Meine Damen und Herren! Wir kommen eigentlich recht spät dazu, daß sich das Parlament und der Staat besinnen, eine Reformierung der bestehenden, oder vielmehr der nicht mehr bestehenden Arbeitslosenfürsorge vorzunehmen. Wir haben ja bereits im Vorjahre von Seiten des deutschen sozialdemokratischen Klubs verlangt, daß all die Verschlechterungen, die seit Bestehen des Gesetzes vom 10. Dezember 1919 in Kraft gesetzt wurden, aufgehoben werden, und daß das ursprüngliche Gesetz in seiner alten Fassung wieder hergestellt werden soll. Bis jetzt war es nicht möglich, Ordnung zu machen, und ich werde noch darauf zu sprechen kommen, was während dieser Zeit im allgemeinen in Bezug auf die Arbeitslosenfürsorge an Verschlechterungen durchgeführt wurde. Wenn Sie um sich sehen, meine Herren, so werden Sie finden, daß andere Staaten auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge ganz andere Vorsorgen getroffen haben. Wir sehen, daß England heute ein gutes Arbeitslosenfürsorgegesetz hat, das auf der Pflichtversicherung aufgebaut ist, wir sehen, daß Deutschösterreich ebenfalls ein solches Gesetz besitzt, daß in Italien ein solches Gesetz besteht, und daß auch Deutschland ein solches Gesetz geschaffen hat, und daß alle diese Gesetze in diesen Staaten auf der Pflichtversicherung aufgebaut ist. Wenn man für die Arbeitslosen Vorsorge trifft, so ist das kein Entgegenkommen des Staates und der Gesellschaft in diesem Staate den Arbeitern gegenüber, sondern Staat und Gesellschaft haben die moralische Verpflichtung, Vorsorge zu treffen, damit die Arbeitslosen im Falle der unverschuldeten Arbeitslosigkeit auch die entsprechende Unterstützung zur Erhaltung ihres Lebens bekommen. Wir haben ja wirtschaftliche Krisen im allgemeinen unausgesetzt zu verzeichnen, aber was wir seit Kriegsende erleben, ist die eigentliche Folge der ungeheuer großen und schlimmen Erscheinungen, die sich nach dem Kriege bemerkbar gemacht haben. Jeder Staat hat heute eine ungeheuer große Zahl von Arbeitslosen, und alle Staaten, die auf dem Standpunkt stehen, moderne Staaten zu sein, haben sich bemüht, eine Arbeitslosenfürsorge zu schaffen, damit den Arbeitern in der Zeit ihrer größten Not die entsprechende Hilfe und Unterstützung zuteil werde. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Wir stehen auf dem Standpunkte: nicht Unterstützung, sondern für den Arbeiter ausreichende und lohnende Beschäftigung. Wir sagen aber anderenteils, daß, wenn man den Arbeiter nicht beschäftigen kann, der Staat und die Gesellschaft verpflichtet sind, den Arbeiter ausreichend zu unterstützen und ihn über die Zeit der Not hinweg zu helfen, um mit seiner Familie zu leben, bis es ihm wieder möglich ist, Arbeit zu finden. Und wenn wir die Arbeitslosigkeit in diesem Staate beseitigen wollen, dann müssen auch alle jene Voraussetzungen geschaffen werden, die notwendig sind, um die Volkswirtschaft wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Meine Damen und Herren, was bis jetzt geschehen ist in diesem Staate, ist nicht das, was wir für die Hebung der Volkswirtschaft als notwendig erachten. Ich will es offen aussprechen. Viele dieser großen volkswirtschaftlichen Fragen, die dazu dienen sollen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, die Volkswirtschaft wieder in die Höhe zu bringen, werden nicht vom Standpunkt der volkswirtschaftlichen Vernunft beurteilt, sondern in den meisten Fällen vom Standpunkte des engstirnigen nationalen Chauvinismus.
Ich möchte kurz zwei Fälle streifen, die besonders uns als Textilarbeiter angehen. Man hat eine Flachskommission geschaffen, wo über die Arbeitslöhne, über die Preise in der Flachsindustrie beraten wird und wo unmittelbar auch die Arbeitsmöglichkeit beraten wird. Man hat es unterlassen, uns als größte Organisation, die wir 75 % der Arbeiter in der Flachs- und Leinenindustrie beschäftigt haben, bis jetzt eine Vertretung einzuräumen, trotzdem ich den Herrn Minister Hotowetz ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht habe. Wir gönnen den anderen gewerkschaftlichen Organisationen die Vertretung, aber auch wir wollen eine Vertretung haben, wo wir, mehr als 75 % der Beschäftigten, es notwendig erachten, dort vertreten zu sein.
