Geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Dubický beinhaltet vor allem, daß bei Vergebung von Bahnhofsrestaurationen, Kantinen, von Ausschank von Spirituosen und von Tabakverkaufsstellen in Zukunft vor allen anderen Kriegsbeschädigte berücksichtigt werden sollen. Es sind in der Vergangenheit wegen der Vergebung dieser Verschleißstellen, Bahnhofsrestaurationen usw. ungemein viel Beschwerden über Protektionswirtschaft eingelaufen, und dem Berichte des Ausschusses ist zu entnehmen, daß auch dort eine große Anzahl von Beschwerden vorlag, die man in Zukunft auf diese Weise doch einigermaßen vermindern will. Aus dem Berichte des Ministers im sozialpolitischen Ausschusse haben wir ersehen, daß es sich im großen und ganzen nur um 218 solcher Bahnhofswirtschaften handelt. Wir sehen, daß seit dem Umsturze 11 1 ausgewechselt und daß seit Anfang 1920 51 neu vergeben wurden, davon 26 an Legionäre, 18 an Invalide und 7 an Witwen.
Es ist daraus nicht ersichtlich, wieviel deutsche Bewerber dabei berücksichtigt worden sind. Soviel wir aus der ganzen Sachlage entnehmen, glaube ich, wird wohl kein Deutscher irgendwelche Berücksichtigung gefunden haben. Es hat schon Herr Kollege Taub den Minister für soziale Fürsorge aufgefordert, bis zum Herbst ein Verzeichnis der seit dem Umsturze verliehenen Konzessionen dem Parlamente vorzulegen, und es wäre wünschenswert, daß endlich etwas geschehen würde, damit man Einblick in die Praxis bekommt, wie sie bis heute geübt worden ist.
Wir wissen eines ganz bestimmt: daß die deutschen Bewerber beinahe gar nicht berücksichtigt worden sind und daß man in rein deutschen Gegenden überall nur èechische Bewerber berücksichtigt hat. Dabei ist die Zahl der Kriegsverletzten in deutschen Gebieten viel größer als in den èechischen. Es ist geradezu erschreckend, wenn man heute in die Dörfer unseres Erzgebirges hinausgeht, was man dort für Kriegskrüppel herumwandern sieht. Und nicht viel besser ist es anderwärts. Die Sachlage steht für uns so, daß besonders in unserem Erzgebirge während des Krieges und auch nach dem Kriege bis auf den heutigen Tag die Industrie vollständig darniederliegt, und daß sich unsere Kriegsbeschädigten ganz vergebens um irgend eine Arbeit bemühen, aber absolut nicht im Stande sind, sie auch zu finden.
Wir sehen sie mit ihren Familien einfach in der jämmerlichsten Art und Weise zu Grunde gehen. Ich glaube, hier müßte denn doch auch die Regierung einigermaßen Sorge tragen dafür, daß Wandel geschaffen wird. Welch' großes soziales Problem hier im allgemeinen zu lösen ist, ersehen wir aus den Ziffern des Berichtes in dem es heißt, daß wir für 120.000 Kriegsbeschädigte, für 60.000 Witwen, für 80.000 Waisen, darunter mehr als 5000 Doppelwaisen, für 20.000 Mütter, denen die Söhne im Felde gefallen sind, zu sorgen haben. Es wäre höchste Zeit, wenn sich endlich das Ministerium für soziale Fürsorge herbeilassen würde, - wir verlangen das mit aller Energie - uns endlich einmal einen amtlichen Bericht darüber zu bringen, was es bis heute zur Linderung des Elends auf diesem Gebiete im allgemeinen getan hat. Wie steht es, das möchten wir vor allem andern wissen, mit einer Erhöhung der Renten? Dieselben sind in ihrer heutigen Höhe völlig unzulänglich und es muß eine Novellierung des Kriegsbeschädigtenversorgungsgesetzes vom 20. Feber 1920 im Sinne der vom Bund der Kriegsverletzten vorgebrachten Forderungen erfolgen.
