Und wenn man uns demgegenüber auf das Heiligtum des Besitzes hinweist, so müssen wir dem wohl entgegnen, daß wir gar nicht überzeugt sind, daß der Besitz aller dieser hervorragenden Gebäude, dieser Schlösser auch wirklich ein rechtmäßiger ist. Wir glauben vielmehr, dß die gegenwärtigen Besitzer dieser Schlösser oder ihre Vorfahren vor einigen Generationen auf einem kaum durchaus rechtmäßigen Wege in den Besitz der Schlösser geraten sind. Es ragen in diesem Staate Schlösser in die Höhe, die ehemals im Besitze von Raubrittern gewesen sind und von diesen, die auf keineswegs gesetzmäßige Weise ihren Besitz vergrößert haben, die unschuldige Bauern überfallen, unschuldige Kaufleute ausgeraubt haben, die auf irgendwelche Weise sich im Mittelalter diese Schlösser erworben haben wie man mit Euphemismus sagt - vor dem Heiligtum dieser Besitze haben wir keinen Respekt in einer Zeit, in der Tausende und Abertausende nicht wissen, wo sie ihr Haupt hinlegen sollen, in einer Zeit, wo wir für Tausende Tuberkulose und Lungenkranke und für Tausende kranke Kinder keine Unterkunft haben.
Und für solche soziale Zwecke, meinen wir, können die bestehenden Rechtsverhältnisse, soweit sie sich auf den Privatbesitz beziehen, sehr wohl erschüttert werden. Und wir werden dazu beitragen, daß das auch geschieht. Freilich muß ich das, was ich hier sage, gleich einschränken. Das, was uns dieses Gesetz bietet, ist leider nicht das, was wir erwartet haben, und was wir aus diesem Gesetz machen wollten. Wir hatten erwartet, daß die Regierung ein solches Gesetz vorlegen wird, und doch daß der sozialpolitische Ausschuß, in dem soziale Erwägungen maßgebend sein sollen, die Verbesserungen, die wir vorgeschlagen haben, auch annehmen wird. Wir wollten ein Gesetz, durch das beschlagnahmt werden kann für öffentliche, kulturelle oder soziale Zwecke, nicht aber für irgend welche Zwecke, die in das Belieben der betreffenden Beamten gelegt sind. Und vor allem anderem wollten wir mit aller Bestimmtheit eine Bestimmung aufgenommen haben, die es unmöglich macht, daß Gebäude zu militärischen Zwecken beschlagnahmt werden. Es ist das selbstverständlich für uns, wir wollen nicht, daß der Militarismus neue Opfer verschlingt und es ist heute auch nicht mehr notwendig. Wir verstehen sehr gut die Verhältnisse, in welchen sich der Staat im Augenblicke des Entstehens befand und haben auch Verzeihung für das Unrecht gehabt, das damals vielen zugefügt worden ist, das begangen wurde an öffentlichen Einrichtungen, an Schulen, aus denen Schüler hinausgeworfen wurden mit allem, mit samt ihren Lehrern, um Soldaten einzuquartieren.
Wir begreifen, daß das im ersten Augenblick vielleicht nicht anders möglich war. Aber seit der Gründung dieses Staates sind mehr als 2 1/2 Jahre vergangen und heute ist es nicht mehr notwendig, daß öffentliche Gebäude oder Schulen oder was immer beschlagnahmt werde für militärische Zwecke. Dagegen wenden wir uns mit aller Bestimmtheit. Wir halten es aber auch heute nicht für notwendig, daß solche Gebäude beschlagnahmt werden um Ämter unterzubringen. Wir haben Ämter genug und es könnten einige Ämter geräumt werden. Es würde gar nichts schaden, wenn wir um einige Dutzend Ämter und staatlicher Büros weniger hätten, und darum wollen wir, daß auch diese Bestimmung aus dem Gesetze ausgemerzt wird. Wir haben beantragt und beantragen heute wieder dadurch, daß wir eine Abänderung im § 1 gestellt haben, daß ausdrücklich in diesem Gesetz festgelegt wird, für welche Zwecke und zwar ausschließlich für soziale, kulturelle und Unterrichtszwecke solche Beschlagnahmen durchgeführt werden können. Aber wir haben auch noch einen weiteren Zusatzantrag zu § 1 und der geht dahin, daß solche Beschlagnahmen durchgeführt werden können nicht nur dafür, daß der Staat selbst die Gebäude verwendet, sondern daß solche Gebäude auch Gemeinden, Bezirken, Krankenkassen und anderen wohltätigen und öffentlichen Institutionen, wenn das Ministerium für nationale Fürsorge seine Zustimmung dazu gibt, für ihre Zwecke übergeben werden können.