Eine weitere Frage, die ebenfalls im Zusammenhang und unmittelbar mit der Arbeitslosenfürsorge und Arbeitslosigkeit steht, ist das Gesetz zum Schutze über die Heimarbeit. Auch dort sehen wir, daß man es bis jetzt unterlassen hat, uns als größte Organisation in der Zentralkommission eine Vertretung einzuräumen. Ich wollte das nur streifen, um aufzuzeigen, daß man Volkswirtschaft so nicht machen kann, wie man sie macht. Man muß vielmehr alle jene, die den ernsten Willen zur Mitarbeit haben, zum Wiederaufbau der Volkswirtschaft heranziehen und sie nicht ausschalten. Und diese Fragen dürfen nicht vom Standpunkte des nationalen Chauvinismus beurteilt werden.
Was wir bis jetzt auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge zu verzeichnen haben, und was auf diesem Gebiet geschehen ist, ist eigentlich eine ununterbrochene Kette von Ungerechtigkeiten und Drangsalierungen gegen die Arbeitslosen im Allgemeinen. Es wird allerdings darauf verwiesen werden und wiederholt ist uns das gesagt worden, ihr habt ja in den deutschen Gebieten ohnehin viel größere Summen an Arbeitslosenunterstützung bezogen, als dies in den èechischen Gebieten der Fall war. Ich möchte nur auf folgendes aufmerksam machen. In erster Linie kommt in Betracht, daß wir in den deutschen Gebieten nach dem Umsturz sämtliche Arbeiter, die vom Militär zurückgekehrt sind, arbeitslos hatten und daß bei Ihnen diese Arbeiter in den Waffenrock gesteckt worden sind, daß sie Löhnung bekamen und außerdem die Frau den Unterhaltsbeitrag bezog. Ich möchte weiter darauf verweisen, daß wir in den deutschen Gebieten im Allgemeinen eine dichte und große Industrie haben und daß es auch, was wieder keine Übertreibung ist, vorgekommen ist, daß man für die èechische Industrie für bessere Beschäftigungsmöglichkeit Vorsorge getroffen hat, als dies bei der deutschen Industrie geschehen ist. Ich erinnere nur an den Ausspruch des damaligen Handelsministers Dr. Stránský, der erklärt hat, man muß die èechische Industrie besser schützen, ihr größere Vorteile zuweisen, damit sie sich besser entwickeln kann, was nichts anderes bedeutet, als daß sie bevorzugt werden soll, während auf der anderen Seite die deutsche Industrie vernachlässigt werden soll. Das bedeutet auch so viel, daß die èechische Industrie bevorzugt werden soll, daß wir allen Arbeitern in diesem Staate gönnen, daß sie voll beschäftigt sind, aber ebenso müssen wir verlangen, daß jede Ungerechtigkeit und jede Ubervorteilung in dieser Frage unterbleibt.
Nun möchte ich kurz chronologisch einige Fälle aufzählen, die sich seit dem Bestehen der Arbeitslosenfürsorge ergeben haben, was an Verschlechterungen geschaffen wurde. Das Gesetz, das mit 10. Dezember 1918 in Kraft getreten ist, wo man damals erklärt hat, daß dieses Gesetz ein ausgezeichnetes Gesetz ist und solange in Kraft bleibt, solange die Arbeitslosigkeit anhält: schon am 12. Feber 1919 hat das Gesetz eine Verschlechterung erfahren. Man hat den Arbeitslosen den Sonntag nicht mehr bezahlt, man hat die arbeitstätigen Familienmitglieder ausgeschaltet, sie auf 1 K täglich gesetzt. Auch andere Familienmitglieder, die sonst in die Unterstützung einbezogen waren, hat man aus der Unterstützung ausgeschaltet. Es ist weiter ein Erlaß herausgegeben worden, wo den Gemeinden aufgetragen wurde, die Arbeitslosen öffentlich an einer Tafel in der Gemeinde bekannt zu machen. Ein Vorgang, der geradezu unerhört ist, wo man die Arbeitslosen deshalb, weil sie arbeitslos sind, öffentlich an den Pranger stellt. Wir haben weiter gesehen, daß man die Arbeiter veranlassen wollte, zu jedem Lohn zu arbeiten, daß sie zu Lohndrückern werden sollten, daß man sie zu jeder Arbeit kommandieren wollte. Eine weitere Sache war die, daß man Arbeiter, die 65 Jahre alt waren, kurzerhand aus der Arbeitslosenfürsorge ausgeschieden hat. Man hat gesagt: du bist 65 Jahre alt und hast als Arbeiter kein Recht mehr, Arbeitslosenunterstützung zu beziehen, weil du infolge deines Alters nicht mehr im Stande bist, eventuell arbeiten zu können. Man hat die Unterstützung jenen eingestellt, die ein Jahr lang in Unterstützung gestanden sind und denen es nicht möglich war, anderwärts Arbeit zu finden. Man hat weiter willkürlich die Unterstützungssätze herabgesetzt, man ist durch die Nachtragsgesetze vom April 1920 darangegangen, ganze Berufsgruppen gewerblicher Hilfsarbeiter aus der Unterstützung auszuscheiden. In vielen Bezirken wurden die Unterstützungen eingestellt. Man hat ferner Erlässe herausgegeben, in denen verfügt wurde, daß Arbeiter, die in den Gemeinden für die Arbeitslosenunterstützung arbeiten, auf Kranken- und Unfallversicherung kein Recht haben. Das ist damals vom Ministerium für soziale Fürsorge verfügt worden.
