Ètvrtek 27. ledna 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 48. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 27. ledna 1921.

1. Øeè posl. dr. Baerana (viz str. 1835. protokolu):

Sehr geehrte Herren! Ich habe in diesem Hause die Beschuldigung erhoben, daß bei den letzten kommunistischen Begebenheiten im Dezember 1920 in Brünn den Rekruten, bzw. den Soldaten Dum-Dum-Geschosse dienstlich zugestellt worden sind. Bei dieser Gelegenheit hat einer der Herren von der èechischen Seite die Bemerkung gemacht, daß ich selbst die Dum-Dum-Geschosse angefertigt habe.

Der Immunitätsausschuß stellt den Antrag, daß keine Rüge zu erteilen ist. Infolge dessen werde ich mich damit ruhig abfinden. Ich will aber bei dieser Gelegenheit den Tatbestand feststellen.

Ich habe nach diesen kommunistischen Begebenheiten in Brünn seitens mehrerer Soldaten die Mitteilung erhalten, daß ihnen amtlich, bzw. dienstlichDum-dum-Geschosse ausgefolgt worden sind. Ich konnte nicht daran glauben und habe von den Leuten nicht nur die Geschosse verlangt, die sie mir in größerer Anzahl unterbreitet haben, sondern ich habe mir ausdrücklich folgende Erklärung von ihnen ausstellen lassen, u. zw. in Gegenwart mehrerer Zeugen: "Ich Unterfertigter erkläre, daß ich die Dum-Dum-Geschosse im Monate Dezember während der Bereitschaft von der Kompagniekanzlei ausgefaßt habe. Ich bin gerne bereit, meine Aussage zu beeiden." Diese Erklärung wurde von jedem Soldaten unterschrieben und außerdem wurde für die Richtigkeit der eigenhändigen Unterschriften durch Zeugenunterfertigungen gesorgt.

Meine Herren, Sie sehen daraus, daß die Sache meinerseits vollkommen in Ordnung war, und ich selbst staune darüber, wie man mir den Vorwurf machen kann, ich hätte die Dum-Dum-Geschosse angefertigt.

Die Sache hat aber jetzt ihre Weiterung. Nach meinem Vorbringen im Parlamente in dieser Sache haben sich die Offiziere in Brünn folgendermaßen geäußert:

Es ist möglich - das sagen die Herren Offiziere - "daß die Dum-Dum- Geschosse im Dezember ausgefolgt worden sind, u. zw. auf folgende Art: Im November waren bekanntlich die Exzesse gegen uns Deutsche, zuerst in Prag und dann im zweiten Auge der Republik, in Brünn. Bei dieser Gelegenheit, behaupten die Herren Offiziere, wäre es möglich gewesen, daß die Soldaten sich selbst die Dum-Dum-Geschosse hergerichtet hätten. (Hört! Hört!) Die Soldaten hätten dann die Dum-Dum-Geschosse abgeliefert, es sei in der Kompagniekanzlei nicht bemerkt worden, und sie seien zufälligerweise im Dezember wieder an die Soldaten ausgefolgt worden."

Das, meine Herren, ist der nackte Tatbestand, an dem sich nicht ein Deut ändern läßt. Meine Herren! Glauben Sie nicht, daß wir Ihre Soldaten aufsuchen, damit sie uns dergleichen Meldungen erstatten. Im Gegenteil. Ich kann Ihnen verraten, daß Ihre Soldaten freiwillig zu uns kommen und uns derartige Meldungen ganz spontan machen. So z. B. waren vor einer Woche zwei Legionäre bei mir und haben mir in einem 8 Seiten langen Protokoll - wieder in Gegenwart von Zeugen - die Begebenheiten in Tornya-Nyék in der Slovakei bis ins kleinste Detail berichtet. In Tornya-Nyék wurden 14 Slovaken und Ungarn verhaftet, unter dem ganz vagen Verdacht des Hochverrates.

