Støeda 24. listopadu 1920

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 25. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 24. listopadu 1920.

1. Øeè posl. Èermaka (viz str. 444. protokolu):

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Besprechung des Staatsvoranschlages wird diesmal verbunden mit einer Erörterung der letzten politischen Ereignisse in der Èechoslovakischen Republik. Die Verhandlungen über den Staatsvoranschlag geben uns Gelegenheit, zusammenhängend darzustellen, wie die einzelnen Parteien sich zu diesem Staate und zu den übrigen Klassen dieses Staates verhalten, welche Absichten, welche Ziele die Parteien und Massen zur Vertretung ihrer Interessen verfolgen. Wenn ein Vertreter der deutschen sozial-demokratischenArbeiterschaft die Stellung der deutschen Arbeiterklasse zu dieser Republik und zu den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in diesem Staate darzustellen hat, so muß er vor Allem der historischen Tatsache gedenken, daß dieser Staat seine Entstehung den politischen Umwälzungen am Ende des Weltkrieges verdankt.

Das furchtbare, grauenvolle Verbrechen des vierjährigen Völkermordens war das Produkt der Politik der kapitalistischen Staaten in Europa. Der grauenvolle Weltkrieg war die letzte Auswirkung des Imperialismus der kapitalistischen Konkurrenten in Mittel- und Westeuropa. Wir, die Völker Europas, die Opfer und Leidtragenden, die das Objekt dieser verbrecherischen Politik geworden sind, wir haben nicht vergessen an die vier bis fünf Jahre der grauenvollen Leiden und das Furchtbare, das die jetzt lebende Generation durchzumachen hat.

Gegen das Ende des Krieges zu erstanden in den westlichen Ländern Apostel des Krieges, die verkündeten, daß der Krieg zu einem großen Zweck geführt werde. Große Ziele der Menschheit sollten im Krieg verwirklicht werden. Hohe Ideale sollten durch den Frieden ihre Verwirklichung finden. Das Selbstbestimmungsrecht aller Völker, ein Völkerbund, die Abrüstung, das waren die Parolen, unter denen die Völker der Weststaaten in den Krieg getrieben wurden, hinter denen der Imperialismus der Weststaaten seine eigentlichen Kriegsziele verborgen hielt. Was fanden wir am Ende des Krieges? Es siegten nicht die idealen Forderungen des guten Idealisten Wilson, nicht die große Parole, sondern der Krieg wurde beendet durch die brutale militärische Gewalt, es triumphierte wieder der Kapitalismus, es triumphierten wieder jene Mächte, die den Krieg verschuldet und verursacht hatten. Am Ausgange des Krieges, in den ersten Jahren der Übergangswirtschaft zum Frieden, sahen wir in West-Europa, ebenso wie in den Staaten Mitteleuropas, die Bemühungen, jene kapitalistische Wirtschaftsordnuug, die den Krieg verschuldet hat, deren Grundlagen im Krieg schwer gewankt hatten, wieder aufzurichten. Alle Absichten der bürgerlichen Parteien, der herrschenden Klassen in diesem Staate, sind darauf gerichtet, das fluchwürdige menschenmordende System der Ausbeutung nach der kapitalistischen Methode wieder aufzurichten und zu befestigen. Wir vergessen aber auch nicht, daß im Zuge der Gesamtentwicklung die Èechoslovakische Republik ein Kind des Gewaltfriedens der Entente ist, ein Kind jenes Friedens, der abgeschlossen wurde, nur gestützt auf die militärische Überlegenheit und der nicht zu seiner Basis die Schaffung einer neuen Rechtsordnung in Europa hat. Meine verehrten Damen und Herren, wenn wir unsere Blicke nach dem Westen wenden und finden, wie vor allem der ehemalige Hort der europäischen Revolution Paris zum Hort der Kontrerevolution, zum Hort der Reaktion in Europa geworden ist, so läßt uns diese Tatsache durchaus nicht etwa den Mut sinken. Diese Tatsache stimmt uns durchaus nicht so, daß wir die Sache des Sozialismus verloren glauben. Im Gegenteil, wir erkennen klar und deutlich an den unmöglichen Versuchen, die kapitalistische Produktionsweise wieder in Gang zu bringen aus den zahlreichen Widersprüchen, aus' den ungeheueren Gegensätzlichkeiten, in die immer und immer wieder aufs Neue dieses Wirtschaftssystem verflochten wird, daß an dessen Wiederaufrichtung im Sinne der Vorkriegszeit wohl nicht mehr gedacht werden kann und vor allem, daß die Wiederaufrichtung nach den Methoden der Zeit vor dem Kriege nicht mehr möglich ist, weil die arbeitenden Klassen nicht mehr den Willen in sich tragen, dieses System zu erleiden und zu erdulden. Wir haben die 4 Jahre Krieg nicht umsonst mitgemacht. Es hat sich die Kraft der arbeitenden Klasse gesammelt, die arbeitende Klasse hat ihren Willen geformt, sie ist stärker geworden als vor dem Kriege und eine Wiederaufrichtung der alten Zwangswirtschaft, mit den alten Methoden, scheint fast ausgeschlossen.