Wir sehen dann weiter, daß die Arbeitslosenfürsorge fortgesetzt und unausgesetzt gedrosselt wurde, so daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkte so weit gekommen sind, daß von einer Arbeitslosenfürsorge im wirklichen Sinne überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann. Niemand in diesem Staate weiß, wer eigentlichnoch berechtigt ist, die Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. Keine politische Behörde weiß, was noch zu Recht besteht und selbst die Beamten im Ministerium für soziale Fürsorge sind irre, wem sie die Unterstützung noch zuerkennen sollen und wem sie sie nicht zuerkennen dürfen. Ich meine, was wir auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge während dieser ganzen Zeit gesehen haben, hat mit sozialer Fürsorge überhaupt nichts mehr zu tun, sondern bedeutet eigentlich die Sabotage der sozialen Fürsorge. Wir müssen unter allen Umständen verlangen, daß man sich nicht immer von dem Gedanken leiten lasse, daß die Arbeitslosen arbeitsscheue Menschen sind. Sie sollten wissen, daß wir in allen Industriestädten früher wenig oder gar keine Arbeitslosen hatten und daß es nur vereinzelte Arbeitslose gab, die arbeitscheue Menschen waren, die große Masse der Arbeiter jedoch arbeitete tatsächlich Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr und wollte nicht feiern. Die Arbeiter wollen auch heute arbeiten, aber sie können nicht, weil die Möglichkeit hiezu nicht vorhanden ist.
Wir müssen deshalb verlangen, daß dieser Zustand beseitigt wird und das soll durch die Schaffung dieses neuen Gesetzes geschehen, das eine Erleichterung in der Lebenshaltung der Arbeitslosen bringen soll. Von Seite des Ministeriums für soziale Fürsorge werden amtliche Ziffern über den Stand der Arbeitslosen im allgemeinen herausgegeben, die mit den tatsächlichen Verhältnissen über den Grad der Arbeitslosigkeit nicht übereinstimmen und zwar deshalb nicht, weil durch die vielen Erlässe und Verordnungen den meisten Arbeitslosen die Unterstützung entzogen wurde und nur ein kleiner Teil der Arbeitslosen bei der amtlichen Zählung erfaßt wurde.
Eine Aufstellung, die von Seite des Ministeriums für soziale Fürsorge gemacht wurde, besagt unter anderem, daß wir im Jänner dieses Jahres - ich glaube 32.000 Arbeitslose zu verzeichnen hatten und daß diese Zahl im April auf 42.000 gestiegen ist. Wir können demgegenüber feststellen, daß diese Zahlen den wirklichen Grad der Arbeitslosigkeit in diesem Staate nicht erfassen, daß die Zahl der Arbeitslosen in Wirklichkeit mindestens um das drei- und vierfache größer ist als die amtlichen Zahlen sie hier angeben. Das neue Gesetz soll nun die alten Ungerechtigkeiten beseitigen.
