Ètvrtek 17. listopadu 1921

Pøedseda (zvoní): Volám pana poslance za jeho výrok k poøádku. (Hluk. Výkøiky a odpor nìmeckých poslancù.)

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Ich bitte, meine sehr veehrten Damen und Herren, ich nehme natürlich, als ein immerhin auf seine Erziehung bedachter Mensch, die Äußerung des Herrn Vorsitzenden zur Kenntnis, aber ich möchte doch wirklich wissen, welches strafbaren Ausdruckes ich mich bedient habe, daß ich zur Ordnung gerufen werde. Was ist dabei, wenn ich diesen Staat als Èechei bezeichnet habe?

Pøedseda (zvoní): Žádám pana øeèníka, aby nepolemisoval s pøedsedou.

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Nein, ich polemisiere nicht gegen den Vorsitzenden, sondern ich frage mich erstaunt, was an dem Ausdruck Èechei sträfliches ist. (Rùzné výkøiky.)

Pøedseda (zvoní): Žádám pana øeèníka, aby se držel vìci a pokraèoval.

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Also, meine Herren, es muß doch sicherlich belanglos gewesen sein, was hier oder anderwärts geschah. Ausschlaggebend war doch die Stellung Italiens. Denn, wenn Italien etwa den Anlaß für gekommen erachtet hätte, gegen Südslavien seinerseits zu mobilisieren, dann wäre die Mobilisierung und die Kriegsbegeisterung in diesem Staate wahrscheinlich zu Wasser geworden, denn dann wäre der Staat vor der Notwendigkeit gestanden, alle seine Kräfte gegenüber Ungarn zu konzentrieren und dann war der Ausgang des Waffenganges wohl nicht fraglich, wenn das aber nicht das Fall war, und es war ja nicht der Fall, dann, meine Herren, hat es der Mobilisierung wahrlich nicht bedurft und Sie hätten der Bevölkerung die Aufregung und den Steuerträgern die ungeheueren Auslagen für diese Maßnahmen ersparen können. Wir können daher beim besten Willen einen anderen Standpunkt gegenüber dieser Frage nicht beziehen. Nun aber sind ja bekanntlich hier durch den Mund des Herrn Chefs des Regierung und insbesondere des Sprechers der stärksten èechischen Partei, des Kollegen Bechynì, ganz bestimmte Forderungen aufgestellt worden, deren Durchsetzung eben eine Folge der Mobilisierung sein sollte, der Ersatz für die Mobilisierungskosten z. B. und nicht nur die Beseitigung Karls von Habsburg und aller Habsburgersprossen, sondern auch die Beseitigung der Oligarchie des Horthyschen Adelsregimes. Und ich frage Sie, meine Herren, warum Sie da nicht folgerichtig den Schritt bis zum Ende getan haben, wenn Sie schon dachten, Sie müßten derartige Forderungen erheben? Sie haben es deshalb nicht getan, weil Sie sich überzeugt haben, daß es ganz belanglos ist, was Sie tun, sondern, daß es darauf ankommt, was die große Entente, in diesem Fall Italien und Frankreich, wünscht und daher mußte sofort die Aufstellung dieser Forderung zurückgenommen werden oder unterbleiben und es konnte die Mobilisierung zurückgenommen werden. Ich beglückwünsche selbstverständlich die Herren von den Regierungsbänken und auch die Herren von der èechischen Koalition zu ihrem Bewußtsein, daß die Mobilisierung so glänzend gelungen ist. (Souhlas a smích na levici.) Und die Herren hatten ja die Güte zu sagen, daß in dieser Frage alle Nationalitäten in Pflichtbewußtsein für den Staat wetteifert haben. Ich habe keinen Grund - es haben das auch andere Herren gesagt - an dieser Tatsache zu zweifeln. Ich freue mich insbesondere feststellen zu können, daß besonders in der Slovakei, wie wir gestern aus dem Munde des Herrn Kollegen Hodža gehört haben, sogar mehr Leute eingerückt sind, als hätten einrücken müssen. Aber schließlich könnte man auch die Frage aufwerfen, warum diese große Begeisterung für die Mobilisierung vorhanden war und ob sie auch bis zum Schlusse in der Richtung durchgehalten hätte, in welcher sie eingeleitet war. Aber ich bitte, das mögen sich die Herren auf der Regierungsbank und auf den Bänken der Majorität miteinander ausmachen.

