Ètvrtek 17. listopadu 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 92. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 17. listopadu 1921.

1. Øeè posl. Hillebranda (viz str. 345 protokolu):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Indem wir in die Budgetberatung eintreten, soll es nicht verschwiegen bleiben, daß es mit einem Gefühl tiefer Erbitterung geschieht, - ich sage, ein Gefühl tiefer Erbitterung, denn die Art der Durchführung dieser Debatte, der Aufzäumung der ganzen Budgetberatung zeigt doch den Jammer dieser èechoslovakischen Abart des Parlamentarismus überhaupt auf, zeigt uns, wie jammervoll, wie armselig jenes Grundrecht des Parlaments behandelt wird, über dem andere Parlamente, die Parteien anderer Länder mit eifersüchtiger Sorgfältigkeit wachen, damit es nicht verkürzt werde. Wie ist es dagegen bei uns? Schon die Einberufung der Nationalversammlung geschieht so, daß die Budgetberatung terminiert ist; es wird der ganze Komplex, die ungeheuere Summe von Fragen und Erörterungen, die sich hier zusammendrängen, eingezwängt in eine unverhältnismäßig kurze Beratungszeit, und dann stehen wir vor der Notwendigkeit, all die Dinge durchzupeitschen; dann erweist es sich, daß die Redezeit der einzelnen Parteien und der einzelnen Redner knapp zubemessen werden muß; es wird die Redefreiheit unterbunden, sie wird eingeengt, es wird die Freiheit des Wortes, die nirgends so sehr sich entfalten müßte wie hier, geknebelt. Die Art, wie hier das Budgetrecht des Parlaments aufgefasst wird, stellt sich nach unserer Auffassung dar als eine wahre Verhöhnung des wirklichen Parlamentarismus und nur mit dem Ausdruck des entschiedensten Protestes gegen diese Art der Behandlung der wichtigsten Dinge können wir an der Beratung teilnehmen. Indessen, hohes Haus, man hört, daß diese Art der Budgetberatung, der Umhängung des Maulkorbes, der Einzwängung und Einengung der Redemöglichkeit bei diesem Gegenstande noch nicht die Krönung der Behandlung dieser Sache sein soll. Man spricht davon, daß innerhalb der Mehrheitsparteien dieses Hauses der Wille bestehen soll, die Anträge, die von den Oppositionsparteien gestellt werden, in Bausch und Bogen womöglich ausnahmslos glatt abzulehnen. (Hört! Hört!) Ich muß sagen, es wäre die schmachvollste Entwürdigung dieses Hauses und es wäre eine Herabsetzung der Institution des Parlamentarismus überhaupt, die man nicht verstehen könnte, wenn Sie, die Herren von den Mehrheitsparteien, die Schande nicht fühlen würden, die sie sich selbst, diesem Parlament und diesem Staat zufügen würden, wenn Sie wirklich in einer solchen Weise vorzugehen beabsichtigen sollten; dann wird wirklich diese ganze Budgetberatung zu einer Komödie herabgewürdigt, dann nehmen Sie der Budgetberatung ihren Inhalt und Sie beschränken sich darauf, sich mit der Form zu begnügen.

Wenn Sie in der Tat sich entschließen sollten, so vorzugehen, so können Sie sich schon heute darüber völlig klar sein, daß Sie bei uns mit dem schroffsten und energischesten Widerstand zu rechnen haben. Wir sind nicht Willens, einer solchen Behandlung unserer Anträge zuzustimmen, die aus tiefstem Ernst geschöpft und hervorgebracht sind, aus dem Willen, wenigstens einiges von dem zu erreichen, was wir im Interesse der Massen des Volkes und insbesondere der Arbeiterklasse für dringend nötig erachten, wir sind nicht gewillt, mit diesen Anträgen Fangball spielen zu lassen, wie es angeblich beabsichtigt ist. Wenn Sie so vorgehen, dann schweigen Sie künftig von Demokratie, dann wird die Demokratie, die Sie selbst in diesem Staate setzen, zur bloßen Dekoration, zur Farce und zum Hohne auf eine wirklich demokratische Institution.