Wie heute die Situation ist, möchte ich Ihnen nur an einem Beispiel illustrieren: Ein Kriegsverletzter aus Graslitz, der laut sozialärztlichem Bezirkskommissionsbefund als 75 % invalid anerkannt ist, der Mann ist beinahe vollständig blind, zu Hause 4 unversorgte Kinder und eine Frau hat und 216 K monatlich bekommt, kann wegen seiner geringen Sehkraft keine Arbeit finden, obwohl er sie seit zwei Jahren sucht, und geht mit seiner Familie in der jämmerlichsten Weise zu Grunde, wenn nicht in irgend einer Form für ihn vorgesorgt wird. Seine Bemühungen, etwas mehr zu erhalten oder Zuschüsse in anderer Form zu bekommen, waren bis heute vergeblich. So wie es diesem einen geht, geht es heute noch vielen tausenden, vielleicht noch schlechter als diesem einen, und ich meine, daß ein derartiges Elend zum Himmel schreit, und wenn man heute so ungeheuere Summen, wie gestern wieder ohne Bedenken 322 Millionen, für den Militarismus, ausgeben kann, sollte sich doch das Haus endlich einmal auf sein Gewissen fragen, ob diese armen Teufel nicht in erster Linie berücksichtigt werden sollten.
Es handelt sich vor allem anderen noch um ein anderes wichtiges Problem, das ist die Einstellung der Kriegsinvaliden in die produktive Arbeit. Wie viele Kriegsbeschädigte sind heute noch arbeitslos? Ich glaube, das Ministerium für soziale Fürsorge muß sich doch auch darum kümmern, wieviele von diesen Opfern des Krieges noch keine Arbeit haben, und wir möchten wissen, wieviele es noch gibt, für die noch in keiner Weise vorgesorgt worden ist. Wir kennen ja unsere Unternehmer. Sie nehmen vor allem anderen nur gesunde Arbeiter, sie wollen Kriegsbeschädigte nicht in ihre Betriebe aufnehmen. Einen gesetzlichen Zwang zu einer prozentuellen Beschäftigung von Kriegsbeschädigten, wie man ihn besonders in Deutschösterreich eingeführt hat, wie er zum Teil in England und auch in Deutschland besteht, gibt es bei uns in dieser Weise nicht. Es besteht zwar ein Erlaß des Ministeriums für soziale Fürsorge vom 17. Jänner 1921, wonach bei Ausschreibung von staatlichen Lieferungen die Unternehmer gesetzlich verpflichtet werden können, Kriegsbeschädigte in Arbeit zu nehmen. Es möchte mich sehr interessieren, ob seit Herausgabe dieses Erlasses für die Durchführung desselben seitens des Ministeriums für soziale Fürsorge auch etwas unternommen worden ist; es möchte uns sehr interessieren, wieviele Kriegsbeschädigte bei Vergebung von staatlichen Arbeiten auf Grund dieses Erlasses eingestellt worden sind. Ich glaube, so wie wir die Praxis des Ministeriums für soziale Fürsorge kennen, ist für die Durchführung dieses Erlasses bis heute auch nicht ein Finger gerührt worden. Ich meine, mit dieser Methode, nur schöne Erlässe herauszugeben, sie aber in keiner Weise zu handhaben, ist unseren Kriegsbeschädigten draußen keineswegs geholfen. Wir möchten auch ferner einmal wissen, was an privater Fürsorge für die Kriegsbeschädigten im allgemeinen geschehen ist und heute noch geschieht, ferner für die ungezählten Opfer des Krieges, die heute von der Tuberkulose befallen sind und um die man sich einfach gar nicht kümmert. Wir kennen die Ursache der wachsenden Tuberkulose, die sich immer unheimlicher ausbreitet, deren Hauptursachen im Kriege, in der schlechten Ernährung, in den ungünstigen Wohnungs- und Ernährungsverhältnissen usw. liegen, unter denen noch heute die Armen furchtbar leiden.
Was ist bis heute geschehen, um
die Kriegsseuche der Syphilis zu bekämpfen, die geradezu einen
ungeheueren. Umfang angenommen hat? Was ist bis heute für die
Errichtung von Wohn-, Pflege- und Arbeitsstätten geschehen, die
sehr notwendig intensiv betrieben werden müßte, damit man endlich
einigermaßen diese furchtbaren Schäden des Weltkrieges beseitigen
und die Zahl der Opfer, deren es heute noch viele Tausende gibt,
auf jenes Maß reduzieren kann, daß man sagen kann: es sind nur
mehr wenige, für die heute noch keine Unterkunft zu finden ist,
die wir aber in anderer Form voll und ganz unterstützen müssen.