Die Leute wurden, ohne verhört zu sein, in einem engen Lokal eingesperrt, nicht einmal für Sitz- oder Liegegelegenheit war Vorsorge getroffen. Dort wurden sie stundenlang eingesperrt gehalten. Nach einigen Stunden wurde der Befehl gegeben, die Leute niederzuschießen. Die Leute wurden von der Straße aus durch das Fenster zusammengeschossen, wie man Ratten zusammenzuschießen pflegt. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Und als die Leute schon zusammengeschossen waren, hat man noch 20 Handgranaten hineingeworfen. Ich kann Ihnen aus diesem Protokoll folgende Stelle deutsch vorlesen. "Es war grauenhaft," schreiben die beiden Legionäre. "Das Hirn war verspritzt an den Mauern und dieses verspritzte Hirn ruft um Rache."

Das, meine Herren, haben nicht deutsche Soldaten uns berichtet, sondern èechische Soldaten, mit der Begründung, daß sie sich für alle diese Ereignisse schämen, daß sie aber bei unseren èechi schen Kollegen hier im Hause kein Gehör finden. Diese beiden Fälle, auf der einen Seite die Dum-Dum-Geschosse, auf der andern Seite die Fälle in Tornya-Nyék, aneinander gereiht, beweisen nur eines, daß der èechoslovakische Staat heute be reits vollkommen balkanisiert ist. Recht, Gesetz und Autorität sind bei uns voll kommen verschwunden, an ihre Stelle sind Willkür, Habsucht und Grausamkeit getreten. Wir Deutschen sind machtlos in diesem Staate und können nichts an deres tun, als diese zwei Fälle von dieser Stelle dem noch gesitteten Menschentum in der Welt bekanntzugeben. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Holitschera (viz str. 1872. protokolu):

Meine Damen und Herren!

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid!

Posl. dr. Holitscher: In seiner kleinen Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" sagt der größte deutsche Denker, den auch die größten Feinde des deutschen Volkes niemals anzugreifen und herabzuwürdigen gewagt haben, sagt Immanuel Kant Folgendes: "Die Natur treibt durch die Kriege, durch die überspannte und niemals nachlassende Zurüstung zu denselben, durcj die Not, die dadurch endlich ein jeder Staat selbst mitten im Frieden innerlich fühlen muß, zu anfänglichen und unvollkommenen Versuchen, endlich aber nach vielen Verwüstungen und selbst durchgängiger Erschöpfung ihrer Kraft, die Menschen zu dem, was ihnen die Vernunft auch ohne so viele traurige Erfahrungen hätte sagen können, nämlich aus dem gesetzlosen Zustande der Wilden hinauszugehen und in einen Völkerbund zu treten, wo jeder, auch der kleinste Staat, seine Sicherheit und Rechte nicht von der eigenen Macht oder der eigenen rechtlichen Beurteilung, sondern allein von diesem großen Völkerbund, von der vereinigten Macht und von der Entscheidung nach den Gesetzen des vereinigten Willens erwarten könnte. So nähert sich die Menschheit, notgedrungen und ganz un vermeidlich dem größten Problem der Menschengattung, der Errichtung einer allgemeinen, das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft."

An diesen Ausspruch unseres größten deutschen Denkers mußte ich mich erin nern, als ich pflichtgemäß in den Friedensverträgen das Organisationsstatut des Völkerbundes, des Paktes de la societé des nations durchlas, diese 26 Artikel, die beinhalten, was man in Paris als Völkerbund erklärt hat. Es heißt freilich in dem ersten Artikel dieses Entwurfes, daß die hohen Kompaziszenten diesen Bund abschließen, "d'accepter certaines obliga tions de ne pas recourir a la guerre", um nicht in den Krieg zurückzufallen, und wir sehen ja, verehrte Herrschaften, wie dieser Entschluß schon zur Wirklichkeit geworden ist, denn wir hören ja immer wieder von drohenden Kriegen und sehen an allen Ecken und Enden Europas, daß Ursachen zum Kriege in reichster Fülle vorhanden sind.

Es heißt dann wieder im zweiten Teile "d'entretenir au grand jour des relations internationales fondées sur la justice et I'honneur," und wir sehen, wie heute Gerechtigkeit und Ehre in Europa herrschen, wie in diesen Friedensschlüssen mit der Gerechtigkeit umgegangen worden ist, in den Friedensschlüssen, die uns heute vorgelegt werden, und auch in denen, die schon früher genehmigt wurden. Es heißt weiter: "d'observer rigoureusement les prescriptions du Droit international . . .", auf das genaueste die Bestimmungen des internationalen Rechtes einzuhalten, die Bestimmungen dieses internationalen Rechtes, die in allen diesen Friedensschlüssen mit Füßen getreten werden und getreten worden sind. Zum Schluß hei ßt es nochmals: "de faire régner la justice," die Gerechtigkeit herrschen zu lassen. Wir müssen uns etwas näher mit diesen 26 Artikeln befassen, ich will nur einige der wichtigsten herausnehmen.

