Ètvrtek 4. listopadu 1920

Wie behandeln Sie die Arbeitslosen? Daß wir überhaupt eine Arbeitslosenfrage in solch erschreckendem Umfange vor uns sehen, ist doch vor allem nichts Anderes als die Folge Ihrer von Grund aus verkehrten Wirtschaftspolitik, wie es unser leider verstorbener Seliger in seiner ersten Rede von dieser Stelle aus so ausgezeichnet dargelegt hat. Aber verständnislos stehen Sie auch diesem Problem gegenüber, und was Sie in der Arbeitslosenfrage bisher getan haben, atmet den Geist einer Feindseligkeit gegenüber allen notwendigen Maßnahmen, die für die Zukunft leider sehr wenig erhoffen läßt. Hier wäre nun schon noch Eines besonders zu unterstreichen und hervorzuheben: im Ständigen Ausschuß hat man sich mit der Frage der Arbeitslosenfürsorge beschäftigt und dieser Ständige Ausschuß hat u. a. den Beschluß gefaßt, daß die arbeitslos gewordenen Textilarbeiter ausnahmslos in den Genuß der Arbeitslosenfürsorge zu setzen sind. Was hat die Regierung getan? Sie schert sich den Teufel um die Beschlüsse des Ständigen Ausschusses, sie macht, was sie will, sie schreitet kalten Herzens darüber hinweg und eine Verordnung, die notwendig geworden wäre, ist nicht erfolgt. Nun gehen Sie daran, jetzt, wo die Zahl der Arbeitslosen von Woche zu Woche wächst, die Summe, die zur Unterstützung der Arbeitslosen ausgegeben wird, von 267 Millionen im Jahre 1920 auf 100 Millionen in diesem Jahre herabzusetzen, und das angesichts der unausgesetzt steigenden Tendenz der Preise aller Lebensmittel und Bedarfsartikel! Die Unterstützung bleibt die gleiche, Sie drosseln sie sogar, wo Sie irgendwie können. Ja, was denn, frage ich Sie, meine Herren, was denn wollen Sie von diesen Arbeitslosen? Wünschen Sie, daß sie betteln gehen, daß sie zu Dieben werden?

Ja freilich, ich weiß schon! Sie haben Polizei und haben Gendarmerie, und im Budget haben Sie dafür ungeheuere Summen ausgesetzt. Sie haben Staatsanwälte, Legionäre, Kerker und Sie haben auch Galgen, wenn es Not tut, Galgen z. B. für die Leute, die, von Arbeitslosigkeit getrieben, in den Grenzgebieten des Staates durch Schmuggel das zu ersetzen trachten, was Sie Ihnen harten Herzens an Arbeitslosenunterstützung vorenthalten. Für die richten Sie Galgen des Standrechtes auf, eine Schande für Sie, beispiellos in der Geschichte! Ich frage Sie und erbitte Ihre Antwort, nennen Sie mir ein Land, wo jemals für Schmuggel Galgen aufgerichtet worden wären! Das mag zur Zeit Karl V., zur Zeit der hochnotpeinlichen Halsgerichtsordnung unter Karl V. zeitgemäß gewesen sein, in einer demokratischen Republik ist das eine ganz erlesene Note, die man so rasch wo anders nicht wird finden können.

Wenn Sie dem Schmuggel und den Schiebereien vorbeugen wollen, gehen Sie in die Prager Kaffeehäuser! Dort werden Sie reichere Beute finden, als in den Tälern des Erz- und Riesengebirges, wo Sie nach armen Teufeln fahnden, die Sie zuerst verhungern lassen und die Sie dann an den Galgen bringen wollen, wenn sie aus Not und Verzweiflung schmuggeln. Es ist notwendig, daß die Fürsorge für die ärmsten Opfer ihrer Wirtschaftsordnung, die ärmsten Opfer der Regierungsmethode dieses Staates, daß die Fürsorge für sie eine ganz andere wird. Die soziale Gesetzgebung muß ernsthaft auch hier in Angriff genommen werden. Wir verlangen einheitliches Arbeiterrecht. Die Frage der Alters versicherung, die Frage der Invalidenversicherung, die Frage auch der Schaffung einer Arbeitslosenversicherung wird brennender und unaufschiebbarer von Tag zu Tag.