Und nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich sich zuwenden zu den Darlegungen, deren Zeugen wir gestern gewesen sind. Lassen Sie mich in einigen Strichen wenigstens unsere Stellung zeichnen, die wir gegenüber der Politik des Herrn Ministerpräsidenten und seiner Regierung einnehmen. Und da will ich gleich sagen, daß uns diese Politik mit größtem Mißtrauen erfüllt, daß wir eine Fülle von Beschwerden und Bedenken dagegen haben, daß vielfach prinzipielle Gegensätze unsere Politik von der der Regierung scheiden. Es ist doch so, daß vor allem die Außenpolitik, die zunächst ihre Verkörperung in dem Herrn Ministerpräsidenten, in seiner Eigenschaft als Außenminister findet, politisch und wirtschaflich den Staat und seine Völker in die schwersten Gefahren treibt. Wir haben die Tatsache vor uns, daß der nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte am Ende des Weltkrieges geschaffene Weltfriede einen Zustand herbeigeführt hat, der Europa und insbesondere Mitteleuropa in einen ewigen Zustand der Unruhe und immerwährender Kriegsgefahren stürzt. Nicht nur, daß die besiegten Völker nach dem Willen der siegreichen Mächte, nach dem Diktat der Entente gut genug sein sollen, nicht bloß Objekt der Ausbeutung der Bourgeoisie der eigenen Länder zu sein, sondern daß diese ganzen Völker auch tributär gemacht werden sollen der Ausbeutung und den Profitinteressen der Bourgeoisie der sieghaften Länder, haftet diesen Friedensverträgen vor allem der ungeheuere Fehler an, daß in der Tat eine ganze Anzahl neuer Brandherde in Mitteleuropa ge schaffen worden ist, und daß die Kriegs gefahren zu einer ständigen Einrichtung geworden sind, daß das wirtschaftliche Elend in einer Reihe von Staaten durch diese Friedensveträge auf das Ungeheuer ste verschärft und zur dauernden Erschei nung gemacht worden ist und daß aus diesem wirtschaftlichen Elend, das seine wesentliche Verschärfung in dem Friedensdiktat erfuhr, wieder die Möglichkeit der reaktionären Propaganda in weitaus höherem Maße ersprießt, als es sonst möglich wäre, jener reaktionären Propaganda, die gerade in den letzten Wochen auch Anlaß zu dieser tiefgehenden Beunruhigung der Völker dieses Landes ge worden ist. Es ist so, daß die großen Mächte Europas, daß die Sieger von 1918 auf der einen Seite mit geradezu er barmungsloser Härte ihre Gewalt üben gegenüber dem armen Österreich und ge gen über dem vorher wirtschaftlich so star ken und kräftigen Deutschland, auf der anderen Seite aber gerne über Bestimmungen des Friedensvertrages hinweg sehen, wo es sich um Ungarn handelt, das selbst zu einem Horte der Reaktion geworden ist. Man braucht dieses Ungarn, man wünscht dieses bewaffnete Ungarn, hat es bis heute gewollt, deswegen, weil es ein Helfer sein soll in dem Streben der En tentestaaten, den Anschluß Österreichs an Deutschland zu verhüten, weil man in diesem bewaffneten reaktionären Ungarn eine Hilfskraft für Polen zu erkennen hofft, wenn es eventuell gegen Sowjetrußland geht. Man ließ es darum bestehen, weil eine große Ententemacht, weil Italien vor allem bei seinen Aspirationen gegen Jugoslavien auch die Hilfe Ungarns für wünschenswert erachtet. Die Regierung unseres Staates ist überdies durch die Art dieser Friedensverträge und die Regelung der Grenzfragen in einen Zustand beständiger und unaufhörlicher Sorge um die Erhaltung der Slovakei gedrängt. Trotzdem aber hat unsere Regierung, hat dieser Staat sich immer mehr mit ganzer Kraft hinter diese Verträge gestellt, hat sie gestützt, hat sie zu bewahren gesucht, und hat sich voll und ganz auf den Boden dieser Friedensverträge begeben. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner gestrigen Rede erklärt, daß die èechoslovakische Regierung nie von den Ententestaaten um die Politik, die die Èechoslovakei einhält, gebeten worden sei. Der Herr Ministerpräsident hätte das wirklich nicht versichern müssen. Nein, die Èechoslovakei und ihre Regierung brauchten wirklich nicht gebeten zu werden; es war ein unwürdiges Nachlaufen, ein krampfhaftes Bestreben, die Wünsche der Ententestaaten zu erraten, um als gehorsamer und willfähriger, knechtseliger, tributärer Staat das zu tun, was dort drüben eben beliebt. In der Tat ist es so, daß dieser Staat sich zum Gefangenen der Politik der Entente gemacht hat bis in die jüngste Zeit.