Da heißt es zum B. im Artikel 5, daß die Beschlüsse mit Stimmeneinhelligkeit gefaßt werden müssen. Es ist also jedem einzelnen Mitgliede des hohen Rates möglich, durch seinen Widerspruch Beschlüsse, die von allen anderen gutgeheißen und angenommen werden wollen, zu hintertreiben. Und wir wissen und sehen es ja ganz deutlich, daß diese Beschlüsse nur gemacht worden sind, um es Frankreich zu ermöglichen, den Völkerbund zu einer Karrikatur und zu einem Zerrbild zu machen, weil eigentlich Frankreich es ist, das in Genf regiert und dadurch das, was der Völkerbund eigentlich sein soll, zur Unmöglichkeit macht.

Im Artikel 8 heißt es, daß es der Zweck des Völkerbundes ist, die Rüstungen auf das Minimum herabzumindern, das mit der nationalen Sicherheit vereinbar ist. Wir sehen es, meine Damen und Herren, auf welche Weise diese Bestimmung des Völkerbu ndes durchgeführt wird. Diejenigen Staaten, die heute die Herrschaft in Europa führen - und es hat der Herr Minister gerade vorhin in seinen Ausführungen ja selbst hervorgehoben, daß heute die Alliance zwischen England und Frankreich in Europa die herrschende ist - alle diese Staaten, die auf Seite dieser Alliance stehen, brauchen ihre Rüstungen nicht auf das Minimum herabzudrücken und können es auch nicht. Wir werden davon noch sprechen. Aber der Völkerbund tritt nicht ein, er fragt nicht darnach, ob es wirklich notwendig ist, solche Heere zu erhalten, ob das wirklich im Interesse der nationalen Sicherheit notwendig ist. Wir sehen heute, daß England und Frankreich große Heere und große Flotten unter Waffen halten, ohne daß sie in ihrer nationalen Sicherheit auch nur im mindesten gefährdet wären. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)

Im Art. 11 heißt es: Der Bund hat die Pflicht, jeden Krieg und jede Kriegsdrohung, ob sie ein Bundesmitglied betrifft oder nicht, zu beobachten und den Frieden wirkungsvoll zu unterstützen. Heute wird immer wieder vom Kriege gesprochen. Es hat erst unlängst der Herr Minister des Äußern von der Möglichkeit gesprochen, daß in der nächsten Zeit ein Krieg ausbricht, es wurde wiederum von der Möglichkeit eines Krieges zwischen Polen und Rußland gesprochen. Es wird uns freilich immer wieder gesagt, daß die Drohungen von Rußland ausgehen, daß die Heere unter Waffen gehalten werden müssen, weil Krieg von Sowjetrußland droht. Aber wir kennen das. Wir haben es vor dem Kriege mitgemacht, wie man immer den Völkern erzählt, die fremden Länder, die fremden Regierungen bedrohen uns, darum müsse man das Pulver trocken halten, damit sie die eigenen Rüstungen in den Nationalversammlungen bewilligen.