Nun wird es denn doch notwendig sein, auf einige Äußerungen zurückzukommen, welche hier vor nicht zu langer Zeit einer meiner Herren Vorredner, der Herr Abgeordnete Hillebrand, gebraucht hat. Ich bitte, nehmen Sie meine Ausführungen nicht zum Anlasse, wiederum eine Störung in der Verhandlung herbeizuführen, es hat gewiß keinen Zweck und ich bin überzeugt, daß die Herren mir soviel Verständnis und Taktgefühl für ihre schwierige (Smích nìm. obè. poslancù.) politische Situation zubilligen, daß ich mich jeder Erörterung enthalten werde, in der die Herren einen Angriff erblicken könnten. Ich habe aus den Worten des Herrn Kollegen Hillebrand und insbesondere aus dem Verhalten seiner Herren Parteigenossen den Eindruck gewonnen, daß sie mit allen Mitteln bestrebt sind darzutun, daß der Vorwurf, der angeblich gegen sie erhoben worden wäre, sie seien Kriegshetzer, nicht berechtigt sei. Ich verstehe das vollkommen und die Herren werden zugeben, daß von unseren Bankreihen ein solcher Vorwurf nicht erhoben worden ist. (Výkøik: Aber angedeutet!) Es ist richtig, daß in einer der jüngsten Sitzungen aus Anlaß der Rede des Ministerpräsidenten über diese Angelegenheit auf der linken Seite der Ruf laut wurde "Nieder mit den Kriegshetzern!" Ich glaube nicht, daß die Herren, die diesen Ruf gebraucht haben, etwa dabei an die Kollegen von der deutschen Sozial demokratie gedacht haben. Es scheint mir, weiß Gott, überflüssig, sich in dieser Beziehung zu verteidigen. Aber eines ist sehr interessant bei den Ausführungen des Kollegen Hillebrand. Er hat durch leuchten lassen - ich werde darauf noch zurückkommen - daß er meinte, bei unseren Kreisen ein Anbiedern an die èechische Regierung feststellen zu können. Nun, ich überlasse es der Regierung und den èechischen Parteien, sich hierüber ein Urteil zu bilden. Ich habe das Empfinden, daß die Herren von der Sozialdemokratie - ich bitte, das soll nicht nur von der deutschen Sozialdemokratie gelten, das gilt in gewisser Beziehung für alle Gruppen dieser großen Partei - daß sie ihrer früheren, nun verlorenen, grundsätzlich oppositionellen Stellung in den verschiede nen Staaten nachtrauern müssen. (Sehr gut!) Die sozialdemokratischen Parteien waren im Zeichen grundsätzlicher Opposition von einem bewunderungswürdigen Elan erfüllt. Und sie haben jetzt durch die schwere Umsturzzeit das gewiß schwere und wenig beneidenswerte Amt über nehmen müssen - das gilt natürlich nicht, ich betone es noch einmal, von den deut schen Sozialdemokraten in diesem Staate - Regierungsparteien zu bilden und damit die Verantwortung zu übernehmen. Und bei uns hat sich das Verhältnis so entwickelt, daß naturgemäß infolge der Gestaltung des Staates sowohl die natio nalen, wie auch die sozialdemokratische Partei in schärfster Opposition stehen, und es macht fast den Eindruck, als ob einzelne Herren das Bedürfnis hätten, in dieser Opposition mu die Wette zu laufen, weil sie sich nur in dieser Rolle wohl fühlen und sofort versagen müssen, wenn es notwendig wird, die Verantwortung zu übernehmen. Wir wissen - die geschicht liche Entwicklung der Jahre hat es bewiesen - das die sozialdemokratische Partei unfähig war, bei Antritt der Regierungsverantwortung ihre geschlossenen Reihen zusammenzuhalten, daß die sofor tige Zersplitterung und Zerschlagung dieser einst großen Oppositionspartei ein getreten ist. Ich verstehe es vollkommen, daß die Herren also das Bedürfnis hätten, die nationalen Parteien mehr in die Regierungsrichtung hineinzubringen, um ge wissermaßen wieder allein die grund sätzliche Opposition darzustellen.

