Hohes Haus! Ich werde mich mit den Ziffern des Budgets nicht befassen, das wird ein zweiter Redner unserer Fraktion besorgen. Ich will mich einem anderen Gegenstande zuwenden, der Erörterung der Verordnung, durch welche die Wirksamkeit der Geschworenengerichte für den Bereich mehrerer Gebiete dieses Staates aufgehoben wurde. Ich bedauere sehr, daß eine Aussprache über diese Verordnung nur auf Umwegen erfolgen muß. Ich beklage es tief, daß eine Abstimmung über diesen Gegenstand nicht bei einer Verhandlung dieses Gegenstandes, sondern gleichfalls auf Umwegen herbeigeführt werden muß. Aber es ist nun einmal so in diesem Staate und in di esem Parlamente. Auch in der parlamentarischen Wirtschaft sind wir auf Schleichwege angewiesen und müssen uns dieser bedienen, wenn wir uns auf parlamentarischem Boden die Lebensmöglichkeit sichern wollen. (Souhlas na levici.) Wir haben daher zum Budget eine Resolution eingebracht, in welcher wir die sofortige Wiedereinsetzung der Geschworenengerichte im ganzen Bereiche des èechoslovakischen Staates verlangen. Die Abstimmung über diesen unseren Resolutionsantrag wird ein symbolischer Akt sein, es wird dies eine Kraftprobe des Parlamentes sein inbezug auf seine demokratische Gesinnung. Es wird sich zeigen, ob das Parlament die nötige Würde hat, ob die Abgeordneten sich dieser ihrer Würde bewußt sind, ob das Parlament den festen Willen zur Demokratie hat, ob es, was es bisher nie gekannt hat, auch imstande ist, der Regierung einmal ein kräftiges "Nein!" zuzurufen. Auf diese Kraftprobe wollen wir es nun ankommen lassen.
Und nun zur Verordnung selbst. Ich bin weit davon entfernt, die Geschworenengerichte nach Art des liberalen Doktrinarismus als ein Palladium der Rechtsprechung zu bezeichnen, weit davon entfernt, die Geschworenengerichte zu überschätzen. Nach der jetzigen Klassenorganisation sind eben die Geschworenengerichte nichts anderes als Klassengerichte. Sie dienen einzig und allein der Klassenjustiz. (Souhlas na levici.) Das sagt ja auch indirekt die Regierung in der Begründung ihrer Verordnung. Wie lange, fragen wir uns, wird es dauern, bis die Geschworenengerichte Volksgerichte im wahren Sinne des Wortes werden? Wenn wir trotzdem an den Geschworenengerichten festhalten, so deshalb, weil sie der Anfang sind der Rechtspflege durch das Volk und für das Volk, weil sie der erste Ansatz zur Demokratisierung der Rechtspflege sind, weil sie ein Versuch sind, die Verschmelzung des Volkes mit den Aufgaben des Staates und seiner Rechtsorganisation herbeizuführen. Darum muß jeder von uns in jedem Angriff auf die Volksgerichtsbarkeit auch eine Vergewaltigung seiner selbst erblicken. Darum muß jeder demokratisch gesinnte Mensch diese Volksgerichtsbarkeit unbeugsam verteidigen. Das ist der Grund, warum wir in der Außerkraftsetzung der Geschworenengerichte gleichzeitig die Außerkraftsetzung eines Teiles der bestehenden Rechtsordnung erblicken. Was ist der Zweck der Geschworenengerichte?
