ähnliche Strafen in die sem Sinne wurden in allen anderen Fällen in ganz Nordmähren diktiert. Meine Da men und Herren! Wir verlangen, daß die ses Unrecht beseitigt wird und daß die Strafen nachgesehen werden, denn zum Teil sind sie willkürlich von den Behörden verhängt worden, zum Teil nach dem Wohl wollen, in dem die Behörden den einzelnen Personen gegenüber gestanden sind.


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