Denn es war natürlich für eine solche Partei ungeheuer wertvoll, wenn sie dar auf hinweisen konnte, daß in früheren Zeiten die verschiedenen Parteien, die an der Regierungsbildung da und dort betei ligt waren, natürlich auch die Last der Verantwortunghaben übernehmen müssen. Es war so bequem - Herr Kollege Hillebrand hat es heute wieder getan - dar auf hinzuweisen, daß sie für die Dread noughts gestimmt haben, daß sie für die Erweiterung der Heeresrüstungen im alten Österreich, für das Kriegsleistungs gesetz gestimmt haben. Es war so bequem, darauf hinzuweisen und demgegenüber festzustellen, daß man natürlich mit allen diesen schweren Belastungen des Volkes nichts zu tun hat. Heute geht das nicht. Die Herren müssen schon die Güte haben, uns das Plätzchen an der Sonne der Opposition zu gönnen. (Veselost na levici.) Wir haben - das kann ich den Herren Kollegen trotz des Ausdruckes, Herr Prof. Spina hätte hier eine säuselnde Rede gehalten, versichern - nicht das geringste Bedürfnis, die Verantwortung in diesem Staate irgendwie zu übernehmen. (Posl. Dr. Czech: Gestern haben wirs anders gehört!) Ich kann auch nur eines feststellen, daß dies nach der Entwicklung, welche dieser Staat und alle anderen Staaten seit dem Oktober 1918 genommen haben, auch ein Ding der Unmöglichkeit wäre, denn mit dem Augenblick des Umsturzes ist das Gebot der Stunde an die Sozialdemokratie herangetreten, sie mußte die Macht in die Hand nehmen und damit ihren Teil der Verantwortung. Und wenn wir heute künstlich eine solche Verschiebung in die Entwicklung hineinbringen wollten, dann könnten wir doch bloß beweisen, daß wir uns einer kindischen Auffassung schuldig machen. Heute sind nicht die nationalen Parteien die grundsätzlich Regierenden und die Sozialdemokraten die grundsätzlich Opponierenden, sondern heute ist es zum großenTeil umgekehrt und daher auch das Bestreben der Herren, das ich ja vollkommen begreife, mit Hilfe der proletarischen Einheitsfront jenen Teil der Macht in die Hände zu bekommen, welche uns zu erlangen wohl niemals möglich sein wird. (Veselost na levici. - Sehr gut!)

Nun hat Herr Kollege Hillebrand auch zu den Ausführungen des Herrn Prof. Kafka einiges bemerkt. Und er hat gemeint, die Ausführungen des Herrn Prof. Kafka hätten sich in süßlichen Komplimenten - ich glaube, das war der Ausdruck - gegenüber der Regierung be wegt und es sei dies ein Anzeichen, daß vielleicht auch Herr Prof. Kafka das Bedürfnis fühlt, in die Regierungsverant wortung für diesen Staat einzutreten. Ich glaube, Herr Kollege Hillebrand verwechselt hier etwas. Man kann seinen schärfsten oppositionellen Standpunkt in denkbar verbindlichster Form zum Aus druck bringen. Das ist keine Sache der prinzipiellen programmatischen Auf fassung, sondern das ist Sache der Kinder stube und Herr Dr. Kafka hat daher vielleicht in seinen Ausführungen nur be wiesen, daß er eine solche besitzt. (Posl. Èermak: Aber es ist nicht gewöhnlich, daß man zwischen Ministerpräsidenten und Parteien einen so feinen Unterschied macht, wie gestern Prof. Kafka!) Das wollte ich auf diesen Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Hillebrand feststellen, im übrigen selbstverständlich kann ich es ja den einzelnen Herren überlassen. (Posl. Hillebrand: Sagen Sie das von der guten Kinderstube den Herren dort! Wie gut die erzogen sind! Namentlich, wenn sie die Pultdeckel zerschlagen! - Posl. dr. E. Feyerfeil: Wir zerschlagen die Pultdeckel gegen die èechische Mehrheit, Sie gegen uns. Das ist ein Unterschied!)

