Damit glaube ich im Wesen das erschöpft zu haben, was ich zu den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten vorbringen wollte. Ich glaube, auf das andere nicht eingehen zu müssen, denn es ist schon, zum Teile in ausgiebiger Weise, auf seine Ausführungen geantwortet worden. Aber lassen Sie mich eines feststellen, und das scheint mir gerade wichtig zu sein in der Stunde, in der wir über den Staatsvoranschlag und über das Verhältnis der politischen Parteien zur Regierung sprechen. Lassen sie mich darauf hinweisen, daß ich in den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten zwar sehr viel darüber gehört habe, wie er sich die Entwicklung in außenpolitischer Beziehung vorstellt, daß ich aber kein Wort darüber gehört habe, wie er sich die innerpolitische Entwicklung und den Werdegang des Staates im Innern vorstellt. Es mag das vielleicht damit zusammenzuhängen, daß der Herr Ministerpräsident durch diesen einen Gedanken so stark beherrscht ist, daß er glaubt, die inneren Verhältnisse treten im Verhältnisse zu den au ßenpolitischen Dingen zurück. Ich aber glaube, daß das ein Irrtum ist, und daher möchte ich mir doch gestatten, ein wenig auf diese Verhältnisse einzugehen. Freilich leugne ich durchaus nicht den Standpunkt, den ja, wie ich glaube, auch der Herr Ministerpräsident einnimmt, daß die innere und äußere Entwicklung des Staates miteinander unlösbar verbunden sind, und daß man daher bei Besprechung der Gesamtlage immer auf beide entsprech end Rücksicht nehmen mu ß. Mich veranlaßt ein jüngst von Ihrem Präsidenten in Preßburg gesprochenes Wort, gerade auf diese wesentliche Wechselbezieh ung hinzuweisen. Präsident Masaryk hat in Preßburg aus irgend einem Anlaß, der ja nebensächlich ist, von dem alten Österreich-Ungarn als einem horrenden Unikum in der politischen Konstellation Europas gesprochen. Ich habe viel über dieses Wort nachgedacht und, da ich ja doch Gelegenheit hatte, die österreichische Politik an Ort und Stelle zu verfolgen, so werden Sie es begreiflich finden, daß ich mich mit diesem Wort beschäftigt habe. Ich komme zu der Überzeugung, daß eine solche allgemeine Kennzeichnung dieses alten Staates nicht richtig ist oder vielmehr daß sie die Dinge nicht erschöpft. Erstens einmal müßte man zwischen Österreich und Ungarn unterscheiden, denn Sie wissen alle sehr genau, daß die Verhältnisse hüben und drüben wesentlich verschieden waren. Aber, meine Herren, ich gebe zwar zu, daß in rein politischer und insbesondere national-politischer Beziehung dieser alte österreichische Staat ein Anachronismus war, denn er war von dem Gedanken der habsburgischen Hausmacht beherrscht und hat diesen Gedanken in der Form zum Ausdruck gebracht, verschiedene widerstrebende Völker gegen ihren Willen in einem Staate zusammenzuhalten. Insoferne war er allerdings ein politischer Anachronismus, denn der nationale Gedanke hatte mittler weile seit der Gründung des alten österrei chischen Staates gewaltige Fortschritte gemacht, er war Änderungen unterworfen und es entsprach eine solche Auffassung nicht mehr den modernen Bedürfnissen. Ja, aus diesen Gründen kann aber doch der Präsident oder wer immer es sei, Österreich-Ungarn nicht als ein horrendes Unikum be zeichnen, denn diese Tatsache allein ist wohl für ihn deshalb nicht ausschlagebend, weil wir ähnliche Verhältnisse nicht nur bei uns, sondern auch anderwärts in der Welt vorfinden. Ich verweise z. B. darauf, daß das große indische Kaiserreich doch zweifellos nicht aus freiem Willen von der Handvoll Engländer beherrscht wird, ohne daß es den èechischen Politikern eingefallen wäre, derartige Staaten als horrende Unica zu bezeichnen. Aber bleiben wir bei uns. Auch bei uns sind dieselben Verhältnisse klar ausschlaggebend, freilich nicht unter dem Titel der habsburgischen Hausmacht, sondern unter dem Titel der ausgespro chenen Herrschaft eines einzelnen Volkes, oder, bitte, wenn etwa das slovakische Volk die Absicht hat, sich