Obwohl ja im allgemeinen das Gesetz unseren Wünschen und Forderungen nicht ganz entspricht, werden wir trotzdem mit Ausnahme der Abänderungsanträge, die wir dazu zu stellen haben, für das Gesetz stimmen. Wir haben einige Anträge vorbereitet, so einen Antrag, der besagt, daß alle arbeitstätigen Personen, wenn sie arbeitslos werden, die Unterstützung im Ausmaß von 10 Kronen täglich zuerkannt erhalten. Wenn in dem Vorschlage, wie er von Seiten des sozialpolitischen Ausschusses gemacht wird, gesagt wird, daß man bei Orten bis zu 7000 Einwohnern 8 Kronen und bei Orten mit über 7000 Einwohnern 10 Kronen täglich zahlen will, so sagen wir, daß die Unterstützung so gering ist, daß man Streichungen und Unterscheidungen nicht vornehmen kann, auch dann nicht, wenn ein Ort weniger als 7000 Einwohner hat. Wir machen ja mitunter die Wahrnehmung, daß Orte mit 6000, ja mit 4000 Einwohnern bedeutend höhere Lebensmittelpreise aufweisen als es bei den größeren Städten der Fall ist. Wir begreifen deshalb auch nicht, daß eine solche Differenzierung auf diesem Gebiete platzgreifen soll. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß ein Familienvater, der einige kleine Kinder zu ernähren hat, ganz außerstande ist, bei dem heutigen Lohn, den er bezieht, auch erwachsene Kinder zu erhalten, die arbeitslos sind. Für jeden, der arbeitet und durch Verlust seines Arbeitsplatzes seinen Lebensunterhalt verliert, hat der Staat die Verpflichtung dafür zu sorgen, daß er die volle Unterstützung bekommt, um leben zu können.
Wir schlagen in unseren Anträgen weiter vor, daß für die Frau, wenn sie häuslich arbeitet, zumindest 2 Kronen bezahlt werden sollen und daß auch für die Kinder und Stiefkinder, die mit den Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, und für deren Unterhalt der Vater gesorgt hat, 2 Kronen Unterstützung ausgeworfen werden.
Wir haben ferner einen Antrag vorbereitet, der sich auf die Minderbeschäftigten bezieht und darauf Rücksicht nimmt, daß möglichst Entlassungen vermieden werden und daß die Unterstützungen durch den Betrieb ausgezahlt werden, ferner daß mindestens 80 % auf die ausgezahlte Unterstützungssumme dem Unternehmer rückvergütet werden in allen jenen Fällen, wo der Unternehmer finanziell nicht imstande ist, diese 20 % Zuschuß zur Arbeitslosenunterstützung zu leisten, der Staat also die ganze Summe der ausgezahlten Unterstützung als Rückvergütung an den Unternehmer übernimmt.
Wir sagen dann weiter, daß auch Minderbeschäftigte, die sogenannten Kurzarbeiter, wenn ihre Arbeitszeit unter eine bestimmte Zeit herabsinkt, ebenfalls das Recht haben, für die fehlende Zeit bis zu 48 Stunden der Woche, wo sie feiern, die Unterstützung zu beanspruchen.
Dann schlagen wir vor, daß der § 18 zu streichen ist. Dieser Paragraph räumt der Regierung respektive dem Ministerium für soziale Fürsorge das Recht ein, daß sie die Unterstützung abbauen kann, daß die Unterstützung gekürzt und eingestellt werden kann. Nachdem ein anderer Antrag lautet, daß die Dauer des Gesetzes bis 31. Dezember dieses Jahres befristet ist, halten wir es für unnötig, daß man diese Bestim mung in dem Gesetze beläßt. Ergeben sich Verhältnisse, die einen Abbau der Unterstützung notwendig machen, so kann man ja immer noch beim Zusammentritt des Parlamentes im Herbst darüber sprechen, um eventuell eine Änderung vorzunehmen. Nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, ganz besonders mit dem Ministerium für soziale Fürsorge, müssen wir uns mit aller Schärfe dagegen verwahren, daß dem Ministerium für soziale Fürsorge wieder das Recht eingeräumt wird, die einmal festgesetzten Unterstützungen zu kürzen.
Im Allgemeinen würden wir Sie bitten, daß Sie unsere Anträge, die wir Ihnen unterbreiten, annehmen. Sie sind eine Verbesserung, sie sollen das Los der Arbeitslosen lindern, wenn sie auch nicht eine volle Befriedigung unter den Arbeitslosen schaffen können. Immerhin würde die Annahme dieser Anträge doch eine kleine Besserung und Linderung der Notlage mit sich bringen. Wir müssen verlangen, daß dieses Gesetz eine liberale Auslegung erfährt. Nicht nach engherzigen fiskalischen Gesichtspunkten darf die Auslegung und Handhabung des Gesetzes erfolgen, sondern man muß den Menschen sehen, der leidet und dessen Not zu lindern ist.