Das ist das, was wir heute zu diesem vorliegenden Antrage sagen
wollen. Wir wissen, daß mit dieser kleinen Vorlage nicht viel
geholfen ist; aber es ist wenigstens ein Tropfen auf einen heißen
Stein, und wir haben keine Ursache, hier dagegen zu stimmen. Wir
werden für diesen Antrag eintreten. Ich appelliere aber heute
an alle Parteien dieses Hauses und vor allem an die Regierung,
alles zu tun und nichts zu unterlassen, um die Lage dieser bedauernswerten
Opfer des Weltkrieges endlich lindern zu helfen. (Souhlas nìmeckých
poslancù.)
Meine sehr geehrten Da men und Herren! In wenigen Stunden wird eine Session geschlossen werden, die an alle Parlamentarier die größten Anforderungen gestellt hat. An jene der Majorität, aber - das glaube ich wohl mit Fug und Recht sagen zu können - insbesondere an die der Minorität. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, Ihnen klarzulegen, unter welchen Bedingungen die Vertreter der Minorität in diesem Parlamente zu arbeiten gezwungen sind, und es ist nur zu verwundern, wenn die Vertreter der Minorität aus diesem Verhalten der Majorität nicht die letzten Konsequenzen abgeleitet haben. Glauben Sie es mir, daß das Vorgehen der èechischen Majorität gegenüber der deutschen Minorität für die Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. Es ist ganz unmöglich, daß unter Verhältnissen, wie wir bisher in den Ausschüssen gearbeitet haben, weiter posi tive Arbeit geleistet werden könnte. Sie werden uns sicher das Zeugnis ausstellen müssen, daß wir bestrebt waren, gründliche, sachliche Arbeit zu leisten, daß wir aber daran dadurch gehindert wurden, daß uns nicht die technische Möglichkeit vonseiten der èechischen Parteien gegeben wurde, um wirklich sachlich mitzuarbeiten, so wie wir es wünschen. (Posl. Hackenberg: Und wie es auch in Ihrem In teresse wäre!) Und wie es im Interesse des Staates wäre.
Versetzen Sie sich nur einmal in die Situation der deutschen Abgeordneten, die in den Ausschüssen sitzen, die kein Wort èechisch verstehen und denen Vorlagen unterbreitet werden, ganz èechisch, zu denen sie in derselben Minute, ohne daß sie die Möglichkeit hätten, mit jemandem zu beraten, Stellung zu nehmen haben. Das ist ein ganz unmöglicher Zustand, und Sie würden damit nur das eine bewirken, daß die Opposition die sachliche Mitarbeit in den Ausschüssen überhaupt aufgeben und ihre ganze Arbeit in das Plenum des Hauses verlegen müßte. Uns paßt diese Art nicht, denn - wir sagen es Ihnen ganz offen - wir wollen nicht zum Fenster hinaus sprechen. (Posl. Hackenberg: Obwohl es nach außen wirken würde!) Jawohl, obwohl es agitatorisch und organisatorisch nützlich wäre. Wir wollen das nicht, wir wollen positive Arbeit leisten, wollen mitarbeiten, aber diese Mitarbeit muß uns natürlich ermöglicht werden. (Posl. Rýpar: Nauèením se èesky! - Posl. Hirsch: Das ist doch eine sehr billige Ausrede, eine Phrase!) Ich habe gar nichts dagegen, Herr Kollege, wenn Sie sich damit begnügen wollen, daß bis zu der Zeit, bis zu der die deutschen Abgeordneten èechisch erlernt haben, deutsche Abgeordnete sachlich nicht mitarbeiten. Bitte, das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Ich glaube aber, daß das nicht im Interesse des Staates gelegen ist.