Der Herr Ministerpräsident hat gestern auch geglaubt - und wir würden es begrüßen, wenn er sich dazu entschließen würde - etwas darüber sagen zu müssen, wie eigentlich die èechoslovakische Regierung über das Verhältnis zu Deutschland denkt. Ein klares, präzises Wort wäre hier längst schon wünschenswert gewesen, und gestern ist dieses Wort nun gefallen. Der Herr Ministerpräsident sagte: "Es ist natürlich, daß unserer Verhältnis zu Deutschland auch durch unsere engen Beziehungen zum Westen und zum Osten sowie durch das Verhältnis des Westens und des Ostens zu Deutschland selbst bestimmt wird. Bisher drückten wir dies durch die Formel aus, daß wir uns in korrekt en und loyalen Beziehungen befinden." Ich muß sagen, das ist eine Definition von wahrhaft bezwingender Schärfe, so klar wie etwa der Orakelspruch von Delphi. Wer jetzt noch nicht weiß, wie unser Verhältnis zu Deutschland eigentlich gestaltet ist, dem ist wahrhaftig nicht zu helfen. Ich vermute nur, der Herr Ministerpräsident käme in arge Verlegenheit, sollte er uns eine authentische Auslegung dessen geben, was in diesen Sätzen niedergelegt ist. In Wahrheit ist das Verhältnis des èechoslovakischen Staates und seiner Regierung zu Deutschland so, daß es ein beständiges Versuchen ist, dieses Deutschland politisch einzukreisen und wirtschaftlich zu schädigen, soweit es nur irgendwie möglich ist. Denken Sie an die ganz unglaubliche, unverständliche, an Wahnwitz grenzende Handelspolitik, die man bisher Deutschland gegenüber eingenommen hat. Denken Sie daran, wie durch diese Handelspolitik unsere eigene Industrie auf das schwerste geschädigt, wie vor allem die Arbeiter schaft unseres Landes in der fürchter lichsten Weise durch die gesteigerte Arbeitslosigkeit in Mitleidenschaft gezogen wird, während unsere Außenpolitik bisher bemüht war, sich Frankreich anzu biedern, mit Frankreich in Handelsbezie hungen zu treten, das niemals im Verlaufe der Geschichte der letzten Jahrzehnte - irgendwie in regen Handelsbeziehungen zu diesem Lande stand. Das Verhältnis der Èechoslovakei zu Deutschland war bisher ein solches, daß es nicht zu viel gesagt ist, wenn man ausspricht: es war ein Hemm nis der inneren Konsolidierung dieses Staates, es war ein Hemmnis der Beruhigung des deutschen Teiles der Bevölkerung, die hier wohnt.

Nun ist es so, daß das krampfhafte Sich anhängen an die Gewaltfriedensverträge, denen ja schließlich dieser Staat seine Existenz verdankt, drückend auf unserem ganzen politisch en System lastet. Der Übereifer des Herrn Ministerpräsidenten, vor allem seine Ruhelosigkeit drängt ihn dazu, außer diesem Abhängigkeitsverhält nisse zur Entente sich noch eine neue Ab hängigkeit zu schaffen, die ihren Aus druck in jenem Verbande findet, den man unter dem Begriff "Kleine Entente" zusam menfaßt, jener Kleinen Entente, die ein lebendes Zeugnis ist für die nach meiner Schätzung ganz unangebrachte Groß mannssucht der Regierung dieses Staates, die so gerne die Vorsehung für ganz Mit teleuropa spielen möchte. Meine Damen und Herren! Wenn wir zurückdenken an die Zeit, in der der Weltkrieg Europa heimsuchte, wenn wir in unserer Erinnerung erstehen lassen jene großen Losungsworte, mit denen damals die Völker gefüttert wurden, wenn wir daran denken, wie von der Schaffung der Vereinigten Staaten Europas gesprochen wurde, wie in Aussicht gestellt wurde, daß dem Weltkrieg die Abrüstung folgen müsse, daß der ewige Friede das Streben aller Regierungen sein wird, daß ein Völkerbund die Garantien zu schaffen hätte, daß dieser ewige Friede wirklich zur Wahrheit wird, wenn wir daran denken, wie diese lockenden Ziele aufgestellt worden sind, um die Völker über die trostlose Zeit des Weltkriegs hinwegzubringen, um ihnen das unermeßliche Leid unerträglicher Opfer erträglicher zu gestalten, und wenn wir sehen, was aus allen diesen klingenden Versprechungen geworden ist, so wissen wir heute: Wir sind belogen und betrogen worden, alle diese Versprechen sind zerstoben und vergessen, gar nichts von dem ist wahr geworden, was man erfunden hatte, um die Völker einige rmaßen mit dem unermeßlichen, grenzenlosen Leide des Krieges zu versöhnen. Wieder, als ob niemals ein Weltkrieg gewesen wäre, als ob, es keine Empörung der Völker über die furchtbaren Verheerungen gegeben hätte, lebt die Geheimdiplomatie in Europa weiter und feiert trotz aller Ableugnung Triumphe, auch hier in diesem Staate.