Unser Ringen um den Sozialismus in diesem Staate ist nur eine Teilerscheinung, eine Episode in der Weltrevolution. Ein Hoffnungsstrahl winkt uns aus dem Osten Europas, wo das russische Volk nach neuen Formen der Wirtschaft und des sozialen Zusammenseins, um den Sozialismus ringt. Es ist ganz gleichgültig, wie man als Sozialdemokrat zu den Methoden der Bolschewikensteht. Eines ist fest und unverrückbar, daß für uns das heilige Feuer der sozialen Revolution wie für die gesamte Arbeiterklasse Europas aus Rußland kommt, wie immer die Formen und Episoden in diesem Kampfe sein mögen. Es geht doch dort um das Endziel des Sozialismus, das auch unser heiliges Ziel ist. So, verehrte Damen und Herren, erkennen wir wohl die Situation, in der wir leben, in dem Staat, der geworden ist durch den Willen der Entente, der, ökonomisch abhängig, im Zusammenhang steht mit den kapitalistischen Westmächten, dessen arbeitende Bevölkerung aber von dem revolutionären Feuer des Ostens beeinflußt ist. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung will sich in diesem Staate wieder aufrichten. Sie hat ihre charakteristischen Merkmale auch in der Nachkriegszeit, sie ist nicht eine organisierte Wirtschaft der Erzeugung und Verteilung der Güter. Nicht nach den Bedürfnissen, die in den Menschenmassen vorhanden sind, wird erzeugt, werden die Güter verteilt, sondern nach den Gesetzen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung völlig anarchisch, nur diktiert vom Profitinteresse, auf der Basis des Privateigentums, das eine geordnete Austauschwirtschaft nicht kennt und nicht kennen kann. Auf dieser Basis ist unsere ganze Ökonomie aufgebaut. Aber der Wiederaufbau, der Versuch der Wiederbefestigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung auf der Grundlage des Privateigentums, unter der Parole des Profitemachens hat für die großen Massen der arbeitenden Bevölkerung, besonders unter den Auswirkungen des Krieges, den völligen Niederbruch ihres Lebens zu bedeuten. Seit zwei Jahren ist der Krieg vorbei und noch immer ringen die Arbeiter um das Stückchen Brot. Noch immer leben wir in der Unsicherheit, ob wir in den nächsten Wochen oder Monaten auch nur das Geringe der staatlichen Ration an Brot oder Kartoffeln zugewiesen erhalten. Die Ernährung war im abgelaufenen Jahre eine unzureichende. Durch die Politik des Ernährungsministeriums sind durchaus keine Garantien geboten, daß wir der furchtbaren Krisis, dem Zusammenbruche der Ernährungswirtschaft, im kommenden Frühjahre entgehenwerden. (Výkøik: Schon jetzt sind Bezirke wochenlang ohne Brot und Mehl.) Zur drohenden Ernährungskrise, zum schleichenden Hunger, gesellt sich die Not an Kleidern. Die Arbeiter sind mit ihren Löhnen nicht in der Lage, sich Kleider und Schuhwerk zu kaufen und das wenige, das sie anhatten, zum Teil aus dem Kriege nach Hause geschleppt, Wäsche und sonstige Kleidungsstücke, all das bedarf dringend der Erneuerung. Aber die Arbeiter sind nicht im Stande, die Preise zu bezahlen, die heute der kapitalistische Händler von ihnen fordert. Und zur Ernährungsnot und zum Bekleidungsmangel gesellt sich das furchtbare Wohnungselend, in dem wir leben, jene Brutstätten der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten, die wir in unseren Industriedörfern in den Randgebieten, die wir in den dichten Siedelungen der deutschen Arbeiterschaft antreffen, die lichtlosen Kellerwohnungen, die luftlosen Dachwohnungen, kurz das Wohnungselend in seiner grauenvollsten Gestalt. Und zu alledem stehen wir bezüglich der Bedeckung der Bedürfnisse, die das gesamte Leben von uns fordert, vor der Unmöglichkeit, unsere Bedürfnisse einzudecken, weil die Preise aller Waren eine unerhörte Höhe erlangt haben, weil wir alle unter dem Drucke der furchtbaren Teuerung schmachten.

