Das vorläufig zu diesem Kapitel. Lassen Sie mich zur Politik der Regierung zurück kehren. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner gestrigen Rede erklärt, daß die Mobilisierung nicht gar so große Kosten verursacht hat. Das ist eine außerordent lich erfreuliche Mitteilung und ich nehme sie gerne zur Kenntnis. Uns wäre es aber weit lieber gewesen, präzise Zahlen zu er fahren. Es wäre wünschenswert, wenn auf der Regierungsbank ein Herr auf stände, um klipp und klar zu sagen, wie viel uns diese Mobilisierung in der Tat ge kostet hat. Warum hüllt man sich in Schweigen, wenn es wirklich so ist, wie der Ministerpräsident versichert? Es scheint uns doch so, als ob die Summen, die ausgegeben worden sind, weit größer sind, daß man ungeheuere Summen aus gegeben hat, ohne daß ein Grund zur Mobilisierung bestanden hätte. In der Tat ist es so, daß ungeheuere Summen ausgege ben worden sind für eine Mobilisierung, die auch nach unserer Auffassung, die wir vom ersten Tage an erklärt haben, völlig überflüssig war, daß man ungeheuere Sum men für diesen Zweck ausgegeben hat, während unsere Kultur, während die wichtigsten Interessen der besitzlosen Bevöl kerung jämmerlich im Stiche gelassen werden. Es ist doch auch kein Zweifel, daß die Regierung sich hätte fragen müs sen, welche wirtschaftlichen Folgen diese Mobilisierung haben wird, sie hätte daran denken müssen, daß eine Welle der Teuerung über dieses Land hereinbrechen muß, sie hätte voraussehen müssen, daß die un mittelbare Folge der Mobilisierung die Stornierung von Bestellungen der Auslandskundschaft bei unserer Industrie sein muß, und das ist auch tatsächlich die Folge gewesen und eine Verschärfung der Arbeitslosigkeit hat sich eingestellt. Es hätte die Regierung sich aber auch, wenn sie mobilisierte, darum kümmern müssen, daß die einrückenden Menschen ein Unterkommen finden, daß für sie gesorgt sei, heute aber war es so, daß die Unterkunft der Einrückenden vielfach die kalte Straße war, heute war es vielfach so, daß die Leute keine Menage bekamen, daß die Löhnung ihnen nicht ausgezahlt worden ist. Man hat die Menschen in die Garnisonsstädte gerufen und sie im übrigen ihrem trübseligen Schicksal überlassen. Die Regierung hätte auch bedenken müssen, daß mit dem Tage des Inkrafttretens der Mobilisierung dafür vorgesorgt sein müßte, daß die Angehörigen der Eingerückten sofort und unverzüglich, womöglich innerhalb 24 Stunden, die Unterhaltsbeiträge bekämen, denn es ist heute nicht mehr so wie im Jahre 1914, daß in den Arbeiterfamilien ein Sparpfennig vorhanden wäre, der aufgezehrt werden könnte. An dem Tag, wo der Ernährer der Familie einzurücken genötigt ist, setzt tatsächlich die Not, der buchstäbliche Hunger ein und darum hätte sofort mit der Auszahlung der erhöhten Unterhaltsbeiträge begonnen werden sollen.
Der Herr Ministerpräsident hat gemeint, gerade die Vorsorge bezüglich der Unterhaltsbeiträge zeige, daß wir ein wirklich demokratisches Staatswesen seien. Ich möchte das unterstreichen. Die Unterhaltsbeiträge, die gezahlt werden, das Tempo, in dem es geschieht, erinnert wirklich ganz fabelhaft an unsere Demokratie, an die Demokratie, die in diesem Lande herrscht. Die Demokratie hungert hier ebenso, wie die Familien der Eingerückten gehungert haben, und die Demokratie ist ganz ebenso armselig, wie die Unterhaltsbeiträge bemessen sind. Es geht nicht an, daß man eine Mobilisierung durchführt und sich nicht gleichzeitig darum kümmert, ob die Menschen, die dadurch betroffen werden, verhungern und erfrieren und, wenn dann nichts übrig bleibt, schließlich zum Stehlen greifen, um sich überhaupt nur zu erhalten.
