Pátek 5. listopadu 1920

Wenn ich bisher vom Schulwesen allgemein gesprochen habe, so möchte ich noch besonders unserer deutschen Hochschulen gedenken, die in Prag ein Martyrium zu bestehen haben, das geradezu unbeschreiblich ist. Ich will heute nicht mehr von dem berüchtigten Universitätsgesetz sprechen, das auf die Einschnürung der Lehrtätigkeit ausgeht, um letzten Endes das geistige Niveau der deutschen Universität herabzudrücken. Aber abgesehen davon, haben sich auch die Verhältnisse der deutschen Studentenschaft in Prag derart gestaltet, daß sie einfach als unhaltbar bezeichnet werden müssen. Ich will nicht von den Erschwernissen sprechen, die die deutschen Studenten inmitten einer fanatisierten Bevölkerung zu erleiden haben, welche schon das Deutschsprechen auf der Straße als Beleidigung auffaßt. Ich überlasse die Kennzeichnung dieser Verhältnisse lieber den wenigen hier wohnenden Engländern, deren Worte für die Außenwelt weit bedeutender ins Gewicht fallen. Ich will nur von dieser Stelle aus dem einmütigen Willen der deutschen Bevölkerung Ausdruck geben, die die sofortige Verlegung der deutschen Hochschulen in das deutsche Sprachgebiet fordert.

Übergehend zu dem Kapitel der Eisenbahnverwaltung müssen wir vor allem feststellen, mit Bedauern feststellen, mit Entrüstung feststellen, daß der Herr Ministerpräsident kein Wort für die vielen Hunderte entlassener, gemaßregelter, außer Landes gejagter Eisenbahner gefunden hat. Ich glaube aber auch, daß es Pflicht der Eisenbahnverwaltung ist, mit aller Raschheit dafür Sorge zu tragen, daß die Fahrpläne im deutschen Sprachgebiete unter Hinzuziehung der wirtschaftlichen Körperschaften zweckentsprechend abgeändert werden.

Die diesbezüglichen Vorschläge werde ich an der Hand des Tatsachenmaterials im Verkehrsausschuß vorbringen. Ich möchte aber die Eisenbahnverwaltung auch auf die unerhörten sanitären Zustände aufmerksam machen, die eigentlich darauf hindeuten, daß wir in die Reihe der Balkanstaaten hinabgesunken sind. Ungezählte Lokalbahnprojekte im deutschen Sprachgebiete harren ihrer endlichen Durchführung. Viele davon sind die Voraussetzung der Erschließung neuer Erwerbsquellen für die arbeitslose Bevölkerung. Eine durchgreifende Verbesserung des Post-, Telegraphen- und Telephon-Verkehrs ist dringend geboten.

Wir richten an die Regierung schließlich die neuerliche Aufforderung dahin zu wirken, daß unsere Guthaben beim Wiener Postsparkassenamt mit aller Raschheit in èechoslovakischer Währung zur Auszahlung gelangen.

Und nun komme ich zur Ernährungsfrage. Hier müssen wir uns klar sein, daß trotz der rosigen Schilderungen durch den Ministerpräsidenten wahrscheinlich schon zu Beginn des neuen Jahres wir einer Hungerskatastrophe gegenüberstehen werden, wie wir sie noch nie gesehen haben. Ich habe bereits früher erwähnt, daß in westböhmischen Blättern Nachrichten zu lesen sind, daß in den nächsten 14 Tagen kein Brot zu kaufen sein wird. Ich mache die Regierung darauf aufmerksam, uns nicht wieder mit Tabellen, Vorschreibungen, Kontingenten und wie die Ausdrücke lauten, abzuspeisen, sondern durch die Vorlage eines vollständig ausgearbeiteten, mit sachlichen Belegen versehenen Ernährungsplanes uns den Beweis zu erbringen, daß die Ernährung auch tatsächlich bis zur neuen Ernte greifbar sichergestellt ist. In dieser ernsten Lebensfrage müssen Schönfärbereien vermieden werden, weil es nicht angeht, mit dem Hunger, dem in erster Linie die Bevölkerung in den deutschen Städten ausgeliefert wird, zu spielen, um politische Eintagserfolge zu erzielen.

