Sehr geehrte Damen und Herren! Seit vier Tagen geht hier die Debatte, die Geister ringen miteinander, aber ich meine, bei dieser Kontingentierung der Redezeit, wo es auf jede Minute ankommt, ist es selbstverständlich, daß das Interesse des Hauses von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde erlahmt, wenn nicht durch besonders interessante Zwischenfälle die Herren Volksvertreter sich wieder ein bischen aus dem Schlafe aufrütteln. Man muß auch berücksichtigen, daß die Stenographen schon müde sind, und da muß man alles kurz und rasch vorbringen.
Wenn wir den Voranschlag durchsehen, finden wir unter den verschiedenen Titeln auch den Titel Handel und Außenhandel. Hinter diesem Namen verbirgt sich wohl eines der wichtigsten Kapitel des gesamten Budgets. Alles, was mit dem Staatshaushalte zusammenhängt, geht hervor aus der Tätigkeit der produzierenden Klassen im Staate. Wenn wir aber dieses Kapitel durchsehen, so finden wir wahrlich nicht einen einzigen neuen Gedanken. Und es sieht so aus, als ob trotz Revolution und trotz Krieg bei den Parteien, die diesen Voranschlag aufgestellt und aufgemacht haben, die Meinung vorherrsche, als ob es beim alten verbleiben müsse. Die Herren werden sich aber täuschen. Es wird anders kommen, als diese Herrschaften glauben. Wir haben im Kriege der völligen Zusammenbruch des freien Handels und der freien Wirtschaft gesehen. Und auch dann, als die sogenannte Zwangswirtschaft kam, konnten wir sehen, daß die gute Idee ins Gegenteil verkehrt wurde. Auf der einen Seite sehen wir ungezählte Millionen von Menschen hungern und darben, sehen sie ausgebeutet, auf der anderen Seite sehen wir, daß sich eine kleine dünne Schicht unter dem Titel Handel bereichert. (Výkøik: Wucher!) Das ist es ja eben, die Wucherer, die Kettenhändler sind dicker und dicker geworden und auch jetzt nach dem Kriege sehen wir trotz der neuen Männer keine Veränderung. Es bleibt auch trotz der Wuchergerichte alles beim alten, solange dieses System bestehen bleibt.
Auf beiden Seiten dieses Hauses erheben die Vertreter der kapitalistischen Interessen stärker denn je den Ruf nach dem freien Handel, aber ich meine, auch bei der jetzigen Wirtschaft haben die Herrschaften es wahrlich verstanden, Gewinne mehr denn je zu machen, während die großen Massen der Arbeitenden, zu denen auch die im Handel beschäftigten Angestellten gehören, mehr denn je gehungert haben, zum Teile auch verhungert sind. Der Krieg und die Nachkriegszeit haben wohl für jeden vernünftigen Menschen den klaren Beweis erbracht, daß die bürgerliche Gesellschaft unfähig ist, die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen herbeizuschaffen. Es müssen neue Methoden angewendet werden. Und so wird denn dieses Handelsministerium oder wie es sich nennen möge, auf unserer Seite kein Vertrauen finden.
In unserer neuen Gesellschaft, die sich bildet, und auch in unserer Republik, muß entscheidend werden das Interesse der produzierenden und konsumierenden Gesellschaftsklassen. Der arbeitende Bauer, der arbeitende Industrielle, die arbeitenden Menschen in Fabriken und Bureaus müssen zusammenwirken, um aus diesem Titel "Handel" etwas ganz Neues zu schaffen. Wir müssen verlangen, daß an den entscheidenden Stellen die arbeitenden Klassen mitbestimmend werden. Neues Blut muß in diese Körperschaften hineinkommen, denn, meine Herren, wie ist es denn heute? Der Mann, der das Geld hat, oder das was man Geld nennt, der fragt zunächst: Wieviel Prozent verdiene ich, wenn ich Häuser für Wohnungslose bauen soll? Und wenn heute aus dem Auslande wichtige Lebensmittel hereingebracht werden, so wird zunächst gefragt: Ist das für uns rentabel?