Es ist nicht jedes Urteil, das dem Buchstaben des Gesetzes widerspricht, auch gleichzeitig gegen Recht und Gesetz. (Souhlas na levici.) Das ist der tiefe Sinn der Volksgerichtsbarkeit. Die Geschworenengerichte sind der erste Versuch, die ganz hoffnungslose Starrheit des Gesetzes mit dem lebendigen Volkswillen und der lebendigen Volksempfindung in Einklang zu bringen. Die Geschworenengerichte sollen es möglich machen, daß dort, wo das Volksempfinden mit dem starren Gesetzesrecht im Widerspruch steht und wo das Volksempfinden im starren Gesetzesrecht nur höchstens Unrecht erblickt, dieses Unrecht einfach nicht geschehen zu lassen. Die Geschworenengerichte sollen herbeiführen, daß die Gerichte der Ausdruck des öffentlichen Bewußtseins werden, sie sollen es möglich machen, daß vor dem Gerichte das gelte, was in der Seele eines jeden Menschen, eines jeden freien Menschen, eines jeden rechtlichen Menschen für recht und gut gehalten wird. Darum auch der Eid der Geschworenen, nicht bloß das Gesetz zu beobachten, sondern auch mit der Unparteilichkeit und Festigkeit eines freien Mannes Recht zu sprechen. Diese Freiheit brauchen wir dringend. Diese Freiheit soll unser politisches Leben zu neuem Bewußtsein erwecken, sie soll das Vertrauen des Volkes zur Rechtspflege wieder herstellen.
Gehen wir nun zur Begründung der Regierungsverordnung über. Sie ist ein Kabinetstück fein ausgeklügelten Jesuitismus (Souhlas na levici) und macht der Regierung alle Ehre. "In der Republik," heißt es in der Begründung, "ist jedermann ein gerechtes Urteil gesichert," und doch haben wir es schon so oft gesehen, daß die Justiz trotz der Binde, die sie um die Augen hat, stets hellseherisch genug gewesen ist, um zu unterscheiden, wessen Los eigentlich auf ihrer Wage liegt, und daß sie es stets verstanden hat, ihr Schwert je nach dem Menschenschicksale, das vor ihr lag, bald sausend scharf, bald sanft streichelnd zu führen. (Souhlas na levici.) Wie heißt es weiter in der Verordnung? "Die Überzeugung von der Schädlichkeit des sogenannten Kommunismus," wird in der Begründung gesagt, "ist in den Herzen der Geschworenen so tief eingewurzelt, daß sie bona fide vielleicht die Schuldfrage auch in jenen Fällen bejahend beantworten werden, in denen der berufsmäßige Richter, der gewohnt ist, seine soziale und politische Einsicht zu abstrahieren, objektiv und unabhängig bleibt. Der Richter von Beruf," schließt die Regierung, "wird sicherlich in den Grenzen des Gesetzes Rücksicht nehmen auf die Opfer der gewissenlosen Führer, welche die Menge aufgehetzt haben, aber sich selbst der Strafverfolgung zu entziehen wissen." Das gute Herz der Regierung Èerný! Wie besorgt zeigt sie sich um das Schicksal der verhafteten Kommunisten, das arme blutende Herz des Ministeriums (Veselost na levici), es fürchtet, es besorgt allen Ernstes eine allzu strenge Bestrafung der Kommunisten. Und was tut die Regierung in ihrer Kümmernis, in ihrer Verzweiflung? Wohl hat sie es in der Hand, ihren Bezirkshauptleuten, ihren Polizisten, ihren Gendarmen "Halt" zu gebieten und den Massenverhaftungen ein Ende zu machen. Wohl kann sie die armen Opfer der gewissenlosen Führer abolieren, amnestieren, auf freien Fuß setzen, ihren Qualen in den Kerkern ein Ende machen, kurzum die ganze Klaviatur der Humanität und Philanthropie spielen lassen. Und was macht sie? Sie sieht ruhig zu, wie fortgesetzt immer und immer wieder neue Massenverhaftungen vorgenommen werden, wie die Verhafteten, wie es beispielsweise in Brüx geschehen ist, wochenlang ohne Verhör in den Kerkern gehalten werden. Sie sieht ruhig zu, wie politische Verbrecher, um bei dieser ärarischen Terminologie zu bleiben, mit Schwerverbrechern gemeinsam in Haft gehalten werden, Arbeiterinnen mit Prostituierten. (Výkøiky). Meine Damen und Herren, Pankraz und Spielberg finden wieder ihre Auferstehung im èechoslovakischen Staate. Und wie quält die Regierung all das! Gebrochenen Herzens sieht sie alle diese Dinge vor sich und blutenden Herzens liefert sie die armen Opfer der gewissenlosen Rädelsführer nicht etwa den Volksrichtern aus, sondern dem Ausnahmsgerichte und Ausnahmsrichtern, von denen sie weiß, "daß sie gewohnt sind, von ihrer politischen und sozialen Einsicht zu abstrahieren".