Ein weiteres höchst wichtiges Kapitel betrifft die Behebung der Wohnungsnot, unter der insbesondere die Arbeiterschaft und die Festangestellten zu leiden haben. Wir müssen auch bei dieser Gelegenheit der Regierung ernst ins Gewissen reden, daß die Wohnungsfrage nicht durch noch so schöne Erklärungen, Versicherungen und Subventionen und alle möglichen anderen Sachen zu beheben ist, sondern daß auch hier die Tat alles ist. Ich will hier nun eines der vielen Beispiele in meinem Wahlkreise anführen, wie die Regierung bisher der Lösung der Wohnungsnot in den deutschen Städten näher getreten ist. Die Stadtgemeinde Falkenau an der Eger hat bereits zu Beginn des Vorjahres ein Gesuch beim Ministerium für soziale Fürsorge bezüglich der Errichtung von 20 Arbeiterwohnhäusern eingebracht und um Subventionierung ersucht. Die Erledigung dieses Ansuchens ist bis zum heutigen Tage nicht erflossen, dagegen wurde dem Stadtrate mittlerweile die Nachricht zuteil, daß die Stadt mit einer ständigen Garnison von rund 600 Mann belegt werden soll. Trotz aller Vorsprachen, Proteste, Einwendungen unter Hinweis auf die ungeheuere Wohnungsnot wurde das Grenzjäger-Bataillon No. 5 nach Falkenau verlegt. Zu jener Zeit waren ungefähr 200 wohnungssuchende Parteien in Falkenau vorhanden. Die Forderungen der Militärbehörden gingen immer dahin, das von Arbeiterfamilien bis ans Dach vollgepfropfte alte Amtshaus zu räumen, überdies erhielt die Stadtgemeinde am 30. September ds. J. den Auftrag, für 12 Offiziere und Unteroffiziere sofort die notwendigen Wohnungen beizustellen. Hiebei muß berücksichtigt werden, daß sich mittlerweile die Wohnungsnot so verschärft hat, daß derzeit beim Wohnungsamt 451 wohnungssuchende Parteien mit rund 1600 Köpfen angemeldet sind.

Aus diesem Beispiel können Sie ersehen, wie die Regierung praktisch an die Lösung der Wohnungsnot schreitet. Das ist das soziale Verständnis, welches die Regierung unserer armen deutschen Bevölkerung entgegenbringt, die, wie dies in einer Reihe von Industriestädten gleich Falkenau der Fall ist, oft bis zu 6 und 8 Köpfen in einem Raume zusammengepfercht ihr Dasein fristet. Da hat die Regierung keine anderen Sorgen, als neue Garnisonen zu errichten, neue Kasernen zu bauen und auf diese Art und Weise, wie Sie aus der Nichterledigung des vorher angeführten Gesuches erseheu, nicht nur nichts für die Behebung der Wohnungsnot zu tun, sondern im Gegenteil diese auf die Spitze zu treiben.

Es war mir nicht möglich, in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf alle wichtigen Teile der Regierungserklärung einzugehen, aber ich glaube zur Genüge dargetan zu haben, daß wir Deutschen dieser Regierung überhaupt kein Vertrauen entgegenbringen können und trotz unserer Bereitwilligkeit, an dem wirtschaftlichen Wiederaufbau mitzuarbeiten, durch das feindselige Verhalten der Mehrheit dieses Hauses und der Regierung daran gehindert sind.

Meine Herren! Schwer lastet das Schicksal auf unserem ganzen deutschen Volke und insbesondere auf uns Deutschen in diesem Freistaate. Wir sind heute noch schutzlos Ihrer Gewaltherrschaft ausgeliefert. Sie haben sich ein Ziel gesteckt, ob es ein edles ist, wird dereinst die Geschichte entscheiden, gestützt auf die Bajonette Frankreichs fast vier Millionen Deutsche in diesem Staate zu entnationalisieren. Sie wollen damit ein Werk des Hasses und der Rache vollbringen und geben sich noch heute der seligen Hoffnung hin, daß dies für ihr arbeitstüchtiges, aber irregeleitetes Volk von bleibendem Vorteil begleitet sein wird. Sie sind das Siegervolk, wir die Unterworfenen. Sie haben aber Ihren Sieg nicht im offenen Feldkampfe Mann gegen Mann errungen, sondern hinter verschlossenen Türen bei den Friedensverhandlungen in Saint-Germain und Versailles, durch Kunstgriffe im Memoire IH, das für ewig ein merkwürdiges Ehrenblatt in der èechischen Geschichte bilden wird, und noch für kommende Geschlechter Zeugnis ablegen wird, wie in dem sogenannten demokratischen Zeitalter mit dem heiligsten Rechte der Völker umgesprungen wurde.