Und jetzt lassen Sie mich auf die Art der Behandlung der Materien überhaupt zu sprechen kommen. Meine Herren, Sie können stolz sein auf die Arbeit, die Sie da geleistet haben, wirklich stolz sein können Sie! Wenn Sie aber bei nüchterner Überlegung, so in einigen Tagen, nachdem Sie sich ein wenig ausgeruht haben, eine Vorlage nach der anderen zur Hand nehmen werden, ich bin davon überzeugt, Sie werden in Ihrem Inneren einbekennen müssen, daß jede einzelne dieser Vorlagen anders ausgefallen wäre, wenn man Zeit gehabt hätte, im Interesse der Sache wirklich alles gründlich durchzuarbeiten. Dabei muß folgendes bedacht werden: Die Majoritätsparteien haben seit 7 Monaten Zeit gehabt, sich mit der Mehrzahl der Vorlagen zu beschäftigen, mit denen wir uns nur wenige Stunden beschäftigen konnten.
Dadurch wurde auch unsere Mitarbeit ganz gewaltig erschwert. Ich kann aber auch nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß auch die Regierung alles daran gesetzt und alles getan hat, um die Deutschen - ich spreche hier von der sozialdemokratischen Partei - also die deutschen Sozialdemokraten, vor den Kopf zu stoßen. Die Regierung hat es für notwendig befunden, diese Steuervorlagen, die sie dem Hause unterbreitet hat, den èechischen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten, also allen Parteien, nicht nur den Mehrheitsparteien, sondern auch den kleinen Parteien, zu begründen und ihnen die Finanzlage des Staates klarzulegen. Der Ministerpräsident und die Regierung haben es aber nicht für notwendig befunden, eine derartige Aussprache auch mit den anderen Parteien, die ja auch etwas dareinzureden haben, und die die Finanzwirtschaft dieses Staates doch auch etwas angeht, Rücksprache zu pflegen. Auch da müssen wir sagen: unser Schaden ist das nicht. Hat man etwas zu verheimlichen, ich bin davon überzeugt, es gehört kein besonderer Scharfblick dazu, daß es uns sicher gelingen wird, aufzudecken, was seitens der Regierung verheimlicht wird. Aber ich glaube, daß das keineswegs im Interesse der Finanzwirtschaft des Staates gelegen ist. Man hat auch in dieser Zeit Verhandlungen mit allen Parteien des Hauses geführt, um gewisse Schwierigkeiten zu beseitigen. Sie haben Verhandlungen mit den K!erikalen geführt, die im letzten Moment Wünsche an die Regierung und das Parlament gestellt haben. Gegen den dabei beobachteten Vorgang muß ganz entschiedenst Protest eingelegt werden. Ja, glauben denn die Herren wirklich, daß die Klerikalisierung der Schulen eine Privatangelegenheit der Pìtka und der Klerikalen ist, oder glauben die Herren nicht, daß das eine Sache des gesamten Parlamentes ist und daß es anderswo nicht vorkommen wird, daß man über eine derartige prinzipielle Frage zwischen ein paar Menschen verhandelt und das Parlament, die Nationalversammlung, vor den Kopf stößt, ihm gar nicht mitteilt, worum es sich handelt? (Posl. Kreibich: Dafür haben sie dann in Prag Freidenkerkongresse!) Wir halten also dafür, daß, sowie Sie es diesmal gemacht haben, es nächstens nicht mehr geht und wir für unseren Klub müssen Ihnen erklären, daß wir, die wir sachliche Arbeit leisten wollen, nicht mehr mitmachen werden.
Und nun lassen Sie mich einige Worte über die Steuerpolitik des Staates sprechen. Wir haben anläßlich der Beratung des Voranschlages Gelegenheit gehabt, aufzuzeigen, wie in diesem Staate die direkten Steuern zu den indirekten stehen und haben damals nachweisen können, daß wir in diesem Staate 900 Millionen direkte Steuern einheben gegenüber 5.2 Milliarden indirekte Steuern. Nach der Bescherung, die jetzt der Bevölkerung durch die Abstimmungen, die in diesem Hause vorgenommen wurden, geworden ist, werden die direkten Steuern den Betrag von etwa einer Milliarde - also etwa 100 Millionen mehr, die indirekten Steuern eine neuerliche Erhöhung von 1.2 Milliarde erfahren. Das Verhältnis zwischen den direkten und indirekten Steuern hat sich zu Gunsten der letzteren verschoben. Wir werden perzentuell noch mehr indirekter Steuern haben, als wir vorher gehabt haben. Die Finanzpolitik des Staates ist dieselbe geblieben, wie sie war. Sie ist sogar noch verschlechtert, sie hat sich noch wesentlich verschlimmert, und das finden Sie darin ausgedrückt, daß die Kreditfähigkeit nicht nur im Inlande stark eingebüßt hat, sondern daß das Vertrauen der Bevölkerung zu der Finanzverwaltung ganz bedeutend erschüttert und auch die Kreditfähigkeit im Auslande ganz gewaltig unterbunden ist. Ich möchte nun im Fluge alle diese Kapitel streifen.