als ein anderes Volk zu bekennen, unter der Herrschaft eines von zwei Völkern gegründeten Staates. Und was, meine, sehr geehrten Herren, die rein ökonomisch-wirtschaftliche Bedeutung dieses alten Österreich-Ungarn anlangt, nun da müssen wir doch wirklich sagen, daß das alte Österreich in ökonomischer Beziehung der Ausdruck der wirtschaft lichen Verquickung der Völker des Donau beckens war und daß die geschichtliche Entwicklung dazu geführt hat, alle diese kleinen Völker, welche für sich allein viel leicht eben nur hätten so leben können, wie wir heute im Zeichen der Nachfolgestaaten leben, zusammenzufassen, um ihnen eine höhere Form der Entwicklung zu gewähr leisten. Also, ökonomisch betrachtet, ist seit 1526 ein gewaltiger Fortschritt in Europa geschehen und ich betrachte die heutige Gestaltung der Verhältnisse als einen ökonomischen Rückschritt gegenüber den früheren Zeiten, wobei ich ohne wei teres zugebe, daß die Form der österreichisch-ungarischen Monarchie überlebt war und daß dieses Lebewesen seine Zeit er füllt hatte und daher früher oder später zweifellos verschwunden wäre. Denn ich glaube, darüber kann es doch wohl keinen Zweifel gehen, daß wir heute im Zeichen einer wirtschaftlichen Entwicklung der Völker zu und mit einander stehen, aus welcher wir nie mehr herauskommen werden oder wenigstens nicht, soweit als das Auge geschichtlich vorauszublicken vermag. Es wurde vielfach der sogenannte Imperialismus als der Schuldtragende dafür bezeichnet, daß die Verhältnisse eben so gestaltet sind, daß die Regierungen immerfort zu neuen Rüstungen und Kriegen gezwungen werden. Ich bitte, ich will hier nicht auf diese einzelnen Worte eingehen, ich glaube aber doch sagen zu können, daß wir im Zeichen der planetarischen Entwicklung der Wirtschaft stehen, wie sie Kjellen nennt und daß sie die eigentliche Grundlage aller inneren und äußeren Politik sein sollte, denn wir mögen es anstellen, wie wir wollen, heute sind die Völker schon viel zu viel mit einander verquickt und verbunden, als daß es möglich wäre, durch eine rein politische Konstellation diese innig geflochtenen Fäden zu zerreissen; und wenn es trotzdem geschieht, dann eben tritt ein ökonomisches Chaos ein, wie wir es zum Teile nach diesem Kriege erlebt haben.
Also das, scheint mir, hätte der große Gedanke zu sein, von dem sich eine weitsichtige Politik leiten lassen müßte, aber wir sehen freilich, daß die Entwicklung Europas, welche dieser Erdteil durch die Friedensverträge genommen hat, nicht darnach angetan ist, daß wir Vertrauen haben können, daß derartigen grundsätzlichen Ansch auungen Rechnung getragen werde. Es besteht freilich nach wie vor heute bei den Siegerstaaten und bei den sogenannten Trabanten der Siegerstaaten das Bestreben, dieser weltwirtschaftlich orientierten Richtung Rechnung zu tragen, allein auf Kosten der anderen Völker. Das können wir auch bei uns feststellen. Die Ausdehnung der Herrschaft des èechischen Volkes auf nichtèechische Gebiete, also z. B. auf die deutschen und die magyarischen Siedlungsgebiete, ist zweifellos das Bedürfnis des èechischen Volkes, auf die Bodenschätze zu greifen und das Verfügungsrecht über sie zu bekommen, wel che das èechische Volk - ich bitte, ob mit Recht oder mit Unrecht, ist jetzt ganz Nebensache - glaubt, nicht entbehren zu können. Und dieses Bestreben oder dieses Bedürfnis des èechischen Volkes drückt sich - verzeihen Sie den harten Ausdruck - in einer anachronistischen Form aus, indem es glaubt - bitte auch andere Völker tun das, wie ich sagte - eine solche rein ökonomische Herrschaft über irgendwelche Bodenschätze bedinge gleichzeitig die politische Herrschaft über die Bewohner des betreffenden Gebietes. Und daran, meine Herren, kranken wir und auch andere Staaten. Und diese politische Unterjochung der widerstrebenden Teile hat ja früher zu kriegerischen Entwicklungen geführt und führt noch heute dazu. Wir sehen ja derartige Erscheinungen auf Schritt und Tritt.