Wenn die Regierung über die gelungene Probe dieser Mobilisierung entzückt ist, mag sie mit sich selber darüber ins Reine kommen, wir wissen, daß ihr schwere Mängel angehaftet haben. Nun meinte der Herr Ministerpräsident gestern, ohne die Mobilisierung wären die Erfolge, die tat sächlich erzielt worden seien, überhaupt nicht zu erreichen gewesen. Wie ist das denn? Dieselben Ententestaaten, die die Kraft haben, das starke Deutschland auf die Kniee zu zwingen und wirtschaftlich so zu bedrücken, wie es wirklich geschieht, haben nicht die Macht gehabt, eventuell auch das kleine Ungarn von Anfang an zur Nachgiebigkeit zu zwingen? Wo war denn diese Macht der Entente, mit der wir angeblich doch so sehr befreundet sind? Oder wollte die Entente nicht, mußte sie erst durch die Èechoslowakei gezwungen werden? Dann war ja die Mobilisierung, die vollzogen wurde, eigentlich nicht eine Mobilisierung gegen Ungarn, sondern eigentlich gegen die Entente. Ja, wie sieht es aber dann mit dem guten Verhältnis aus, für das Herr Ministerpräsident in sei ner gestrigen Rede dankt? Es sind eine Fülle von inneren Widersprüchen da, die der dringenden Aufklärung bedürfen. Die Mobilisierung war - das kann nicht oft genug ausgesprochen werden - nach un serer Auffassung vom ersten Tag an zu entbehren, sie war überflüssig, sie hat über die Völker dieses Staates eine ungeheuere Summe von Gefahren gebracht. Die Stellung meiner Partei zur Frage der Einrückung war vom ersten Tage an vollständig klar. Wir haben den Leuten gesagt: "Wir können nicht die Parole ausgeben, sich dem Einrückungsbefehl zu widersetzen, wir müssen sagen: Rückt ein, es geht nicht anders, ihr seid wehrlos als Einzelne und auch wehrlos als größere Masse gegenüber den Machtmitteln des Staates. Wir können uns dieser Macht nicht widersetzen, das würde das Unglück nur vergrößern." Man kann, wenn eine solche Haltung schließlich und endlich zum Bürgerkrieg treiben würde, zum größten Unglück, das wir uns denken könnten, man kann der Bevölkerung unter diesen Umständen nicht zumuten, gegen die Waffengewalt des Staates irgendwie mit Erfolg aufzutreten. Unsere Parole konnte also nur sein, obwohl wir Gegner des Krieges sind, obwohl wir die Mobilisierung für überflüssig hielten: "Rückt ein, weil es keine Möglichkeit gibt, sich ohne Gefahr diesem Befehle zu entziehen." Das war die Auffassung, die auch der Vertreter der deutschbürgerlichen Parteien Abgeordneter Køepek von dieser Stelle hier in klarster Weise zum Ausdruck gebracht hat, die auch der Klub der Abgeordneten und Senatoren der deutschen Nationalpartei klar zum Ausdruck gebracht hat in einem Aufruf, in dem es lautet: "Bis zum heutigen Tage ohnmächtig auf den Gang der Ereignisse im Innern des Staates und sein außenpolitisches Verhalten entscheidend einzuwirken, rufen wir euch zu: Folgt dem gesetzmäßigen Zwange, rückt ein und tut euere Pflicht." Die deutschbürgerlichen Abgeordneten haben in ihrer Parole zur Frage der Einrückung sich von uns durchaus nicht unterschieden. Und wenn noch irgendwelche Zweifel darüber hätten bestehen können, sind sie wohl durch die friedlich säuselnde Rede des Abgeordneten Spina, die die Sensation des gestrigen Tages war, vollständig zerstört worden, denn der Abgeordnete Spina hat jeden Zweifel darüber ausgetilgt, daß seine Partei - ich weiß nicht, ob er auch für andere Parteien sprechen konnte, nicht gegen diesen Staat kämpft, sondern nur gegen die Methoden dieser Regierung, und er hat es ausgesprochen, daß durch das Einrücken der Deutschen das strengste Bekenntnis zu diesem Staate abgegeben worden sei. Ich muß schon sagen, so sehr ich es begrüße, wenn ein Schritt geschieht, um die streitenden Völker einander näher zu bringen, daß gerade in dieser Stunde, wo die Sorgen, welche bei der Mobilisierung entsprungen sind, in den Menschen noch nachzittern, aus der Rede des Abg. Spina wohl ganz seltsame Empfindungen erwachsen dürften, namentlich bei jenen Leuten, die einrücken mußten, bei denen, die von Strafen bedroht sind und bei jenen, deren Familien ohne Ernährer dastanden.