Und nun nur noch eine kurze Bemerkung. Kollege Hillebrand meinte in seiner Rede wörtlich - ich habe es stenographisch aufgenommen: "Unsere Haltung war klar, sie war dieselbe, wie die Ihre, und trotzdem haben Sie uns beschuldigt, wir seien Kriegshetzer." Ich stelle fest, daß das Letztere von uns aus nicht geschehen ist. Ich weiß nicht, was Kollege Hillebrand gemeint hat, das ist aber Nebensache, jedenfalls hat er festgestellt, daß die Haltung der Herren deutschen Sozialdemokraten klar und dieselbe war, wie die unsere. (Posl. Èermak: In der Frage der Einrückung!) In der Frage der Mobilisierung. Infolgedessen kann ich wohl feststellen, daß auch unsere Haltung in diesem Falle vollkommen klar war und es ist wohl ein merkwürdiges scholastisches Kunststück, wenn vielfach behauptet wird - und das wird offiziell behauptet, wird vom Parteivorstand der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei vertreten, daß unsere Haltung deshalb nicht klar gewesen sei, weil wir zwar die offizielle Losung ausgegeben hätten, einzurücken, uns dann aber der Sabotierung der Einrückung insgeheim schuldig gemacht hätten. Meine Herren von der sozialdemokratischen Partei: Ist es wirklich Ihr Ernst, daß Sie glauben, daß wir die Einrückungsordre, die Mobilmachung sabotieren wollten, wenn wir zum wohlüberlegten Beschluß gekommen sind, daß, wenn schon mobilisiert wird, wir dabei sein wollen? Glauben Sie nicht, daß es vielmehr unserer politischen Grundauffassung entsprechen mußte, daß wir darauf bestanden, daß unsere Volksgenossen ebenfalls in die Reihen der Armee der Èechei eintreten?

Pøedseda (zvoní): Žádám p. poslance, aby tohoto výroku neužíval. (Výkøiky nìmeckých poslancù. Velký hluk.) Slovo má p. posl. dr. Lodgman. Žádám, aby pokraèoval. (Posl. Èermak: Hier reden die Herren so, draußen reden sie anders! Ich kann unter vier Augen Namen nennen von Abgeordneten! Sie spielten mit verteilten Rollen, haben die Bevölkerung verrückt gemacht!)

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Meine sehr geehrten Herren! In den Zwischenrufen ist Ihnen wahrscheinlich etwas entgangen. Der Herr Präsident hat mich ersucht, den Ausdruck "Èechei" nicht mehr zu gebrauchen. Ich wollte nur feststellen, daß ich dem Ersuchen des Herrn Präsidenten in meiner Rede nachkommen werde. Ich achte selbstverständlich die Würde des Präsidenten des Hauses, sodaß ich diesem Wunsche ohne weiteres Rechnung tragen werde. Wenn man mich jedoch hätte zwingen wollen, auf diesen Ausdruck zu verzichten, hätte ich "nein" gesagt. (Pøedseda zvoní. - Posl. dr. Meissner: Vy jste vùdce! Tohle øíká vùdce! - Velký hluk. Výkøiky: To jest demagogie!) Ich bitte feststellen zu dürfen, daß diese an sich belanglose Angelegenheit nicht durch meine Schuld in die Debatte hineingezogen wurde. Nun gestatten Sie, daß ich fortfahre, Sie wissen, unsere Zeit ist beschränkt und ich möchte sie nicht noch durch solche Zwischenfälle verkürzen.