Es gibt jetzt ein Schlagwort, das sehr beliebt ist, es ist das Schlagwort von den hohen Löhnen der Arbeiter. Es ist ohne Zweifel nicht durch den guten Willen der Herren Kapitalisten, nicht aus patriotischer Einsicht, sondern durch die Kraft und gestützt auf die Stärke der Arbeitergeschehen, daß sie sich in mühevollen gewerkschaftlichen Kämpfen einen höheren Lohn errungen haben. Aber die absolute Höhe des Lohnes beweist für den Lebenstandard gar nichts. Die Höhe des Lohnes muß in Vergleich gestellt werden mit den Preisen der Waren, die der Mensch einkaufen muß, um auch nur das nackte Leben fristen zu können. Und wenn Sie die Relation zwischen den Warenpreisen und der Lohnhöhe aufstellen, so werden Sie finden, daß die Lohnerhöhungen weit, weit zurückstehen hinter den hohen Preisen für alle Waren, hinter der Teuerung.

An der Verschärfung der Teuerung haben nicht nur alle kapitalistischen Kreise mitgewirkt; von dem agrarischen Produzenten über den kapitalistischen Großhändler bis zum letzten kleinen Schleichhändler haben nicht nur alle, die Ware besitzen und an der Ware verdienen können, ihren Anteil, die großen den großen, die kleinen den kleinen Anteil, sondern zur Verschärfung der Teuerung trägt auch nicht zuletzt die Finanzpolitik dieses Staates bei, deren Um und Auf ebenso wie im alten Österreich wieder die ausgefahrenen Geleise des indirekten Steuersystemes sind, die bequemste Art, die Lasten des Staates auf die breiten Schultern der Konsumenten zu wälzen. So, meine Damen und Herren, finden wir, daß die Arbeiterklasse in ihrer großer Mehrheit - die Ausnahmen spielen hier gar keine Rolle - die Industriearbeiter, die geistigen Arbeiter, die erst durch die Folgen des Krieges ganz besonders tief in die unteren Schichten des Proletariats herabgesunken sind, sie alle haben schwer zu kämpfen und zu ringen, kaum das nackte Dasein können sie fristen, geschweige denn, daß sie kulturell vorwärts und aufwärts kommen könnten, daß sie im Stande wären, ihre kulturellen Bedürfnisse einzudecken. Das ist das Los und Schicksal des arbeitenden Menschen. Unbeschreiblich aber ist der Jammer derer, die mit dem Unglück der Arbeitslosigkeit geschlagen sind, und nicht zuletzt müssen wir, wenn wir eine ökonomische Darstellung an die Spitze der Betrachtung dieses Staates und der Staatsfinanzen stellen, der furchtbaren Not unserer Kriegskrüppel und Kriegsinvaliden, die immer noch fast unversorgt dem Bettel, dem Zufall preisgegeben sind, gedenken.