Wir sehen eben, daß dieses System hinaufreicht bis in die höchsten Körperschaften, bis in die Ministerien, die so wie das private Kapital spekulieren auf die Gesundheit, auf die Ernährung oder auf den Hunger der Menschen. Es ist ja heute und gestern schon wiederholt darüber geredet worden, daß es nicht angeht, daß man mit Zucker oder mit Baumwolle spekuliert und dann Hunderte oder Tausende von Millionen vielleicht verspekuliert, die natürlich wieder herausgeholt werden müssen aus dem Schweiße der arbeitenden Menschenschichten. Das Ergebnis ist, daß bei diesem System und dieser Politik die Preise der für uns wichtigsten Bedarfsartikel in unerhörtem Maße steigen, daß wir alle Kraft aufbieten müssen, durch unsere Organisationen die Arbeiterklasse, die Angestellten vor dem völligen Niederbruch zu bewahren.
Wichtig ist die Hebung des Konsumes, wichtig ist der Abbau der unerhört hohen Preise und das muß so geschehen, daß die arbeitenden Klassen entscheidend mitbestimmen müssen. An die Stelle der so viel verlästerten Zentralen muß etwas anderes gesetzt werden. Wir hängen nicht an diesen Zentralen, im Gegenteil. Hier ist das, was wir wollten, auf die dümmste Weise ins Gegenteil verkehrt worden. Der Bürokratismus muß aus den Ämtern verschwinden. Wir sehen es ja in den Ernährungsangelegenheiten. Aus einem Überschußbezirke wie Bilin waren heute Leute hier und mußten um Brot bitten. So kann es auf die Dauer nicht weiter gehen. Unsere Aktion, die wir hier im Parlamente eingeleitet haben, wird ja den Herrschaften sehr bald zeigen, daß wir entschlossen sind, hier gründlich Änderung zu schaffen. Wír müssen verlangen: die Planwirtschaft, die Sozialisierung, zunächst aber die Schaffung der Betriebsräte, in denen die Arbeiter und Angestellten entscheidend mitbestimmen müssen. (Sehr richtig!) Vielleicht wird es dann anders werden, vielleicht werden dann die kapitalistischen Schichten begreifen lernen, daß es möglich ist, doch eine Änderung der jetzigen unerträglichen Situation herbeizuführen. Die Politik unserer Regierung, auch die, die das Handelsministerium betreibt, muß naturnotwendig zum völligen Niederbruch unserer Industrie führen. Es ist ganz unmöglich, es so weiterzutreiben, wie es jetzt die Einund Ausfuhrkommission mit der Industrie treibt. Es ist ganz unmöglich, wenn ein Industrieller irgend eine Maschine benötigt, daß die Herrschaften in einem Syndikat entscheiden, sie darf nicht aus dem Auslande herbeigeschaft werden, auch wenn sie hier zehnmal teurer ist. In dieser Angelegenheit müssen die beteiligten Interessentengruppen selbst entscheiden. Aber es darf nicht entschieden werden nach nationalistischen Motiven, wie es in diesem Staate, in dieser Republik leider üblich ist. Die jetzt zur Herrschaft gelangte Klasse des èechischen Volkes begeht den größten Fehler dadurch, daß sie alles durch die nationalistische Brille betrachtet, daß sie nicht an die verantwortungvollen Stellen den Tüchtigen setzt, sondern daß immer zunächst, nach der Nation, nach der Sprache, die der betreffende spricht, gefragt wird. Und so muß es kommen, das unsere Industrie in den deutschen Gebieten dieses Staates verkümmern muß, und die Folge der Verkümmerung ist der Niederbruch und die unerhörte Arbeitslosigkeit, die wir in unseren Gebieten zu verzeichnen haben. Wir müssen eine ganz andere Politik treiben und zwar die Politik der Freundschaft zu allen Völkern. Diese Freundschaft wird erst kommen, wenn sich das èechische Volk oder die Teile des èechischen Volkes, die es angeht, lossagen von dem Haß gegen die anderen, die diesen Staat bewohnen. Wir müssen Handelsverträge schaffen mit allen Völkerschaften, und vor allem und zunächst mit Rußland, mit dem russischen Proletariat, weil uns so die Möglichkeit geboten werden wird, auch vom Standpunkte der besitzenden Klassen 'die Handelsbeziehungen aufzunehmen, zu exportieren und importieren. Wie falsch die Politik ist, zeigt uns ja ganz deutlich die Statistik über den Ex- und Import im Verkehr mit den anderen Völkern.