Ich will Ihnen aber zum Schlusse eines zurufen. Hämmern Sie nur fest zu auf unser armes, gutgläubiges deutsches Volk, das heute noch uneinig und zerrissen und deshalb schutz- und wehrlos ihren Angriffen ausgesetzt ist. Vielleicht wird der Läuterungsprozeß umso schneller vor sich gehen und wie schon so oft in der Geschichte des deutschen Volkes, wird es vielleicht dem Feinde gelingen, die deutsche Einheit zu schmieden. Noch liegt es in Ihrer Hand, durch Erfüllung unserer gerechten Forderungen ein halbwegs erträgliches Nebeneinanderleben der Völker auf wahrhaft demokratischer Grundlage zu ermöglichen. Glauben Sie aber nicht, daß, weil wir heute noch schutzlos sind, wir auch hoffnungslos geworden sind. Niemals! Wir tragen die feste Hoffnung im Herzen und die Volksabstimmung in Kärnten hat bewiesen, daß unser Volk von sieghafter Lebensbejahung erfüllt ist und auch die Kraft in sich trägt, die Ketten der Knechtschaft zu brechen. (Potlesk nìm. poslancù.)

2. Øeè posl. Simma (viz str. 149. protokolu):

Hohes Haus! Mir ist von meiner Gruppe, der Fraktion der nationalsozialistischen Abgeordneten, die Aufgabe zu teil geworden, zu der Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Stellung zu nehmen, die der Herr Ministerpräsident schon in der Obmännerkonferenz vom 29. September wie auch in der Sitzung des Ständigen Ausschusses der Nationalitätenversammlung desselben Tages und letztendlich in der ersten Sitzung der Herbstsession dieses Hauses in etwas erweiterter, gedehnter Form abgegeben hat. Weil diese Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten nun die Leitlinien zeichnet, nach welchen die neue Regierung, die von ihm selbst als Übergangskabinett bezeichnet wird, Ihre Arbeit zu tun gedenkt, und weil diese Leitlinien sich eigentlich durch nichts und in nichts unterscheiden von jenen Leitlinien, auf denen sich das Programm der alten Regierung, die Tätigkeit des alten Kabinettes bewegte, deshalb wird unsere Stellungnahme zur neuen Regierung durch nichts und in nichts geändert sein von dem Verhältnis, das wir zur alten Regierung gehabt haben.

Nach den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten wird es die Regierung als ihre oberste Aufgabe betrachten, für die Beruhigung der durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse erregten Offentlichkeit und für die Befestigung der innerpolitischen Zustände Sorge zu tragen. Meine Herren, wir meinen, daß dieses Endziel der Regierung ja ein durchaus erstrebenswertes ist, ein Ziel, dem eigentlich ausnahmslos und unterschiedslos sich alle verschreiben könnten und müßten. Wir meinen aber auch, daß dieses Ziel, das sich die Regierung in ihrer Erklärung steckt, unerreichbar ist, und zwar insolange, als sich die psychologische Verfassung der Regierenden, die psychologische Verfassung der Herrschenden in diesem Staate nicht ändert. Solange wird das Ziel, das sich die Regierungserklärung als zu erreichendes Ziel steckt, nicht erreichbar sein, insolange der Geist anhält, der in diesem Staate seit dem Tage seines Bestandes herrscht, und solange diesem Staate weiter das Wesen aufgedrückt ist, das ihm aufgedrückt war und ist seit dem Tage seines Entstehens. Wir bezeichnen aus all diesen Gründen heraus das Ziel, welches sich die Regierungserklärung steckt, als unerreichbar. Denn was bisher in diesem Staate sich vollzogen hat, das waren Benachteiligungen, das waren Übervorteilungen, das waren Unterdrückungen, Vergewaltigungen und Brutalitäten, verübt an den Deutschen wie an den Minderheitsnationen überhaupt, Übervorteilungen und Bedrückungen, die mit einer Systematik und Planmäßigkeit sondergleichen betrieben wurden, mit der mehr oder minder versteckten Endabsicht, uns Deutsche in diesem Staate zu schädigen und dem Untergang zuzuführen, die vollständige Vernichtung des deutschen Volkes in kultureller und wirtschaftlicher Beziehung in diesem Staate zu provozieren. Wenn ich das behaupte, behaupte ich es mit vollem Recht und ich werde nicht verabsäumen, im Verlaufe meiner weiteren Ausführungen eine Fülle von Beispielen für die Richtigkeit dieser meinen Behauptungen anzuführen.