Trotzdem also der Abgeordnete Køepek im Namen des ganzen Verbandessprach, trotzdem der Aufruf der deutschen Nationalpartei und trotzdem gestern der Abgeordnete Spina gerade zur Frage der Einrückung klipp und klar jeden Zweifel darüber zerstört hat, daß auch diese Parteien es gewollt haben, daß die Staatsbürger sich dem Einrückungsbefehl nicht widersetzen, trotzdem hat man es fertig gebracht, mit einer geradezu unerhörten und beispiellosen Hetze gegen unsere Partei einzusetzen. Man hat wohl zunächst nicht parteimäßig, sondern nur inoffiziell diese Hetze betrieben, aber die Anspielungen, die gestern aus dem Munde des Abgeordneten Spina ebenso wie aus dem Munde des Abgeordneten Dr. Kafka gefallen sind, lassen wohl keinen Zweifel darüber zu, daß diese unerhörte Hetze gegen unsere Partei sehr wohlwollend auch von den führenden Männern der Parteien gestützt und gefördert worden ist. Unsere Haltung war klar. Sie war in der Frage der Einrückung dieselbe, wie die Ihre, und trotzdem haben Sie sich nicht gescheut, draußen in der Bevölkerung die Meinung zu erwecken und systematisch zu schüren, als ob wir den Krieg gewollt hätten, und Sie haben sich nicht gescheut, anonyme Flugzettel in den Städten Deutschböhmens zu verbreiten - (ukazuje leták) - in denen gesagt wird, die Sozialdemokraten seien für den Krieg.
Man hat sich nicht gescheut in
einzelnen deutschbürgerlichen Blättern die Niedertracht soweit
zu treiben, daß man erklärt hat, die deutschen Sozialdemokraten
hätten hier in diesem Hause für dieMobilisierung gestimmt. (Výkøiky
na levici. Hluk.)
Místopøedseda dr. Hruban
(zvoní): Prosím o klid!
Posl. Hillebrand (pokraèuje): Mit voller Planmäßigkeit, mit voller Absichtlichkeit ist die Sorge, ist die Erbitterung der Bevölkerung über die Mobilisierung und Kriegsgefahr ausgenützt worden, um sie gegen die Sozialdemokraten zu lenken. (Výkøiky. Hluk. - Místopøedseda dr. Hruban zvoní.) Man hat geglaubt, nunmehr sei der Augenblick gekommen, um die Uneinigkeit inden Reihen des Proletariates zu verstärken, nunmehr sei der Augenblick gekommen, um die Kraft des Proletariates zu brechen, und darum greift man zu so infamen Mitteln, die, wie wir nun seit den Reden, die gestern hier gehalten worden sind, wissen, die Billigung und Zustimmung der führenden Männer der Parteien gefunden haben. Ihre Haltung, meine Herren von den deutschbürgerlichen Parteien, in dieser Frage, ist eine solche, daß sie zur schärfsten Kritik herausfordert. Genau so wie die Organe Ihrer Partei und die Abgeordneten Ihrer Partei im Vorjahre die Assentierungen benützt haben, um unter den Rekruten eine unheilvolle Unklarheit hervorzurufen. (Výkøiky na levici. Hluk. - Místopøedseda dr. Hruban zvoní. - Spor mezi nìmeckými soc. demokraty a nìm. mìsanskými poslanci.) So wie Sie gelegentlich der vorjährigen Assentierungen Unklarheit geschaffen haben, wie sich selbst Abgeordnete von Ihren Bänken gefunden haben, die entgegen der offiziellen Parole die Parole des Nichteinrückens ausgegeben haben, trotzdem sie wußten daß die Rekruten ohnmächtig sind gegenüber dem Staat, so wie Sie im vorigen Jahre viele, viele Menschen in ein ungewisses Schicksal und ins Unglück hineingetrieben haben, so hat es die zweifelhafte Haltung Ihrer Partei in diesen kritischen Wochen der letzten Zeit wieder getan. (Výkøik posl. dr. Lodgmana.) Es is ein frivoles Spiel, jawohl, Herr Abg. Lodgman; es nützt nichts, eine Parole hier auszugeben. Ihre Parteien sind es, die in Graslitz, Falkenau und Eger diese Hetze am schamlosesten betrieben haben. Wenn die Herren sich nicht damit abfinden können, daß wir ihre Haltung zweideutig finden, dann sollten sie doch ganz kurze Zeit zurückblättern in der Geschichte ihrer eigenen Partei. Und wundern Sie sich nicht, wenn gelegentlich - ich glaube, es war das in der letzten Sitzung, die wir vor der Unterbrechung des Parlamentes hatten - unser Temperament aufgeschäumt ist, als Sie sich als geborene Freunde des Friedens, als berufsmäßige Schützer