Jeder von uns, der im öffentlichen Leben steht, mit sozialen Einrichtungen zu tun hat, weiß, wie sehr alle diese Institutionen, wie sehr die Krankenkassen darunter leiden, daß für die Zwecke, die sie verfolgen, keine Gebäude zur Verfügung stehen. Hier soll eine Heilanstalt für Herzkranke, dort für Lungenkranke errichtet werden, hier handelt es sich um skrofulöse Kinder, dort um eine Walderholungsstätte und eine Menge Invalider sollen untergebracht werden. Nicht der Staat kann und soll diese Einrichtungen verwalten, nein, Gemeinden und Bezirke sollen das machen. Deshalb wünschen wir, daß in das Gesetz eine Bestimmung aufgenommen wird, daß derartigen öffentlichen Unternehmungen, wenn sie vom Ministerium für soziale Fürsorge als solche anerkannt werden, derartige vom Staat beschlagnahmte Gebäude zugewiesen werden, damit sie diese Zwecke durchführen können. Aber wir fürchten sehr, daß unsere Verbesserungsvorschläge auch hier wiederum, wie es im sozialpolitischen Ausschuß der Fall war, abgelehnt werden, weil die Regierung sich carte blanche geben lassen will, und es ihr vielleicht gar nicht so sehr um soziale und kulturelle Zwecke zu tun ist, die wir im Auge haben, sondern weil sie die Freiheit haben will, gerade dort zu beschlagnahmen, wo sie für militärische und für andere bürokratische Zwecke Unterkünfte braucht, denn diese beiden Dinge stehen in diesem Staate in allererster Linie.
Wir müssen aber auch darauf bestehen, daß in das Gesetz ausdrücklich die Bestimmung aufgenommen wird, daß Gebäude, die zu Gesundheitszwecken dienen, nicht beschlagnahmt werden dürfen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
In das Gesetz ist allerdings im § 3, Abs. 5 die Bestimmung aufgenommen, daß wenn es sich um die Beschlagnahme von Gebäuden oder deren Teilen handelt, in denen Heilanstalten und Humanitätsinstitute sowie Institute, die der öffentlichen Sanitätspflege dienen, die beschlagnahmende Behörde an das Gutachten des Organes der Sanitätspflege zweiter Instanz über die Zulässigkeit der Beschlagnahme vom Standpunkt der öffentlichen Sanitätspflege gebunden ist. Aber diese Bestimmung kann uns nicht genügen, weil wir sehr gut wissen, daß die Sanitätsbehörde zweiter Instanz nicht die nötige Widerstandsfähigkeit hat und haben wird, wenn irgend ein Ministerium, besonders natürlich das Ministerium für nationale Verteidigung solche Gebäude für sich beanspruchen wird, und wir haben ja in den letzten Jahren wiederholt erlebt, daß öffentliche Wohltätigkeitsinstitute mit aller Gewalt ringen mußten, um ihre Gebäude erhalten zu können, und nicht immer ist es gelungen. Ich erinnere nur an den schweren Kampf, den das Taubstummeninstitut führen mußte, damit es sein Gebäude erhalten konnte, damit die Kinder nicht irgend wohin geschafft werden mußten. Arme Taubstummenkinder! Wir haben nicht die Sicherheit, daß diese Sanitätsbehörde zweiter Instanz nicht knieweich wird, wenn irgend ein hoher Herr aus dem Ministerium kommt und sagt, wir müssen dieses Spital oder jene Humanitätsanstalt für unsere Zwecke haben. Das ist wichtig, darum verlangen wir, daß in dem § 1 Abs. 3, wo jene Gebäude angeführt werden, die nicht beschlagnahmt werden dürfen, noch ein Zusatz 8 aufgenommen wird, der ausdrücklich festsetzt, daß solche Gebäude, die für Gesundheitszwecke bestimmt sind und Gesundheitszwecken dienen, von der Beschlagnahme ausgenommen sind.