Nun haben wir, glaube ich, in dem Völkerbund nichts anderes zu sehen lassen Sie mich einmal ganz trivial sprechen - als das vielleicht unbestimmte Gefühl der Nationen, sie müssten zu dieser weltwirtschaftlichen Entwicklung irgendwie beitragen, denn sie haben die Empfindung, daß die heutige bis zur modernen Höhe gediehene Wirtschaft die Einengung in politische Staatsgrenzen nicht mehr verträgt und, daß sie daher genötigt ist, außerhalb der Staaten auf andere Gebiete überzugreifen. Und das trachtet man unter dem Ausdruck "Völkerbund" in die Wege zu leiten und mit Recht hat sich der Bund Völkerbund genannt und nicht Staatenbund. Es ist selbstverständlich, daß der Völkerbund heute nicht das ist, was sich seine Gründer, oder sagen wir besser, seine Anreger, unter ihm vorgestellt haben. Es ist zweifellos, daß aus ihm die Karrikatur all dessen geworden ist, aber es ist auch zweifellos, dass hier ein ganz bestimmter in der Weltwirtschaft wirkender Grund vorhanden ist, irgendein vielleicht unbestimmt drängendes Gefühl, welches dahingeht, eine möglichste Umfassung ganz großer wirtschaftlicher Gebiete in die Wege zu leiten. Und sehen Sie, bei dieser möglichsten Erweiterung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat Wilson, als er seinerzeit seine Thesen aufgestellt hat, mit vollem Recht das nicht übersehen, was ich vorhingekennzeichnet habe als die anachronistische Unterjochung widerstrebender Volks teile zum Zwecke der Besitznahme gewisser wirtschaftlich wichtiger Gebiete und er hat diesem Bestreben vergeblich vorbeugen wollen durch die Aufstellung des Begriffes des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen.
Völkerbund auf der einen Seite und Selbstbestimmungsrecht auf der anderen, beide sind untrennbare Begriffe und das eine ohne das andere kann niemals zu irgendwelchen Erfolgen führen. Der Völkerbund an und für sich allein deshalb nicht, weil, wenn mit ihm die Verleugnung des Selbstbestimmungsrechtes der Nation verbunden ist, es niemals zur weltwirtschaftlich ökonomischen Verquickung dieser Gebiete kommen kann, und das Selbstbestimmungsrecht an sich langt unter den heutigen modernen, industriell und technisch hochentwickelten Verhältnissen nicht mehr hin, um die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft sicherzustellen. Daher müssen beide verbunden und verquickt werden und es muß in diesem Sinn gearbeitet werden. Nicht aber in dem Sinne, daß man etwa trachtet, durch parlamentarische oder politische Pourparlers irgendwelche wiederum außenpolitische Bündnisse oder Verhältnisse, wollen wir sagen, zu schaffen, welche die Kriegsrüstungen und ähnliches abschaffen wollen.