Wir bitten Sie deshalb, unsere
Anträge anzunehmen. (Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Regierung verlangt mit der Vorlage, die sie uns hier vorlegt, die Bewilligung der ungeheueren Summe von zwei Milliarden zur Deckung des Defizits, das aus der Mehlbewirtschaftung, und zwar aus der verbilligten Abgabe von Mehl und Brot, hervorgegangen ist. Ich kann von vornherein erklären, daß wir gegen diese Vorlage stimmen werden. Das mag für eine sozialistische Partei als merkwürdige Stellungsnahme erscheinen und ich halte es deshalb für notwendig, diese unsere Stellung ganz kurz zu begründen.
Wir halten es zunächst für die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, der armen Bevölkerung, solange die durch den Krieg verursachten außerordentlichen Verhältnisse dauern, auch mit außerordentlichen Mitteln zu helfen, damit sie über diese ungeheuer schwere wirtschaftliche Not hinwegkomme. Wenn wir die Mitteilungen des statistischen Amtes, die für den Monat Juni d. J. erschienen sind, durchlesen, finden wir, daß gegenüber dem Juli 1914 hier in Prag die Lebensverhältnisse 15mal, in einzelnen Bezirken, darunter besonders im industriereichen Deutschböhmen, 16 bis 17mal teurer sind als im Jahre 1914. Es ist ganz selbstverständlich - und wir sehen die Wirkungen dieser ungeheueren Teuerung an der Arbeiterschaft überall daß es unmöglich ist, der Arbeiterschaft da sie doch nur ein geringes Einkommen hat, also den unbemittelten Schichten, zu all diesen Lasten noch zuzumuten, auch noch, wenn die freie Wirtschaft eintreten würde, für Brot und Mehl erhöhte Preise zu zahlen. Wir halten es für Pflicht des Sta ates, daß er, weil es die Erhaltung der Volkskraft erfordert, die reichen Kreise der Bevölkerung wirtschaftlich zur Dekkung jener Lasten heranziehe, die aus der verbilligten Abgabe von Brot und Mehl an die Arbeiterschaft entstehen. In diesem Sinne ist es keine unproduktive Ausgabe, sondern eine Ausgabe, die notwendig ist, damit die heranwachsende Jugen d, die ohnedies durch den Krieg ungeheuer verelendet ist, sich erhalten kann. Das liegt im Interesse des Staates, und ich glaube nicht, daß wir ihm für die Erfüllu ng dieser Selbstverständlichkeit Dank zu schulden hätten. Wir haben bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen und müssen es leider bis zum Überdruß wiederholen, daß die Mittel, die dieser Staat für die Verbilligung der Lebenshaltung der arbeitenden Schichten aufgewendet hat, im Verhältnis zu seinem sonstigen Aufwand gering zu nennen sind. Wenn für die letzten vier Monate dieses Jahres eine Summe von 200 Millionen vorgesehen wird, was auf das Jahr umgerechnet 600 Millionen ergibt, und wenn wir dem gegenüber sehen, daß im Handumdrehen 650 und 322 Millionen für militärische Rüstungen bewilligt werden, dann glaube ich sagen zu können, wenn wir eine Parallele ziehen, daß die Mittel, die der Staat aufwendet, um die arme Bevölkerung zu erhalten, in keinem Verhältnis zu dem stehen, was der Staat für die Militärausrüstung auswirft und in keinem Verhältnis dazu, was andere Staaten, die sich in ähnlicher Situation befinden, wie Deutschland und Österreich, für ihre Bevölkerung tun.
Nun möchte ich aber darauf hinweisen, daß dieses Milliardendefizit ja nicht allein dadurch entstanden ist, weil der Staat die Lebensmittel verbilligt abgibt. Erst unlängst hat der Landwirtschaftsminister darauf hingewiesen, daß dem Staat durch die Nichtablieferung des vorgeschriebenen Getreidekontingentes allein ein Schaden von über einer Milliarde erwächst. Wir müssen daher feststellen, daß hier die Milliarde leicht erspart werden könnte, wenn die ganze Versorgung und die Aufbringung der Ernte nicht in den Händen der Bureaukraten wäre, die übrigens keine Autorität haben, niemand gegenüber, sondern wenn die Ernährungswirtschaft, wie wir es immer verlangen, von vornherein auf die Produzenten und Konsumenten gestellt würde, was leider niemals geschehen ist.