In den Artikeln 13 und 14 wird ein Schiedsgericht und ein ständiger Gerichtshof zur Schlichtung der internationalen Streitigkeiten eingeführt, aber der Pferdefuß folgt nach: Dieses Schiedsgericht, dieser internationale Gerichtshof sind vorläufig nicht obligat und das wäre meiner Meinung nach doch das Selbstverständliche, genau so wie auch in jedem Lande selbst bei privaten Streitigkeiten die Einzelnen nicht gefragt werden, ob sie sich dem Gerichtshofe unterwerfen wollen, sondern gezwungen werden, sich dem Ausspruche desselben zu unterwerfen. Ebenso haben diese Gerichtshöfe, die Geltung haben sollen, nur dann einen Sinn und Zweck, wenn sie zwangsweise eingeführt werden, wenn bei jeder Streitigkeit, die zwischen zwei Völkern besteht - und wir haben ja heute eine ganze Menge, sie sind unerschöpflich und können, solange diese Friedensverträge gelten, auch nicht aus der Welt geschafft werden - dieser Gerichtshof angerufen werden muß, und wir haben es noch nicht gehört und sehen es niemals, daß der Völkerbund in Genf auch nur den leisesten Versuch macht, Streitigkeiten zwischen Völkern durch seinen Schiedsspruch aus dem Wege zu räumen. "Alle Verpflichtungen," heißt es weiter, "und Abmachungen inter se" - das Wort Entent ist ausdrücklich gebraucht - alle Ententen werden verworfen, die mit den Zielen des Völkerbundes unvereinbar sind; die Mitglieder verpflichten sich feierlich, keine solchen zu treffen. In diesem Artikel werden also alle Ententen verworfen, allerdings mit dem Zusatz "die mit den Zielen desVölkerbundes unvereinbar sind". Aber wenn es wirklich ein Völkerbund wäre, dann wäre keine Entente notwendig, keine große und auch keine kleine Entente. Dann müßte eben dieser Völkerbund all das tun, was heute die kleine und die große Entente machen sollen, aber zu tun nicht in der Lage sind.

Art. 22 handelt von Kolonien und Schutzgebieten. Es werden die Schutzgebiete und Kolonien in drei Teile eingeteilt. Die ersten sind die, die früher zum Os manischen Reiche gehört haben, die zweiten sind die in Innerafrika und die dritten betreffen Polynesien und Australien; und nun wird mit salbungsvoller Miene auseinandergesetzt, wie diese drei Kategorien von Schutzgebieten behandelt werden sollen. Es ist keine Rede davon, daß sie vom englischen Kapitalismus ausgebeutet werden sollen, daß der ganze Zweck dieser Bestimmung nur der ist, die Kolonien, die früher vom deutschen Kapitalismus ausgebeutet worden sind, in die Hände Englands hinüber zu spielen. Man fragt auch gar nicht, - was doch heute eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, - ob die Völker, die auf diese Weise unter den Schutz Europas gestellt werden sollen, es auch wollen. Es heißt freilich in diesem Artikel es ist notwendig, ihn etwas genauer zu betrachten, weil er meines Erachtens bezeichnend ist für, ich will keinen unparlamentarischen Ausdruck gebrauchen, für den Geist, der in diesem Völkerbunde herrscht. - Die Kolonien, die infolge des Krieges aufgehört haben, unter der Souveränität der Staaten zu stehen, die sie früher regierten und die von Völkern bewohnt werden, die noch nicht imstande sind, sich selber unter den besonders verwickelten Verhältnissen der modernen Welt zu lenken. (Hört! Hört!) Wer hat denn diese Verhältnisse so verwickelt gemacht, und warum fragt man nicht diese Völkerscha ften, ob sie überhaupt von dieser europäischen Kultur, von der immer gesprochen wird, die aber gar nicht auf dieser hohen Stufe steht, daß sie ein Recht haben sollte, anderen Völkern aufgedrängt zu werden, ob sie von dieser europäischen Kultur etwas wissen wollen? Es heißt weiter: Das Wohlbefinden und die Entwicklung dieser Völker sind eine heilige Mission der Zivilisation. Wir wissen, wie das Schicksal der Völker ausschaut, die zivilisiert worden sind. Wir wissen, daß sie mit Mausergewehren und Schnaps zivilisiert worden sind, und ich glaube, wenn man dort eine Volksabstimmung vornehmen würde - man macht sie in Europa nicht, geschweige denn in Innerafrika - so würden diese Völker sich wahrscheinlich höflichst bedankeu für die europäische Zivilisation uud es ginge ihnen dann gewiß viel besser als heute.