Auch wir wünschen der Washingtoner Konferenz alles Gedeihen und ein volles Ergebnis ih rer Verhandlungen. Aber es scheint mir doch, daß hier an der Oberfläche geblieben wird. Es kann die Abrüstung der weltwirtschaftlich orientierten menschlichen Gesellschaft niemals eintreten, solange nicht die Ursachen dieser Rüstungen getroffen und erfaßt worden sind, und diese Ursachen der Rüstungen sind eben die politisch eigenmächtigen Eingriffe in die Bedürfnisse, in die ökonomischen und sozialen Notwendigkeiten der Völker; und daher kommen wir wieder auf diesen Punkt zurück: es muß eine Erweiterung der ökonomischen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft unter gleichzeitiger Anerkennung und Durchführung des Selbstbestimmungsrechtes aller Völker eintreten. Denn nur so ist es möglich, wirklich zu einem Ziele zu kommen. Und da, meine Herren, möchte ich denn doch sagen, daß die heutige sogenannte kapitalistische Ent wicklung, das heutige kapitalistische Sy stem bereits eine solche Form der Welt wirtschaft ermöglicht. Wenn ich hier vom Kapitalismus spreche, will ich mich nicht einlassen in eine theoretische Erörterung über diesen sozialpolitischen Begriff, son dern ich will darunter nur verstehen die Erzeugung und den Austausch der Warenmengen oder die Produktion nach dem Grundsatz des persönlichen Interesses. Nur das verstehe ich darunter und da kann ich wohl sagen, daß die Entwicklung der heutigen kapitalistischen Zeit eine solche Möglichkeit der Verquickung der Weltwirtschaft, der Erweiterung ihrer ökonomischen Grundlagen bereits gestattet, und ich glaube, daß der Freihandel ein Ausdruck dieser Entwicklung ist. Und wir finden ihn hauptsächlich im britischen Imperium vertreten, freilich, meine Herren, ein Freihandel, oder wenn Sie wollen, nennen Sie es Völkerbund, es kommt ja schließlich auf dasselbe heraus, allerdings immer und immer wieder unter Zuerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen. Ich bitte, ich will nicht darauf zu sprechen kommen, ob die Überwindung des kapitalistischen durch ein anderes System nehmen wir z. B. das sozialistische - überhaupt denkbar, überhaupt möglich ist, ob sie kommen wird oder nicht: das interessiert uns hier nicht. Diese Frage können wir offen lassen. Jedenfalls müssen wir eines feststellen: Wenn es überhaupt möglich ist, die Grundlage der Erzeugung und des Austausches der Güter zu verändern, also das Interesse des Produzierenden oder Austauschenden auszuschalten, dann scheint alles darauf hinzudeuten, daß die Ablösung dieses Systems durch ein neues nur eine Erziehungssache von sehr langer Zeit sein kann. Lenin selbst beklagt sich über das mangelhafte Verständnis, welches ihm die Massen bei seinen Maßnahmen entgegengebracht haben, und man kann sich grundsätzlich zu diesen beiden Systemen stellen, wie man will, so muß man das eine jedenfalls festhalten, daß auch ein neues System, welches das alte ablöst wir wollen es das alte nennen, obzwar es noch nie so kräftig war wie heute - daß also die Ablösung des alten Systems durch ein neues eine Sache der organischen Entwicklung der Menschheit ist und daß es daher nicht durch einen willkürlichen Akt der Gesetzgebung oder irgend eines poli tischen Parlaments in die Wege geleitet werden kann. Und wenn wir alle diese Verhältnisse, oder sagen wir, diese Ge danken mit den heutigen Zuständen ver gleichen, dann freilich kommen wir zu dem Ergebnis, daß dieser Staat wohl eine sehr geringe Möglichkeit oder Anpassungs fähigkeit bisher gezeigt hat, derartigen Gedankengängen nachzugehen, obzwar ge rade er sich als den Mittelpunkt Europas, als Herz dieses Erdteiles so gerne bezeich net; und ich glaube gerade dieser Staat hätte die Möglichkeit, im Kleinen hier zu beweisen, daß er bereit ist, sich einzufügen in diese weltwirtschaftliche Entwicklung, die meiner Überzeugung nach kommen wird und kommen muß, da mögen sich einzelne dagegen stemmen oder nicht, daß er bereit ist, sich dieser wirtschaftlich-ökonomisch notwendigen Entwicklung anzupassen, indem