Hohes Haus! Das gebrochene Herz der Regierung Èerný und das Ausnahmsgericht - wer erinnert sich da nicht unwillkürlich der Worte jenes Banquiers, der beim Anblick eines zerrissenen und zerschlissenen Bettlers seinen Diener apostrophierte: "Johann, wirf ihn hinaus, er bricht mir das Herz." (Veselost na levici.) Wahrlich, die Begründung, die man derAusnahmsverfügung gegeben hat, auf die mag die Regierung stolz sein. Sie war gar satanisch ausgeklügelt. Geglaubt hat es aber den Herren niemand, und schließlich blieb nichts anderes übrig, als ein ganz gewöhnlicher Ulk, ein ganz ordinärer Faschingsscherz. (Souhlas na levici.)
Die Regierung macht sich nun die Sache sehr leicht. Sie stützt sich einfach auf das Gesetz vom 15. April und verteidigt damit die Gesetzmäßigkeit der Verordnung. Wir aber bestreiten diese Gesetzmäßigkeit, da die Voraussetzungen, an welche die Anwendung dieser Verordnung geknüpft ist, nicht zutreffen. Wir sehen weit und breit keinerlei wie immer geartete. Ereignisse, die eine "parteiische Rechtsprechung befürchten" lassen. Was sind das für Ereignisse? Sind es etwa nur èechoslovakische Ereignisse, Prager Ereignisse, Brünner Ereignisse, oder sehen wir diese Ereignisse nicht auf der ganzen Welt? Leben wir in einer normalen Zeit und unter normalen Verhältnissen? Oder windet sich nicht die ganze Welt heute in schweren Krämpfen? (Souhlas na levici.) Sehen wir nicht auf der ganzen Linie, daß wir in abnormalen Verhältnissen leben? Mit dem gleichen Rechte wäre die ganze zivilisierte Welt berechtigt, Ausnahmsverfügungen zu treffen. Die Wahrheit ist, daß die Voraussetzungen für die Ausnahmsverfügung nicht gegeben waren und daß damit ihre Einführung gesetzwidrig ist. Aber das ist nicht das Entscheidende an der Sache. Das Entscheidende ist, daß ein derartiges Gesetz in unserem Staate überhaupt möglich geworden ist. (Souhlas na levici.) In anderen Staaten ist das Parlament der Hüter der Grundrechte des Staates und des Volkes. Auch in anderen Staaten können unter Umständen die verfassungsmäßigen Rechte außer Kraft gesetzt werden. Auch in England können zeitweilig gewisse Bestimmungen der Magna Charta suspendiert werden. Aber nicht durch die Entscheidung der Regierung, sondern nur durch das Parlament und nicht unter allen Bedingungen, sondern lediglich in gewissen, in der Verfassung genau festgelegten Fällen. Übrigens wa ren ja selbst im alten reaktionären Österreich die Geschworenengerichte nicht der Willkür der Regierung preisgegeben. Wenn es trotzdem anders gekommen ist, so war es eben das große Verbrechen des alten österreichischen Staates, das sich an ihm gar so bitter gerächt hat. Und was haben die Herren der èechoslovakischen Regierung gemacht? Sie haben einfach die Erfahru ngen, die gerade ihre Leute im alten Österreich mit den Ausnahmsgesetzen, mit der Außerkraftsetzung der Geschworenengerichte gemacht haben, vergessen. Sie haben aus der Geschichte des alten Österreich nichts gelernt. Sie haben in der Verfassung das Recht auf die Aufhebung der Geschworenengerichte der Regierung ausgeliefert. Sie haben damit ihrer sogenannten demokratischen Verfassung das Gift der Reaktion schon an der Wiege in den Leib geträufelt.