Die Administrative dieses Staates läßt alles zu wünschen übrig. Wir können die Willkürherrschaft der Bürokratie feststellen, und ich kann Ihnen nachweisen, daß es keine Autorität in diesem Staate gibt, daß die Bürokratie macht, was sie will und was die Legionäre befehlen. Wir haben eine Mißwirtschaft in der Finanzverwaltung des Staates und es wird einer unserer Fraktionskollegen Gelegenheit haben, an einem markanten Beispiel nachzuweisen, wie es mit der Finanzverwaltung unseres Staates bestellt ist. Die Einhaltung des Voranschlages ist etwas, was hier überhaupt nicht gekannt wird. Wir haben erst vor wenigen Stunden Gelegenheit gehabt, uns zu überzeugen, wie die einzelnen Ministerien den Voranschlag überschreiten. Wir haben gestern nachzuweisen Gelegenheit gehabt, daß einzelne Ministerien ohne es einzubekennen und ohne es der Nationalversammlung zur Kenntnis zu bringen, den Voranschlag überschritten. Wir halten dafür, daß eine Verwaltungs- und Verfassungsreform in diesem Staate unumgänglich notwendig ist. (Posl. Hackenberg: Und daß durch die Kontrollkommission nichts verbessert wird!) Wir sind davon überzeugt, daß durch alle diese Kommissionen, die eiugesetzt werden, an diesen Diugen nichts geändert wird, und wir wissen, daß bei der Schaffung dieser Ersparungs- und Kontrollkommissionen nicht in erster Linie der Gedanke maßgebend ist, Ersparungen herbeizuführen, sondern neue Beamte anzustellen und, was das Wichtigste ist wenn man es so gründlich liest, wie wir, so erkennt man, daß die letzte Ersparungskommission keinen anderen Zweck hat, als den, den politischen Parteien Einfluß auf die Besetzung der Beamtenstellen zu geben. Wie es bestellt sein wird um die armen Beamten, das sehen wir schon.
Und nun lassen Sie mich die Frage aufwerfen, ob die Steuern, die eingehoben werden, wirklich notwendig sind. Wenn wir die Ausgaben für den Militarismus ausscheiden, die zirka 4ÿ2 Milliarden betragen, kommen wir dazu, daß wir den Gesamtbedarf des Staates decken würden mit den alten Steuern, die wir bisher gehabt haben nach dem Voranschlag für 1921, so daß die Einhebung neuer Steuern gar nicht notwendig ist. Ich will sagen, daß alle die schweren Lasten, die die Bevölkerung auf sich nehmen muß, einzig und ausschließlich durch den Militarismus diktiert sind. Die Herren können nachrechnen, die Zeit ist zu kurz, als daß ich mich mit all diesen Posten beschäftigen könnte, ich stelle sie aber den Herren zur Verfügung. Ich kann Ihnen versichern, daß ich genau gerechnet habe und daß alles stimmt. Mit Ausschluß des Ministeriums für nationale Verteidigung betrugen die Ausgaben 6.098 Millionen, die Steuereinnahmen aber nach dem Voranschlag 6.500 Millionen. Außerdem kommen noch die Einnahmen der Übergangswirtschaft mit 1.190 Millionen hinzu, so daß wir de facto mit 2 Milliarden aktiv wären. Ich glaube nicht, daß es notwendig wäre, daß neue Steuern der Bevölkerung aufgehalst werden.