Ich will sie jetzt um Mitternacht nicht allzuviel mit Ziffern belästigen. Aber wir sehen ganz deutlich, daß die Ausfuhr in den Monaten Jänner bis Juni im Durchschnitt 50 % nach Deutschland ausmacht, 30 % nach Osterreich, nach Frankreich die ganz verschwindende Ziffer von etwa 3.94 %, nach England 0.32 %. Mit der Einfuhr ist es ebenso. Und es zeigt uns dies ganz deutlich, daß wir Beziehungen bester Art anknüpfen müssen zu den Staaten und Völkern, die uns zunächst liegen und nicht unsere Blicke wenden dürfen irgend welchen weltenfernen Zeiten. Denn nach anderen Staaten ist der Export schwer möglich wegen der hohen Frachtsätze, die es uns unmöglich machen, mit diesen Völkerschaften auf die Dauer Geschäftsverbindungen herzustellen. Im eigenen Lande selbst ist es notwendig, daß die Hemmungen und Belästigungen fallen. Der Paßzwang muß aufhören, es müssen die Belästigungen der Grenzbewohner schwinden, daß man sie mit dem Ausnahmezustand, mit dem Standrecht bedroht, wenn dort irgendwelche Lebensmittel über die Grenze gebracht werden. Wir müssen weiter verlangen, daß den Angestellten die vollständige Sonntagsruhe gegeben werde. Noch immer ist das nicht der Fall, noch immer werden die Angestellten in den Geschäftsläden festgehalten und ausgebeutet. Wir müssen verlangen, daß den Angestellten Schutz werde, wenn sie sich zur Vertretung ihrer Interessen zusammenschließen, daß nicht mit Hilfe der Regierungsgewalt unsere Besten gemaßregelt und aus den Betrieben hinausgeworfen werden. Wir müssen weiter verlangen, daß die ganz eigenartige Methode unseres Finanzministeriums beseitigt werde, das jetzt daran geht, aus Verträgen der Angestellten Gebühren einzuheben. Auch wenn kein schriftlicher Vertrag vorliegt, geht man heute in Reichenberg und Gablonz daran, aus Gebührenverträgen Hunderte und Tausende von Kronen von den Angestellten eintreiben zu wollen. Man gehe dorthin, wo die Geldmittel vorhanden sind, wo während des Krieges unerhörte Vermögen angehäuft und aufgespeichert wurden. Wir müssen versuchen, auch im Lande selbst Ordnung zu machen, die Verkehrshindernisse aus dem Wege zu räumen und zu ermöglichen, daß unter den jetzigen Verhältnissen der Handelsverkehr aufrecht erhalten werden kann. Nun ein Wort über die Teplitzer Postverhältnisse. Wir brauchen dringend neue Telephonanlagen. Es ist unter diesem Titel sehr wenig im Budget vorgesehen. Handel und Industrie sind dadurch ungemein behindert, es muß ein neuer Geist in unsere Verwaltung einziehen. Dieser Geist wird nur dann kommen, wenn die arbeitenden Klassen selbst mitbestimmen und mitentscheiden.
Solange dies nicht der Fall ist,
sind wir nicht in der Lage dieser Regierung und den Ministern
das Vertrauen auszusprechen. Wir müssen alle unsere Kräfte zusammenfassen,
um den Herrschenden die Macht zu entwinden und dann zu zeigen,
wie man es macht. Bis dorthin verweigern wir der Regierung das
Vertrauen. (Potlesk nìmeckých poslancù.)
Meine Damen und Herren! In mitternächtiger Stunde möchte ich mir erlauben, zum Kapitel Landwirtschaft, das uns als Sozialdemokraten außerordentlich interessiert, einige Worte zu bemerken. Hängt doch damit zusammen die Frage der Volksernährung und der Versorgung von Millionen von Konsumenten mit genügenden Nahrungsmitteln, hängt doch damit zusammen das Geschick von Hunderttausenden proletarischen Existenzen und in letzter Linie spielt die Landwirtschaft, wenn sie leistungsfähig und gesund ist, in der Plan-, in der Bedarfswirtschaft, die unser Ziel ist, eine sehr entscheidende Rolle. Aus sozialen Gründen, nicht aus kapitalistischen Besitzinteressen treten wir mit aller Entschiedenheit für die Hebung der landwirtschaftlichen Produktion ein. Wir halten es für eine Pflicht des Staates, der Allgemeinheit die Möglichkeit zu geben, daß der Boden uns mehr Nahrung gibt. Wir müssen dem Boden, wenn wir das haben wollen, was wir brauchen, auch geben, was er benötigt. Wir wissen aber sehr wohl, daß in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft die Hebung der Bodenproduktion an bestimmte Grenzen gebunden ist. In der heutigen Zeit spielt nicht in letzter Linie die Erhöhung der Produktion die erste Rolle, sondern die Preisbildung. Wir wissen, daß wir uns darüber nicht täuschen können.