Die demokratische Republik ruht ökonomisch auf dem brüchigen System der kapitalistischen Wirtschaft, ihre Erscheinungsform ist Hunger und Elend in den breiten Massen, blanker Jammer bei jenen Schichten der Bevölkerung, für die ein Staat, der nicht ein Polizei- und Militärstaat, sondern eine Fürsorgeeinrichtung ist, in erster Linie zu sorgen hätte, für die Arbeitslosen, Kranken und Krüppel, für die Alten und vor allem für die verelendeten und verwahrlosten Kinder. Ist für die Arbeitermasse die wirtschaftliche Situation fürchtbar traurig, so kann dem gegenüber festgestellt werden, daß durch die Konjunktur des Krieges, durch die Tatsache, daß die das ganze Leben beherrschenden Produktionsmittel in den Händen der Klasse der großen und mittleren Bauern sind, in derselben Zeit, in der Hunderte und Tausende Proletarierkinder buchstäblich verhungern, die Klasse der Bauern sich einer relativen und absoluten Wohlhabenheit erfreut, daß sie die Kriegskonjunktur reichlich genützt haben, so daß sie heute schuldenfreie Gründe und Liegenschaften besitzen und nicht nur das Notwendigste zum Leben besitzen, sondern weit darüber hinaus im Übergenuß ersticken können. Und eine ähnliche Situation finden wir für jene Klassen in den Städten und größeren Dörfern, die als besitzend zu bezeichnen sind, die ungeheueren unkontrollierbaren Vermögen der Kriegsgewinner, der Revolutionsgewinner. Kurz auf der einen Seite das bitterste Elend, der krasseste Hunger, auf der anderen Seite eine Verschwendung, ein Luxus, eine Unmoral im ethischen Sinne, Schieber und Betrüger aller Grade. Wer Geld besitzt, wer die Brieftasche gefüllt hat, der ist ein von der übrigen sogenannten "guten" Gesellschaft wohlgeschätzter und hochgeachteter Mitbürger. Und so zeigt gerade der Kapitalismus in seinen Entartungen am Ende des Krieges und in den vergeblichen Versuchen, nach dem Kriege die alte Ordnung wieder aufzurichten, den ganzen Widersinn und Widerspruch dieser "Ordnung". Wenn in der Debatte von der Staatsautorität die Rede war, so will ich in dem Zusammenhang nur sagen: solange die "Staatsautorität" unfähig ist, die großen, unerhört schreienden ökonomischen Gegensätze auch nur einigermaßen zu mildern, die Staatsverwaltung unfähig ist, den Schiebern, Wucherern und kapitalistischen Betrügern auf der einen Seite auf den Leib zu rücken, sie nicht imstande ist, die Kinder vor dem Verhungern zu schützen, werden wir, die Sozialdemokraten, für diese "Staatsautorität" nur ein Lächeln übrig haben. Sie werden begreifen, verehrte Damen und Herren, daß wir schon aus diesen triftigen ökonomischen Gründen diesem Staate nicht freundlich und sympathisch gegenüberstehen können und daß wir, weil es ein so organisierter, kapitalistischer Staat ist, den Staatsvoranschlag ablehnen. Wenn wir uns aber den politischen Überbau dieses Staates betrachten, dann verschärft sich unser Urteil der Ablehnung. Der staatliche Überbau krankt vor allem an einem furchtbaren Geburtsfehler. Der Geburtshelfer dieses Staates war die Gewalt. Gewalt und Demokratie, das sind Brüder, die sich nie miteinander vertragen können. Ein Staat, der nicht aus dem freien Willen aller Völker, die ihn bewohnen, geworden ist, dessen Fundament nicht der Wille und das Vertrauen aller seiner Bürger ist, in ei nem solchen Staate wird auch die Demokratie zum Ornament, zur Fassade. Es fehlt der Demokratie die ideelle, moralische und psychologische Basis und gar ein Staat, der, weil er ein Gewaltstaat ist, geschützt werden muß durch das System des Militarismus, in dem nicht das Gesetz herrscht, sondern die Beamten, volksfremde Bureaukraten, die von oben eingesetzt sind, ohne und gegen den Willen des Volkes, ein solcher Staat wird auch mit seinen demokratischen Einrichtungen niemals über seine wahre Gestalt zu täuscheu vermögen. Wir haben eine Demokratie in der Gesetzgebung. Sie ist aber wesentlich dadurch beeinträchtigt, daß die Basis dieser Gesetzgebung eine Verfassung bildet, die von einem Parteienausschuß, nicht einmal von Vertretern, die vom èechischen Volke gewählt waren, gegeben wurde und uns hier an den Kopf geworfen worden ist. Die Verfassung müßten wir uns erarbeiten, sie müßte das gemeinsame Werk der hier wohnenden Bürger sein. Aber ein Staat, dessen Parlament, dessen politischer Aufbau darauf ruht, daß die Verfassung fix und fertig von einem Volke dem anderen aufgenötigt wird, ein solcher Staat verfügt über keine demokratische Basis.