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner gestrigen Rede - wie soll ich wohl sagen - die Kraft oder den Mut gehabt, zu sagen, es geschehe in unserem Staate nichts, ohne daß die Nationalversammlung befragt und ihr die Möglichkeit gegeben würde, mitzusprechen und mitzuentscheiden. Ich muß schon sagen, Herr Ministerpräsident, es gehört viel Glaube an die Ruhe und Zurückhaltung der Nationalversammlung dazu, wenn man jetzt, nachdem der Bevölkerung die Mobilisierung aufgebürdet worden ist, ohne daß die Nationalversammlung Gelegenheit gehabt hatte, sich dazu zu äußern, zu sagen wagt: hier in diesem Staate geschieht nichts ohne Nationalversammlung. Und es gehört ein gutes Stück, glaube ich, sehr falsch angebrachter Tapferkeit dazu, so zu sprechen in denselben Tagen, wo wir erfahren, daß der provisorische Zolltarif mit seinen furchtbaren Lasten für die Bevölkerung in Kraft tritt (Souhlas na levici.), vor die Nationalversammlung hinzutreten und dann der Nationalversammlung, die man zuerst zur Seite stößt, zu sagen: Seid zufrieden, wir leben in einem demokratischen Staate, die Regierung tut nichts, ohne die Nationalversammlung zu befragen.

Es ist ein Völkerbund geschaffen worden. Wer aber hätte nicht den Eindruck, daß das, was sich heute Völkerbund nennt, ein jammervolles Zerrbild dessen ist, was wir uns unter einem Völkerbund gedacht haben, daß es ein Hohn auf den Zweck ist, den der Völkerbund zu erfüllen bestimmt ist? Wieder, wie vor dem Weltkriege. Und trotz der grauenvollen Erfahrungen, die die Völker Europas mit dem Weltkriege gemacht haben, leben wir in einer neuen Ära der Bündnisse und die èechoslovakische Regierung und ihr Chef sind eine treibende Kraft in dieser Politik der Bündnisse, die angeblich wieder das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Staatsverbänden, zwischen den Kräften der einzelnen Völker herstellen sollen, die aber in Wahrheit nichts anderes erzeugen, als daß sie neues Mißtrauen säen, neue Gegensätze schaffen, die Ursachen zu neuen Unruhen, zu neuen Kriegsgefahren abgeben. Der Herr Ministerpräsident und seine Regierung waren in der Tat sehr eifrig beflissen, auf diesem Gebiete allen anderen vorauszuschreiten. Es ist wirklich nicht zu verstehen, wie diese Èechoslovakische Regierung sich immer und immer wieder so gerne mißbrauchen läßt, um fremde imperialistische Interessen zu schützen und zu sichern. Denn auf nichts anderes läuft dieser ganze Verband, den die Kleine Entente zusammenfaßt, hinaus. Jugoslavien ist inbegriffen. Und wer wüßte nicht, das, wenn Jugoslavien sich mit der Èechoslovakei in einem solchen Bündnis zusammenfindet, Jugoslavien vor allem daran denkt, daß es bei seinen Aspirationen in Albanien, bei einem eventuellen Konflikte mit Italien in der Èechoslovakei einen hilfsbereiten Helfer findet! Wer wüßte nicht, daß auch das Bündnis mit Rumänien auf recht tönernen Füssen steht, daß es Rumänien viel weniger darum zu tun ist, der Èechoslovakei in einer Bedrängnis zu helfen, als daß es viel mehr darauf rechnet, bei dem Streben nach der Krone Ungarns in der Èechoslovakei Hilfe zu finden. Und wer dächte nicht an all die Gefahren, die sich für die Èechoslovakei in dem Bündnis, in dem jüngst abgeschlossenen Vertrage mit Polen bergen? Es muß schon gesagt werden: Wenn der Herr Ministerpräsident behauptet, es geschehe hier nichts, ohne daß die Nationalversammlung davon erführe, dann müßte sich der Herr Ministerpräsident endlich entschließen, uns auch die genauen Bestimmungen dieses Vertrages mit Polen bekannt zu geben. (Souhlas na levici.) Ist es denn keine Geheimdiplomatie, wenn man derart Verträge abschließt, die für unseren Staat, für seine Völker die schwersten kriegerischen Gefahren in sich bergen können?