Von unserem Standpunkt müssen wir zunächst eintreten für die Interessen der Hunderttausende, auf dem Lande befindlicher Kleinhäusler und Kleinlandwirte, für die schon Genosse Leibl ein Wort eingelegt hat. Ich möchte von dieser Stelle aus hervorheben, daß gerade wir, die wir so verhetzt und verschrien sind als Feinde der Landwirtschaft, für diese Gruppe der Proletarier viel mehr, unendlich mehr getan haben in diesem Hause in der Form von Anträgen und Interpellationen, als jene Gruppe, die sich immer aufgespielt hat als die berufenste Vertreterin und Hüterin der Interessen der kleinen Landwirte. Das war allerdings vor den Wahlen. Jetzt hört und sieht man nichts mehr davon. Von jener Seite sind, wie ich schon gesagt habe, die Interessen der Großbauern und Großgrundbesitzer verteidigt worden.
In diesem Zusammenhange möchte ich einiges erwähnen, was der Kollege Dr. Medinger gesagt hat, der sich schützend vor den Großgrundbesitz gestellt hat. Er hat Klage erhoben über die unglücklichen Enteigneten, über die Gefährdung des Eigentums und über die gefährlichen Tendenzen, die sich bei der Bodenreform geltend machen. Er hat direkt an uns den Appell gerichtet, an uns industrielle Arbeiter, nicht zu dulden, daß der Großgrundbesitz zerschlagen werde. Was diese Frage anbelangt, hat schon unser Kollege Leibl hervorgehoben, daß wir für die Erhaltung der technischwertvollen Betriebe sind. Das ist ganz selbstverständlich. Aber ebenso selbstverständlich und natürlich ist es, daß wir uns nicht vor die Besitzer schützend stellen können. Hier muß das geschehen, was ein anderer agrarischer Redner bei einer anderen Gelegenheit gesagt hat, der erklärte, mit dem historisch Gegebenen muß aufgeräumt werden, nicht bloß auf politischem, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Das Herrenrecht der jetzigen Besitzer muß verschwinden, der Grund und Boden muß wieder in das Eigentum der Allgemeinheit zurückkehren.
Die Sozialisierung des Grundes und Bodens ist eine eminent wichtige Frage und wird nicht von der Tagesordnung verschwinden. Ob sie mit Ihnen oder gegen Sie entschieden wird, ist eine Frage für sich, die ich hier nicht näher berühren will. Aber die Sozialisierung kommt, wenn auch von der anderen Seite drüben Herr Zierhut das Gegenteil zu beweisen und zu bremsen versuchte und die Sache so darstellte, daß man vorsichtig sein müsse. Wir wissen, daß die bisherige Bodenreform nur Flickwerk ist und durchtränkt von nationalistischen Motiven. Sie dient nur dazu, Versorgungstellen zu schaffen für Legionäroffiziere, für èechische Patrioten. Wir wissen, daß Korruption und Unfähigkeit im Bodenamte herrschen und wir sind diejenigen, welche alle diese Erscheinungen mit größter Entschiedenheit bekämpften. Darin sind wir uns ja mit den Deutschbürgerlichen einig. Nicht einig aber sind wir darin, daß wir den Besitz schonen sollen. Die kapitalistischen Interessen müssen in Zukunft total verschwinden.