Wir haben gestern Gelegenheit gehabt, den Herrn Prof. Srdínko über gewisse Budgetüberschreitungen bei dem Justizministerium und bei dem Ministerium des Äußernreferieren zu hören. Ich glaube, wir können das nicht übergehen, ohne es wenigstens zu registrieren. Es werden 9,440.000 Kè. als Ausgaben für den Völkerbund angefordert. Wir glauben, daß das eine teuer erkaufte Mitgliedschaft ist, die unserer Ansicht nach aber nicht den geringsten praktischen Wert hat und für die insbesondere die Arbeiterschaft kein wie immer geartet es Verständnis hat.
Ich gestatte mir nun ganz kurz auf die Vorlage zu sprechen zu kommen, die uns gegenwärtig beschäftigt. Wie es um die Finanzlage der Gemeinden bestellt ist, brauche ich nicht zu sagen, ich kann behaupten, daß die Gemeinden nicht erst durch die Kriegswirtschaft in die Finanzmisere gekommen sind, sondern die Finanzmisere der Gemeinden datiert schon von der Vorkriegszeit her und wir alle wissen, daß die Gemeinden schon damals bestrebt waren, Hilfe seitens des Staates zu bekommen, und sie vergebens angerufen haben. Ich registriere gerne, daß Parteien, die heute keineswegs gesonnen sind, sich für die Finanzierung der Gemeinden einzusetzen, daß die Vertreter dieser Parteien im alten Österreich gemeinsam mit uns für die Sanierung der Gemeindefinanzen gekämpft haben. Wenn nun die Vertreter dieser Parteien heute einer anderen Auffassung sind, als sie es damals waren, so hat das seinen politischen Hintergrund. Es hat sich an den Verhältnissen nichts geändert. Die Finanzlage der Gemeinden ist schlechter geworden, nicht durch das Verschulden der Gemeinden, sondern hervorgerufen durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse, dadurch, daß die Gemeinden, mitunter freiwillig, wie ich zugeben will, mitunter gezwungen, Kriegsanleihe gezeichnet haben und auf dem Gebiete der Approvisionierung verschiedene Vorkehrungen treffen mußten. Die Verschuldung hat sich noch gesteigert, aber trotzdem hat sich die Anschauung der Herren geändert, u. zw. deshalb, weil sich seither etwas zugetragen hat. Anstelle des Bürgertums, das früher in den Gemeinden ausschließlich geherrscht hat, sind dort Arbeiter eingezogen, und man wollte dadurch, daß man den Gemeinden nicht jene finanzielle Hilfe angedeihen lassen will, die sie notwendig brauchen, die Gemeindevertretungen treffen; man hat der Gemeindeöffentlichkeit vor Augen führen wollen, daß die Sozialdemokraten oder Sozialisten in Gemeindevertretungen nicht zu wirtschaften vermögen. Die Bevölkerung hat dieses Spiel aber schon durchschaut und es wird den Herren nicht gelingen, auf diese Art und Weise die Sozialisten zu treffen.
Aber es ist kindisch, wenn man von derartigen Gesichtspunkten aus zu solchen Fragen Stellung nimmt. Meiner Ansicht nach müssen sich die Herren sagen, daß der Staat als solcher einen Unterbau haben muß, der fest und fundiert ist, und wenn dieser Unterbau einmal ins Wanken kommt, kommt auch das Haus ins Wanken. Die Gemeinden sind nun einmal der Unterbau dieses Staates, und wenn Sie an diesen Mauern rütteln, bringen Sie das ganze Gebäude ins Wanken, und dann können Sie machen, was Sie wollen. Sie glauben die einzelnen politischen Parteien zu treffen, Sie treffen aber den Staat. Wir können also nach unserer Kenntnis der Dinge mit dem Vorschlage, der da auf Sanierung der Gemeindefinanzen gemacht wurde, nicht einverstanden sein, weil wir wissen, daß das nicht hinreicht, um die Gemeinden wirklich zu finanzieren.