er auf seinem Grund und Boden dasjenige verwirklicht, was unter den gegebenen Verhältnissen möglich und realisierbar ist. Das aber sehen wir nicht. Wir sehen als System und als Standpunkt der Regierung und der Majoritätsparteien nach wie vor die brutalste Unterdrückung der Minderheitsvölker in diesem Staat. Wir sehen nach wie vor die unglaublichsten Verfolgungen, nicht nur einzelner Personen, sondern diese Verfolgungen erstrecken sich auch auf Symbole, Standbilder und ähnliches und verraten dadurch einen niedrigen Stand der Kultur, wie man ihn im 20. Jahrhundert nicht für möglich gehalten hätte. Es ist eine Schande und es müßte jede Partei, die wirklich Wert darauf legt, als kulturell fortgeschrittene Partei angesprochen zu werden, dagegen Verwahrung einlegen, daß man die historischen Erinnerungen an eine alte Zeit - man mag sie sonst politisch billigen oder mißbilligen - einfach beseitigt, und in einer Weise beseitigt, die gewiß haarsträubend ist und keinesfalls ein schönes Zeugnis ablegt für die Verwaltung in diesem Staate. Denn was sollen wir sagen, wenn der Mährisch- Schönberger Bezirkshauptmann die Beseitigung einer Statue anbefiehlt, widrigenfalls er damit den Svaz der èechischen Legionäre betrauen wird? Das ist eine Verwirrung aller Begriffe. Es werden Privatvereinigungen an Stelle der staatlichen Organe gesetzt, entweder, weil man nicht die Kraft oder nicht den Willen hat, das vorzukehren, was hier notwendig wäre.
Statt also, meine verehrten Damen und Herren, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in diesem Staate und außerhalb grundsätzlich zu leugnen, wie es die amtlichen èechischen Politiker auf den Majoritätsbänken und den Regierungsbänken tun, hätten sie vielmehr die Aufgabe zu sehen, daß dieses Selbstbestimmungsrecht der Minderheitsvölker in diesem Staate eben im Sinne des èechischen Staates ausgeübt würde. Das ist die Aufgabe der èechischen Politik. Und es mutet etwas merkwürdig an, wenn wir verglichen werden mit Leuten, welche durch einen Wald gehen mit einer Balanzierstange in der Hand und diese Balanzierstange sei das Selbstbestimmungsrecht; und wir stoßen natürlich bei jeder Gelegenheit an einen Baum und kämen so nicht weiter. Wir müßten daher die Balanzierstange ablegen und dann könnten wir uns in diesem Walde frei bewegen. Dieser Wald ist die èechische Republik. Ich aber sage Ihnen: selbst, wenn wir Vertreter des deutschen Volkes etwa die Absicht hätten auf das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen zu verzichten, dann würde es ihnen genau so wenig oder nichts nützen, solange nicht das Volk selbst gesprochen hat, solange nicht eben der Begriff des Selbstbestimmungsrechtes mit diesem Staate so übereinstimmt, wie es zum Beispiel in der Schweiz der Fall ist. Die Minderheitsvölker aber auf diesen Standpunkt zu bringen, ist natürlich nicht unsere Aufgabe. Hier beginnt die Kunst der èechischen Politik. Wenn wir Führer des Volkes, Irredentisten, Hochverräter sind, dann kämpfen Sie mit uns um die Seele des deutschen Volkes! Machen Sie uns das deutsche Volk abwendig, isolieren Sie uns mit unserer ganzen flitterhaften Scheinmacht und sagen Sie, daß es ihnen gelungen ist, das deutsche Volk für diesen Staat zu gewinnen. Dann können wir beruhigt abtreten, denn dann hat sich das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes erfüllt. Verlangen Sie aber von uns nicht, daß wir das Selbstbestimmungsrecht ablegen sollen, bevor wir überhaupt nur einen Schein von Möglichkeit sehen, daß unserer hochentwickelten Nation in diesem Staate auch nur die primitivsten Rechte zugebilligt werden, welche heute schon in Kolonien nicht mehr angezweifelt werden. Auf diesem Wege ist natürlich eine Politik in diesem Staate nicht möglich, oder viel mehr sie ist möglich, solange sie von den Bajonetten gestützt wird. Solange ist sie zweifellos möglich und solange, fürchte ich, wird sie auch anhalten. Ob einmal der Tag kommt, an dem diese Bajonette versagen, das können wir heute nicht feststellen. Wir