Uberhaupt, was ist alles aus diesem Staate und aus den Menschen in diesem Staate geworden! Was hatte das Wort "Hochverrat" einst für einen Klang beim èechischen Volke! Wie galt es einst als eine der höchsten Auszeichnungen beim èechischen Volke, die sich die Märtyrer Ihrer Sache stolz beizulegen verstanden! (Souhlas na levici.) ln diesem Hause sind viele Herren von anno dazumal, die einst die Apostel des Hochverrates gewesen sind, die Heilige des Hochverrates geworden sind. Überhaupt, wer ist in diesem Staate nicht schon jemals in seinem Leben ein Hochverräter gewesen? "Jeder anständige Mensch," ist einmal gesagt worden, "muß einmal in seinem Leben ein Hochverräter gewesen sein." (Souhlas na levici.) Und an alles das haben die Herren vergessen. Was ist heute aus ihnen geworden? Sie regen sich fürchterlich darüber auf, daß die Bezirkshauptleute von den Arbeitern an manchen Stellen weggejagt werden, daß die Gemeindeämter stillgelegt wurden, daß Gemeindefunktionäre außer Amt gesetzt wurden. Aber ist nicht das alles schon dagewesen? (Veselost na levici.) Es ist alles das schon in den besten èechoslovakischen Familien vorgekommen. Man denke nur an den 28. Oktober des Jahres 1918. Gegen das, was damals geschehen ist, sind die Vorgänge beim Generalstreik das reinste Kinderspiel. (Souhlas na levici.) Gegen die Herren vom 28. Oktober sind die Teilnehmer am Generalstreik die reinsten Waisenknaben. Soll das alles vergessen und aus dem Gedächtnis der Herren gestrichen sein für immerwährende Zeiten? Und nun können sich die Herren von damals nicht genug gütlich tun in Verfolgungen. Ich erinnere mich da an den Ausspruch eines hohen Funktionärs dieses Hauses. Es war in der Zeit der Obstruktion des deutschen pa rlamentarischen Verbandes, da hat ein èechischer Herr, der zu den wildesten Obstruktionisten des alten österreichischen Parlamentes gehört hat, sich in seinem Rachebedürfnis nicht genug ausleben und eine nicht genug strenge Bestrafung der Obstruktionisten verlangen können. Damals hat ein hoher Funktionär dieses Hauses gesagt: "Es ist schon das Ärgste, wenn einmal aus einem "pytlák" ein "hajný" wird, wenn aus einem Wilderer ein Heger geworden ist."
Nun, meine Herren, es sei nun
auch noch folgendes ausgesprochen: Sie machen von Ihrem Standpunkte
aus bei alledem die miserabelste, die denkbar miserabelste Politik.
Sie werden sich bei alledem geradezu blamabel verrechnen. Das
werden Sie aber dann zu spät erkennen. Die Persekutionen des Jänner
1921 lassen die Erinnerung aufleben an die Verfolgungen der Wiener
Arbeiterschaft im Jahre 1885, lassen die Erinnerung aufleben an
die Namen Holzinger in Wien und Roztoèil in Prag. Die Herren glauben,
daß sie durch derartige Persekutionen die Bewegung. die nun einmal
da ist, in ihrem Keime ersticken werden, in Wirklichkeit aber
befruchten sie diese Bewegung, in Wirklichkeit machen sie aus
jedem einzelnen der Verfolgten einen Märtyrer, einen Hasser und
einen Rächer. Meine Herren, wer wundert sich da noch? Betrachten
Sie einmal die letzten Ereignisse in ihrem Zusammenhang und sehen
Sie sich die Gegensätze, die nun einmal da sind, im schärfsten
Lichte an. Erinnern wir uns an die Prager, an die Teplitzer Vorfälle.
Damals beherrschte die Menge die Straße, sie nahm ruhig fremden
Besitz, sie besetzte schlankweg ohne Widerspruch des Staates das
Theater, sie besetzte das Studentenheim, sie besetzte das Armen
haus hier in unserer Nähe, sie umringte das Parlament, sie drang
in die Sitzungen ein, sie verwüstete, was ihr in den Weg kam,
ein Polizeimann wurde von der Menge attakiert und zu Falle gebracht,
und es war das lächerlichste Bild, das wir jemals gesehen haben,
als vor dem Fenster unseres Klubs ein berittener Wachmann von
der Menge veritabel durchgeprügelt wurde. Ein Polizist hat damals
das Leben gelassen. Soldaten haben der Regierung den Gehorsam
verweigert und ihrem Macht befehl einfach getrotzt. Was kam dann?