des Friedens gebärdet haben. Wie war denn die Sache? Haben Sie vergessen, daß Sie im alten Österreich jeder Kriegsrüstung bereitwilligst Gehör gegeben und zugestimmt haben, daß Sie jedes neue Regiment, jede neue Kaserne, jede neue Kanone, mit beiden Händen womöglich, bewilligt haben? Haben Sie vergessen, wie Sie sich jedem Versuche entgegengestellt haben, der von uns unternommen wurde, die militärische Dienstzeit herabzusetzen? (Posl. dr. Brunar: Haben Sie vergessen, was die "Arbeiterzeitung" geschrieben hat?) Die Haltung der " Arbeiterzeitung" war klipp und klar. Wenn einige Herren an die Haltung der Arbeiter erinnern, so sei festgestellt, daß zwei Tage vor Beginn des Krieges die sozialdemokratische Fraktion des Wiener Parlamentes in einem Manifest klar und deutlich den Krieg und die Folgen, die aus ihm geboren werden, schroff abgelehnt hat. Und wenn Sie daran erinnern, lassen Sie mich diese Erinnerung ergänzen. Ihre Kriegsbegeisterung hat schon lange vor dem Jahre 1914 begonnen. Schon 1908, damals als der Wahnsinn der Annexion Bosniens und der Herzegowina vollzogen wurde, konnte es die deutschnationale Partei des Herrn Wolf, die heute hier in der deutschen Nationalpartei ihre Forsetzung findet, nicht mehr erwarten, im Jahre 1908 haben Sie schon aufgefordert, daß man mit dem Schwerte losgehe. Und ich vergesse nicht, vie wir damals im Jahre 1912 - ich glaube, es war im November - vom großen Friedenskongreß in Basel in das Wiener Parlament zurückkehrten, wie Sie uns beschimpft und verhöhnt haben und es verhinderten, daß das Friedensmanifest auch nur immunisiert wird, damit die Bevölkerung nicht erfährt, daß wir den Frieden wollen, während Sie für den Krieg geschwärmt haben. Und wie haben Sie den tripolitanischen Feldzug Italiens benützt, um den Stoß aus dem Hinterhalt gegen Italien zu führen, wenn es möglich wäre, denselben Stoß, den Sie dann Italien so sehr verübelt haben. Und wieder als der Balkankrieg zur Tatsache geworden war, genügte Ihnen die schamlose Lüge der Prochaska-Affaire, genügte Ihnen die Besetzung von Novibazar durch die Serben, die Besetzung von Valona durch dieselben, um zum Kriege zu hetzen und zu verlangen, daß Österreich-Ungarn losschlage und in diesen Krieg eingreife. Seit 1908 haben Sie systematisch und planvoll diese Kriegshetze betrieben und konnten den Krieg nicht erwarten. (Výkøiky posl. Schälzkyho.) Herr Abg. Schälzky, gerade einem Mann, der das Priesterkleid trägt, steht es herzlich schlecht an, über diese Sünden zu lachen, angesichts der. Ströme von Blut, der Unsumme von Leid und der Namenlosigkeit des Unglücks, das Ihre Haltung über die Völker Europas gebracht hat. Und weil Sie in Erinnerungen schwärmen, lassen Sie mich diese Erinnerungen noch weiter ausbauen. Wir haben - und die ganze Welt ist Zeuge dieser Tatsache vom Tage an, wo das Wort Friede im alten Österreich überhaupt wieder ausgesprochen werden konnte, unablässig immerzu zum Verständigungsfrieden gemahnt. "Macht ein Ende dem entsetzlichen Morden," haben wir immer gesagt. Sie haben uns mit Hohn und Schimpf übergossen. Denken Sie an das Hohnwort vom "Scheidemannfrieden", das Sie in die Welt gesetzt haben. Und während wir für den Verständigungsfrieden unter Ihrem Hohn, unter Ihrem Spott und Schimpf wirkten, wollten Sie die Fortsetzung des Krieges bis zum Weißbluten, bis England und Frankreich auf die Knie gezwungen seien. Und wenn Sie leugnen wollten, sehen Sie sich die Beschlüsse des Nationalverbandes in dieser Frage an! Die sind nicht wegzuleugnen. Während wir für den Verständigungsfrieden wirkten, sind Sie hinausgegangen und haben immer neue Eroberungen gefordert, wollten einen Fetzen von Serbien, einen Teil von Rußland, einen Teil von Frankreich, von der Walachei, Lovcen, Valona, ja sogar einzelne von Ihnen, gerade ein Parteigenosse von Ihnen, Herr Jung, wollte in seiner Broschüre, daß man Gibraltar, daß man den Sudan, den Suezkanal nehmen müsse, bevor von Frieden gesprochen werden könnte. Meine