Herr Kollege Hillebrand und offiziell der Vorstand der deutschen Sozialdemokratie hat eine Unmenge von Klagen gegen uns gehäuft, worin er nachzuweisen sucht, wir seien Kriegshetzer, und hat dies geschichtlich begründet aus dem bekannten Verhalten der nationalen deutschen Parteien im österreichischen Reichsrat. Nun, meine Herren, zunächst eine formelle Bemerkung. Es ist ja gewiß, wie Sie zugeben müssen, unrichtig, wenn man uns ohne weiteres als Nachfolger der damaligen Parteien hinstellt. Das ist an sich unrichtig, genau so, wie es unrichtig ist, wenn man die heutige Sozialdemokratie gleichstellt mit der Sozialdemokratie von damals. (Sehr gut! Bravo! - Posl. Dr. Czech: Wir bekennen uns dazu!) Bitte, es ist ja dagegen auch gar nichts einzuwenden, aber es liegt doch eine Kleinigkeit in der Entwicklung dazwischen, nämlich der Weltkrieg und alles, was drum und dran hängt, und die Parteien sind genau so Lebewesen und Organismen, wie andere Erscheinungen in der Biologie und wechseln ihre Gestalt und ihre Form. Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, es genügt ein kurzer Hinweis auf diesen Umstand. Aber ich stelle ausdrücklich fest, daß das auch belanglos ist. Ich nehme einmal an, die im Parlamentarischen Verbande vereinigten Parteien seien die Rechtsnachfolger der alten deutschen Parteien im österreichischen Reichsrat. Posito, sed non concesso, dann ist es richtig, daß wir vor dem Jahre 1914 für die Regierung gestimmt haben, für die Kriegskredite, für das Kriegsleistungsgesetz und ich weiß nicht was. Meine Herren, ich kann für mich eine besondere Stellung beanspruchen, aber ich tue das in diesem Falle nicht. Es ist belanglos. Ist es also richtig, meine sehr verehrten Herren, dann bitte ich auch logisch bis zum Ende durchzudenken. Im Jahre 1914 stand auch die deutsche Sozialdemokratie in der Reihe der kriegsbewilligenden Parteien und der österreichischen Sozialdemokratie ist diese schwere Rolle nur deshalb nicht zuteil geworden, weil das Parlament geschlossen worden ist. (Sehr gut!) Aber, meine Herren, wenn Sie sich die Mühe nehmen wollen, die damaligen offiziellen Kundgebungen auch der deutschen sozialdemokratischen Partei Österreichs zur Hand zu nehmen, so werden Sie feststellen, daß in diesem Punkte damals im Juli oder August 1914 kein grundsätzlicher Unterschied vorhanden war. (Posl. Hillebrand: O ja, der Unterschied war der, daß wir den Krieg bis Juli 1914 verhüten wollten und daß Sie zum Kriege gehetzt haben! - Posl. inž. Jung: Und der Unterschied war der, daß in den Reihen dieser Herren die besseren Kriegsdichter waren!) Denn es ist Ihnen doch gewiß erinnerlich, daß damals die sozialdemokratischen Parteien den Krieg als einen gegen den russischen Zarismus gerichteten Krieg hingestellt haben und daß sie daher aus diesen Gründen bereit waren, für die notwendigen Kredite zu stimmen. Was in Berlin geschehen ist, geschah in Wien allerdings nicht, weil dazu keine Partei die Möglichkeit hatte. Nun ergibt sich logisch doch nur das Folgende: Wenn es in der Tat zu diesem Weltkriege gekommen ist, und da doch die Herren von der sozialdemokratischen Partei, wie es tatsächlich geschehen ist und offiziell, ich verweise auf die damaligen Kundgebungen, tatsächlich diesen Krieg mit ihrem Namen gedeckt haben, dann erscheint, rückläufig betrachtet, die Billigung und die Gewährung der Kriegskredite als eine viel bessere politische Methode, als die Ablehnung; denn, meine sehr geehrten Herren, wenn sich alle Parteien auf den Standpunkt der Opposition gestellt hätten, dann wäre es auch zu dem Krieg gekommen, es wären aber diese Kriegskredite damals nicht verwendet worden. Daher darf man aus diesem damaligen Verhalten der nationalen Parteien nicht zu den Schlüssen kommen, zu denen die Herren zu kommen belieben.