Ja, der Herr Ministerpräsident hat allerdings - optimistisch, wie er in der Beurteilung dieser Fragen immer ist, gestern erklärt: In diesem Vertrage mit Polen liegt das Geschick des Friedens geborgen. Wir meinen, daß in dem Vertrage mit Polen ganz andere Dinge geborgen sind als das Geschick des Friedens, als die Sicherheit vor neuen kriegerischen Unruhen. Im Gegenteil. Wir wissen, Polen ist, solange es besteht, solange es wieder zum selbständigen Staate geworden ist, immer kriegsbereit gewesen, immer war es in kriegerische Händel verwickelt, und indem wir mit Polen einen Vertrag abschließen, können wir als Summe, als Fazit dieses Vertrages feststellen, daß die Èechoslovakei soviel Gefahren auf sich nimmt, als Polen politische Gegner hat, mit denen ihm kriegerische Verwicklungen drohen.

Und noch eine Frage möchte ich in diesem Zusammenhange an die Regierung und ihren Chef mit aller Klarheit und Bestimmtheit richten. Es soll in diesem Vertrage mit Polen - wir können es nur vermuten, weil wir die genauen Bestimmungen nicht kennen - die gegenseitige Neutralität verbürgt sein. Ich möchte nun eine ganz bestimmte Antwort darauf haben, wie sich der Herr Ministerpräsident diese Neutralität vorstellt, etwa im Falle eines Überfalles Polens auf Sovjetrußland, wie diese Neutralität gedacht ist im Falle eines Krieges Polens mit Deutschland. Ich möchte wissen, wie sich der Herr Ministerpräsident die Verpflichtung der Èechoslovakei in der Frage der Durchfuhr von Kriegsmaterial eigentlich vorstellt. Wissen wollen wir, wenn Kriegsmaterial durchgeführt werden kann zugunsten Polens, ob in einem anderen Falle die Neutralität unseres Staates so zu verstehen wäre, daß das Kriegsmaterial eventuell, wenn nötig, auch durchgeführt werden könnte nach Deutschland, Deutschösterreich oder Rußland. (Souhlas na levici.) Es türmt sich eine ganze Reihe von Fragen auf, die wir beantwortet wissen möch ten. Im übrigen aber geben wir uns gar keiner Täuschung darüber hin, daß der Kern des Vertrages mit Polen nichts an deres ist, als das Bestreben, gegen Deutschland und eventuell gegen Sovjetrußland die Intentionen der Entente zu schützen und daß der Vertrag mit Polen in eminenter Weise unser Verhältnis zu Deutschland und jenen Staaten, mit welchen wir in bestem Frieden leben könnten, verschärft.

Die Folge dieser Bündnispolitik, der Verpflichtungen, die diese Regierung in immer höherem Maße eingeht, ist schließlich und endlich, daß aus dieser Bereitwilligkeit heraus, eine Schutzwehr für die Habsucht fremder Bourgeoisien zu sein, aus dieser Verpflichtung, auf Kommando fremder Regierungen zum Losschlagen bereit zu sein, daß sich daraus für die Èechoslovakei eine immer größere Steigerung der militärischen Rüstungen ergibt, zu denen man sich um so leichter entschließt, als dieser Staat seiner Geburt nach ja selbst ein Gewaltstaat ist, ein Staat, an dessen Wiege der Imperialismus gestanden ist, ein Staat, dessen Grenzen künstlich geschaffen worden sind, ein Staat, in den man Völker einverleibt hat, ohne sie zu fragen, gegen ihren Protest und gegen ihren ausgesprochenen Willen; tributär anderen Staaten, mit denen man sich in unvernünftige und den Frieden bedrohende Bündnisse einläßt, vom Gefühl der eigenen Unsicherheit im Innern erfüllt, entschließt man sich zu jener wahnsinnigen Steigerung der militärischen Rüstungen, deren Zeugen wir sind. Die Rüstungen gehen weit über das Maß des Erträglichen hinaus. Sie überschreiten die Zahl der Soldaten, die im Friedensvertrag vorgesehen ist. Diese Summe erschöpft in Wahrheit nicht die ganze ungeheuere Menge von Mitteln, die wir den militärischen Zwecken zur Verfügung stellen müssen - wir sind formell angeblich bei der Summe von 3.119 Millionen Kronen angelangt, das sind 19 % der gesamten Ausgaben des Staates. Wir wissen, daß, so jung dieser Staat ist, von einem Jahr zum anderen eine gewaltige, große und ungeheuerliche Steigerung gerade dieser Ausgaben vorgenommen