Herren, es hilft nichts, die Schande Ihrer Haltung in jener Zeit tilgt nichts mehr aus. (Hluk. - Místopøedseda dr. Hruban zvoní.) Ihre imperialistische Politik ist in hohem Maße mitverantwortlich für den ungeheueren Weltbrand des Krieges, mitverantwortlich für die Millionen von Opfern, die draußen in der Front elend verkommen sind, Ihre imperialistische Politik, die kein Ende nahm, ist mitverantwortlich dafür, daß dieser Krieg fortgesetzt worden ist, endlos, bis zum völligen Zusammenbruche, darum mitverantwortlich für das Gewaltfriedensdiktat, unter dem wir zusammenbrachen, mitverantwortlich für die jetzigen Zustände Mitteleuropas, mitverantwortlich für die jüngste Kriegsgefahr, die über uns hereingebrochen ist. Wir waren unser Leben lang und solange es eine sozialdemokratische Partei gibt, entschiedene, entschlossene, prinzipielle Gegner dieser imperialistischen Politik und wir haben immer und überall den Militarismus bekämpft als ein Machtmittel des Klassenstaates. Jetzt bekämpfen auch Sie den Militarismus, aber nur den spezifischen èechovakischen Militarismus, während der k. k. schwarz-gelbe Militarismus Ihnen ein Herzenskind gewesen ist; da waren Sie für den k. k. Militarismus, da haben Sie zugejubelt der Verwendung des Militärs gegen den inneren Feind, Sie haben es begrüßt, wenn das Militär erzogen wurde in dem schamlosen Geiste des Kadavergehorsams, wie er in den Kasernen Österreichs üblich war. Da sind Sie mit jeder Regierung durch Dick und Dünn gegangen. Es ist notwendig, als Antwort auf die schamlose Hetze, die von den Deutschbürglichen gerade gelegentlich der Kriegsgefahr gegen uns geführt worden ist, nun einmal diese Erinnerungen Ihnen an den Kopf zu schleudern, damit Sie nicht ganz vergessen, daß Sie sich mit Ihrer Politik hüten sollten, diese Erinnerungen wachzurufen und dadurch das Schuldbewußtsein, das Sie auf sich geladen haben, auch der Bevölkerung wieder mitzuteilen. Wir deutschen Sozialdemokraten waren seit jeher - und sind es immer und werden es bleiben - die Todfeinde jedes kapitalistischen Staates und seines gewichtigsten Machtinstrumentes, des stehenden Heeres. Wir sind die Alten geblieben. So wie immer, haben wir auch diesmal gewünscht, daß in der in den letzten Tagen drohenden Gefahr, die über uns aufstieg, die letzten friedlichen Mittel ausgeschöpft werden, um das Unheil eines Krieges von der Bevölkerung fernzuhalten, und darum haben wir auch die Verantwortung für die Mobilisierung abgelehnt.
Und nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Worte wenigstens über ein besonderes Kapitel sprechen, das mit dieser Mobilisierung im innigsten Zusammenhange steht. Wundern Sie sich nicht, meine Herren von den èechischen Rechtsparteien, wenn diese Mobilisierung draußen nicht freudig begrüßt worden ist. In unserer Bevölkerung wirkt noch fort die Erinnerung an das unermeßliche, unabschätzbare, riesige Leid, in das der Weltkrieg unsere Menschheit gestürzt hat; es ist noch nicht vergessen die Zeit der Ströme von Blut, des Meeres von Tränen, nicht vergessen die Zeit des Hungers und Darbens, des Anstellens, des Frierens, die Zeit all jener schrecklichen Dinge, an die wir denken, wenn das Wort "Weltkrieg" fällt. Da erwachte naturgemäß die Erbitterung, als die Gefahr eines neuen solchen Unglücks plötzlich dastand, und die Sorge schlich in jeden Haushalt ein, daß diese fürchterliche Schreckenszeit ihre Wiederholung finden könnte; und die Furcht, daß die Not, die ohnehin kaum erträglich ist, eine Erneuerung, eine Verschärfung erfahren könnte, stand plötzlich wieder vor den Menschen und stand auch freilich vor dem ärmsten Teil des deutschen Volkes in diesem Staate, stand da vor allem auch vor der Bevölkerung des Erzgebirges. Es läßt sich nicht sagen, was es heißt, wenn man von der Not spricht, die während des Weltkrieges im Erzgebirge geherrscht hat. Es läßt sich nicht schildern, was die Menschen dort ertragen hatten; wir haben dort eine Zeit durchlebt, wo im armen Erzgebirge