Ein langsames Verfahren, ein Schnecken tempo der Justiz mit den
tausendfältigen Möglichkeiten, die Tatbestände zu ver dunkeln.
(Souhlas na levici.) Vergleichen Sie damit, was da geschehen
ist, die Schärfe, die drakonische Strenge, mit der jetzt vorgegangen
wird. Dort das Sammt pfötchen, das streichelt, und hier die ge
walttätige eiserne Faust, die dareinfährt. Eine solche Justiz
lehnen wir mit Ent schiedenheit ab, von einer solchen Justiz wollen
wir nichts wissen, dieser Ordnung der Dinge sagen wir unsere Fehde
an, sie werden wir mit allen uns zu Gebote ste henden Mitteln
bekämpfen. Wir sind fest entschlossen, die Dinge zu ändern, und
dieser unser Wille ist stark und er wird und muß siegreich sein.
Der Klassenjustiz dieses Staates stellen wir unsere Forde rungen
gegenüber nach Beseitigung der Ausnahmsjustiz, nach Schaffung
ordent licher Gerichte und nach Besetzung dieser Gerichte durch
aus dem Volke gewählte Richter. (Souhlas na levici.) Diesen
For derungen werden die deutschen Arbeiter den wuchtigsten Nachdruck
geben, sie werden den Kampf mit größter Zähigkeit, werden ihn
mit größtem Trotz führen, wie sie immer ihren Kampf zu führen
gewohnt waren. Der èechische Staat muß sich entscheiden, ob er
ein Polizeistaat sein will oder ein demokratischer, ein Klassen-
oder ein Rechtsstaat. Will er ein Polizei- und Klassenstaat sein,
dann hat er den Keim des Todes in seinem Leibe, dann ist er nicht
wert, weiter zu bestehen. (Souhlas a potlesk nìmeckých poslancù.)
Meine sehr geehrten Herren! Wir haben heute bereits acht Monate Parlament hinter uns und es mag sich wohl verlohnen, einen kurzen Rückblick darüber zu halten, was wir als gewählte Vertreter des Volkes hier geleistet haben. Zuerst einmal haben sich Regierungen vorgestellt, eine definitive Regierung und eine weniger definitive Regierung. Dies hat Anlaß gegeben Erklärungen abzugeben und daran haben sich Debatten geknüpft, endlose Debatten, hoffnunglose Debatten und das Interessanteste dabei ist wohl das gewesen, daß die meisten Redner der meisten Parteien gegen die Erklärungen gesprochen haben, daß sich aber immer eine Mehrheit gefunden hat, die der Regierung das Vertrauen ausgesprochen hat. Es mag mit dem Vertrauen nicht allzuweit her gewesen sein, denn kaum ist eine Regierung nur etwas warm geworden, so geht sie und macht einer anderen Platz. Weiters haben wir ein Kriegsanleihegesetz beschlossen, die Einlösung, wie die einen sagen, und die Annullierung der Kriegsanleihe, wie die zweiten meinen. Dieses Gesetz ist so glänzend, so gut gemacht worden, daß sich bereits heute die Parteien im Senate veranlaßt sehen, eine Resolution zu fassen, dieses Gesetz sei von Grund auf über Wunsch sämtlicher Parteien gründlichst zu revidieren. Es wurde auch ein Budget beraten. Beraten kann man es wohl eigentlich nicht recht nennen, es wurde durchgepeitscht, überhudelt, und dieses Budget hat das Gleichgewicht im Haushalte so tadellos hergestellt, daß wir heute, vier Wochen nach der Beschließung dieses Gesetzes, uns veranlaßt sehen, über ein Nachtragsbudget von über 30% neuerlich zu beschließen. Sonst noch hat uns die liebe Wehrmacht des Staates, die Regierung durch diverse Erlässe und die liebe Bevölkerung des Majoritätsvolkes durch verschiedene Bluttaten Anlaß gegeben, daß der Redestrom in diesem Hause nie versiegen kann, und ich bin überzeugt, es wird genügend Abgeordnete geben, die meinen, daß sie ihre Diäten nicht umsonst eingesteckt haben, sondern fürs liebe Vaterland genügend Arbeit dafür geleistet haben.