In der Verfassung fehlt es wirklich nicht an schönen Worten, sie sieht fast so aus, wie die Verfassung der alten Liberalen in Österreich. Nach dem Buchstaben der Verfassung leben wir hier in einem ganz erträglichen Zustande. Aber, meine verehrten Herren, das haben wir schon im alten Österreich erfahren, es kommt nicht auf schöne Worte in der Verfassung an, sondern auf die demokratischen und politischen tatsächlichen Verhältnisse im Staate, und verglichen mit den tatsächlichen Verhältnissen, verschwinden die Worte zur förmlichen Phraseologie. Wir haben aber nicht nur eine gesetzgebende Versammlung, die demokratisch ist und die basiert auf einer Verfassung, die die Völker nicht selber beschlossen haben, sondern diese Demokratie ist temperiert und abgemildert worden durch die Geschäftsordnung, die Sie dieser Versammlung gegeben haben und die, wie es scheint, für Sie ein noli me tangere ist, die auch zu dem Besitz gehört, auf den Sie ihre Macht aufbauen. Haben wir es also in der Gesetzgebung mit einer Demokratie zu tun, die einem Ornamente gleichkommt, so haben wir auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung, das nicht minder wichtig ist, als die Gesetzgebung, überhaupt nicht einmal die Spur einer demokratischen Selbstverwaltung. Es ist deutlich wahrzunehmen, daß ein leitender Gedanke der Staatsverwaltung ist, der Staat müsse so organisiert werden, daß ein von der Zentralstelle aus geleiteter bureaukratischer Apparat die ganze Verwaltung besorgt. Und Sie kommen wieder zurück zu den Zeiten, von Kaiser Josef angefangen, dessen Denkmäler jetzt so umstrittene politische Symbole sind, zur Idee des aufgeklärten Absolutismus der josefinischen Zeiten, die ausgemündet haben in der Verfassungsgesetzgebung der Liberalen in Österreich. Die wollten das alte Österreich mit einem staatlichen Zentralismus regieren. Diese Idee ist wieder erwacht im Geiste der Verwaltung der Èechoslovakischen Republik. Wenn Sie glauben, meine Herren, daß Sie dauernd diesen Staat wirtschaftlich, politisch, kulturell verwalten, daß Sie die Völker vorwärts und aufwärts bringen können mit einem Herrschaftssystem von Beamten, die von oben eingesetzt sind und die in die unteren Instanzen geschickt werden, daß kurz und gut eine bureaukratische Zentralstelle anstatt des Volkes den Staat verwaltet, so werden Sie sich überzeugen, daß dieser staatliche Zentralismus in der Èechoslovakischen Republik genau so unmöglich ist, wie er im alten Osterreich gescheitert ist. (Místopøedseda inž. Botto pøevzal pøedsednictví.) Die Idee, den bureaukratischen Zentralismus festzuwurzeln und ihn noch auszubauen, zeigt sich vor allem in der klaren Absicht und Tendenz, das wenige an Gemeindeautonomie, das uns aus dem alten Österreich geblieben ist, zu drosseln und zu erschlagen.