Aber freilich hat man gerade dadurch, hat man gerade durch dieses systematische Vorgehen gegen uns, durch das brutalisierende Benehmen uns gegenüber bisher noch nicht das zu erreichen vermocht, was sich die Regierungserklärung als oberste zu erreichende Aufgabe vorstellt und zum Ziel steckt: die innere Konsolidierung in diesem Staate, die Ruhe und den Frieden. Wie kann das aber auch sein, wenn man in Vermessenheit, denn Kühnheit kann man das füglich nicht mehr heißen, wenn man in Vermessenheit wagt, in diesem Staate gegen das deutsche Volk wie gegen die anderen Minderheitsnationen so vorzugehen, obwohl diese Minderheitsnationen in ihrer Gesamtheit ziffermäßig der herrschenden Nation in diesem Staate überlegen sind? Was sich aus diesem Vorgehen ergibt, das ist ein Fluch, der aus der bösen Sünde resultiert, die man gegen die ethnographische Wirklichkeit dieses Staates begeht.

Sie müssen verstehen, daß schon die Absprechung des Rechtes, uns nach dem Zusammenbruch des Krieges, des furchtbarsten aller Kriege, selbst bestimmen und selbst orientieren zu können, daß schon dieser Umstand, daß dieses Recht der Selbstbestimmung und Selbstorientierung uns abgesprochen wurde, für uns einen Schicksalsschlag voll geschichtlicher Schwere darstellt. Denn mindestens ebenso heiß als die Èechen strebten wir Deutsche unser eigenes Haus, strebten auch wir unseren Nationalstaat an und es schwebte uns im gegebenen Moment, im Augenblicke des Zusammenbruches des alten Österreich und des Beginnes der Revolution das Bild eines großen deutschen Vaterlandes vor Augen, eines großen deutschen Einheitsstaates, der gereicht hätte von den Bergen der Alpen im Süden mit ihren schnee- und eisgekrönten Häuptern bis hinauf zu den Wogen des deutschen Meeres im Norden und in anderer Richtung von den Bergen der Wasgau bis hinüber nach Osten zum trennenden Tiefland. Ein großes deutsches Vaterland suchten wir in diesem gegebenen Moment, in diesem Augenblick zu schaffen, den Gedanken eines großen deutschen Vaterlandes suchten wir zu verwirklichen, das in sich geborgen hätte die Zeugen alter großer deutscher Vergangenheit und das in sich geborgen hätte die Schönheiten Tirols, die Schönheiten der grünen Steiermark, die Schönheiten des Salzkammergutes, des bayrischen Hochgebirges, des deutschen Mittelgebirges, die Schönheiten der Rheingaue u. s. w. Schon der Umstand, daß es uns nicht möglich war die Verwirklichung dieses Ideals zu erreichen, dieses kühnsten Wunsches der besten deutschen Männer aller Zeiten, schon das versetzte uns in eine unsagbare Stimmung nach dem Umsturz, nach dem Zusammenbruch des Krieges. Und, meine sehr Geehrten, auf diese Seelenstimmung, die uns in jenem Augenblicke erfüllte, nahmen Sie durchaus keine Rücksicht, sondern im Gegenteil, Sie demütigten uns durch eine Kette von Maßnahmen, Verordnungen und Verfügungen.