worden ist. Wir wissen, daß Milliarden auf Milliarden, weit über 15 Milliarden seit dem Bestande dieses Staates, für militärische Zwecke geopfert worden sind. Jahr um Jahr schließen wir mit einem Defizit und auch im heurigen Jahre haben wir ein solches. Das Budget weist uns aus, daß das Defizit 788 Millionen beträgt und merkwürdigerweise genau denselben Vetrag machen auch die Steigerungen der Militärausgaben aus, nämlich die Summe von 782 Millionen; d. h. wir könnten eigentlich ohne dieses Defizit leben, der Staat käme mit seinen Einnahmen normalerweise aus, wenn man nicht entschlossen wäre, auch heuer wieder ganz gewaltig die militärischen Ausgaben zu steigern. Man tut das in demselben Jahre, man verschleudert in der unbedachtesten und unverantwortlichsten Weise das Staats-, das ist das Volksgut, in demselben Augenblicke, wo der Herr Ministerpräsident in einer früheren Rede mahnen mußte, daß die Sozialversicherung nur etappenweise, nicht unbedacht, durchgeführt werden dürfe, und wo für die Sozialversicherung der lächerlich geringe Betrag von 10 1/2 Millionen Kronen ausgegeben wird, wo für den Jugendschutz nahezu nichts, 1 1/2 Millionen, übrig sind, wo man die Arbeitslosen verkommen läßt. Mit Empörung denkt man daran, daß das Budget für das laufende Jahr für die Arbeitslosenfürsorge wesentlich weniger vorgesehen hat, als im vergangenen Jahre; während man hier mit dem Schicksale der Beklagenswertesten und Bedürftigsten geradezu Fangball spielt, während man die Unterhaltsbeiträge drosselt, die Kriegsverletzten unkommen läßt, ihnen nicht den mindesten Schutz angedeihen läßt, hart und grausam über das Leid von Tausenden und Hunderttausenden von Menschen hinweggeht und während der Herr Ministerpräsident die Parole ausgibt, sparen, sparen sei notwendig, während man das alles tut, streut man mit vollen Händen Millionen und Milliarden aus, um nur die militärische Kraft und Macht dieses Staates zu erhöhen, damit man bündnisfähig ist und in die Lage kommt, sozusagen Trabanten aller möglichen anderen Regierungen und aller möglichen anderen Staaten darzustellen. Wir meinen, es sei hoch an der Zeit, wirklich an den Abbau dieser ungeheuerlichen militärischen Ausgaben zu denken. Eben haben Sie jubelnd verkündet, daß unser Verhältnis zu Polen ein außerordentlich freundschaftliches und günstiges geworden sei. Von dort drohen uns also keine Gefahren. Wir leben, wie der Herr Ministerpräsident versichert hat, in freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland; Österreich ist vollständig wehrlos. Sie rühmen sich, die Entwaffnung Ungarns durchgesetzt zu haben, somit haben Sie nur Freunde und Wehrlose ringsum. Wozu also diese ungeheuerliche Macht, wozu die gewaltigen Ausgaben für diese Zwecke? Wir wünschen nicht, daß der Staat rüste und rüste zu dem Zwecke, um der Büttel gegen Rußland zu sein, wir wünschen nicht, zum Söldling Polens zu werden, wir wollen nicht, daß sich der Staat herabwürdige zum Vasallen der Politik Frankreichs, wir wollen auch nicht und halten es für überflüssig, daß wir ins Maßlose hineinrüsten, um die Funktionen eines Genda rmen in Europa zu erfüllen. Wie immer meine Partei ständig den Abschluß solcher Büdnisse als schwere Bedrohung der friedlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern Europas erkannt hat, so halten wir es auch heute, und darum sind wir gegen diese Bündnisse, die nichts anderes sind als ein Werkzeug des Imperialismus, die nichts anderes sind als Einrichtungen, um von neuem schwere Gefahren für die Völker Europas heraufzubeschwören. Wir sagen uns: Los von der Mordkultur, die in den Ziffern des Budgets dort, wo von den Militärausgaben die Rede ist, ihren Ausdruck findet. Wir wünschten, daß der Tag komme, wo nicht mehr, wie es schon einmal geschehen ist, der Initiativausschuß dieses Hauses einen Antrag, der die Ersetzung des stehenden Heeres durch das Milizsystem fordert, einfach glatt köpft und seine Verhandlung unmöglich macht.