Wir haben leider keine genauen statistischen Daten aus den Jahren 1919 und 1920 zur Hand, ich muß also zur Grundlage meiner Betrachtungen jene aus dem Jahre 1918 nehmen. Da haben wir festgestellt, daß im Jahre 1914 in Böhmen 544 Gemeinden ohne Gemeindezuschläge waren, ihre Zahl ist im Jahre 1918 auf 484 gesunken. Die Zahl der Gemeinden, welche weniger als 100 % Zuschläge hatten, ist im Jahre 1918 gegen 1914 bedeutend gesunken. Dagegen stieg die Anzahl der Gemeinden mit Zuschlägen von 100 bis über 150 % von 885 auf 1413, mit Zuschlägen über 150 bis 200 % von 254 auf 594, mit Zuschlägen von 200 bis 300 % von 84 auf 316, mit Zuschlägen von 300 bis 400 % von 4 auf 70, mit Zuschlägen von 400 bis 500 % von 8 auf 18, mit Zuschlägen von 500 bis 600 % von 14 auf 16, mit Zuschlägen von 600 bis 700 % von 1 auf 7, mit Zuschlägen von 700 bis 800 % von 0 auf 4, sank bei Gemeinden mit Zuschlägen über 800 bis 900 % von 4 auf 3, stieg bei Gemeinden mit Zuschlägen von 900 bis 1000 % von 0 auf 3, mit Zuschlägen über 1000 % von 1 auf 16. (Posl. Hackenberg: Und dazu kommen noch die Schulden und die Veräußerung von Gemeindevermögen!) So ist es. Die Situation hat sich also in den Jahren 1919 und 1920 ganz gewaltig verschlechtert.
Nunmehr lassen Sie mich an der Hand ganz kurzer Daten Ihnen vor Augen führen, was diese Hauszins- und Hausklassensteuer den Gemeinden bringen wird. Ich werde nur einige Beispiele anführen. Prag wird aus dem Titel "Zuwendungen aus der Gebäudesteuer" nach der Vorschreibung aus dem Jahre 1918 beiläufig 5,315.000 Kronen erhalten. Alle andere 430 Gemeinden Böhmens werden 8,285.000 Kronen erhalten. In Brünn wird der Anteil 1,400.000 Kronen betragen, in Olmütz 165.000 K und in allen übrigen 61 Gemeinden Mährens 1,763.000 K.
Ich glaube Ihnen damit nachgewiesen
zu haben - meine Zeit ist leider schon abgelaufen - daß die Lösung
des Problems, die uns vorgelegt wird, keineswegs hinreichend ist.
Ich bitte Sie dringendst, die Anträge, die von unserer Partei
gestellt wurden und die darauf abzielen, daß die gesamte Gebäudesteuer
den Gemeinden zugewiesen wird, daß an Stelle der 10 % Luxussteuer,
die einzelnen Gemeinden in Aussicht gestellt, und der 5 %, wie
sie allgemein zugeteilt ist, 17 % der Luxussteuer den Gemeinden
zugewiesen werde, anzunehmen. Ich bitte Sie, diesen unseren Anträgen
freundlichst zuzustimmen. (Souhlas na levici.)
Meine Damen und Herren! Der in Beratung stehende Bericht des Rechtsausschusses ist eine kräftige Illustration zu der Art und Weise, wie in diesem Hause Gesetze gemacht werden. Wenn mein Klubgenosse Taub vor wenigen Minuten auf die unseriöse Art dieser Gesetzesfabrikation hingewiesen hat, so möchte ich das noch weiter illustrieren und ergänzen.
Am 20. Mai 1920 haben die Abgeordneten Èuøík und Genossen einen Antrag in das Haus gebracht; 15 Monate blieb der Antrag liegen, kein Mensch wußte, was damit geschieht. Es wurde bei irgendeiner Gelegenheit ein Berichterstatter bestimmt, dieser kümmerte sich auch nicht um den Antrag und - auf einmal wie vom Himmel gefallen, wurde während der Haussitzung eine Sitzung des Rechtsausschusses einberufen. Und hier war es plötzlich etwas ganz anderes. Nicht der Antrag 49, nicht der Bericht des Referenten zu dieser Vorlage, sondern ein ganz neuer Entwurf, eine ganz neue Sache war es, die so plötzlich über uns hereinkam, so daß auch die Herren der Mehrheitsparteien nicht in der Lage waren, bei der Eröffnung der Sitzung des Rechtsausschusses einen Bericht zu erstatten, nicht einmal in èechischer Sprache eine Vorlage einzubringen; sondern erst während der Verhandlung hat man den Abgeordneten in Maschinenschrift einen sogenannten Bericht des Referenten überreicht.