Protektion dazu gehört hat, daß die Menschen Leinkuchen zu kaufen bekamen, um sie zu verzehren. Es hat eine Zeit gegeben, wo es im Erzgebirge die tägliche Nahrung beschaffen hieß, wenn man hinausging auf die Weiden, um eine Handvoll Klee und andere Kräuter zu holen, die man im Wasser kochte, um sie zu verzehren. Es gehört zu dem Kapitel "Sorgen während des Weltkrieges," wenn man hört, daß es ganze Familien gab, die Jahre hindurch, meine Herren, nichts anderes gegessen haben, als rote Rüben, mittags und abends, ohne Mehl zubereitet, gekocht in blankem Wasser. Verstehen Sie, meine Herren, was es für diese Bevölkerung heißt, daß plötzlich wieder die Möglichkeit vor ihr steht, daß diese schrecklichen, unendlichen, unsäglichen Leiden, die noch nicht ausgetilgt sind und noch nachwirken, ihre Wiederholung finden könnten? Daraus erklären sich die Schwierigkeiten, die sich in Graslitz ergeben haben, daraus erklären sich die Demonstrationen, die dort stattgefunden und zu jenem fürchterlich traurigen Ergebnis geführt haben, das Ihnen allen bekannt ist. Der Ministerpräsident hat nicht in seiner gestrigen Rede, sondern gelegentlich der Besprechung der Graslitzer Vorfälle im Budgetausschuß, gesagt, es wäre auf die 38 Soldaten, die nach Graslitz gekommen sind, aus den Häusern geschossen worden. Ich gestatte mir die ausdrückliche Feststellung, daß kein amtliches Organ in Graslitz diese Behauptung bestätigt. Es besteht nicht der mindeste Grund . . . . (Posl. dr. Lodgman: Aber amtlich wurde es berichtet vom èechoslovakischen Preßbureau!), aber sicherlich nicht durch ein offizielles behördliches Organ in Graslitz selbst. Im Gegenteil, soviel wir konstatieren konnten, es ist sicher, daß kein Schuß aus einem Hause gefallen ist. Ganz ebenso scheint es aber festzustehen, daß die Flinten, daß die Gewehre losgegangen sind, ohne daß an die Bevölkerung eine Warnung ergangen wäre. Es ist, wenn nicht alles trügt, genau läßt sich das ja nicht feststellen, das kann man ja gar nicht, es ist anscheinend auch ohne Befehl geschossen worden. Es ist so, daß die Vorschrift des Dienstreglements, daß zunächst blinde Schüsse abgegeben werden müssen, in diesem Falle nicht eingehalten worden ist, man hat es nicht versucht, etwa mit dem Bajonett die Menge zu zerstreuen, sondern es hat das Militär in einem Anfall von Raserei einfach auf die versammelte Menge geschossen und das Ergebnis sind 14 Tote und eine große Anzahl von schwer und leichterVerletzten, von denen vielleicht heute mancher noch nicht jeglicher Gefahr für sein Leben entronnen ist.
Bezeichnend ist auch, und es wäre wünschenswert, daß bei einer künftigen Besprechung der Sache die Regierung darauf Rücksicht nehme, bezeichnend ist, daß die meisten Einschüsse im Körper dieser Personen rückwärts konstatierbar sind, daß also auf Fliehende geschossen wurde. Und es muß auch Gegenstand einer recht sorgfältigen Untersuchung sein, wie es denn kommt, daß Verletzungen möglich waren, bei denen es zu gräßlichen Zerreisungen der Muskulatur gekommen ist bei einer ganz außerordentlich kleinen Einschußöffnung, sodaß sich der Verdacht aufdrängt, daß nicht alle verwendeten Geschosse unverletzt gewesen sind, daß die Mäntel dieser Geschosse nicht überall in Ordnung waren. (Výkøiky.) Welcher Geist übrigens in diesem Militär geherrscht hat, zeigt noch ein Umstand, der nicht unerwähnt bleiben soll. Was ist natürlicher und selbstverständlicher, als daß die Stadtvertretung an dem Tage, nach dem diese große Zahl von Opfern sich im Blute gewälzt hatte, daß die Stadtvertretung eine Trauerfahne am Stadthause hißt. Und was ist geschehen? Die Soldaten haben kategorisch gefordert, daß diese Trauerfahne entfernt werden müsse, weil sie eine Provokation, eine Verhöhung des èechoslovakischen Staatsfeiertages am 28. Oktober, das war der Tag nach der Schießerei, bedeuten. (Výkøiky.) Der Herr Ministerpräsident hat gestern gemeint, die Vorfälle in Graslitz würden und müßten eine Warnung sein; eine Warnung, jawohl, wir