Nun gestatte ich mir bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie elend gerade jetzt die deutsche Bevölkerung, vor allem die deutsche Arbeiterbevölkerung versorgt wird. Wenn über die ganzen Ernährungssorgen gleichgültig hinweggegangen wird, wie es in diesem Parlamente bisher der Fall war, so erweckt es den Anschein, als ob tatsächlich gar keine so große Not auf der Bevölkérung lastete, als ob wir halbwegs gut versorgt wären. Ich will einige authentische Ziffern vorbringen. Im ersten Halbjahr hatten die deutschen Konsumgenossenschaften, welche über 600.000 Arbeiter zu versorgen haben, ein volles Viertel ihrer Mehlquote zu wenig zuge wiesen erhalten. Im Monat Juli, wo der Bedarf an Brotmehl 23.463 q betrug, sind im ganzen nur 16.744 q zugewiesen worden, es fehlt also ein volles Drittel. Es ist de facto so, daß die Arbeiterbevölkerung schon lange nicht mehr ein Kilo Brotmehl erhält, sie bekommt vom Staate nur etwas mehr als 60 dkg. In den letzten acht Tagen hat sich die Situation so gestaltet, daß die Arbeiterschaft, welche in den deutschen Konsumgenossenschaften zusammengeschlossen ist, nur ein Drittel ihres Bedarfes überhaupt gedeckt erhalten hat. Ich führe das besonders deshalb an, weil immer und immer wieder, wenn wir über die Ernährungsnot und über die Ernährungssorgen in den Arbeiterkreisen sprechen, darauf hingewiesen und von gegnerischer Seite die Sache immer so dargestellt wird, als ob wir die Versorgung der Arbeiterschaft durch die Genossenschaften rein deshalb verlangten, damit sie gegenüber der anderen Bevölkerung mehr bekämen.
Die Bevorzugung der Konsumgenossenschaften bei der Belieferung ist schon lange, lange Zeit direkt in das Gegenteil umgeschlagen, wenigstens soweit es sich um deutsche Bezirke handelt. Wen die Schuld an diesen Verhältnissen trifft, ist leider immer schwer festzustellen. Die Staatsgetreideanstalt verweist auf das Ernährungsministerium und umgekehrt ist dies ebenfalls der Fall. Es ist bei dieser Gelegenheit notwendig darauf hinzuweisen, daß bis heute die Leitung der Staatsgetreideanstalt vollständig dem Einflusse der deutschen Bevölkerung und vor allem dem der deutschen Konsumenten entrückt ist, daß wir in dieser Zentralstelle keinen Einfluß haben, daß diese Anstalt nicht kaufmännisch, sondern bürokratisch wirtschaftet. Es ist in der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses davon gesprochen worden - und die Meinung, die da ausgesprochen wurde, hat keine Widerlegung gefunden - daß angeblich in der Staatsgetreideanstalt nicht nur ein Defizit von 2 Milliarden, sondern ein solches von 7 Milliarden zu decken wäre. Selbst der Präsident des Obersten Kontrollamtes konnte darüber keine klare Auskunft geben, sondern mußte erklären, daß eine Revision in dieser Anstalt unmöglich ist, (Hört! Hört!), weil die Bücher so schlecht geführt sind, weil alle Unterlagen fehlen, die eine Revision ermöglichen würden. Ich weiß aus meiner Praxis, wie die Staatsgetreideanstalt wirtschaftet. Schon von allem Anfange, zur Zeit des alten Österreich, war die Fakturierung, war dieses Riesenunternehmen mit seinem Milliardenverkehr, mit seinen mehr als 3000 Angestellten nicht imstande, Ordnung zu halten. Der Zustand scheint sich nicht gebessert, sondern verschlechtert zu haben. Es ist wohl totsicher, daß diese Differenz nicht von der Periode von 1920/21 allein herrührt, sondern daß dieses Defizit erst wird ziffernmäßig festgestellt werden können, wenn einmal die Revision durchgeführt sein wird. Eine Anstalt, ein Riesenunternehmen, das so groß ist, wie die Staatsgetreideanstalt, muß erst recht so eingerichtet sein, daß sie jeden Tag klare Rechnung legen kann und jederzeit imstande ist, eine ordentliche Bilanz vorzulegen. Es ist also der Verwaltungsskandal in dieser Staatsgetreideanstalt zugleich ein Panama für die Verwaltung dieses Staates überhaupt. Es entsteht nicht nur ein Defizit, weil der ganze administrative Apparat seine Aufgabe nicht erfüllen kann, es wird noch unendlich vergrößert dadurch, daß überhaupt unauffindbar ist, wer eigentlich der