Sie sehen also, daß diese Grundlage eines Völkerbundes nicht das ist, was Kant in seinem Völkerbund will, daß ein Völkerbund, den wir alle haben möchten, der unser Ziel und unser Ideal ist, in diesem Völkerbund, der hier zustande gekommen ist, nicht erfüllt worden ist. Der Herr Minister Dr. Beneš hat freilich am 24. November gesagt, in Genf sei eine gewisse Art der öffentlichen Volksmeinung konzentriert. Man muß zugeben, daß sich der Herr Minister da sehr vorsichtig ausgedrückt hat. Eine gewisse Art! "Es werde dort ein Werk von welthistorischer Bedeutung vorbereitet. Es herrsche dort eine friedliche Atmosphäre, weil auch neutrale Staaten daran teilnehmen, die aktiven Anteil an der Rekonstruktionsarbeit nehmen. Der Skeptizismus sei unberechtigt, die Idee des Völkerbundes sei so stark, wie die des allgemeinen Friedens." Unser Skeptizismus richtet sich nicht gegen die Idee des Völkerbundes und nicht gegen die Idee des allgemeinen Friedens, er richtet sich nur gegen die Art, wie dieser Völkerbund uns aufgedrängt wird, weil er die Idee des allgemeinen Friedens nicht gewährleistet. (Souhlas na levici.) Der Völkerbund beschäftigt sich mit allen Problemen, die den Frieden bedrohen, so in Zentral-, Süd-, Osteuropa, auch mit der Frage der Minderheiten und mit der nationalen Frage. Mit der Zeit werden die ehemaligen feindlichen Länder zugelassen werden. Auch die Randstaaten und die russische Frage werden den Völkerbund beschäftigen. Ich weiß nicht, ob der Herr Minister, der diese Worte am 24. November gesprochen hat, nach den Erfahrungen, die wir im Dezember mit der Sitzung des Völkerbundes, oder seiner Leiter in Genf gemacht haben, auch heute noch diesen Standpunkt, den er damals entwickelt hat, vertritt und ob er auch heute noch mit dem Völkerbund so zufrieden ist. Inzwischen haben sich verschiedene Dinge ereignet, die uns zeigen, daß auch von anderer Seite, nicht nur von den deutschen Sozialdemokraten in der èechoslovakischen Republik, der Völkerbund nicht mehr so hoch geschätzt wird, wie es früher der Fall war. Ich erinnere da nur an den Brief, den der argentinische Präsident Pueyredon am 5. Dezember an den Völkerbund gerichtet hat und von dem ich, weil er vielleicht nicht allen hier Anwesenden noch gegenwärtig ist, mir einige Stellen vorzulesen erlauben möchte. Es heißt dort: "Unser Land sieht in dem geplanten Völkerbund die Geburt eines neuen wohltätigen Friedenswerkzeuges, die tiefe Hoffnung einer Besserung des Völkerschicksals und in Abänderungen den Weg an der Vervollkommnung der Verfassung mitzuarbeiten. Ohne Umschweife war unser Land bereit, an den Arbeiten des Völkerbundes mitzuwirken mit der Begeisterung und dem Interesse, das man empfindet, wenn man für das gemeinsame Wohl zu arbeiten glaubt. Man muß unterscheiden zwischen den allgemeinen Abänderungen, das heißt jenen, die sich auf das Verhältnis des Paktes zum Versailler Vertrag beziehen können und den andern, die eine Abänderung des Paktes anstreben mit dem edlen Ziele, der Menschheit eine Zukunft der Befreiung von Kriegen, die Herrschaft des Rechtes, der praktischen Solidarität und Gerechtigkeit unter den Staaten zu sichern. Folgendes sind die Vorschläge: Zulassung aller souveränen Staaten, Zu lassung der kleinen Staaten ohne Stimmrecht, Bildung eines Rates durch demokratische Wahl, obligatorische Schieds gerichte und obligatorisch er Gerichtshof."

Das, meine verehrten Damen und Herren, das wäre ein Völkerbund, von dem wir etwas für den Frieden, für die Entwicklung Europas und der ganzen Welt erwarten könnten. Für den Völkerbund aber, wie er hier zusammengesetzt worden ist, der nur ein Instrument ist für die Fortdauer der Herrschaft der siegreichen Staaten, haben wir nichts übrig und wir wissen im Vorhinein, daß die Zustände in Europa nicht konsolidiert werden können, solange die Grundsätze dieses Völkerbundes nicht vollständig geändert worden sind.