Das sind wesentliche Änderungen, auf denen wir bestehen müssen, wenn dieses Gesetz für uns annehmbar sein soll. Ich wiederhole, wir stehen auf dem Standpunkt, daß es im Interesse des sozialen Fortschrittes notwendig ist, daß diese Gebäude, die dazu dienlich sind, für soziale und kulturelle Zwecke beschlagnahmt werden.
Wenn heute darauf hingewiesen
wurde, daß solche Gebäude oft nicht diesen Zwecken entsprechen,
daß die Adaptierung viel Geld kostet, so ist das in einem gewißen
Maße richtig. Es ist wahr, nicht alle Gebäude, die man vielleicht
für geeignet hält, sind, wenn wir sie fachmännisch untersuchen
werden, auch wirklich ohne große außerordentliche Kosten zu adaptieren.
Aber es gibt denn doch eine ganze Reihe und wenn die bis jetzt
noch nicht beschlagnahmt worden sind, trotzdem die Möglichkeit
vorhanden war, so rührt das nur daher, weil die Besitzer dieser
Schlösser, obwohl sie heute anscheinend in diesem Staate gar keine
politische Rolle mehr spielen und ganz in den Hintergrund gedrängt
sind und obwohl man immer wieder Klagen hört, daß es den Großgrundbesitzern
und Schloßbesitzern in diesem Staate gar so erbärmlich schlecht
geht, noch einen sehr großen Einfluß haben und es so einzurichten
wissen, daß man ihnen ihre Schlösser bisher gelassen hat und auch
weiters belassen wird, wenn nicht in diesem Staate endlich ein
besserer sozialer Geist herrscht, als wir ihn bisher gekannt haben.
Wir überzeugen uns Tag für Tag, daß alles, was seitens der Vertreter
der Arbeiterschaft verlangt wird, was im Interesse der sozialen
Entwicklung der Völker dieses Staates notwendig ist, ohne Unterschied
ob es sich um Deutsche, Èechen oder Magyaren handelt, daß das
alles sabotiert und immer und immer wieder unterdrückt wird und
wenn es endlich durchgeführt wird, auf eine solche Weise zum Gesetz
erhoben wird, daß von den segensreichen Wirkungen fast nichts
übrig bleibt. Wir bitten sie die Abänderungsanträge, die wir heute
stellen, anzunehmen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Wir könnten ja eigentlich der "Pìtka" recht dankbar sein, daß sie sich in den Hintergrund zurückgezogen und uns die sachliche Beratung der Gesetze hier überlassen hat, denn ich konstatiere mit großem Vergnügen, daß jetzt bereits die zweite Sitzung stattfindet, wo tatsächlich fast nur deutsche Redner aufgetreten sind, die sich zu meiner großen Befriedigung, vielleicht nicht zur Befriedigung der hohen Galerie, in deutschen und hauptsächlich auch sachlichen Ausführungen ergehen konnten. Um gleich sachlich zu werden, möchte ich der Versammlung eine kleine Geschichte vorausschicken, welche das hohe Haus selbst betrifft, das ja auch durch Beschlagnahme für öffentliche Zwecke in den Besitz des Staates gelangt ist. Es ist bekanntlich von einer deutschen Institution für musikalische Zwecke erbaut worden und man hat damals noch wenig daran gedacht, daß darin auch ein mal solch schlechte Musik gemacht werden kann, wie es jetzt häufig vorkommt. Aber man hat es beschlagnahmt und damals eines vergessen, daß man auch eine Entschädigung zu bezahlen hat für beschlagnahmte Gebäude. Und es hat sich der merkwürdige Fall ereignet, ob Zufall oder nicht, kann ich nicht feststellen, daß nach einer Rede, die hier in dem hohen Hause gehalten wurde über die Beschlagnahme von Gebäuden, wo andeutungsweise auch von der Nichtbezahlung dieses hohen beschlagnahmten Hauses gesprochen wurde, eine der ersten Zahlungen für dieses hohe Haus erfolgt ist. Daraus sieht man, daß wir mit der allergrößten Vorsicht an die Durchführung derartiger Gesetze gehen müssen, denn der Einzelne befürchtet natürlich, es werden wohlgewisse Zwecke, die vielleicht im vermeintlichen oder nicht vermeintlichen staatlichen Interesse liegen, dadurch erfüllt werden können, aber es werden vielleicht nicht alle Verpflichtungen erfüllt werden können. Ich möchte hier bloß einen gewissen Widerspruch etwas klar legen, der darin besteht, daß wir vor ungefähr 14 Tagen ein derartiges Wohnungbeschlagnahmegesetz durch die Gemeinden in diesem Beratungskörper zurückgewiesen haben, während wir heute abermals über ein solches Beschlagnahmegesetz zu beraten haben. Nun heißt es allerdings, für öffentliche Zwecke zu beschlagnahmen, aber es steht auch der Satz dabei: "Es kann auch im öffentlichen Interesse für Wohnungszwecke dienen." Nun, was wird daraus die notwendige Folge sein?