Staatsgetreideanstalt etwas schuldet und wie diese Schuld zu belegen wäre. Wir haben - und ich verweise nachdrücklich darauf - im vorigen Jahre bei der Beratung des Voranschlages des Ernährungsministeriums im Budgetausschusse den übrigens einstimmig angenommenen Antrag gestellt, daß die Zentralen, über deren Budgetierung aus den Vorlagen des Ernährungsministeriums absolut nichts zu ersehen war, verpflichtet werden, über ihre Geschäftsgebahrung eh estens dem Parlamente durch die Regierung klare Rechnung zu legen. Dieser Resolutionsantrag ist ebenso wie alle anderen, die den Abgeordneten wirklich ermöglichen würden, Einblick in die Geschäfte zu gewinnen, unberücksichtigt geblieben. Die Regierung motiviert weiter die Anforderung der 2 Milliarden damit, daß durch das Zuckergeschäft nicht jene Gewinne erzielt worden sind, mit denen gerechnet wurde und die hinlänglich hätten sein müssen, um das Defizit aus der Mehlbewirtschaftung zu decken. Auch da ist die Sache so, daß wohl dieser Hinweis genügt hätte, aber über das Zuckergeschäft selbst sind die Abgeordneten auch vollständig im Unklaren gelassen worden. Ich füge hinzu, daß weder der Finanzminister, noch der Außenhandelsminister, als, gerade beim Zuckergeschäft, schon vor 8 Monaten Anfragen gestellt wurden, eine Antwort gegeben hat. Wir haben eine klare Antwort auch heute noch nicht. Aber feststellen können wir, daß jene Vorwürfe, die schon vor langer Zeit erhoben wurden, vollständig zutreffen, daß auch hier der bürokratische Apparat versagt hat, daß nicht den Ratschlägen der Fachmänner gefolgt worden ist und daß dieses Defizit eigentlich beide Ministerien, Außenhandels- und Finanzministerium, gemeinsam verschuldet haben. Weil das der Fall ist, müssen wir jetzt diese 2 Milliarden bewilligen. Wenn wir uns aber die Verhandlungen dieses Hauses und vor allem andern die Behandlung, welche die Ernährungswirtschaft in diesem Parlamente erfährt, betrachten, so können wir schon sagen: dieses Parlament verdient von der Regierung so behandelt zu werden, weil es ja selbst nicht daran geht, sich Aufklärung zu verschaffen, weil es nicht daran geht, die wichtigsten Vorlagen selbst parlamentarisch zu erledigen, sondern weil es so wie mit dem Ernährungsplane gemacht wird, daß jetzt in den letzten Tagen zum Schein nach außen hin Beratungen stattfinden über ein Elaborat, das schnell abgehaspelt wird, von dem wir aber im voraus wissen, daß es von keiner Seite der èechischen Parteien ernst aufgenomm en wird.
Schon seit 5 Monaten liegt der Brdliksche Ernährungsplan im Hause vor, der Bewirtschaftungsplan für die heurige Ernte. Also handelt es sich da um keine Sache, die überraschend kommt; und trotzdem ist man, planmäßig möchte man sagen, der Behandlung dieser großen und wichtigen Frage immer aus dem Wege gegangen. Es sind heute im Ernährungsausschuß Anträge beschlossen worden, wie die Ernährung geregelt werden soll, wie der Kreis der Personen bestimmt werden soll, es ist aber diese Vorlage, die zugleich wie in den Ernährungsausschuß auch in den landwirtschaftlichen und den Budgetausschuß hätte geleitet werden sollen, weder im Budgetausschuß verhandelt worden, noch ist der landwirtschaftliche Ausschuß überhaupt auch nur einberufen worden, und die allerletzten Vorgänge in der heutigen Sitzung des Ernährungsausschußes deuten darauf hin, daß wieder im Verordnungswege festgestellt werden soll, wie die armen Schichten der Bevölkerung draußen weiter mit Brot und Mehl versorgt werden sollen. Wir möchten nur eines konstatieren; wir können nicht dulden, daß mit der Versorgung der armen Bevölkerung in dieser Hinsicht ein frevelhaftes Spiel getrieben wird und es wäre sehr gefährlich, wenn die bürgerlichen Vertreter in diesem Hause glauben, daß die Arbeiterschaft sich eine solche Erledigung ihres Ernährungsplanes wird gefallen lassen, wenn nicht tatsächlich bei derselben Rücksicht darauf genommen wird, daß die unbemittelten Schichten auch leben können in diesem Staate, daß der Staat nicht auch für sie die notwendigen Millionen und Milliarden aufzubringen hätte.