Ich möchte nun zu der Frage zurückkehren, was der Staat für die Hebung der Produktion tut. Es ist herzlich wenig. Nur der 15. Teil dessen, was der Militarismus bekommt, wird ungefähr für die Hebung der Produktion verausgabt. Was da für die Erweiterung der Unterrichtes geschieht, ist herzlich wenig und ebenso wenig geschieht für das Versuchswesen, wofür 15 und 13 Millionen veranschlagt sind. Ich weiß, daß eine Anzahl von Schulen neu geschaffen werden, das ist aber noch lange nicht genug. Für die deutschen Gebiete sind angeblich 70 Schulen vorgesehen. Wir wollen aber mehr und haben deshalb diesbezügliche Anträge gestellt. Für die Entwässerung werden bloß acht Millionen ausgeworfen. Eine Bagatelle! Es ist kennzeichnend, daß der Meliorationsfond nicht erhöht worden ist. Ebensowenig ist der Betrag für Zuchtviehverwertung erhöht worden. Kennzeichnend ist ferner, daß für die Tierarzneikunde nur 15 Millionen eingesetzt sind, während es doch notwendig wäre, angesichts der Tierseuchen, die verheerend im Viehstande gewirkt haben, die Tierarzneikunde auszugestalten und die Zahl der Tierärzte wesentlich zu vermehren. Charakteristisch ist, daß man der Pferdezucht in diesem Staate außerordentlich großes Interesse entgegenbringt. Für dieses Kapitel sind 43 Millionen Kronen ausgeworfen, um 25 Millionen mehr als im Vorjahre, u. zw. aus dem einfachen Grunde, weil der Militarismus das Pferdematerial braucht. In diesem Kapitel ist ebenso wie in anderen ein Stück Militarismus enthalten. Daß man für Dünger eine größere Summe auslegt - daß eine Milliarde für die Düngerbeschaffung vorgesehen ist damit sind wir prinzipiell einverstanden, aber nicht einverstanden sind wir damit, daß, wenn es wirklich wahr ist, was der Herr Minister für Landwirtschaft gesagt hat, wenn aus dieser 1 Milliarde 5 Milliarden Mehrproduktion entstehen sollen, daß diese Mehrproduktion nur zu Gunsten der Besitzer verwertet wird. Wir verlangen, daß in der Form der Stabilisierung der Preise zumindest der landwirtschaftlichen Artikel oder in der Form einer Herabsetzung der Preise auch die Allgemeinheit von dieser Aktion Nutzen hat. Wir verlangen, daß bei allen diesen Ausgaben, bei denen bisher die Großgrundbesitzer und die Großagrarier bevorzugt wurden, endlich auch die hunderttausende kleiner Landwirte entsprechende Unterstützung finden. Daß die Regierung etwas für das Genossenschaftswesen tun will, befürworten wir ebenfalls, wir müssen aber die Sicherheit haben, daß dabei auch die kleinen Landwirte entsprechend berücksichtigt werden.
Ich möchte nun in aller Eile noch ein Wort für die landwirtschaftlichen Arbeiter sagen, für die in diesem Saale heute noch niemand das Wort ergriffen hat. Ich möchte das umsomehr, als von agrarischer Seite Herr Abgeordneter Windirsch sich gegen die Landarbeiter gewendet hat. Er hat ihnen die Schuld daran beigemessen, daß die Einbringung der Ernte erschwert wird, daß die Landarbeiten durch den Streik der Arbeiter behindert werden, und er hat sogar ausdrücklich verlangt, daß die Arbeiter kurz gebunden werden. Nun wenn die Landarbeiter, die bis jetzt gewiß noch nicht viel vom Sozialismus erfaßt sind, zum Mittel des Streikes greifen, so läßt es doch darauf schließen, daß die Lage der Landarbeiter ungemein trostlos ist. Es gibt wohl kaum eine zweite Schicht von Arbeitern, die so in Not und Elend stecken, wie die landwirtschaftlichen Arbeiter, die sich von den Löhnen, die sie heute beziehen, doch Hemden, Kleider und Schuhe kaufen sollen. Das ist unmöglich. Wenn diese Arbeiter zum Streike greifen, dann ist ihre Not wirklich sehr groß. Dazu kommt aber noch in Betracht, daß diese landwirtschaftlichen Streiks oft geradezu heraufbeschworen, provoziert werden, indem die abgeschlossenen Verträge nicht eingehalten werden, indem man sich weigert, die notwendigen Löhne auszuzahlen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Schuld daran, daß ein Streik ausbricht, oft auch auf der anderen Seite liegt. Es ist davon gesprochen worden, daß der Acht-Stundentag in der Landwirtschaft nicht eingehalten werden kann, davon ist aber heute noch lange nicht die Rede. Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 10 Stunden und länger. Von Acht-Stundentag ist da gar keine Rede. Die Überstunden werden erst nach 11stündiger Arbeitszeit honoriert. Wenn die Herren immer von der Leutenot reden und die Arbeiter ans Land fesseln wollen, so können sie das nur tun, wenn sie mehr soziale Fürsorge beweisen würden, wenn sie die Dienstbotenordnung aufheben würden, wenn sie mehr Freizügigkeit geben und eine bessere Entlohnung, nicht aber es so machen, wie die "Landpost" es in einem charakteristischen Artikel empfiehlt, welche die Rückkehr zu patriarchalischen Verhältnissen befürworten, zu einem Zustand, wie er früher war, wo der Arbeiter an den Bauern ganz gebunden war; eine Altersversorgung will man nicht, wohl aber die Rückkehr zu patriarchalischen Zuständen. Man hat das Empfinden, daß bei jener Seite keine Spur sozialen Denkens vorhanden ist, daß dort der Egoismus eine ungeheuere Rolle spielt. Es ist das kein Wunder bei Leuten, die verhältnismäßig noch in reaktionären Auffassungen befangen sind, wie z. B. Herr Abgeordneter Kaiser, der ausgesprochen für eine verpfaffte Schule geschwärmt hat. Wir wissen, daß jeder soziale Fortschritt auf dem Lande schwer erkämpft werden muß. Auf dem Präsentierteller wird auch den Feldarbeitern nichts entgegen gebracht.
Auch von etwas möchte ich noch sprechen, was heute passiert ist. Der Abgeordnete Kraus hat sich als ex offo Verteidiger der Großbauern aufgespielt, er ist auch gegen die Arbeiterkonsumvereine losgezogen. Ich muß es als gewiß sehr merkwürdig bezeichnen, daß Herr Kraus, der aus den Kreisen der Nichtselbstversorger, der Konsumenten hervorgeht, sich in dieser Weise betätigt. Er hat darauf hingewiesen, daß die Ablieferung der deutschen Bauern eine wesentlich bessere ist, als die der èechischen. Vielleicht mag das im Allgemeinen stimmen. Aber speziell jetzt trifft es nicht zu. Die letzte Statistik sagt uns, daß im Tetschener Bezirk bis 15. November nur 18 % des vorgeschriebenen Kontingentes aufgebracht wurden, in Böhm.-Kamnitz nur 20 %, im Leipaer Bezirke nur 30 %, in Gabel, von wo Herr Kraus kommt, 31 %, in Rumburg 27 1/2 %, in Schluckenau 24 %, in Hohenelbe 23 %, in Trautenau 17 % usw. Sie sehen also, daß es mit dem Eifer der deutschen Landwirte der deutschen Bevölkerung, zur Hilfe zu kommen, nicht so weit her ist. Wir wissen, daß direkt eine Sabotage der Ablieferung betrieben wird, um die Aufhebung der Zwangswirtschaft erzwingen und den Freihandel auch mit landwirtschaftlichen Produkten in die Tat umzusetzen. Das würde eine ungeheuere Steigerung der Preise bedeuten, das würde eine Verteuerung aller Lebensmittel und damit eine Lohnbewegung von größtem Umfang auslösen mit allem, was damit zusammenhägt. Gegen diesen Plan müssen wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen.
Es wäre noch sehr viel zu sagen über die Frage des Agrarprogrammes, über die Agrarreform im einzelnen. Ich glaube, dazu wird noch in diesem Hause Gelegenheit sein und wir deutschen Sozialdemokraten werden auch in dieser Beziehung sicherlich unseren Mann stellen. Was uns vorschwebt, ist die innigste Verbindung aller arbeitenden Menschen, gleichviel ob sie am Lande oder in der Stadt leben, eine direkte Verbindung der Produzenten mit den Konsumenten unter Ausschaltung des Zwischenhandels; damit wäre wenigstens ein Teil unseres Programmes durchgeführt, damit wenigstens das, was man soziale Reformen nennt, zur Tat wird und wir so die Basis finden zur Lösung der weiteren Probleme. Wir sind bereit, für die Interessen der Landwirtschaft einzustehen, was die Vermehrung der Produktion betrifft, wir sind bereit alles zu tun, was notwendig ist, um die Produktion in die Höhe zu bringen, worauf es uns aber auch ankommt, ist, daß auch die Allgemeinheit davon Nutzen zieht.