Daß die willkürliche Bestimmung der staatlichen Zugehörigkeit der einzelnen Stämme und Völker den Siegern selbst als der Propaganda der Moral entgegengesetzt erschien, mit der sie so wirksam den Niederbruch des deutschen Volkes betrieben hatten (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.), daß auch die Sieger fühlten, daß die willkürliche Bestimmung der staatlichen Zugehörigkeit der Völker und Nationen nicht im Sinne des Evangeliums der 14 Punkte Wilsonslag, das bezeugt auch der Umstand, daß man selbst in dem tollen Treiben und in den wüsten Orgien des Friedenskongresses das böse Gewissen nicht ganz zu ersticken vermochte. Da über dem Friedenskongreß der böse Atem einer politischen Unmoral schwebte, jener böse Atem der Unmoral, der grinsend allen jenen begegnete, die da gebaut hatten auf den Einfluß des damals in der ganzen Welt mächtiges Ansehen genießenden Großen, der auf der "George Washington" nach dem unglücklichen Europa hinüberkam, so waren wir eben durch die Tatsachen, die sich ereigneten, bitter enttäuscht. Aber es regte sich dennoch manches für die, die man betrog, die im Vertrauen auf ein feierliches Abkommen über den allgemeinen Charakter des Friedens und im Vertrauen und in der Hoffnung auf einen Frieden der Gerechtigkeit und Großmut, in der Hoffnung auf die Wiederherstellung des unterbundenen Kreislaufes des Lebens die Waffen gestreckt hatten. Und es regte sich noch am meisten für die, die man verschachert, die man verkauft, die man als Ware zugeschoben hatte. Sie werden sich wundern, daß ich das alles erwähne, aber ich muß das alles sagen, weil in diesem Gedankengang sich die wahren Gründe und Ursachen ausprägen für die Gereiztheit und Gespannheit, für die Atmosphäre der Gereiztheit und Gespannheit, die diesem Staat als Charakteristikum dient, die aber nicht nur charakteristisch ist für diesen Staat, sondern auch für eine weitere Sphäre. Man erinnerte sich selbst auch in dem Wirbel der Tage zu Versailles und St. Germain unser und schuf zu unserem Schutze Bestimmungen, die Ihnen ja bekannt sind aus dem zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten einerseits und der èechoslovakischen Republik anderseits abgeschlossenen Friedensvertrag zu St. Germain vom 10. September 1919, Bestimmungen, denen man im Wortlaut und im Geiste eine gewisse Sittlichkeit gewiß nicht absprechen kann, die sich aber als Wohltaten für eine Minderheitsnation nur dann erweisen würden, wenn in der Tat der ehrliche Wille bestünde, diese Bestimmungen ehrlich zu respektieren und zu befolgen. Für diesen ehrlichen Willen ist aber in diesem Staate kein Raum. Die Geschichte wird manches an Klarheit schaffen. Schon jetzt beginnt Licht in dem Dunkel jener Tage zu werden, in denen man über ganze Völker und Stämme entschied und es eröffnet sich der erstaunten Welt immer mehr und mehr, welche Einflüsse damals wirksam und an der Arbeit waren, um die Zukunft derart zu lösen, die Zukunft Europas, die auch unsere Zukunft ist. Auch unser Außenminister Dr. Beneš war einer, der an der Gestaltung der Dinge Teil nahm. Und wenn auch seine Arbeiten, für welche das ja jüngst bekannt gewordene Memoire geradezu typisch ist, nicht einzig und allein die Lösung unseres Schicksales, des Schicksales des deutschen Volkes wie auch der anderen Minderheitsnationen zu Stande zu bringen in der Lage waren, so mag doch sein Einfluß wie viele andere Hunderte und Tausende Einflüsse mitbestimmend gewesen sein, eine Lösung zu bringen, die man, meine Herren, eben durch eine derartige Arbeit provoziert. Ganz recht beurteilt indessen Dr. Beneš die "nation allemande" als ein Problem dieses Staates, das man nicht mit lapidaren Sätzen, wie "Die Deutschen sind nur Kolonisten", gelöst hat, das aber auch nicht gelöst wurde durch die diffamierenden Schriften des Memoires, von dessen glücklicher und besserer Lösung aber das abhängt, was sich die Regierungserklärung als oberstes Ziel steckte, nämlich die innere Ruhe in diesem Staate, die Befestigung der Verhältnisse, der Frieden in diesem Staatswesen.