Im übrigen aber wird den nationalen Parteien auch der Vorwurf gemacht, sie hätten den großdeutschen Gedanken aus Anlaß dieser Mobilisierung verraten. Ich bitte, wenn die Herren von der deutschen Sozialdemokratie die Güte haben, uns eine Vorlesung über die großdeutschen Notwendigkeiten zu halten, dann werden Sie gestatten, daß ich mir die Freiheit nehme, Ihnen etwas über die Demokratie zu erzählen. Ich bin selbstverständlich, und ich glaube, alle Parteien der linken Seite dieses Hauses, auf dem Standpunkt des großdeutschen Gedankes insoferne, als ich wünsche, daß dem deutschen Volke die Möglichkeit gegeben wird, sich in einem einheitlichen Staatswesen zu organisieren. Das ist der Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und wir glauben, daß das deutsche Volk sein Selbstbestimmungsrecht in diesem Sinne ausüben sollte oder würde, wenn Sie wollen. Aber, meine sehr geehrten Herren, wir können den geehrten Herren der Sozialdemokratie auf dem Wege nicht folgen, diese großdeutsche Selbstbestimmung im Wege der Waffengewalt ins Werk zu setzen, denn wir erachten es als Gegenstand der freien Entschließung des betreffenden Teiles des deutschen Gebietes Europas und wir lehnen es ab, sei es den Schweizer Deutschen oder irgend einem anderen Teil des deutschen Volkes eine solche großdeutsche Lösung aufzuzwingen gegen deren Willen. (Posl. dr. Czech: Was ist mit den österreichischen Großdeutschen?) Ich bitte um Entschuldigung., ich habe für die österreichischen Großdeutschen selbstverständlich keine Verantwortung übernommen und kann, wenn also der Standpunkt der Großdeutschen Österreichs in dieser Frage dem meinen widerspricht, nur feststellen, auf welcher Seite der Begriff Demokratie gewahrt wird. So glaube ich, stehen die Dinge.

Und jetzt gestatten Sie mir, daß ich ganz kurz auf eine Bemerkung des Kollegen Stivín eingehe, der gestern hier sehr interessante Ausführungen zum besten gegeben hat. Nun, sehr geehrte Herren, der Kollege Stivín hat die Entwicklung der letzten Wochen so dargestellt, und das ist gar nicht von ihm vereinzelt geschehen, daß sich hier eine Gefahr der Reaktion gegen die Demokratie entwickelt hätte, wobei er offenbar im monarchistischen Gedanken diese reaktionäre Gefahr gegen die Demokratie erblickt. Ich bitte, meine Herren, es ließe sich darüber reden, ob Monarchie und Reaktion gleichbedeutende Begriffe sind; ich meine, wir sollten hier in diesem hohen Hause uns nicht mit Schlagworten abgeben, sondern trachten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir finden dann undemokratische Republiken und sehr dem okratische Monarchien. Es geht nicht, daß einfach diese Sache mit der Reaktion gleichgestellt wird, wenn man, ich bitte, nicht mit Schlagworten arbeitet, sondern trachtet, den Dingen auf den Grund zu gehen. Aber darüber hinaus hat Herr Kollege Stivín gesagt, daß eine Gefahr für die Demokratie und die sozialistische Entwicklung vorhanden ge wesen wäre. Ich bitte, ich weiß nicht, was Herr Kollege Stivín darunter versteht, insbesondere ob er etwa die Meinung vertritt, daß wir in dem Teile Mitteleuropas, in dem wir leben, eine sozialistische Ent wicklung aufweisen. Aber es ist jedenfalls interessant, daß, wenn das richtig ist, die Herren von der èechischen Koalition, und zwar ohne Unterschied der Partei, sich für diese Entwicklung im sozialistischen Geisze eingesetzt haben, und ich muß es natür lich den Parteien zur Beurteilung über lassen, ob diese Ausführungen des Herrn Kollegen Stivín auch im Sinne und in den Intentionen der übrigen Parteien der èechischen Koalition sind. Wenn aber Abg. Stivín gemeint hat, die österreichischen Sozialdemokraten seien eben nicht richtige Anhänger der zweiten Internationale, sie seien im Gehirn Sozialdemokraten, im Herzen aber Kommunisten, und das habe ihr Verhalten in der weiteren Entwicklung der Habsburgerangelegenheit gezeigt, dann erlaube ich mir an den Herrn Abg. Stivín die Anfrage, ob ihm diese merkwürdige Zweiteilung der österreichischen Sozialdemokratie nicht schon zu jener Zeit bekannt war, in welcher er sich hingesetzt hat, um mit diesen Gehirnsozialdemokraten und Herzenskommunisten einen gemeinsamen Aufruf in dieser Frage hinauszugeben. (Souhlas na levici.) Ich kann daher zwar gewiß das Bestreben verstehen, all das, was sich in dieser Frage entwickelt hat, zu begründen, wenn Sie wollen, vielleicht zu beschönigen und zu bemänteln, für meine Person aber kann ich zwingende, triftige, folgerichtige Gründe für das ganze Verhalten der Regierung und der Majoritätsparteien nicht finden.