Wir werden möglicherweise in unseren deutschen Gebieten eine Beschlagnahme für militarische Zwecke, eine Beschlagnahme für Beamtenzwecke, eine Beschlagnahme für irgendwelche èechische Invasionszwecke nicht zurückweisen können, während wir für unsere eigenen Bedürftigen, die vielleicht eine Wohnung brauchen, heute kein Mittel zur Verfügung haben, um allenfalls, wenn wir auf ein Schloß greifen wollten, wenn eines da ist, ihnen ein solches Schloß zur Verfügung stellen zu können.
Es ist hier in dem hohen Hause meiner Ansicht nach ein Fehler geschehen, denn es hatte der zuständige Ausschuß den Beschluß gefaßt, daß das Gesetz über die Beschlagnahme von Wohnungen durch die Gemeinden bis Ende des Jahres verlängert werden soll. Ich für meine Person halte nichts davon, denn ich bin nicht so optimistisch wie mein geehrter Herr Vorredner. Ich glaube nicht, daß wir damit den Kriegsbeschädigten werden helfen können; denn was ist gerade bezüglich der Kriegsbeschädigten hier geschehen? Wir werden vielleicht Gelegenheit haben, in den nächsten Viertelstunden oder in der Sitzung morgen oder übermorgen hier darüber zu sprechen; man hat die privaten Fonds, die da waren, für Kriegsbeschädigte konfisziert, und wenn heute ein Kriegsbeschädigter zur Begründung seiner Existenz ein Darlehen haben will, kann er höchstens 2000 Kè bekommen. Wir hatten in Nordböhmen, gerade in Reichenberg, bereits die Grundlage für eine ganz ausgezeichnete Existenzbegründung für die Kriegsbeschädigten. Es ist uns nur durch die private Unterstützung gelungen, weiter unsere orthopädische Anstalt zu finanzieren.
Heute müssen wir natürlich befürchten,
daß eines Tages der Staat kommt und die durch private deutsche
Hilfe geschaffene beste orthopädische Anstalt, vielleicht die
beste in ganz Mitteleuropa, für irgend welche Zwecke in Anspruch
nimmt. Wir können also einem solchen Gesetze schon aus diesen
Gründen nicht zustimmen. Sie werden vielleicht darauf antworten:
"Diese Befürch tung braucht Ihr nicht zu haben, denn wenn
ein Gebäude bereits für soziale Zwecke bestimmt ist, wird es nicht
mehr in Anspruch genommen." Das ist nicht wahr, es ist von
einer deutschen Wohltäterin in Nordböhmen von zehn Jahren ein
Kinderheim gegründet worden. Diese Wohltäterin hat dieses Kinderheim
aus eigenen Mitteln mit 30 Inwohnern bis zum heutigen Tage erhalten.