Als letzter Redner unserer Fraktion
möchte ich noch in aller Kürze einen Schluß ziehen aus dem, was
wir in der Generaldebatte und in der Spezialdebatte gehört haben.
Wir haben Anklagen über Anklagen erhoben. Wir sind uns bewußt,
daß in diesem Staate, der ein Klassenstaat ist, unsere Wünsche
und Forderungen nicht durchgesetzt werden können, daß wir nicht
vorwärts kommen können, ehe wir nicht unsere erste Aufgabe gelöst
haben, die proletarische Internationale in diesem Staate aufzurichten.
Sind wir so weit, dann werden wir daran gehen, daß der Sozialismus
auch in diesemLande Wahrheit wird, zum Heile aller Völker. (Potlesk
nìmeckých poslancù.)
Meine Verehrten! Wird sind am Ende der Debatte über den Staatsvoranschlag angelangt. Ich darf zusammenfassend wohl sagen, daß die Debatte hauptsächlich im Zeichen dreier hervorstechender Momente stand: Erstens im Zeichen einer furchtbaren wirtschaftlichen und finanziellen Krise des Staates, zweitens im Zeichen einer Staatskrise, die wohl am besten dadurch gekennzeichnet werden kann, daß das Parlament dieser demokratischen Republik die erste Debatte über den Staatsvoranschlag vor einer Beamtenregierung, noch dazu vor einer abwesenden Beamtenregierung abführt; das dritte Moment ist, daß wir, wie aus der Debatte hervorgegangen ist, ja nicht einmal wissen, ob auch diese Regierung über eine Autorität und über eine Macht in dem Staate verfügt. Es ist kein Zweifel, daß trotz dieser Verhältniße der Staatsvoranschlang morgen von den Mehrheitsparteien angenommen wird, die uns ja auch ihren Willen bezüglich des Ganges der ganzen Verhandlungen aufgedrängt haben. Das werden sich die verehrten Herren und Damen von den Mehrheitsparteien mit ihren Wählern auszumachen haben. Wenn wir deutsche Parteien, die wir im deutschen parlamentarischen Verband vereinigt sind trotz dieser Verhältnisse uns bloß damit begnügten, unseren Standpunkt mit der schärfsten Opposition zu kennzeichnen, so mag es ein Zeichen unserer bewundernswerten Disziplin sein. Ich will dem weiter keine Erörterungen anfügen, sondern möchte nur kurz noch Folgendes bemerken:
Das deutsche Volk in diesem Staate
hat in den zwei Jahren des Bestandes der èechoslovakischen Republik
soviel an Enttäuschungen, Mühsal und Bedrückungen erlebt, daß
seine politischen Kundgebungen sich in einem einzigen Verzweiflungsschrei
vereinen; während der Krieg und Frieden dem èechischen Volke und
vielen anderen Nationen Erlösung aus fremdem Zwange oder Besserung
ihrer Lage gebracht hat, wurden wir, ein Teil des deutschen Volkes,
um unser Selbstbestimmu ngsrecht betrogen. Wir Vertreter der Deutschen
der Sudetenländer geben trotzdem die Hoffnung nicht auf, daß auch
unserem Volke dereinst sein freier Wille wird, wir können dem
mit Freude, Sie müssen dem mit Bangen entgegensehen wenn es Ihnen
nicht geli ngt, den Staat auf den Willen der Bevölkerung zu stellen.
Denken Sie daran bei der Abstimmung über den ersten Voranschlag
ihres Staates. Sein Gleichgewicht ist durch das bloße Vergleichen
von toten Ziffern nicht herzustellen. Ohne Anerkennung der deutschen
Forderungen, ohne Gewinnung der in diesem Staate bisher rechtlosen
Völker bleibt es eine leere Form. Sie haben Gelegenheit zu beweisen,
ob Sie die innere Kraft und den Mut aufbringen, die Scheindemokratie
in wahre Demokratie zu verwandeln. Im Namen, des deutschen parlamentarischen
Verbandes erkläre ich, daß wir Zeichen dieser Bereitwilligkeit
erwarten und zwar in nächster Zeit. Werden wir enttäuscht, so
fehlt Ihnen zweifellos der gute Wille und wir werden uns darnach
einrichten. (Heil! Potlesk nìmeckých poslancù.)