Nun gestatten Sie mir, daß ich mir erlaube, einige Worte über das ganze System zu sagen, von dem mir der Herr Ministerpräsident oder die gesamte èechische Regierung geleitet zu sein scheint. Es ist hier gestern aus dem Munde des Herrn Prof. Spina die Bemerkung gefallen, das man das deutsche Volk durchaus nicht für die Verbrechen verantwortlich machen darf, welche seine Generäle, Fürsten oder Politiker begangen haben. (Abg. Zierhut: Angeblich!) Angeblich begangen haben. Ich stimme dieser Auffassung vollkommen zu und ich habe es immer als eines der größten politischen Verbrechen, welche in Deutschland begangen worden sind, betrachtet, wenn ich gesehen habe, daß diese ganze deutsche Vorkriegspolitik, also die Wilhelminische Politik, aufgebaut war auf dem Gedanken des inneren Ausbaues des Staates, wobei leider viel zu sehr die innigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge mit der gesamten Umwelt aus dem Auge verloren worden sind. Die ganze Wilhelminische Zeit hat meiner Ansicht nach ein viel zu geringes Augenmerk verwendet auf die Gestaltung einer entsprechenden deutschen Bündnispolitik, und das ist zweifellos vom politischen Gesichtspunkte aus ein Verbrechen, und ich vermute, daß so etwas Herr Professor Spina gemeint hat. Denn in ethischer Beziehung werden wir doch wohl zwischen Verbrechen und Nichtverbrechen hier nicht unterscheiden können.

Mir scheint, daß die èechische Regierung und das gesamte èechische System einem ähnlichen Verbrechen zum Opfer gefallen ist, aber in der umgekehrten Richtung. Ich glaube, das ganze Sinnen und Trachten der Herren auf der Regierungsbank und auf den Majoritätsbänken erschöpft sich im Bestreben: "Wie bilde ich mir eine außenpolitische Koalition, damit dieser Staat gehalten werden kann?" (Souhlas na levici.) Sie übersehen, daß die innere Politik genau so wichtig ist, wie die äußere und umgekehrt, und daß man sich nicht einseitig auf eine dieser beiden Richtungen verlegen sollte. Daraus scheint mir das Bestreben des Außenministeriums zu folgen, die umgebende Mitwelt mit möglichst vielen Nachrichten zu versehen über die "tatsächlichen Verhältnisse" dieses Staates, wobei hie und da auch eine Verirrung vorkommen kann. Daraus scheint mir das Bestreben hervorzugehen, mit Hilfe der Kleinen Entente eine Koalition zu bilden, welche diesem Staat auch nach Süden und Osten einen Rückhalt geben soll; daraus scheint mir wieder das neueste Bestreben hervorzugehen, auch mit Polen in ein Verhältnis zu kommen, und das alles glaube ich, erklärt sich mehr oder weniger aus den Grundlagen des Staates, welche ihm von allem Anfang zugeteilt und gegeben worden sind. Ich befürchte, daß der Herr Ministerpräsident, vielleicht beeinflußt durch dieses Bestreben, sehr vieles nicht sieht, oder ich kann doch nicht annehmen, nicht sehen will, was tatsächlich in der Welt innen und außen vorgeht.