Und heute wird ihr gesagt, daß es für èechische Lehrerzwecke,
für ein Lehrerheim zu beschlagnahmen sei. Und erst ein Appell
an den Gerechtigkeitssinn des Präsidenten Masaryk hat dazu
geführt, daß diese von den Ortsansässigen aufgenommene Beschlagnahme
nicht weiter bis zum heutigen Tage verfolgt wurde. Es besteht
aber die Gefahr noch weiter, daß die Ortsansässigen der Gemeinde
auch diese Beschlagnahme durchführen lassen und ein williges Ohr
dafür finden. Wir haben uns ja in letzter Zeit darum sehr bemüht,
auch kulturelle und soziale Zwecke für das Deutschtum zu fördern
und haben gesagt: "Gebt uns unsere deutsche Universität in
das deutsche Gebiet, und die Stadt Reichenberg stellt die ganzen
Kasernen, die sie hat, für diese Zwecke zur Verfügung. Wir haben
bis zum heutigen Tage natürlich keinen Bescheid darüber bekommen,
weil man dort auch weiterhin das Militär, u. zw. womöglich jede
Abteilung in ein ganzes Haus einquartiert. Man braucht ja gar
nicht die ganzen Räume für dieses Militär, das heute noch dort
ist, aber die ganzen Kasernen bleiben für militärische Zwecke
reserviert und unsere deutsche Universität kann sich damit bescheiden,
daß ihr mehr und mehr Räumlichkeiten entzogen werden. Sie sehen,
wir können derartigen Gesetzen nur mit dem äußersten Mißtrauen
entgegentreten und wir müssen deshalb verlangen, daß hier unbedingt
Sicherheiten gegeben werden, daß derartige Gesetze nicht mißbraucht
werden oder, was natürlich am allerzweckmäßigsten ist, daß sie
überhaupt nicht geschaffen werden. Denn wir versprechen uns nichts
davon, daß der Staat in derartiger Weise eingereift. Wir glauben,
die Selbsthilfe wird vollkommen genügen, auch nach dieser Richtung
unseren Verpflichtungen in kultureller und sozialer Hinsicht nachzukommen.
Schauen Sie sich das Krüppelheim in Reichenberg an, das von Deutschen
gebaut wurde mit einem Kapital von rund 2,000.000 Kronen, und
Sie werden sehen, daß auch für soziale Zwecke die deutsche Selbsthilfe
vollkommen genügt. Schauen Sie sich die Reihen von Spitälern an,
die in Nordböhmen heute die deutsche Selbsthilfe geschaffen hat,
und Sie werden sehen, daß wir hier am besten weiterkommen und
ein Beschlagnahmegesetz nichts hilft. Ich habe deswegen den Antrag
gestellt, es sei notwendig, nachdem wir hier ein Gesetz haben,
das mit anderen gesetzlichen Maßnahmen nicht in Einklang zu bringen
ist, daß dieser Gesetzentwurf neuerdings an den sozialpolitischen
Ausschuß zur Beratung zurückgewiesen werde. (Souhlas na levici.)
Hohes Haus! In der gegenwärtig in Verhandlung stehenden Vorlage spricht die Regierung einen Kredit von 540 Millionen Kronen zur Beschaffung von Fahrbetriebsmitteln für die staatliche Eisenbahnverwaltung für das Jahr 1921 an. Die Regierung begründet die Forderung des Nachtragskredites damit, daß die Preise für die Materialien seit dem Zeitpunkte der Schaffung des Gesetzes über die Investitionen vom März 1920 derart gestiegen sind, daß für das laufende Jahr eine Mehrausgabe von 540 Millionen erforderlich erscheint.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Eisenbahnen seit Jahrzehnten mit Defizit wirtschaften. Das war bereits im alten Österreich der Fall, und es ist in der Èechoslovakei nicht anders geworden. Es hat gewiß seine besonderen Ursachen in der Anlage der Bahn, in den Terainverhältnissen u. s. w., es hat aber auch besonders der Krieg hiezu beigetragen, denn während des Krieges ist an dem Eisenbahnmaterial Raubbau getrieben worden, sodaß wir auch in anderen Staaten ein Defizit in der Eisenbahnwirtschaft konstatieren können, so beispielweise im Deutschen Reich, wo die Eisenbahnen früher jedes Jahr eine beträchtliche Summe der Einnahmen für staatliche Ausgaben abgeworfen haben, heute hingegen ein Defizit von 15 Milliarden ausweisen. Nun muß aber wohl gesagt werden, daß in der èechoslovakischen Republik ganz besondere Ursachen mitspielen, daß unsere Bahnen sich nicht rentabel erweisen können. Da ist vor allem die unvernünftige Handelspolitik, die gleich nach dem Kriege inauguriert wurde. Die èechoslovakische Republik hat sich gegenüber dem Auslande und ganz besonders gegenüber Österreich und Deutschland förmlich hermetisch abgeschlossen, was dazu führte, daß im späteren Verlaufe die Einfuhr, sowohl wie die Ausfuhr erschwert worden ist, sodaß man zur Zeit, wo noch Rohstoffe zu einem billigeren Einkaufpreis zu bekommen gewesen wären, diese Einkäufe nicht machte, was wiederum die Produktion, die Industrie ungemein verteuerte, deren nachteilige Wirkungen sich selbstverständlich auch auf das Eisenbahnwesen erstrecken mußten.