Wir wissen, daß die nationalen Kämpfe, die in diesem Staate toben, wirtschaftshemmend sind, wir wissen, daß sie sogar wirtschaftszerstörend sind und daß die nationalen Kämpfe in diesem Staate den Aufbau verhindern. Meine Herren, es ist dies nicht unsere tragische Schuld. Geben Sie Raum dem Gedanken der Freiheit und Gleichheit aller Bürger und Völker in diesem Staate, geben Sie Raum der Forderung nach Selbstverwaltung der einzelnen, in diesem Staate nicht nach ihrem Willen lebenden Nationen, geben Sie Raum der Verwirklichung des Gedanken der völkischen Autonomie als Mindestforderungder Minderheitsnationen, als insonderheit unserer Mindestforderung, und es wird in diesem Staate Friede herrschen. Machen Sie zur Wirklichkeit das, was Ihr großer Mann als erste Voraussetzung bezeichnete für das Leben eines Nationalitätenstaates, nämlich die Anerkennung des Prinzipes der Freiheit, der Freiheit aller in diesem Staate lebenden Völker! Dann wird, wie ich schon einigemal betont habe, Friede, Ruhe und Ordnung kommen.

Wenn ich so spreche, habe ich volles Recht, so zu sprechen. Wir Nationalsozialisten sind nicht Autonomisten von heute. Schon im alten Österreich wiesen wir auf die Aufgaben hin, die ein Nationalitätenstaat zu lösen bemüht sein muß, ein Völkerstaat, wie er durch das alte Österreich repräsentiert war, dem ja in seiner ethnografischen Konstruktion die èechoslovakische Republik relativ nicht nachsteht. Wir wiesen also schon in der Vorkriegszeit und in unserer Denkschrift von Ende 1915 an die österreichische Regierung darauf hin, daß diese Selbstverwaltung der Völker auf der Grundlage des Territorialprinzips der einzig mögliche Quaderstein sein kann, auf dem ein Nationalitätenstaat, ein Völkerstaat zu ruhen in der Lage ist. Wir wiesen schon im alten Österreich auf die Notwendigkeit der Regelung der Frage in diesem Sinne hin, denn nur wenn in einem Nationalitätenstaate, einem Völkerstaate die Frage in diesem Sinne gelöst ist, nur dann ist ein wirklicher sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Fortschritt möglich. Nur dann wird in diesem Staate sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Fortschritt möglich sein, wenn die Lösung der Nationalitätenfrage vorausgehend eine ordnende Verabschiedung erfährt.

Über der Forderung nach Selbstverwaltung, die wir in diesem Hause erheben für die Zeit, für welche unser Volksstamm durch das geschichtliche Schicksal an dieser Form festgehalten wird, über dieser Forderung nach Selbstverwaltung halten wir jedoch fest an der Forderung nach dem Rechte der Selbstbestimmung und stellen sie über die Forderung nach dem Rechte der Selbstverwaltung. Wir werden für die Erreichung dieses Rechtes die höchsten Opfer zu bringen imstande sein. Ich kann auch erklären, daß meine Partei auch an dem Inhalte der staatsrechtlichen Erklärung festhält, die wir am 1. Juni in diesem Hause abgegeben haben.

Meine sehr Verehrten, wir sind selbstverständlich nicht imstande, bestimmen zu können, wie lange uns die Geschichte in dieser Staatsform festhalten wird. Wir sind nicht imstande, das bestimmen zu können und wollen es auch nicht. Weder können wir versuchen, diese Zeit gefühlsmäßig zu bestimmen, noch versuchen, für die Länge dieser Zeit vielleicht eine verstandesmäßige Berechnung aufzustellen. Aber das eine ist klar: daß wir für die Zeit, in welcher wir in diesem Staate leben, die Forderung nach Selbstverwaltung, die Forderung nach Autonomie als energische und kategorische Forderung erheben werden und daß dieser Staat nicht zur Ruhe kommen wird, solange er in dieser Form besteht, in der er sich jetzt zeigt, als bis dieser Staat zur Einsicht gekommen ist, daß diese Ruhe nur erreicht werden kann durch Gewährung des Rechtes auf Selbstverwaltung, der Autonomie für die Minderheitsvölker, für jene Völker, welche nicht freiwillig in diesen Staat eingetreten sind. Dann ist selbstverständlich auch das Ziel erreicht, welches sich der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung stellte.