Dagegen möchte ich mir nun die Anfrage gestatten: Was sagt draußen die Bevölkerung zu dieser Tätigkeit, wie ist das Volk zufrieden mit der Arbeit, die hier in dem Parlamente geleistet worden ist? Es hat kein Brot, es hungert und nicht etwa allein deshalb, weil zu wenig da ist, sondern wegen des Versagens des ganzen Ernährungsdienstes, wegen des schlechten Apparates, den man dafür eingesetzt hat. Es hat keine Kohle und friert und muß sich glücklich schätzen, daß der liebe Herrgott einen milden Winter hat kommen lassen, daß es nicht total zu Grunde geht. Wie sieht es im volkswirtschaftlichen Leben aus? Das Volk leidet Mangel an Rohstoffen, Mangel an Kohle, Mangel an Kredit und wenn alles vorhanden ist, so leidet es noch immer am Mangel des Marktes, am Mangel des Absatzes. Es hat nicht die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Vorteile dieses Staates auszunützen. Und über dem ganzen System schwebt die Raffgier des Staatsäckels, der sich erdreistet, über 1500 K an indirekten Steuern pro Kopf der Bevölkerung herauszureißen und für unnütze, wertlose Ausgaben zu verschleudern. Wir haben Tausende von überflüssigen Beamten, wir haben bereits eine Brotsteuer und wir haben die Anfänge zur Gründung eines Brot- und Getreidemonopols, denn die in Gründung begriffene " Panis" ist, wie Sie alle wissen, der erste Schritt, um uns dieses Monopol auch noch aufzuhalsen. Sie führt bezeichnender Weise den Namen " Panis", weil sie dazu da sein wird, um das Brot rar oder wenigstens teuer zu machen. Und die Koruption, die überall herrscht und gefördert wird durch das gute Beispiel des Staates selbst, durch die Wucher- und Schiebergeschäfte, die der Staat selbst durchführt, die Exportgeschäfte in Holz, Zucker und in Malz.
Meine Herren, ist Ihnen denn noch niemandem der Vergleich mit dem alten oströmischen Staate eingefallen, mit den byzantinischen Verhältnissen, die den Staat zugrunderichteten, und zwar hauptsächlich der Überfluß an Beamten und die Monopole auf alle Bedarfsartikeln des täglichen Lebens? Und ich möchte sagen, die staatliche Wirtschaft, der Beamtenüberfluß, die Korruption, die sich ständig damit verbindet, die wertlosen und unnützen Ausgaben, sie werden auch das wirtschaftliche Leben dieses Staates bis in die Wurzel hinein treffen und den Staat selbst ruinieren.
Die jetzige Regierung ist zwar der Meinung, daß sie Herrin der ganzen Lage ist. Ja es stimmt. Sie ist es zuerst durch die Bajonette. Unlängst mußte sie schon etwas stärkeren Tabak nehmen und es mußten Maschinengewehre auffahren, und ich bin überzeugt, daß die Zukunft nicht allzufern ist, wo wir Kanonen, Flammenwerfer und ähnliche Kulturartikel des zwanzigsten Jahrhunderts werden auffahren lassen müssen, um die Autorität des Staates zu wahren und um dem Staate die nötige Festigkeit zu geben. Glaubt die Regierung tatsächlich, ihre Pflicht damit erfüllt zu haben, daß sie Ruhe und Ordnung dadurch herstellt, daß sie Soldaten aufmarschieren läßt, daß sie auf die Bevölkerung schießen läßt? Und glaubt jemand von den geehrten Herren Kollegen, daß all diesen Mißständen, die wir im ganzen wirtschaftlichen Leben durchleben, im Parlamente abgeholfen werden kann? Glauben die Herren von der Mehrheit, damit ihre Pflicht erfüllt zu haben, daß sie dafür sorgen, daß ohne sachliche Prüfung sämtliche Anträge auch eine "vìtšina" im Hause erfahren? Ich glaube wohl kaum, daß das ihre Aufgabe oder wenigstens ihre einzige Aufgabe sein kann. Ich glaube auch nicht, daß damit dem Staate und dem Volke eine Wohltat erwiesen werden wird.