können aber Eines feststellen, daß alles Nachlaufen der Regierung und des Ministers des Äußeren nach politischen Bünd nissen mit anderen Staaten niemals das er setzen kann, was die Grundbedingung eines derartigen, aus dem freien Willen der Völker gebildeten Staates wäre, wie es der èechische ist, nämlich das freiwillige Zusammenhalten der verschiedenen Nationen unter irgendeinem Titel, wie es zum Beispiel in der helvetischen Eidgenossenschaft die freie helvetische Republik ist, woselbst es keiner der Nationen einfällt, gegen diesen Staat Stellung zu nehmen, wo man es aber auch keiner dieser Nationen verwehren würde, weil es die Entwicklung als ganz selbstverständlich gebracht hat, daß diese Nationen gar kein Interesse haben, ihre Staatsbürgerschaft zu wechseln. Wenn sie es täten, würde man ihnen diesen Willen nicht vorenthalten. So, glaube ich, sollte die Regierung und sollte die Politik auf èechischer Seite eingerichtet sein. Aber man kann auch hier, wie so oft in der Geschichte feststellen, daß die abschreckenden Beispiele anderer in diesem Staate nichts wirken. Sie haben ja das beste Bild an dem alten Österreich-Ungarn, welches, wie ich gesagt habe, zweifellos politisch ein nicht mehr mit dem modernen Nationalitätenbegriff zu vereinbarender Staat war. Aber Sie lernen aus diesem Beispiele nichts und ich glaube, Sie werden auch in der Zukunft nichts lernen, und daher müssen wir uns schon darauf einrichten, ob wir nun wollen oder nicht, daß wir um alle diese Rechte, die Sie und die Herren von Paris uns vorenthalten haben, kämpfen müssen.
Wir werden das immer nach den Grundsätzen und von dem Begriffe der Demokratie aus tun. Wir haben darin, glaube ich, die festeste Grundlage für unsere Poli tik. Wir können die Auffassung über Demokratie, wie sie sich auf den èechischen Bänken und auch auf der Regierungsbank kennzeichnet, nur - verzeihen Sie den Aus druck - bemitleiden. Denn, was soll man dazu sagen, wenn ein Demokrat, und noch dazu ein Sozialist, der doch der Herr Ministerpräsident ist, z. B. sein Desinteressement an Ostgalizien erklärt? Ja, hat er denn nicht das Empfinden, daß er weder sein Interessement noch sein Desinteressement zu erklären hat, weil ihn Ostgalizien gar nichts angeht, wenn er demokratisch denkt und empfindet, genau so wie die Polen die Slowakei gar nichts angeht, wenn die Slowakei eine solche Einmischung nicht wünscht. Hat er nicht das Empfinden, daß er damit so undemokratisch als nur mög lich arbeitet? Und doch führt er jeden Tag die Demokratie im Munde und er braucht Millionen und Millionen, um dem Auslande nachzuweisen und plausibel zu machen, daß dieser Staat konsolidiert und seine Grundlage die demokratische Entwicklung in Europa ist.
Sehen Sie, gerade die ostgalizische Frage ist eine für die allgemeine slavische Poli tik sehr bittere und schwere Frage; denn es zeigt sich, daß die vielberühmten Sym pathien zwischen den slavischen Völkern, in dem Falle zwischen den Èechen auf der einen und den Ruthenen auf der anderen Seite, sofort zum Schweigen kommen, wenn es sich um irgendwelche imperialistische Extravaganzen der Regierungen handelt. Und es ist ein trauriges Schicksal für die Ruthenen in Ostgalizien, daß sie heute aus dem verantwortlichsten Munde des èechi schen Volkes erfahren müssen, daß das èechische Volk an ihrem Schicksal kein Interesse mehr hat. Gestatten Sie, meine Herren Kollegen, daß ich als Vertreter des deutschen Barbarenvolkes hier erkläre und feststelle, daß wir die schwierige Schicks salsgemeinschaft, die uns mit den Ruthenen verbindet, voll und ganz zu würdigen wissen und daß wir es verstehen, wenn auch dieses ruthenische Volk, das um sein Selbstbestimmungsrecht in weiten Teilen betrogen worden ist, mit allen Mitteln um seine Zuerkennung kämpft. Wir können dem rut henischen Volk nichts als unsere Sympathien entbieten, die aber wollen wir ihm entbieten, weil es doch wenigstens ein akademischer Ersatz sein mag für die Sympathien auf èechischer Seite, die ihm abhanden gekommen sind.