Wie mit allem, haben wir bei der
Bewilligung dieser Vorlage, die verlangt wird, schon eine fertige
Tatsache vor uns. In dem Motivenbericht heißt es, daß diese zwei
Milliarden zum großen Teil durch Wechsel aufgebracht worden sind,
die längst schon im Ausland kontrahiert wurden. Wir haben also
nicht darüber zu beschließen, ob wir der Regierung Geld zur Verfügung
stellen sollen, sondern einfach die Tatsache hinzunehmen, daß
bereits 2 Milliarden Kronen aufgebraucht worden sind. Die Wechsel
sind sehr bald fällig, daher die große Dringlichkeit, sonst hätte
man mit der Erledigung immer noch zugewartet. Und wir sollen auch
zu diesem ungeheueren Geschäft unsere Zustimmung geben, wie zu
allen anderen Nachträgen. Ich verweise auf die ungeheuere Gefahr,
die für den Staat gerade darin besteht, wenn er unter den jetzigen
Verhältnissen oder eigentlich wenn er schon im Laufe dieses Jahres
im Auslande große Gelder aufgenommen hat. Unsere Krone hat sich
seit einem Vierteljahr gegenüber der französischen Valuta bedeutend
entwertet. Wir werden, wenn dieser Zustand noch längere Zeit anhält,
viel mehr Kronen für diese Wechsel zahlen müssen als wir zu der
Zeit, wo wir sie bekommen haben, aus ihnen lösen konnten. Es ist
eine ungeheuer gewagte Spekulation, die der Finanzminister da
treibt und aus dieser Erwägung heraus wendet er sich ja eigentlich
auch an den inländischen Geldmarkt und sagt: das Ausland kann
natürlich nur dann Vertrauen zu der Anleihe haben, wenn es gelingt,
im Inland selbst größere Teile derselben zu plazieren. Die Regierung
appelliert an das Vertrauen der Bevölkerung. Wenn wir uns aber
vorstellen, wie hier gearbeitet wird, wenn wir gerade bei dieser
Gelegenheit die ungeheuere Mißwirtschaft aufzeigen konnten, die
in den Riesenbetrieben herrscht, welche der staatlichen Kontrolle
und Verwaltung unterliegen, so klingt dieser Appell fast wie Hohn,
es klingt fast wie Ironie, wenn gerade zu dieser Zeit die Regierung
für diese Vorlage und für die Unterbringung der Papiere, die sie
herausgeben wird, Vertrauen anfordert. Vertrauen muß erzogen werden,
Vertrauen muß berechtigt sein. Vertrauen können wir nur zu einer
Regierung haben, die Ordnung hält; aber eine Regierung, die wie
unsere, in der Staatsgetreideanstalt nicht imstande ist, in den
Fragen rein administrativer Verwaltung eine so peinliche Ordnung
herzustellen, daß ein solcher Riesenbetrieb jederzeit in der Lage
ist, eine glatte Bilanz vorzulegen, eine Regierung, die durch
ihre verkehrten politischen Maßnahmen den Wirrwar und Hader zwischen
den Nationen nicht schlichtet, also auch hier nicht Ordnung schafft,
sondern nur die Unordnung vergrößert, verdient kein Vertrauen.
Wir haben dieses Vertrauen nicht und wir werden aus diesen Erwägungen
heraus diese Vorlage nicht bewilligen. Wir bekämpfen sie im Gegenteil
auf das Heftigste und verlangen, daß in Hinkunft schon bei der
Budgetierung darauf Rücksicht genommen wird, daß die Anforderungen,
welche der Ernährungsdienst an den Staat stellt und stellen muß,
schon von Vornherein bei der Aufstellung des Budgets berücksichtigt
werden und auch da für ihre ordnungsmäßige Deckung im Vorhinein
an das Parlament appelliert wird. Es ist ein Hohn, wenn die Abgeordneten
nur aufgerufen werden, um Schulden zu bezahlen und Anleihen zu
bewilligen, die längst im Ausland vergeben werden sind, ein Hohn,
den dieses Parlament verdient, wenn es derartige Vorlagen ruhig
zur Kenntnis nimmt. (Souhlas a potlesk na levici.)