Aber, verehrte Damen und Herren! Es kann ja gar nicht anders sein. Mit einer Lüge, mit der größten Lüge, die jemals in der Weltgeschichte vorgekommen ist, wurde der Weltkrieg im Jahre 1914 begonnen. Damals haben die, die den Krieg gewollt haben, den Völkern eingeredet, daß sie den Krieg führen müssen zum Schutze ihrer eigenen Grenzen, zum Schutze ihrer Länder, zum Schutze ihrer Frauen und Kinder. Der Kapitalismus, der die ganzen Machtmittel in Händen hatte, der die Presse, die Regierungen beherrschte, er hat es verstanden, dieser Lüge Eingang zu verschaffen. Es braucht sich niemand zu schämen, daß er sie damals geglaubt hat. Eine solche Macht hatte der Kapitalismus, verbündet mit Inperialismus und Militarismus, daß der suggestiven Kraft dieser Lüge niemand widerstehen konnte. Es wurde damals die Welt belogen und die Solda ten sind in die Schützengräben hinausgezogen unter dem Einflusse dieser Lüge und sind gefallen und zu Krüppeln geschossen worden, nur für den imperialistischen Kapitalismus.

Und mit einer ebensolchen Lüge wurde der Weltkrieg auch beschlossen. Diese Lüge bestand darin, daß man den geschlagenen Völkern die 14 Wilson'schen Punkte als Friedensbedingungen vor Augen geführt hat. (Souhlas na levici.) Man hat ihnen von den 14 Punkten Wilsons erzählt und ihnen erklärt, daß, wenn sie auf den Frieden eingehen, wenn sie sich unterwerfen, diese 14 Wilson'schen Punkte durchgeführt werden sollen. Man hat weder in Versailles noch sonst irgendwo gern von den Wilson'schen Punkten gesprochen, weil man da doch ein schlechtes Gewissen gehabt hat. Wilson selbst hat im Jahre 1917 gesagt: "Wir beabsichtigen kein Unrecht gegen das deutsche Reich, keine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Wir würden das eine und das andere als absolut ungerechtfertigt erachten, absolut den Grundsätzen zuwider, nach welchen wir leben wollen und die wir durch unser Leben als Nation hoch und heilig gehalten haben: Keine Annexionen, keine Kontributionen, keine Strafentschädigungen "

Mit dieser Lüge ist man in die Friedensverhandlungen eingetreten, wiederum mit einer der größten Lügen, die je in der Weltgeschichte vorgekommen sind. Und, verehrte Anwesende, Friedensschlüsse, die auf einer Lüge aufgebaut sind, die der Wahrheit und Gerechtigkeit auf eine solche Weise ins Gesicht schlagen, wie die, die heute auf dem Tische des Hauses liegen, und wie die von Versailles und St. Germain, die hier schon angenommen worden sind, - ein Zustand, der auf einer solchen Lüge beruht, kann nicht von Dauer sein. (Potlesk na levici.) Das kann wenigstens niemand glauben, der nicht zugeben will, daß in der Welt die Sittlichkeit als maßgebender Faktor, als dasjenige, was die Weltgeschichte regiert, regieren wird und regieren muß, verschwunden ist. (Potlesk na levici.)

Was ist der Zweck der Friedensschlüsse? Dasselbe, was der Zweck des Krieges gewesen ist. Und was war der Zweck des Krieges? Der Zweck des Krieges war unter anderem und vielleicht nicht in letzter Linie die Absicht des Kapitalismus, die Arbeiterschaft, die damals schon große Fortschritte gemacht hatte, in ihrer Konsolidierung, die die Profite des Kapitalismus in bedrohlicher Weise zu beschränken begann, die international geeinigt war und die sich auch schon auf jene Länder ausdehnte, aus denen früher die noch nicht organisierten Arbeiter, die Lohndrücker, die anspruchslosen Menschen kamen, die sich mit allem zufrieden gaben, was ihnen das Kapital bot, weil sich die Organisationen der Arbeiterschaft auch schon auf jene Teile der Welt zu erstrecken begann, weil der Kapitalismus durch den Krieg die Arbeiterschaft wieder unter das Joch zurückzubringen getrachtet hat, das war es, was den Kapitalismus damals in den Krieg hineinführte, und dteser Zweck wurde im Kriege auch erreicht, die Internationale wurde vernichtet dadurch, daß Tausende und Abertausende, Millionen von Arbeitern draußen in den Schützengräben zugrunde gegangen sind. Dadurch, daß die ökonomischenVerhältnisse Europas und der ganzen Welt auf den Kopf gestellt wurden, hatten die Kapitalisten im Kriege die feste Überzeugung, daß die Macht der Arbeiterschaft gebrochen sein werde. Aber der Krieg dauerte zu lange. Die Arbeiterschaft wollte nicht mehr länger für die Zwecke des Kapitalismus bluten und so mußte in den Friedensverträgen fortgesetzt werden, was durch den Krieg begonnen worden war. (Souhlas na levici.) Diese Friedensverträge sind gemacht, um die Herrschaft des Kapitalismus in der Welt zu festigen (Souhlas na levici.), um die Herrschaft des Kapitals zu befestigen, die bedroht ist, die bedroht war zu der Zeit, als der Frieden geschlossen wurde, bedroht war schon zu der Zeit, als der Friede in Brest-Litewsk abgeschlossen wurde, noch mehr bedroht war zu der Zeit, als die Heere ihre Waffen wegwarfen und in allen Staaten die Revolution emporzukommen begann, - da mußte irgendwie ein Mittel geschaffen werden, um zu verhüten, daß die sozialen Staaten aufgerichtet würden, die ja nicht an den Rheingrenzen Halt gemacht hätten, es mußte ein Mittel gefunden werden, um die Herrschaft des amerikanischen und französischen Kapitals aufrecht zu erhalten, um es auf die ganze Welt zu erstrecken.