Eine Reihe von Verfügungen der Regierung der letzten zwei Jahre richtet sich vor allem aus nationalen Gründen, wie ich weiß - aber dahin führt Sie eben das System des nationalen Gewaltstaates dahin, die kümmerliche Demokratie in der Verwaltung der Gemeinden zu beseitigen. Und was nicht Regierungsmaßnahmen zu leisten vermögen, geschieht vor allem durch unsere staatliche Finanzpolitik auf die Art, daß sie den Gemeinden keine Mittel gibt, um leben zu können, daß die Finanzverwaltung und die herrschenden Parteien in diesem Staate beharrlich ausweichen, die Augen verschließen vor dem großen Problem der Regelung der Gemeindefinanzen. Ich weiß wohl, daß in der Frage der Verteilung der Steuerhoheit, der Verteilung der Mittel, wiederum eine Krise dieses Staates aufbrechen wird. Ein Teil der èechischen Parteien wird vielleicht wieder den Versuch unternehmen, alle Mitteln, die für die öffentliche Verwaltung aufzubringen sind, zu konzentrieren in der Hand des Finanzministers, der gnädig die Gemeinden, die Unterstellen "subventioniert" und dadurch also den bureaukratischen Herrschaftsapparat auch durch die finanzielle Ausgestaltung festigt und sicherer macht. Sie werden aber erfahren, meine Herren, daß eine solche Verwaltung nicht möglich ist und wenn Sie Demokraten sind, dann müssen Sie zunächst mit der Reformarbeit hier ansetzen. Sie müssen nicht nur die Gemeinden in ihrer Autonomie unangetastet lassen, sondern die Autonomie der Gemeinden muß wesentlich erweitert werden, sie müssen den Gemeinden das Recht der Vereinigung geben, sie müssen den Gemeinden eine materielle Unterlage in der Form der Zuweisung von Mitteln, von Steuerneinnahmen, auf die der Staat nicht eine Hand legt, geben.

Eine weitere Illustration für die demokratische Verwaltung dieses Staates ist Ihr Gesetz über die Kreisverfassung. Das Gesetz ist bis jetzt nicht zur Durchführung gelangt. Es ist ja ein eminentes Politikum. Ich glaube, daß diejenigen Herren der Regierung, die das Gesetz durchführen sollen, wohl selbst einsehen, daß es unmöglich ist, daß der Ausbau der Verfassung in der Form geschieht, daß man neben den kaum lebenden Gemeinden, ebenso lebensunfähige, größere Verwaltungsgebiete setzt.

Die Kreisverfassung ist, wenn auch ein Gesetz darüber besteht, ein ungelöstes Problem und wenn Sie die nationale Ordnung in diesem Staate wollen, meine Herren, dann genügt es nicht versöhenliche Reden von deutscher und èechischer Seite zu halten, dann nützt das ewige Mundspitzen nichts, dann muß auch einmal gepfiffen werden, dann müssen Sie auch Taten setzen und das erste Gebiet, das wir betreten müßten, auch aus Gründen ihrer eigenen Verwaltung,

aus Gründen der Freiheit, der demokratischen Gesinnung des eigenen Volkes, daß wäre der wirkliche demokratische Ausbau der Kreisverfassung. Die Ausstattung des Kreistages mit möglichster Autonomie, möglichster Selbstverwaltung, Loslösung vom staatlichen Zentralismus und damit, meine Herren, brauchen wir nur wieder den Weg des alten Österreich zu wandeln - und uns deutschen Sozialdemokraten kommt auch in diesem Staate wieder die Aufgabe zu, zu zeigen, wie der Staat organisiert werden müsse, wenn er überhaupt leben soll - ist die naheliegendste Möglichkeit um den nationalen Streit zu begrenzen, die nationalen Reibungsflächen zu verkleinern, sie milder zu gestalten. Solange aber die staatliche Verwaltung èechischer Bürokratismus ist, Sie nicht einsehen, daß die Verwaltung von unten auf nur durch das Volk selbst besorgt werden muß, haben Sie auch den schweren nationalen Konflikt im Leibe und darüber helfen gute Reden und gute Absichten nicht hinweg. Wir spüren den nationalen Gegensatz in der Gesetzgebung, in der Verwaltung, wir haben ihn besonders gespürt in unseren Schulen, wir spüren ihn in unserer Sprache, wenn wir zu Gericht gehen und nicht sprechen können, wo uns das materielle Recht aus nationalen Gründen verweigert wird.