Die Èechen sündigten in diesem Staate zuviel, als daß wir einmal auf Gerechtigkeit hoffen könnten. Es sind Drangsalierungen und Brutalitäten an uns in unendlicher Kette geschehen. Man schuf sich in diesem Staate die endgiltige Verfassung gegen unseren Willen, ja gegen den tausendfältig von uns erhobenen Protest und im Gegensatz zu Artikel VII des Friedensvertrages von St.-Germain. Man schuf sich in diesem Staate eine Unmenge anderer Gesetze, die auf dem Gebiete der Wirtschaft, auf dem Gebiete der Kultur gegen uns gerichtet waren, zu unseren Ungunsten gehandhabt werden. Man schuf sich in diesem Staate eine Menge von Gesetzen, deren Endzweck ist - fast in allen Fällen - unsere Kultur und unsere Wirtschaft zu zerstören. Vorausgehend unsere Kultur, weil die Herren von der Gegenseite ganz richtig kalkulierten, daß mit der Zerstörung unserer Kultur auch die Voraussetzungen zur Zerstörung unserer Wirtschaft gegeben sind. Und so wütet man schon seit Jahren gegen unser gesamtes Schul- und Bildungswesen, von der Hochschule an, dem kostbarsten Gut unseres Volkes, bis herab zu den Bürgerund Volksschulen.