So sehen wir alles von einem Gesichtspunkt beherrscht. Von dem Gesichtspunkt des Aufbaues des Staates durch eine Gemeinschaft von ihn umgebenden Staaten oder auch weiter abwärts liegenden Staaten, welche eigentlich die Rückversicherung für seinen Bestand bilden sollen. Und man kann füglich, wenn man den Dingen auf den Grund geht, feststellen, daß Herrn dr. Beneš's ewig Weh und Ach, sein tausendfältig Ungemach aus einem Punkte zu kurieren ist, nämlich aus seiner Abneigung gegen alles, was den deutschen Namen hat. Eine solche Abneigung stand als Parze an der Wiege dieses Staates, diese Abneigung zieht sich wie ein roter Faden von Regierung zu Regierung, von Koalition zu Koalition und diese Abneigung kennzeichnet sich in allem Verträgen, mögen sie nun politischer, militärischer oder wirtschaftlicher Natur sein. Ja, Herr Dr. Beneš soll ja unlängst sogar gesagt haben, daß das wirtschaftliche und sonstige Bündnis mit den Polen deshalb notwendig sei, weil unsere außenhandelspolitischen Beziehungen zum Deutschen Reich viel zu sehr ausgestaltet seien und daher gerade jetzt, wo Deutschland in so schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, auf ein anderes Geleise geschoben werden müssen. Ich frage einen Volkswirtschaftler, ob er wirklich glaubt, daß diese uns mit dem deutschen Reich so eng verbindenden wirtschaftlichen Beziehungen einzig und allein darauf zurückzuführen sind, daß sich die Völker dieses Staates - bitte ohne Unterschied, einschließlich der Èechen - aus politischen Gründen wirtschaftlich nach Deutschland orientiert haben. Ich glaube vielmehr, diese wirtschaftlichen Verbindungen haben ganz andere tiefere Ursachen, sie sind der natürliche Ausdruck der geographischen Verhältnisse und der geschichtlichen Entwicklung. Ob wir Polen werden an die Stelle von Deutschland setzen können, wird nicht davon abhängen, ob wir den Polen größere und den Deutschen geringere Sympathien entgegenbringen, sondern zunächst einmal davon, ob die Polen unsere Industrieerzeugnisse werden bezahlen können.
Wenn das der Fall ist, wird eine solche wirtschaftliche Verbindung jedenfalls eintreten. Ich kann wohl erklären, daß nie mand etwas gegen sie einzuwenden hat, aber man soll nicht glauben, daß man mit politischen Maximen derartige wirtschaft liche Verbindungen hervorruft, wenn die gegebenen Grundlagen für eine solche Verbindung nicht vorhanden sind.