Die Èechoslovakische Republik ist nach unserer Auffassung nicht nur krank, weil sie ein kapitalistischer Staat ist, sondern sie ist auch krank, weil sie eine nationale Fremdherrschaft in sich birgt und die leitende Tendenz in der Politik der Versuch ist, diese nationale Fremdherrschaft zu befestigen und sie noch mehr zu verankern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß doch meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß die große Mehrheit der èechischen Parteien in diesem Hause aus der Geschichte Österreichs so wenig gelernt hat, daß sie aus den Erfahrungen im alten Österreich nicht gelernt hat, daß es eine nationale Fremdherrschaft dauernd nicht gibt und nicht geben kann (Souhlas nìm. poslancù.), daß sie keine Basis für einen lebensfähigen Staat bildet. Es scheint, daß trotz des Weltkrieges, trotz aller traurigen Erfahrungen, die wir gemacht haben, auf diesem Gebiete wenig zugelernt worden ist. Wir müssen offenbar diese Erfahrungen nochmals machen. Und daß wir in der besten Entwicklung zum alten Österreich sind, das haben Ihnen doch die letzten Ereignisse gezeigt. Wieder einmal nationale Krawalle, Todesopfer, Blutopfer im Kampfe um nationale Symbole: das sind die Auswirkungen Ihrer verfehlten nationalen Politik, die jüngsten Zeichen dafür, was aus einem Staate und seinen Bürgern werden muß, aus einem Staate, der so widernatürlich zusammengesetzt ist und in dem kein Versuch unternommen wird, eine neue Basis für das Zusammenleben seiner Bürger zu schaffen. Es hat ein Streit getobt um Denkmäler. In Teplitz-Schönau hatte die èechische Minderheit aus der Umgebung verlangt, ein Denkmal solle entfernt werden. In dem Moment der Forderung nach Entfernung wird aus diesem Denkmal ein nationales Symbol. Für die anderen bedeutet die Forderung nach der Entfernung eine Erniedrigung, einen Geßlerhut, wie wir gestern gehört haben. Aus der Psychologie des Nationalismus heraus müssen sich aus solchen Dingen, aus dem Streik um Denkmäler, um Aufschriften, politische Emotionen entwickeln. Aber, meine Damen und Herren, nicht so wie im alten Österreich, wo ein Krawall in deutschen Städten und ein Krawall in Prag gewesen ist, hat sich diesmal die Episode des nationalen Krawalls vollzogen, sondern das Neue und Charakteristische in diesen jüngsten Episoden, auf die wahrlich die Èechoslovakische Republik nicht stolz sein kann und braucht, ist das Eingreifen der Militärgewalt in den politischen Kampf, in den Streit der Nationen. Darum hat der Streit so tragisch geendet, daß in Asch Tote auf der Wahlstatt geblieben sind, daß die Soldaten, wie festgestellt wurde, sogar mit Dum-Dumgeschossen gegen die deutsche Bevölkerung vorgingen, daß die Soldaten, die alle ausgerüstet sind nach ganz modernen Grundsätzen der Waffentechnik, in die Politik eingreifen. Das Militär, die Soldaten als Politiker, sind uns gegenüber im Vorteil. Sie sind fest organisiert, fester als jede politische Partei und außerdem verfügen sie über die technische Überlegenheit, sie besitzen die Waffen. Es scheint, daß es gewissen Parteien dieses Hauses paßt, daß das Militär in die Politik eingreift. Wohlan, es möge dieser Grundsatz gelten! Wir Sozialdemokraten sind die letzten, die nach der Autorität des Staates rufen, wenn Sie die Militärgewalt zum Subjekt der politischen Handlungen machen wollen. Heute richtet es sich gegen die Deutschen. Wir werden uns sehr bemühen, unsere Rekruten es sind jetzt ja auch deutsche Rekruten darunter - und ich hoffe, auch ein großer Teil der èechischen Arbeiterschaft wird sich bemühen, die Rekruten so zu unterrichten, daß sie vielleicht auch taugliche Soldaten sein werden im sozialen Kampf. Was heute im nationalen Kampf gegolten hat, was Kramáø und Rašín heute recht war, wird doch morgeu billig sein. Vielleicht werden die sozialdemokratischen Soldaten aufs Land hinaus requirieren gehen und ich bin neugierig, ob Herr Kollege Udržal und andere ihnen dann bonam fidem zubilligen werden. Es ist möglich, daß die Soldaten sich an gewaltsamen Sozialisierungsaktionem beteiligen werden. Wohlan, es wird jenen Herren, die in den Zeitungen mit unverhaltenem Beifall die Ascher Vorgänge begleitet haben, wohl auch recht sein müssen, wenn das Militär im sozialen Kampf verwendet wird. Und, meine Herren, eine ganz besondere Erscheinung innerhalb des Militarismus, eine besondere Kategorie des politisierenden Militärs, gegen das wir gar nichts haben werden, wir werden uns nur kümmern, daß die Soldaten auch unsere Politik machen, bilden die Legionäre. Nun weiß ich wohl, daß für Sie die Legionäre eine ganz besondere Bedeutung haben.