wünschten sehr, daß diese Vorgänge, so schrecklich sie sind, doch wenigstens das eine Gute hätten, daß sie zu einer Warnung würden vor jenem Geist der Gewalttätigkeit, der sich in diesem Staate immer wieder entlädt, vor jenem Geist, der in dem Herrenbewußtsein der besitzenden Klasse der èechischen Nation seinen krassen Ausdruck findet, Ausdruck findet in jener seinerzeit von Dr. Kramáø ausgesprochenen Meinung, die Deutschen würden sich endlich daran gewöhnen müssen, daß die Èechen die Herren sind. Ja, es wäre gut, wenn Graslitz endlich zu einer Warnung würde. Schon zu oft wären Warnungen, allerdings anderer Art, nötig gewesen. Denken Sie an die lange Kette von ähnlichen Vorfällen, denken Sie an die Vorgänge in Teplitz, Eger, an Prag, an den Raub des Theaters, an Brünn, an Asch, Postelberg, an Aussig; man kommt zu keinem Ende, wenn man alle die Städte aufzählen will, die Stätten des Wirkens dieses Geistes der Gewalttätigkeit sind, der dann zu solchen Dingen führt. Ja, wenn der Herr Ministerpräsident unter Anwendung auf die Slovakei davon spricht, daß die Erziehung zur Legalität nicht in ausreichendem Maße vorhanden sei, so ist ihm zu antworten, diese Städtenamen Eger, Asch, Postelberg, Aussig, Graslitz und schließlich Prag und Brünn, sie alle zeigen, wie schlecht die Erziehung im Sinne der Legalität gerade bei jenen ist, die dieses Blutbad und diese Gewalttätigkeiten überall angerichtet haben. Aber was haben wir denn wahrgenommen? Auch die Regierung hat da der Legalität nicht gehuldigt. Sie ist vor diesen Gewalttätigkeiten immer und immer wieder in die Knie gesunken. Den Exzessen, deren schaudernde Zeugen wir waren, hat sie nichts entgegenzusetzen gewußt, als schmachvolle Ohnmacht. Die Autorität, mit der sie prunkt, die starke Hand, deren sie sich rühmt, die haben nur Anwendung gefunden gegen Minderheiten, gegen Schwache, und die Früchte einer solchen Politik sind dann schließlich Vorgänge wie in Graslitz, aber auch die unheilvolle Verschärfung der nationalen Gegensätze, die sich naturgemäß da vollziehen muß. Nachher ist es dann zu spät, wenn man schöne Worte findet. Es hilft auch nichts, wenn man zu dem reaktionären Mittel der Verhängung des Standrechtes greift. Das Unrecht wird nicht gut gemacht, indem man dem einen Unrecht ein anderes hinzufügt. (Souhlas na levici.) Bezüglich Graslitz müssen wir von der Regierung fordern, daß die Untersuchung gegen die verhafteten Personen mit der größtmöglichsten Beschleunigung zu Ende geführt werde. Es genügt auch nicht, daß man den Opfern dieser Bluttaten Vorschüsse auf irgendeine unbestimmte Entschädigung zuweist. Die Entschädigungsansprüche müssen rasch, schleunigst und in ausgiebigem Maße geregelt werden. Es soll nicht so sein, daß man die Menschen mit Versprechungen hinhält, wie es mit den Opfern vom 4. März geschehen ist. Es ist eine Schande für einen Staat, wenn seine Regierung sich immer und immer wieder verpflichtet, solche Entschädigungen zu zahlen, und in Wahrheit doch dieses Versprechen niemals einhält. Wir erwarten und verlangen von der Regierung auch, daß sie uns über alles, was mit diesen Vorgängen in Graslitz zusammenhängt, so rasch als möglich ausführlich und wahrheitsgetreu Bericht erstattet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir erlauben, den Wunsch meines Klubs energisch zum Ausdrucke zu bringen, daß endlich mit den törichten und unsinnigen Verhaftungen im Rumburg ein Ende gemacht wird, und daß die Regierung dafür sorge, daß die dort intervenierenden Gendarmen nicht in so provokatorischer Weise vorgehen, wie es bis heute geschehen ist, sodaß die Stimmung immer noch verschärft, die Gefahr, daß es zu ernsteren Dingen kommt, noch vergrößert wird. Vor allem müssen wir fordern, im Zusammenhang mit Graslitz und ohne ihn, daß die Demobilisierung in möglichst raschem Tempo vollzogen werde. Es wäre gar nicht so viel Zeit notwendig, als jetzt vorgesehen worden ist, laut den Veröffentlichungen, die wir heute gelesen