Die Bevölkerung hat ein eminentes Interesse daran, daß das Verkehrswesen, besonders das staatliche Verkehrswesen sich in einem geordneten Zustande befinde. Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß unsere Eisenbahnen den Anforderungen, die von Handel und Industrie gestellt werden, nicht gerecht werden können. Sie werden es umso weniger im Stande sein, diesen Anforderungen nachzukommen, wenn wiederum eine erhöhte Produktivität eintreten sollte.
Fragen wir uns einmal, wie es mit unserem Wagenpark und mit dem Lokomotivpark bestellt ist. Unser gegenwärtiges staatliches Eisenbahnnetz mißt nach den amtlichen Angaben 12.500 km. Dieses Netz ist sechs Staatsbahndirektionen unterstellt, deren jede einzelne 1300 bis 2100 km zugewiesen hat. Nach dem Stande zur Zeit des Umsturzes wären auf den Lokomotivpark der Èechoslovakei entfallen 4235 Lokomotiven. Das besagen die amtlichen Angaben. Ich erwähne dabei, daß darüber selbstverständlich jede öffentliche Kontrolle fehlt. Nach diesen Angaben unserer Eisenbahnverwaltung sollen hievon noch 1200 Lokomotiven ausständig sein. Man beruft sich dabei auf die Reparationskommission, die dieses Material noch nicht aufgeteilt haben soll. An neuen Lokomotiven, und zwar inländischer Provenienz, sollen wir 194, aus dem Auslande 47 geliefert bekommen, außerdem aus der Kriegsbeute Frankreichs 92 und durch Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten 2, ferner von Deutschland 2 für Hultschin, die bereits geliefert worden sind, 6 Stück, die noch abzuliefern sind. Das würde einen Gesamtstand von 3612 Lokomotiven ergeben, welche Summe sich durch Hinzurechnung der durch die Besetzung der Slovakei und Karpatorußlands erbeuteten Lokomotiven sich ergibt. Wie hoch die Ziffer der in der Slovakei erbeuteten Lokomotiven ist, darüber schweigt sich der Bericht aus. Wir müssen aber annehmen, daß es 21 gewesen sind. Es würden nach diesem Stande der Dinge gegenwärtig noch 623 Lokomotiven fehlen. Die Regierung beabsichtigt nun, im laufenden Jahre noch 27 Lokomotiven zu beschaffen, so daß noch immer ein ziemlicher Außenstand bestehen bleibt. Von diesem Gesamtstand der Lokomotiven sind gegenwärtig noch immer 40 % reparaturbedürftig und unsere Werkstätten, soweit sie auch ausgebaut wurden, sind nicht im Stande, diesen erhöhten Anforderungen entsprechen zu können, um die Lokomotiven in einen betriebsfähigen und sicheren Zustand zu versetzen. Es wäre Pflicht der Regierung gewesen, im Motivenbericht Näheres über alle diese Details anzuführen. Das wurde unterlassen, so daß wir nur auf diese Ziffern angewiesen sind, die im amtlichen Wege in die Öffentlichkeit gedrungen sind.