Das Krankhaft gesteigerte Selbstbewußtsein, das sich in der ganzen äußeren Politik und auch in der Militärpolitik dieses Staates ausdrückt und das zu immer größeren und immer schwerer erträglichen Rüstungen führt, schafft erst recht die Kriegsgefahren, denen man angeblich vorbeugt. Ich will nicht leugnen und nicht bestreiten, daß die jüngsten Gefahren, die über unsere Völker hereingebrochen sind, entstanden sind aus schweren, die Ruhe und Sicherheit der in den Revolutionen erworbenen freiheitlichen Errungenschaften bedrohenden Umständen. Ich will sagen, daß tatsächlich in Europa, daß insbesondere außer in Ungarn auch in Österreich und Deutschland Kräfte am Werke waren, die die Reaktion in Mitteleuropa von neuem aufrichten wollen. Ich will nicht leugnen, daß der Karlputsch in Ungarn lediglich eine Teilerscheinung eines größeren Ganzen war und daß der Sieg der Habsburger in Ungarn unzweifelhaft das Bestreben, zur Folge gehabt hätte, die Habsburgermacht auszudehnen vor allem auf das benachbarte Österreich und zur Folge gehabt hätte zweifellos eine Neubelebung der Bestrebungen der monarchistischen Reaktion in Österreich und Deutschland.

Der Herr Abg. Kafka hat, als er gestern auf diese Dinge zu sprechen kam, es für gut gehalten, den Kampf, der gegen die Reaktion in Mitteleuropa geführt werden muß und den zu führen anscheinend auch die Regierung dieses Staates entschlossen schien, diesen Kampf gegen die Reaktion darzustellen als einen Kampf um die Hausmacht der zweiten Internationale in Europa, und unser èechischer Freund Stivín hat diese Äußerung damit quittiert, daß er glaubte, sich schuldig zu sein, uns zu sagen, die Sozialdemokraten der sogenannten 2 1/2ten Internationale wären wohl mit dem Kopf bei der Sozialdemokratie, mit dem Herzen aber bei den Kommunisten. Ich beklage es, daß der Abgeordnete Stivín die Richtung unserer Politik anscheinend so schlecht beobachtet und erkannt hat. Sonst würde er ihre völlige Gradlinigkeit nicht bezweifeln. Ich möchte ihm aber sagen, daß sein Vergleich dazu verleitet, auszusprechen, daß seine Politik und die Politik seiner Freunde vielleicht so zu charakterisieren wäre, daß der Verstand wohl durchhaus auf dem Boden der Sozialdemokratie steht, daß man aber mit dem Körper, mit beiden Füssen und mit dem Herzen anscheinend völlig verwachsen ist mit diesem èechoslovakischen bürgerlichen Staate, daß also die Haltung des Abg. Stivín keineswegs darnach ist, daß sie zum Ausgangspunkt einer Kritik unserer Haltung genommen werden kann.