Aber ich sehe doch einen gewissen Atavismus in dieser Verherrlichung der Legionäre, denn via facti bildet sich ein Privileg der Legionäre heraus, von dem ich glaube, daß es auch das èechische Volk wird schwer ertragen können. Jetzt ist versinnbildlicht, wie die Privilegien der feudalen Adeligen und Ritter im Mittelalter geworden sind; das waren auch siegende Landsknechte, siegende Soldaten, die nach Hause gekommen sind und denen sich die Bauern zu Füßen geworfen haben. Es schei nt so, obwohl es nicht in der Verfassung steht, wir sehen das ganz deutlich z. B. bei dem Versuche einer Bodenreform, daß überall Ausnahmestellen für die Legionäre geschaffen werden, daß via facti eine privilegierte Klasse der Soldaten gebildet wird. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß dieses besondere Privilegium, das Sie hier schaffen, Ihnen warscheinlich zum Verhängnis gereichen wird. Nicht wenig habe ich mich gewundert über den Ruf nach Autorität, der auch von deutscher Seite erklungen ist. Wer anläßlich der Prager Krawalle hier in diesem Hause anwesend war und vom Fenster aus die demonstrierende Menge und die Schutzmannschaft von Prag gesehen hat, der kann nicht nur ein Lachen über den Gedanken von der staatlichen Autorität haben. (Souhlas nìm. poslancù.) Eine Staatsautorität, die Befehle hin und her gibt, die den Befehl gibt, das Denkmal darf nicht abgetragen werden", später sagt, "die Situation ist zu halten", - was ist das für eine Situation, was ist das für eine Staatsautorität? Die Staatsautorität ist in den lezten Tagen am Rande der Lächerlichkeit gestreift, in Prag und in Teplitz und dort, wo sie nicht gewirkt hat, wo die Soldaten selbst ihren nationalen Kampf ausgefochten haben, wie in Eger und in Asch. Wir werden in der nächsten Woche erst wissen, daß die Staatsautorität abgewirtschaftet hat, wenn wir erfahren, wie das gerichtliche Verfahren gegen die Soldaten abgeschlossen worden ist. Wer glaubt, daß viel dabei herauskommen wird, daß die Staatsautorität sich gegen die Soldaten in Szene setzen wird, die auf Zivilisten geschossen haben, der wird jedenfalls um eine Hoffnung ärmer werden. Also, meine Herren, mit der Staatsautorität sieht es sehr windig aus und das ist gut so; wir haben kein Interesse daran, wir deutschen Arbeiter rufen nicht nach der Staatsautorität. Am liebsten wäre uns, wir würden bewaffnet werden und könnten uns selber kümmern; die Autorität dieses kapitalistischen Staates rufen wir gar nicht an. Nun, meine Herren, da wir in einem Staate gezwungen sind, dessen politische Grundsätze die Verfassung und diese Demokratie ist, die Gesetzgebung, wie ich sie geschildert, die Verwaltung des Bureaukratismus, die nichts zu tun hat mit der Verwaltung des Volkes, ein Staat, dessen Grundlage der Militarismus ist, zu einen solchen Staat haben wir natürlich kein Vertrauen. Nebst jener ökonomischen Unsicherheit, in der wir uns bewegen, in der sich insbesondere die besitzende Klasse bewegt, jener merkwürdige Zustand des politischen Aufbaues, die Fundamentierung dieses Staates durch den Militarismus schließt unser Urteil über diesen Staat völlig ab. Sie wissen, wie viel der Militarismus wert ist, der Militarismus ist ein Mittel in der Hand der Herrschenden, aber die Erfahrungen des Weltkrieges haben gezeigt, es kann sich dieses Mittel auch gegen jene richten, die es heute gebrauchen. Ebenso ist auch der Militarismus eine schwankende Grundlage, auf der Sie diesen demokratischen Staat aufgebaut haben.


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