Und das, meine Damen und Herren, das ist gelungen durch diese Friedensverträge. Ganz Europa ist heute das Ausbeutungsobjekt der Kapitalisten der Weststaaten geworden. Ganz Europa ist eine Kolonie geworden, wenn auch der Herr Minister Dr. Beneš es abwehrt, daß wir von der Allianz zwischen England und Frankreich abhängig sind. Ich glaube wenigstens, seine Worte so verstanden zu haben, bei meiner mangelhaften Kenntnis der èechischen Sprache ist es möglich, daß ich sie mißverstanden habe. Wenn Herr Minister Dr. Beneš behauptet, daß wir nicht von der Allianz zwischen England und Frankreich abhängig sind, so kann ich diesen seinen Worten keinen Glauben beimessen. Denn wir sind alle davon abhängig, in ganz Europa. (Hlas: Wir spüren es doch täglich!) Ganz richtig, wir spüren es täglich und wir müssen uns heute, glaube ich, noch auseinandersetzen darüber, in welcher Weise unsere ganze Politík, die äußere, aber auch die innere, abhängig ist von dem, was man in Paris will. Da müssen wir ein wenig auf den Inhalt dieserFriedensverträge ei ngehen, die heute die Grundlage der Politik der Staaten in ganz Europa geworden sind. Diese Verträge sind keine Verträge, vor allem deshalb, weil Verträge voraussetzen, daß man sich verträgt, das sagt schon der Name eines Vertrages. (Souhlas a smích na levici.) Verträge müssen die Zustimmung beider Parteien haben. Wenn man irgend etwas anderes, ein Diktat einen Vertrag nennt, so begeht man damit schon eine grobe Fälschung. Aber der Inhalt dieser Verträge zeigt uns ganz deutlich, daß sie weder Verträge sind, noch auch den Frieden in Europa hervorrufen können. In diesen Verträgen wird alles getan, was seit jeher vom Völkerrecht als unzulässig erklärt worden ist. Es werden z. B., um nur Einzelheiten zu berühren, in diesen Verträgen die Privaten um ihre Rechte gebracht. Es war seit jeher oder wenigstens schon seit langer Zeit unter den kultivierten Staaten mindestens stillschweigend der Brauch, daß Private in ihren Rechten nicht angetastet werden dürfen. Wir sehen aber, daß auf Grund dieser Friedensverträge Private um alle ihre Rechte gebracht werden, daß sie zu Bettlern gemacht werden, daß man ihre Forderungen annulliert, sie als vollständig rechtlose Menschen betrachtet, aus einem Land ins andere jagt und sie um ihre Besitztümer bringt. In diesen Verträgen wird kein Recht gesichert, das wir bisher als Recht betrachtet haben. Ich weise nur darauf hin, daß in der allerletzten Zeit England verlangt hat, daß ihm Deutschland seine Fabriksgeheimnisse preisgibt. So etwas ist nämlich möglich auf Grund dieser Friedensverträge. Seit jeher hat man die Sicherung der Fabriksgeheimnisse als etwas Unantastbares betrachtet und denjenigen, der solche Fabriksgeheimnisse preisgegeben hat, als Schurken und gemeinen Kerl angesehen. Heute aber kommt einer der größten Staaten der Welt und verlangt, daß solche Rechte preisgegeben werden. Warum? Nur darum, damit der englische Kapitalismus seine Einnahmen vergrößert. (Souhlas na levici.) Ja, trifft man vielleicht dabei den deutschen Kapitalismus? Nein, man trifft die deutschen Arbei ter, die armen, unschuldigen Einwohner Deutschlands, die armen Gedrückten. Wir lasen z. B. in den letzten Tagen in den Zeitungen, daß Herr Stinnes, der einer der