Aber ich will auch einiges zu den Äußerungen des Abg. Dr. Kafka sagen. Herr Kollege Kafka meint also, der Kampf gegen die Reaktion in Mitteleuropa sei im Grunde genommen nichts anderes als ein Kampf um die Hausmacht der zwei ten Internationale. Nun, meine Damen und Herren, ich erinnere mich und Sie alle werden sich daran erinnern, daß Ihre Par teifreunde in Deutschösterreich, Herr Abg. Kafka, die Großdeutschen, in diesen kritischen Tagen einen Aufruf erlassen haben, um Freiwillige für diesen Kampf zu sammeln. Ich wußte nicht, Herr Abg. Kafka, daß die Sorge um die zweite Internationale bei den Großdeutschen in Wien gar so stark entwickelt ist, daß Ihre Parteifreunde in Wien Blut und Leben da für einsetzen möchten, um die Hausmacht der zweiten Internationale auch wirklich zu erhalten. Der Herr Abg. Kafka ist zweifellos ein bedeutender Gelehrter, aber diese Gelehrsamkeit liegt wohl nicht auf dem Gebiete der jüngsten politischen Ge schichte, überhaupt wohl nicht auf dem Gebiete der historischen Wissenschaften. Die Wiener Großdeutschen haben die Be deutung jener Situation, haben die dro henden Gefahren, die die in der Revolution errungenen Freiheiten umlauerten, zwei fellos klar erkannt und darum haben sie ihren Aufruf gegen die Reaktion erlassen, darum zum Kampfe aufgefordert, und er klärt, es gehe um Demokratie und Freiheit. Und der Parteifreund der Waber und Dinghofer steht hier auf, um mit einem - verzeihen Sie - so ganz merkwürdig anmutenden Zynismus, mit kaltem Hohn über Dinge zu sprechen, die gar vielen Menschen in Europa wahrhaftig ans Herz greifen, die nicht Gegenstand kalter ver letzender Kritik sein sollten, wie es gestern hier geschehen ist. Ja, man ver höhnte den Kampf gegen die Reaktion um die Demokratie und Freiheit, und nennt sich dafür dann demokratische Freiheits partei, wie die Partei des Herrn Kafka. (Souhlas na levici.) Herr Dr. Kafka hat sich gestern darin gefallen, Spott und Hohn auszuschütten über die Wehrunfä higkeit Deutschösterreichs. Es ist wahr, dieses Deutschösterreich ist ein bekla genswertes, elendes Land, es windet sich seit den Tagen des Umsturzes in fürchter lichen Krämpfen, es kann nicht leben und nicht bestehen, es will aber leben und will sich erhalten und seine Freiheit schützen. Aber es soll doch, wenn man heute dar über höhnt und spottet, daran erinnert werden, daß das Schicksal dieses armen Österreichs letzten Endes zurückzuführen ist auf die imperialistische Politik, die Sie geführt haben, daß dieses Schicksal das Ende jener Politik ist, deren Träger Sie waren. Und ich muß schon sagen, es ge hört ein gutes Stück Mut dazu, hier auf zutreten und über die "Arbeiterzeitung" zu klagen. Herr Dr. Kafka hat sich nicht gescheut - ich kann es nicht anders sagen - hier auch seine Glossen darüber zu reißen, daß Dr. Renner, daß die Österreicher überhaupt, zunächst die Èechoslova kei in diesen Kampf gegen die Habsbur gergefahr für sich einzufangen suchten, daß sozusagen die Èechoslovakei von Deutschösterreich mißbraucht worden sei und daß nachher die "Arbeiterzeitung" trotzdem diesen Staat als Polizeistaat bezeichnet hat. Wir werden es uns nie nehmen lassen, diesen Polizeistaat so zu nennen, weil er es wirklich ist, und man sollte eigentlich eher der Wahrheitsliebe Anerkennung zollen, die die "Arbeiterzeitung" in diesem Artikel trotz der politischen Abhängigkeit in jenen Tagen aufgebracht hat. Aber ich glaube, hochverehrter Herr Kollege Kafka, in Wien bei der deutschen Bevölkerung, auch bei der bürgerlichen Bevölkerung in Wien, wird es eine merkwürdige Stimmung auslösen, wenn sie hört, wie hier ein deutscher Abgeordneter auftritt und die èechoslovakische Regierung geradezu darauf stößt, daß der èechoslovakische Staat von Österreich mißbraucht worden sei, daß man durch alle möglichen Künste diesen Staat in einen Krieg hineinzerren wollte, um selbst sich dann zurückzuziehen. Und es wird umso seltsamer wirken, wenn man erfahren sollte, daß mit diesem Aufputschen, das man an der èechoslovakischen Regierung und den èechischen Parteien versucht, Hand in Hand geht ein wenig würdiges Anbiedern an diese èechischen Mehrheitsparteien, daß die Rede gespickt ist mit süßlichen Komplimenten für diese Regierung, zu der man angeblich in schärfster Opposition steht. Ich glaube, wir dürfen den Ministerpräsidenten zu dieser Opposition beglückwünschen und wenn die Herren von den Bänken da drüben wieder einmal das Löwenfell umnehmen werden, ich glaube, es wird niemand mehr zu sehr davor erschrecken, nach dem, was wir ge stern erlebt haben. Man wird wissen, wenn wieder ein Auszug aus diesem Hause er folgt, wenn man sich wieder zu einer "ent schlossenen und unnachgiebigen" Absti nenz entschließt, dann wird wohl jeder wissen: es kommt der Tag wieder, wo sich der Kniefall vollzieht und man der Regie rung mit höflichen Verbeugungen und Komplimenten entgegenkommt.


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