Nach dem Stande des Wagenparkes vom Jahre 1913 entfielen auf die Länder Böhmen, Mähren und Schlesien aus dem gemeinsamen Wagenpark Österreichs 106.155 Wagen, auf die Slovakei 30.363 Wagen, zusammen also 136.518 Wagen. Im Jahre 1920 sollen auf dem Gebiete des èechoslovakischen Staates aus diesem gemeinsamen Wagenpark nur 56.002 Wagen und 17.300 Wagen, zusammen also 73.302 Wagen in Verwendung gestanden sein. Mit Schluß 1920 würden somit noch 63.216 Wagen fehlen. Wir müssen natürlich auch diese Zahlen mit Vorsicht aufnehmen, weil uns auch darüber jede Kontrolle fehlt.
Daß unser Lokomotiven- und Wagenpark bei weitem nicht entspricht, darüber besteht kein Zweifel. Sowohl Industrie, Gewerbe und Handel, als auch das ganze verfrachtende Publikum und auch die Reisenden mußten das besonders im Vorjahre bitter empfinden. Das ist zur Genüge daraus zu erkennen, daß im Jahre 1920 von den verschiedenen Unternehmungen 3,407.869 Wagen angefordert wurden, aber nur 2,337.262 Wagen tatsächlich beigestellt werden konnten. Daraus ist zu erkennen, daß unser Wagenpark bei weitem nicht den Bedürfnissen entspricht.
Daß im vergangenen Jahre und ganz besonders unmittelbar nach dem Umsturze den Anforderungen in Bezug auf Wagenbeistellung nicht entsprochen werden konnte, hat seine Ursache auch darin, daß die Wagendirigierung im allgemeinen schlecht funktionierte. Auch hier hat sich dasselbe gezeigt, wie beim gesamten Verkehrswesen überhaupt, daß sofort nach dem Umsturze die eingeschulten guten Kräfte nicht èechischer Nationalität aus dem Dienste entfernt wurden und an ihre Stelle junge, unerfahrene Leute gesetzt worden sind, die selbstverständlich in unökonomischer Weise die Wagendirigierung durchgeführt haben. Es kam vor, daß ganze Leerzüge einen furchtbaren Umweg machen mußten, bevor sie an jene Stelle gelangten, wo die Wagen angefordert wurden. Das ist eine Folge der chauvinistischen Hetze, die gleich nach dem Umsturze auf allen Linien einsetzte.
Wir müssen auch an der gegenwärtigen Personenbeförderung Kritik üben, weil hauptsächlich bei den Schnellzügen, obwohl einige Züge mehr eingelegt worden sind, ein furchtbarer Platzmangel herrscht. Das reisende Publikum hat einen berechtigten Anspruch darauf, für eine gelöste Fahrkarte auch einen Platz zu bekommen. Hauptsächlich ist es der durchlaufende Schnellzug Wien-Berlin, welcher derart besetzt ist, daß die Reisenden II. und I. Klasse sich in den Gängen herumdrängen. Es herrscht ein furchtbarer Platzmangel und die Eisenbahnverwaltung wird alles daran setzen müssen, um den Übelstand zu beseitigen. Besonders stiefmütterlich werden von der gegenwärtigen Staatsbahnverwaltung die Nordwestbahnlinien behandelt. Die Personenzüge auf dieser Linie sind noch immer nicht entsprechend beleuchtet, sie sind mitunter gar nicht beleuchtet, es mangelt auch in hygienischer Beziehung. Aber natürlich, mit diesen Personenzügen fahren ja in der Regel nur Arbeiter, das sind Arbeiterzüge in gewissen Strecken, und ein durchlaufender Zug nach Znaim, mit denen die armen Arbeiterfrauen mit Rucksäcken fahren, um sich einige Kilo Kartoffel, Mehl und andere Nahrungsmittel zu beschaffen. Es ist zu befürchten, wenn die Heizperiode herankommt, daß es auch an Beheizungsmaterial, an Schläuchen und dergleichen mangeln wird, so daß auch die Gefahr besteht, daß diese Züge nicht beheizt werden können.