größten Scharfmacher Deutschlands immer gewesen ist, die österreichischen Staatswerke aufkaufen will. Ich weiß ja nicht, ob das ganz richtig ist, aber in den Zeitungen stand es. Der Herr Stinnes scheint also nicht allzu sehr bestraft worden zu sein für das, was er beim Kriegsausbruch und während des Krieges getan hat, und wir wissen, daß Herr Stinnes zu jenen Schwerindustriellen gehört hat, die zum Kriege gehetzt und im Kriege die größten Gewinne eingeheimst haben. Aber Herr Stinnes wird nicht bestraft durch die Friedensverträge, bestraft werden, wie immer und überall auf der Welt, die armen Teufel, die nichts dafür gekonnt haben. Und ebenso ist es in Österreich. Der Herr Minister hat allerdings behauptet: "Es gibt in Österreich keinen katastrophalen Zustand; das, was in Österreich ist, ist heute in ganz Europa, das ist die Folge des Krieges. O, ich stelle nicht in Abrede, daß ein großer Teil von dem, worunter wir heute leiden, ein großer Teil dieser entsetzlichen Zustände, in denen heute wir in ganz Mitteleuropa zu leben haben, durch den Krieg herbeigeführt, worden ist. Ich stehe aber nicht an zu behaupten, daß durch die Friedensverträge die Wiedergutmachung des durch den Krieg herbeigeführten Schadens unmöglich gemacht worden ist und daß ganz besonders die Leiden, die heute in Österreich bestehen, nicht durch den Krieg eingetreten und nicht in erster Reihe dem Kriege zuzuschreiben sind, sondern diesen Friedensverträgen und der Art und Weise, wie man Österreich in diesem Friedensvertrage behandelt hat. Ich setze mich nicht ein für die Erhaltung des alten Österreich. Unsere Partei wäre die letzte. Wir setzen uns auch nicht ein für die Habsburger und Hohenzollern, aber wir wenden uns dagegen, daß für den Krieg, für die Sünden der Habsburger und Hohenzollern und für die, die begangen worden sind von Staatsmännern, die damals an der Spitze des Staates standen, von den großen Kapitalisten, die den Krieg herbeiführten und zu ihm gehetzt haben rechtzeitig beendet worden wäre, wir wenden uns dagegen, daß das nicht an denen gestraft wird, die die Sünden begangen haben, sondern an den armen Völkern, die in diesem Staate und den anderen Staaten leben. Wir halten es für eine Schmach, daß heute in Wien Tausende und Zehntausende von Frauen und Kindern am Hunger, durch die Tuberkulose, durch alle möglichen Krankheiten zugrunde gehen, weil man ein Österreich geschaffen hat, das lebensunfähig ist, einen Staat, von dem sich jeder Mensch, der fünf gesunde Sinne hat, sagen muß, daß dieser Staat nicht leben kann, weil er nur für 2 Monate Lebensmittel erzeugt und für 10 Monate Lebensmittel einführen muß der nicht genügend Industrie und gar keine Kohle hat, um das zu bezahlen, was er einführen muß, ein Staat, der immerwährend angewiesen ist auf Kredit und Pump zu leben. Heute sitzen die Herrschaften beisammen und beraten, wie man Österreich helfen soll und kann, ob man ihm Kredit geben soll oder nicht. Roma deliberante Saguntum perit, in einem andern Sinne kann man das hier anwenden. Man bestreitet, daß in einem Staate ein katastrophaler Zustand herrscht, in welchem das Geld keinen Wert mehr hat, man sagt immer noch, in diesem Staate herrsche keine Katastrophe.


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