Und ich glaube es sollte doch jedem einfallen, daß da die wirtschaftliche, soziale und vor allem auch die nationale Wurzel und Grundlage des Staates falsch sein muß, und zwar hinunter bis zum letzten Grundstein, der hier gelegt worden ist, deswegen falsch, weil die Grundlagen des Staates nicht von der Allgemeinheit, sondern von einer einzigen nationalchauvinistischen Partei gelegt worden sind. Es ist eine Tatsache, daß man sich nur dort wohl fühlt, wo man Arbeit in sein eigenes Heim, in seinen eigenen Besitz hineingesteckt hat. Ich kann mir ein fürstliches Palais sehr gut vorstellen, ich werde es bewundern, werde es anstaunen und werde seinen künstlerischen Schmuck hochachten; nichtsdestoweniger wird es mir in meinem bescheidenen Heim wohnlicher und gemütlicher sein, weil ich es mir selbst aufgebaut und selbst erworben habe. Und das ist auch der Grund, warum wir Deutschen in diesem Staate uns nie zufrieden fühlen können und nie zufrieden fühlen werden. Wir haben nicht mitgebaut daran und infolgedessen haben wir keine innerlichen Verbindungen, die das Herz mit diesem Staate verknüpfen könnten. Unser Sehnen wird immer nach auswärts gerichtet sein und Millionen werden sich nach einem Neubau sehnen und werden ihn wünschen und Sie werden diesen Neubau nicht aufhalten können. Sie erklären zwar immer, es sei ein demokratischer Staat und wir hätten das demokratischeste Wahlrecht der ganzen Welt und infolgedessen hätten wir allen Grund und auch die Pflicht, zufrieden zu sein. Nun, ich möchte Ihnen sagen, das österreichische Parlament, das Sie angeblich so stark vergewaltigt hat, kommt mir bedeutend demokratischer vor. Denn erstens einmal hatten Sie darin tatsächlich die parlamentarische Freiheit, die wir hier im Parlamente nicht besitzen, und zweitens war die Kompetenz dieses Reichsrates eingeschränkt durch die Kompetenz der Landtage; und wenn Sie auch in Wien einer Mehrheit gegenüberstanden und sich als Minderheit fühlen mochten, in Brünn und Prag waren Sie die "vìtšina" und konnten uns vergewaltigen und haben sich auch nicht gescheut, es zu tun. Und wenn Sie glauben, daß wir es nicht wissen, daß Sie seinerzeit den Ausgleich hintertrieben haben, weil Sie auf die Èechisierung im Rahmen des Landes nicht verzichten wollten, dann irren Sie sich gewaltig. Ist es vielleicht demokratisch, wenn man deutsche Schulen èechischen Beamten unterstellt? Denn unsere höchsten Landesschulratbeamten sind Èechen und wir haben nirgends die Möglichkeit, unser eigenstes Kulturgut selbst nach unserem Willen zu verwalten, sondern wir sind den Schikanen und Übergriffen dieser Herrschaften überlassen und schutzlos ausgeliefert. Gibt es bloß gleiche Rechte der Staatsbürger im Staate, gibt es nicht auch Rechte, Urrechte, die jede Nation als solche für sich besitzt? Und dazu gehört doch vor allem das Recht auf die eigene kulturelle Entwicklung, unbeeinflußt von den übrigen Nationen.