Der Herr Ministerpräsident hat gesagt, es scheinen die Verbündeten über den Karlputsch nicht richtig informiert gewesen zu sein, obzwar er selbst gesagt hat, daß die Diplomatie des Staates kein Mittel unversucht gelassen hat, die verbündeten Regierungen der Entente auf diese Verhältn isse aufmerksam zu machen. Glaubt der Herr Ministerpräsident nicht, daß es auch hier vielleicht eher am Platze wäre zu sagen: Große Teile der Großen Entente wollten über diese Verhältnisse nicht unterrichtet sein - obzwar sie es in der Tat vollständig waren - oder wenigstens nicht in dieser Richtung, wie er es wollte. Ich glaube daher, daß eine solche Annahme nicht von vornherein zutreffen muß, und es ist auch nicht richtig, meinem Empfinden nach, wenn der Herr Ministerpräsident sagt, es hätte nicht viel gefehlt, so hätte sich Europa über die Habsburgergefahr wieder täuschen lassen und aus diesem Grund hätten wir eben mit kräftiger Hand eingreifen und mobilisieren müssen, um den Ernst der Sachlage zu beweisen. Ich glaube, daß die Ententediplomatie viel zu gut geschult und erfahren ist und daß sie diese Dinge überblickt hätte, daß es aber hier Kräfte gibt, welche andere und gegenteilige Interessen hatten, als der Staat, den der Herr Ministerpräsident in diesen Angelegen heiten vertreten hat.

Und noch eine Bemerkung. Die Regierung, und nicht nur unsere Regierung, sondern die Regierungen der Großen und der Kleinen Entente, haben die Frage der Beseitigung der Habsburgerdynastie auf gerollt und durchgesetzt. Ich begreife ein solches Bestreben, eben aus jenem Ge sichtspunkte, den ich anzudeuten mir vor hin erlaubt habe. Aber glauben Sie, daß es wirklich auf die Sprößlinge einer Familie ankomme? Hier spielen doch ganz andere Kräfte mit. Ich kann mir nicht vor stellen, daß ein Demokrat der Zugehörig keit eines einzelnen Menschen zu einer bestimmten Familie, vorausgesetzt noch dazu, daß er auf der materialistischen Geschichtsauffassung steht, wie Herr Dr. Beneš zweifelles als Sozialist, daß er einer solchen rein zufälligen Erscheinung eine so überragende Bedeutung beimessen könnte. Denn ich meine, derartige Gefahren entwickeln sich nach dem seligen Marx aus ganz bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten heraus und da ist es, weiß Gott, belanglos, ob der Träger dieser Gedanken Habsburg heißt oder anders. (Výkøiky soc. demokratických poslancù.) Herr Dr. Beneš muß zweifellos die Lehre Marxens verantworten, denn er gehört einer sozialistischen Partei an. Es scheint also hier, bitte vom Standpunkt der Regierung, ein Gedanke obgewaltet zu haben, den ich ja verstehe, aber den man in der Weise niemals begründen kann, wie es geschehen ist; und mit Recht wurde darauf hingedeutet, daß es nicht darauf ankommt, was dieser oder jener Habsburger zu tun oder zu unternehmen wünscht, sondern daß es darauf ankommt, ob die Entwicklung der geschichtlichen Verhältnisse eine derartige ist, daß solche Wünsche eben unterstützt werden und auf fruchtbaren Boden fallen. Das nur, meine Herren, über diesen Teil.


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