Und nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schlusse. Es ist gar keine Frage, und ich habe es ja einleitend bereits bemerkt, wie wir uns bei der Abstimmung über den Staatsvoranschlag verhalten werden. Auch wir können nichts anderes tun, als uns dem Bedauern darüber anzuschließen, daß durch eine so knappe Zeit einteilung den oppositionellen Parteien nicht genügend Möglichkeit gegeben wird, die einzelnen Kapitel des Staatsvoranschla ges zu besprechen; denn was vom allgemei nen Gesichtspunkten gesagt werden muß und was die Stellung der politischen Parteien zu der Regierung kennzeichnen soll, also in die Generaldebatte gehört, das natürlich müßte seine Ergänzung in der Spezialdebatte finden, wo wir hunderte und vielleicht tausende Bemerkungen und Wünsche vorzubringen hätten, deren Vor bringung uns durch die getroffene Zeiteinteilung unmöglich gemacht wird. Unsere Stellung bei der Abstimmung wird selbstverständlich ganz klar sein und ich glaube, mit diesen meinen Ausführungen gar nichts Überraschendes gesagt zu haben. Aber ich möchte nicht schließen, bevor ich nicht denn doch die èechische Regierung auch von diesem Platze aus auf die Ent wicklung der Verhältnisse in der nächsten Zeit aufmerksam gemacht habe. Ich denke dabei an die Entwicklung in Deutschland. Es ist gar keine Frage und es wurde bereits von verschiedenen Seiten wieder holt betont, daß Deutschland sich in derart unmöglichen wirtschaftlichen Verhälnissen befindet, daß die Gefahr tatsächlich vor handen ist, daß schon die nächste Repara tionsrate nicht wird beglichen werden können. Es ist weiters die Befürchtung vollständig berechtigt, daß Deutschland in geradezu beängstigend rascher Weise nunmehr jenem Standpunkt sich zu nähern scheint, den Österreich bereits seit längerer Zeit bezogen hat. Ich will nicht davon sprechen, daß es vielleicht politisch richtig wäre, wenn die èechische Regierung sich mit Berücksichtigung des Umstandes, daß wir doch einen bedeutenden Bruchteil des deutschen Volkes, allerdings gegen seinen Willen, in diesem Staate vereinigt haben, etwa die Frage vorlegen würde, ob sie sich nicht mit den verschiedenen Regierungen darüber ins Einvernehmen setzen sollte, wie diese schwere Zeit in Deutschland überstandenwerden könnte. Ich will davon nicht sprechen, denn ich verspreche mir keinen Erfolg von einer solchen Forderung, es wird die französische Orientierung ausschlaggebend sein in den politischen Erwägungen und es ist daher, wie gesagt, müßig, eine solche Forderung vorzubringen. Aber ich glaube, jemand, der volkswirtschaftlich denkt, der wird sich darüber klar sein müssen, daß eine allfällige derartige Erschütterung des deutschen Reiches nicht ohne Rückwirkungen auf uns und ich befürchte auf ganz Europa bleiben wird. Und was wir in dieser Beziehung vielleicht noch im nächsten Jahre erleben und zu überstehen haben werden, das werden wir ja sehen, ich glaube aber nicht, daß es erfreulich sein wird, und aus diesen Gründen vielleicht sollte die Èechoslowakische Regierung nichts unversucht lassen, was die Möglichkeit zu bieten scheint, daß diese wirtschaftliche Verelendung Deutschlands aufgehalten werde. Nur aus diesen rein egoistischen Gründen möchte ich Ihnen diese Frage nahelegen. Wie Ihre Beantwortung ausfallen wird, darüber maße ich mir heute kein Urteil an.
Und so kann ich wohl meine Ausführungen
schließen. Ich glaube, daß die Politik, die die im Parlamentarischen
Verband vereinigten deutschen Parteien im diesem Hause von allem
Anfang an vertreten haben, ganz klar war und daß sie auch in Zukunft
einzig und allein von den Grundlagen ausgehen wird, welche ich
gekennzeichnet habe, und die sich kurz zusammenfassen lassen in
dem Wunsche, es möge auch unserem Stamme in diesem Staate das
Selbstbestimmungsrecht werden. Ich weiß, daß Sie heute darüber
lachen oder vielleicht lächeln werden, ich weiß aber auch ganz
bestimmt, daß dereinst der Tag kommen wird, wo es uns möglich
sein wird, dieses Recht der Selbstbestimmung auszuüben. Sorgen
Sie, daß es dann nicht für Sie zu spät sein wird! (Souhlas
a potlesk na levici.)
Igen tisztelt hölgyeim és uraim! A miniszterelnök úr beszédének magyarországi vonatkozásairól nem kívánok részletesebben nyilatkozni. Mint a magyarországi események és az europai diplomaciai munka távoli szemlélõje, esetleges helytelen informátióim vagy benyomásaim ugyanilyen következtetésre vezethetnének, amit kerülni szeretnék. (Výkøiky.)