Meine sehr Verehrten! Die Zerstörung unseres Schulwesens ist Tatsache, wenn sie auch oftmals geleugnet wurde, und insbesondere von den Offiziosen dieses Staates geleugnet wird, auch vom Herrn Unterrichtsminister, der in seiner Antwort vom 26. Oktober auf eine Interpellation, die ich mit meinem Parteigenossen Patzel ihm einzusenden Gelegenheit genommen habe; auch er sagte, daß bisher dem deutschen Volke an seinem Schul- und Bildungswesen nichts genommen worden ist. Ich werde dann in der Darstellung der Tatsachen die ganze Unstichhältigkeit der Äußerung des Herrn Unterrichtsministers widerlegen. Ich will mich nicht damit beschäftigen, in welcher Art und Weise unsere Hochschule verkürzt und geschädigt wurde. Aber eines Gesetzes muß ich hier Erwähnung tun, es ist das Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Errichtung von èechischen Schulen. Es ist das ein Gesetz, das füglich zu dem Zweck geschaffen wurde, èechische Minderheitsschulen im geschlossenen deutschen Siedlungsgebiet zu errichten, ein Gesetz, das aber, ganz entgegengesetzt der Absicht, in der es vielleicht ursprünglich geschaffen wurde, auch gegen unser Schulwesen gehandhabt wurde, obwohl das nach unserer Meinung eine arge Unzulässigkeit und Ungesetzlichkeit bedeutet. Die Bedrängnisse unseres Schulwesens sind bisher geradezu furchtbar gewesen. Man drosselt unser Schulwesen in der entsetzlichsten Weise. Der furchtbarste Paragraph ist aber für uns in dem Gesetze vom 3. April 1919 der § 9, der den Vorsitzenden des Landesschulrates - und es ist augenblicklich und dermalen der ja in dem klei nsten deutschen Dorfe bekannte Herr Dr. Heinrich Metelka - das Recht in die Hand gibt, Klassen aufzulassen, Schulen zu sperren, Knaben- und Mädchenbürgerschulen zu gemischten Bürgerschulen zu vereinigen, Bürgerschulen ganz aufzulassen; kurz dieser § 9 gibt dem Vorsitzenden des Landesschulrates geradezu diktatorische Macht in die Hand. Ohne einem anderen Faktor nur verantwortlich zu sein, besitzt dieser Mann die Macht, über das gesamte Schulund Bildungswesen nach seinem Ermessen zu verfügen, eine Sache, die ganz im Gegensatze steht zu den Forderungen nach einer gerechten demokratischen Verfassung. Sie werden mir entgegnen, daß dieses Gesetz ja auch für die èechischen Schulen gilt. Aber ich bin der Meinung, daß es unmöglich ist, daß dieses Gesetz in so furchtbarer Weise gegen die èechischen Sch ulen gehandhabt wird. Sie mögen gewiß pro forma dieses Gesetz als Schulvernichtungsgesetz auch an einigen èechischen Klassen und Schulen geübt haben, aber jene umfassende Benützung dieses Gesetzes, insonderheit des § 9 dieses Gesetzes, wie sie sich zeigt im deutschen Siedlungsgebiete, eine so umfassende Benützung dieses Gesetzes würde man im èechischen vergeblich suchen. Mit Hilfe dieses Gesetzes wurde unser Schul- und Bildungswesen auf das Furchtbarste bedrängt. In der Sitzung vom 30. September 1919 bezeichnete der Vorsitzende des Landesschulrates Dr. Heinrich Metelka, die bisher an dem deutschen Schul- und Bildungswesen verübte Gewalttaten mit folgenden Zahlen: In 370 Orten wären bisher 30 deutsche Schulen und 576 deutschen Schulklassen vernichtet worden. Dieser Bericht ist an und für sich schon entsetzlich. Aber die ganze Sache wird noch entsetzlicher, weil wir diesem Bericht keinen größeren Wert beimessen können, als lediglich den Wert eines offiziellen Berichtes, der durch die Tatsachen, durch die Wahrheit leider noch in entsetzlicher Weise übertroffen wird. Es ist klar und feststehend, daß in diesem Staate bis heute schon weit über tausend deutsche Klassen und Schulen vernichtet wurden, eine Zahl, die gewiß bestätigt werden kann von jedem, der Gelegenheit hatte, im politischen Schulausschuß des Verbandes deutscher Selbstverwaltungskörper zu sitzen und die Fülle von Akten zu schauen, die dort einlaufen, und die verzweifelten Hilferufe vieler deutschen Gemeinden zu hören aus Nord und Süd und Ost und West, die in Angelegenheit der Schuldrosselung im politischen Schulausschuß einlaufen. Es wurde in den letzten Tagen vor Beginn des heurigen Schuliahres im Landesschulrate eine geradezu fabriksmäßige Vernichtungstätigkeit gegen das deutsche Schulwesen geübt. Ich war selbst Zeuge, daß an einem Tage 120 Akten durch den Landesschulrat expediert wurden, von denen jeder einzelne ein Todesurteil gegen deutsche Klassen, bzw. deutschen Schulen enthielt. (Hört! hört!) Ich gehe nicht fehl, wenn ich die Zahl der bisher vernichteten deutschen Schulen und Klassen mit weit über tausend bezeichne, entgegengesetzt dem offiziellen Berichte des Herrn Dr. Heinrich Metelka. Wenn Sie sagen, daß in der Tätigkeit, die Sie auf Grund dieses Gesetzes gegen unser deutsches Schul- und Bildungswesen verübten, in jedem Falle Objektivität geherrscht hat, so ist das die größte Unwahrheit, die jemals gesagt werden kann. Sie schlossen mit derselben Kaltblütigkeit, mit der Sie vielleicht eine Klasse an einer höher organisierten Schule schlossen, mit derselben Kaltblütigkeit auch eine Gebirgsschule, wie wir deren im deutschen Siedlungsgebiete eine Menge besitzen. Ich habe einige solcher Fälle kennen gelernt. Solche Fälle sind gleichbedeutend mit dem Raub ieder Bildungsmöglichkeit für die Kinder in solchen Gebirgsgegenden. Ich weiß, es herrscht ein böses Gewissen im Landesschulrate und im Unterrichtsministerium. Dieses böse Gewissen zeigt sich darin, daß man in der letzten Zeit versuchte, die krassesten Fälle derartiger Schuldrosselungen zu reaktivieren. Gerade durch diese entsetzliche Schulpolitik, die einstens die Geschichte dieser Republik entstellen wird, rühren Sie unser deutsches Volk in den innersten Tiefen auf, und Sie wissen, daß es oftmals schon einem wogenden Meere glich, wie zur Zeit des Schulstreikes am 8. und 9. Oktober, der in den deutschen Siedlungsgebieten tobte. Wir müssen für unser Volksbildungswesen Freiheit bekommen. Und wie die Forderung nach Selbstverwaltung überhaupt in diesem Staate die kategorische Forderung der nächsten Tage sein wird, so im speziellen die Forderung nach Selbstverwaltung für unser Schulund Bildungswesen. Wir verlangen, daß künftighin die Klassensperrungen eingestellt und nicht mehr vorgenommen werden durch den Vorsitzenden des Landesschulrates, sondern lediglich durch den Unterrichtsminister nach Anhörung der deutschen Abteilung des Landesschilrates. Und weiters fordern wir eine Revision aller bisher auf Grund dieses Gesetzes verübten Verbrechen an unserem Schul- und Bildungswesen.


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