haben. Und vor allem wünschen wir, daß diese Demobilisierung eine tatsächliche und nicht eine verschleierte sei, daß man sie nicht mache, wie in Österreich im Jahre 1918, daß man trotz der Demobilisierung so und so viele Menschen zurückbehält und dadurch eine erhöhte Waffenbereitschaft zur Tatsache macht. Wir wünschen und verlangen, daß alle, die jetzt einrücken mußten, ausnahmslos nach Hause geschickt werden, und wenn man schon glaubt, auf irgendwelche Strafen denen gegenüber, die dem Einrückungsbefehl nicht sofort gefolgt sind, nicht verzichten zu können, so ist es wohl selbstverständlich, es soll aber doch nachdrücklichst unterstrichen werden, daß man hier die mildeste Auslegung suchen muß, um die Opfer, die da auferlegt werden, nicht allzu unerträglich zu machen. Vergessen Sie nicht, unter denen, die es trifft, befinden sich keineswegs nur Deutsche. Es ist auch bei den anderen Völkern nicht anders gewesen. Und wenn wir diese Forderung erheben, tun wir es nicht als Deutsche, sondern als Feinde des Militarismus, als Gegner des Krieges, die nicht wünschen, daß zu den Opfern, die schon gefordert worden sind, noch große schwere Opfer dazu kommen. Und wir verlangen weiter, daß die Verordnung über die Kriegsdienstleistung so rasch als möglich verschwinde.
Wir wünschen, daß mit dem Skandal der Handhabung der Zensur, wie sie in letzter Zeit üblich gewesen ist, so bald als möglich aufgeräumt werde. Wie in der schönsten Zeit der wütendsten Staatsanwälte während des Weltkrieges erscheint in unseren Zeitungen immer wieder und wieder der weiße Fleck, auch dann, wenn es am allerungeschicktesten ist. Ich will Ihnen zum Beispiel sagen, meine Damen und Herren, daß im Zusammenhang mit den blutigen Ereignissen in Graslitz die unglaublichsten Gerüchte in Westböhmen herumgeschwirrt sind von ähnlichen Regungen in Asch und Eger. In der deutschen Presse hieß es z. B., in Eger seien 40 Tote und 80 Schwerverletzte. Von Entwaffnungen des Militärs in Brüx, Dux und anderswo wurde geredet, und dank der weisen Zensur und dank der Aufträge, die von Prag aus den Organen draußen erteilt worden sind, war es überhaupt nicht möglich, darüber etwas zu schreiben, sodaß die Zensur geradezu die wildesten Gerüchte begünstigt und die Aufregung in der Bevölkerung künstlich noch gesteigert hat. Die Zensur ist so eselhaft geübt worden in diesem Staate (Souhlas na levici.), wie es ärger und schlimmer nicht sein kann. Ja aber, hohe Nationalversammlung, man darf sich nicht wundern, daß die Regierung Zensoren in solch unglaublicher Weise auf die Bevölkerung, auf die Zeitungen losläßt, man darf sich nicht wundern, wenn die Nationalversammlung stillschweigend zusieht und gestattet, wie selbst parlamentarische Reden von irgendeinem übermütigen, toll gewordenen Zensor gestrichen werden können, wie es einer Rede meines Parteigenossen Wittich in Preßburg geschehen ist. Wäre sich das Abgeordnetenhaus der Würde bewußt, die ihm innewohnen muß, wenn es seine Funktion erfüllen will, dann müßte dieses Haus sich einmütig ohne Rücksicht auf Parteiunterschiede wie ein Mann erheben, um gegen diesen schamlosen Gewaltakt, der hier vollzogen worden ist, um gegen diese Entartung der Zensur mit einem Sturm der Entrüstung vorzugehen. Es paßt ganz seltsam zu dieser Drangsalierung unserer oppositionellen Presse, wenn man sich daran erinnert, wie dieselbe Regierung dann Preßreptilien künstlich großzieht und mit Staatsgeldern füttert, (Výkøiky na levici.) es paßt prächtig dazu, daß z. B. die "Prager Presse" mit Millionengeldern ausgehalten wird, mit Staatsgeldern, zu denen wir ebenso unsere Beiträge leisten müssen wie jene èechische Gruppe, die mit der Haltung des Blattes einverstanden ist. Daß der Staat Preßorgane auf solche Weise aushält, wie es hier geschieht, - verzeihen Sie das Wort, ich möchte es aber nicht unterdrücken - ist einfach stinkende Korruption, wie sie in einem geordneten Staatswesen nicht möglich sein dürfte. (Souhlas a potlesk na levici.)