Ein besonderes Leidenskapitel stellen die Tarife der Eisenbahnen dar. Allgemeine Klage und der Schrei nach billigeren Eisenbahntarifen geht durch die Bevölkerungskreise. Vor allem sind es natürlich die Großindustriellen und der Großhandel, die laut ihre Stimme darnach erheben und die Herabsetzung der Eisenbahnfrachttarife als Allheilmittel bezeichnen, welches den Abbau des riesenhaften Preisturmes bewirken und erträgliche Verhältnisse in der Volkswirtschaft herbeiführen könnten.
Ja, es muß festgestellt werden, daß einzelne Kollis bei der Beförderung auf der Strecke von Außig bis nach Teichstadt neun bis zehn Tage brauchen um die Endstation zu erreichen. Das sind Übelstände, die längst beseitigt sein könnten, wenn die Eisenbahnverwaltung diesen Dingen mehr Aufmerksamkeit zuwenden würde. Nun wird es gewiß kein verfünftiger Mensch bestreiten, daß die hohen Beförderungskosten einen wesentlichen Anteil der Verteuerung aller Erzeugnisse und Warengattungen bilden und dem Massenkonsum ungünstig beinflußen und daß es ein allegemein dringendes Bedürfnis der Bevölkerung und Volkswirtschaft, hauptsächlich aber auch der Arbeiterschaft ist, wieder billigere Eisenbahntarife, auch Personentarife zu bekommen. Die Eisenbahnverwaltung muß es als einer ihrer wichtigsten Aufgaben und Pflichten ansehen, unverzüglich an eine gründlichere Form unseres Tarifwesens zu schreiten und dasselbe endlich auf einer Grundlage aufzubauen. Es wäre aber eigentlich eine Täuschung und grundfalsch, wenn man den Argumenten der Großindustriellen und des Großhandels Glauben schenken wollte, daß eine Verbilligung der Warenpreise lediglich durch die Herabsetzung der Tarife und im Zusammenhange damit eine Hebung des Handels und Verkehrs bewirkt werden kann.
Die Reingewinne der großen Industrieunternehmungen sind ungeheuer und ein Blick auf dieselben läßt uns deutlich erkennen, daß die Transportkosten bei vielen Erzeugnissen, ausgenommen bei der Kohle, kein Hindernis für die Erzielung unverhältnismäßig hoher Unternehmergewinne bildeten.
Dafür nur ein Beispiel: Die böhmischmährische Maschinenfabrik hat im abgelaufenen Geschäftsjahre einen Reingewinn von 100 % des Anlagekapitals erzielt und hat eine Dividende von 45 % gegenüber 30 % im Vorjahre ausgeschüttet. Das beweist uns wohl, daß diese lndustrie trotz der angeblich zu hohen Tarife die glänzendsten Geschäfte gemacht hat. Anders natürlich verhält es sich bei der Kohle, in der Produktionsbewirtschaftung und Transport. Was die Beförderung der Kohle anbelangt, so gehen die derzeit bestehenden Kohlentarife, bekanntlich über das Normalmaß der Tarife hinaus, weil bei der letzten Tariferhöhung im Vorjahre eine Differenzierung gemacht und speziell die Tarife für Kohle um 150 % gegenüber einer 100 %igen Erhöhung der Tarife für andere Frachtsätze durchgeführt wurden.
Diese ungünstigen Kohlentarife, die sich hauptsächlich darin äußern, daß sie nicht durchgerechnet werden, d. h. daß der Tarif für einen von einer bestimmen Versandstation abrollendenWagen nich bis zur Endstation durchgerechnet wird, wenn der Wagen während seines Rollens auf andere Eigentümer übergeht. Dadurch entsteht ein Zuschlag von mindestens 100 bis 200 K bei einem lotonnigen Wagen. Das betrifft am schwersten jene Kohlengruben, welche an den Privatbahnen gelegen sind an der Außig-Teplitzer Eisenbahn und an der Buschtìhrader Eisenbahn. Ein Wagen, der von der Buschtìhrader Eisenbahn verladen wird und auf die Staatseisenbahn übergeht, wird nur bis zur Staatseisenbahnstation im Tarif gerechnet und von der Station der Buschtìhrader oder der Ausig-Teplitzer bis zur Endstation wird der Tarif neu berechnet.