Es ist eine Tatsache, daß Deutschland und Österreich den Krieg verloren haben. Sie haben es uns einigemal gesagt und wir können nicht mehr daran zweifeln, daß es wahr ist. Daß auch die neue èechoslovakische Republik natürlich zu den Siegerstaaten gehört, ist uns ebenfalls bereits eine bekannte Tatsache. Es ist aber auch eine Tatsache, daß sich diese neue Republik unter der Kuratel der französischen Republik befindet. Daran ist nicht zu zweifeln. Es ist auch weiter Tatsache, daß die Nachwehen des Krieges überhaupt sich auf Sieger und besiegte Staaten gleichmäßig erstrecken. Und ich meine wohl, daß dies auch für diesen Siegerstaat - ich will ihm das nicht streitig machen, daß er diesen Titel für sich beanspruchen kann - daß dies auch für diesen Staat Zukunftsprobleme dringlichster Natur sind und eine Lösung absolut heischen.
Ich finde, daß die Mehrheit des Hauses zwei Phantomen nachjagt: einmal Rache zu nehmen für das erlittene Unrecht und zweitens, diesen Staat als Nationalstaat hinzustellen. Nun, alle Achtung vor dem historischen Sinn einer Nation. Wenn Sie tatsächlich meinen, Sie müßten auf die historische Entwicklung des èechischen Volkes jederzeit Bedacht nehmen, so ist es voll und ganz richtig. Wenn Sie aber bei jeder Gelegenheit und auch bei Behandlung der gegenwärtigen Fragen jederzeit nur auf die Vergangenheit Rücksicht nehmen, kommen Sie mir vor, als gingen Sie einher mit dem Gesicht im Genick und ich fürchte sehr, Sie werden stolpern über die Gegenwartsfragen, weil Sie den Blick ständig in die graue Vorzeit zurückwerfen. Es ist ein Unsinn zu sagen, wir seien eingewandert, seien bloß Kolonisten. Ich nehme das nicht tragisch.
Ich bin stolz darauf, daß wir aus jenem Stamm, aus jenem Holz sind, das hart und fest geworden ist in der Arbeit. Aber eine Tatsache ist es, daß wir einmal hier sind und in geschlossenen Siedlungsgebieten leben. Daran wird eine historische Reminiszenz nichts ausbessern können. Sie werden uns nicht wegdisputieren von dem Fleck, auf dem wir sitzen, und wenn Sie vernünftig sind, werden Sie der Zukunft ins Auge blicken und nicht den Blick nach rückwärts wenden. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß Schlagworte, die so geprägt werden, oft eine große Gefahr bilden, insbesondere deswegen, weil Schlagworte, wenn sie einmal in die Massen geworfen sind, sich schwer zurücknehmen lassen. Sie gehen weiter und weiter und der Führer, der das betreffende Schlagwort ausgegeben hat, ist nicht mehr fähig, es zurückzuholen und seine eventuellen verheerenden Wirkungen zu bannen. Sie haben während des Krieges Ihre Landbevölkerung dazu aufgereizt, keine Lieferungen durchzuführen, keine Steuern zu zahlen und keine Anleihen zu zeichnen. Sie hat Ihnen gerne gefolgt, weil für sie wirtschaftliche Momente sich darin bargen. Aber heute sind Sie nicht mehr imstande, dem èechischen Landwirt beizubringen, daß er nunmehr der Republik zuliebe verpflichtet sei, Statsanleihe, Freiheitsanleihe zu zeichnen, oder daß er verpflichtet sei, seiner Lieferungspflicht nachzukommen. Es ist bezeichnend für Sie, daß Ihre Minister unseren deutschen Abgeordneten sagen mußten, die deutschen Landwirte erfüllen ihre Pflicht, Sie seien Muster im Staate, während Ihre Landwirte nicht wissen, was ihre Pflicht ist. Wir haben in Znaimer Bezirk über 80% abgeliefert, im Kromauer Bezirk 91%, ähnlich in Brünn-Land und im Bezirk Nikolsburg, wobei darauf hingewiesen werden muß, daß gerade in diesem Bezirk sich kollossale Weinbauund Gemüsebauflächen, Inundationsgebiete und sterile Gebirgsflächen befinden. Nichtsdestoweniger hat man bereits vor Weihnachten Auftrag gegeben, in gewisse Gemeinden dieses Bezirkes Requisitionskommissionen hinauszuschicken; man hat die Leute drangsaliert und ist so weit gegangen, daß man sie im Mährisch-Trübauer Bezirk zum hellen Aufruhr getrieben hat.