Zunächst möchte ich vor aller Öffentlichkeit feststellen, daß diese Art parlamentarischer Behandlung Sie in der ganzen Welt um den letzten Rest von Ansehen bringen muß. Ich glaube, wenn Sie bei anderen Punkten die Wochen und Monate lang in Be ratung stehen, wo ordentliche Entwürfe vorhanden sind, wenn Sie sich da als Mehrheitsparteien über den einen oder den anderen Punkt einigen und dann mit der fertigen Tatsache kommen, so können sich die Oppositionsparteien, in diesem Falle wir, mit einem gewissen Rechte darüber aufregen, daß wir nicht informiert wurden. Aber schließlich gibt es in allen Staaten der Welt eine Mehrheit und eine Minderheit. Aber daß Sie auch Ihre Mehrheitsparteien und Ihre Klubmitglieder mit einer ganz neuen Sache überrumpeln, so daß kein einziger Mensch, mit Ausnahme einer Handvoll Leute, weiß, in welchem Sinne das Gesetz geändert ist, das ist wohl der Gipfelpunkt dessen, wie Sie Ihre parlamentarische Einrichtungen und Ihre Gesetzgebung vor den Augen aller Öffentlichkeit herabsetzen. Sie setzen sie herab und drücken ihr von vornherein den Stempel von Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit auf.
Wenn es in dem Rahmen der überwältigend großen Tagesordnung ein überflüssiges Gesetz gibt, so ist es dieses. Der Berichterstatter sagt, es sei notwendig im Interesse der persönlichen Freiheit des Individuums, es richte sich gegen keine Partei, gegen keine Klasse, es sei aber notwendig, dieses Gesetz zu schaffen. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen mitteile, daß wir prinzipiell und auch sachlich anderer Ansicht sind. Die Freiheit des Individuums, der Person, die Freiheit seiner Überzeugung muß in einem Staate in den verfassungsmäßigen Einrichtungen niedergelegt sein, und diese Freiheiten sind ja niedergelegt, und wenn ich die Verfassungsgesetze betrachte, die sich auf die Freiheit des Einzelnen, der Person, des Individuums beziehen, so frage ich Sie: Was brauchen wir hiezu eine ganze Menge von Ausnahmsgesetzen oder Durchführungsverordnungen? Ich sehe gar nicht ein, aus welchem Grunde wir dieses Gesetz notwendig haben. Der Abgeordnete Èuøík wollte übrigens - ich stelle das ausdrücklich fest - etwas ganz anderes mit seinem Antrag, als was der Herr Berichterstatter jezt vorträgt. Und aus rein formalen geschäftsordnungsmäßigen Gründen behaupte ich, daß für die Vorlage 2832 jede formelle Rechtsbasis fehlt. Denn das ist kein Bericht über die Vorlage 49, den Antrag Èuøík, sondern das ist eine ganz neue, eine ganz andere Sache, die mit jenem Antrage nicht eimal indirekt zusammenhängt.
Sie haben einen ganz neuen Gesetzentwurf eingebracht, das heißt nicht eingebracht, sondern Sie haben uns diese neue Sache als Bericht vorgelegt, der verfassungs- und geschäftsordnungsmäßig in diesem Hause weder als Initiativ-, noch als Regierungsvorlage eingebracht worden war. Das erlaube ich mir ein für allemal festzustellen. Es wird Ihnen auffallen und es muß jedem Menschen auffallen, warum in dem Bericht 2832 fast keine Zeile und Silbe von den Bestimmungen oder Anregungen steht, die der Antragsteller Èuøík in seinem Antrag vom 20. Mai 1920 verarbeitet hat. Warum Sie das machen, weiß ich nicht. Nur möchte ich dagegen opponieren und es bestreiten, daß der vorliegende Bericht, beziehungsweise das neue Gesetz eine sogenannte Objektivität, eine Notwendigkeit im Interesse der Freiheit des Individuums, der Überzeugung und all dieser Dinge beinhaltet.