Und nun gestatten Sie mir in ganz wenigen Worten noch auf einen Skandal zu verweisen, der aus diesem Staate nicht weicht. Ich meine die Schande der Volksernährung. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Erklärung uns die beruhigende Versicherung gegeben, daß in diesem Jahre die Volksernährung in viel höherem Maße gewährleistet sei als in den früheren Jahren und daß wir vor allem bis zu Weihnachten versorgt seien. Was nach Weihnachten ist, braucht ja einen Mann, für den das Wort gilt, daß Regieren Vorausschauen heißt, nicht zu kümmern. Aber es steht angeblich gut. Nun, meine Herren, wir haben solche schön gefärbte, solche optimistische Worte im Laufe von 6 Jahren sehr oft gehört. Und wenn ich mir so den Herrn Ernährungsminister ansehe und mich an die vielen Interventionen erinnere, die wir noch in der Zeit des alten Österreich bei ihm vorzunehmen Gelegenheit hatten, so weiß ich, daß der Herr Ernährungsminister nie verlegen war, wenn es galt, zu beruhigen und Versicherung abzugeben, daß man sich nicht ängstigen braucht. Wir sind zu oft getäuscht worden. Wir glauben diesen Versicherungen nicht mehr. Und wenn wir glauben könnten, am Fuße folgt die Tatsache, die Lügen straft. Soeben, vor einer halben Stunde ist mir telephonisch aus Falkenau mitgeteilt worden, daß dort schon nur mehr ein halbes Brot ausgegeben wird. Sagen Sie, Herr Ernährungsminister, wie stimmt das überein mit der schönfärberischen Darstellung, die Sie und der Herr Ministerpräsident, wohl aus seiner Unkenntnis der Dinge heraus, hier in diesem Hause gegeben haben? Glauben Sie, daß dieser Zustand möglich ist, glauben Sie, daß wenn wir jetzt verhältnismäßig kurze Zeit nach der Ernte in einer so unerhörter Misere stehen, daß das der Staat, daß Sie, die Regierung, daß wir das alles auszuhalten vermögen? Man muß doch endlich den Ernst der Dinge erkennen und muß sich bemühen, herauszuholen, was möglich ist. Was haben Sie denn getan, um die Landwirte, die sich sträuben, zu veranlassen, daß sie ihrer Ablieferungspflicht in vollem Maße nachkommen? Haben Sie wirklich auf dem Gebiete der Auslandskäufe das Mögliche erschöpft? Wieder verweise ich auf das arme Deutschösterreich, das im Jahre 1919, trotzdem es kaum zu leben vermag, die Summe von 3600 Millionen lediglich zu dem Zwecke verwendet hat, um die teueren Auslandspreise für die Lebensmittel beim Verkaufe an die Bevölkerung herabsetzen zu können? Es gibt hier kein Sparen, man darf die Bevölkerung einfach nicht dem Hunger so wahllos und bedenkenlos ausliefern, wie es bisher geschah, sonst, meine Herren - täuschen Sie sich darüber nicht - taumeln Sie der Katastrophe entgegen und alle schönen Worte werden dann daran nichts mehr ändern können.

Über die anderen Fragen der Ernährung wird ein Redner meiner Fraktion sich ausführlic her zu äußern Gelegenheit haben. Ich möchte nur noch eines sagen: Sie haben der Bevölkerung diese Brotabgabe versetzt. Ich verkenne nicht, daß die Tendenz, die ihr zu Grunde liegt, eine gute ist, daß da manches Nützliche durch Sie gewollt und geschaffen ist, aber es ist ke in Zweifel, daß auch da ganz furchtbare und unerträgliche Härten bestehen, und es ist ganz selbstverständlich, daß wir vor allem verlangen müssen, daß Sie in raschestem Tempo daran gehen, diese Härten zu beseitigen und daß Sie vor allem, wenn Sie schon die Menschen zwingen, diese Abgabe zu leisten, auch im Stande sind, dafür einzustehen, daß man das Brot und das Mehl, für das diese Abgabe zu leisten ist, auch wirklich bekommt. Bisher haben wir kaum die Hälfte dessen erhalten. Es ist geradezu - ich finde kein anderes Wort - ein Raub, den Sie an der Bevölkerung begehen, wenn Sie eine Abgabe verlangen für etwas, was sie nicht erhält.

Und noch ein Wort über den Zuckerpreis. Sie haben ihn ab 1. ds. Mts. auf K 7.90 erhöht. Es ist vielleicht interessant, daran zu erinnern, daß die Böhmische Zuckeraktiengesellschaft bei ei nem Aktienkapital von 8 Millionen einen Reingewinn von 4,640.000 K, also nahezu 60 % Reingewinn ausweist. Ich frage die Herren von der Regierung, die geglaubt haben, daß diese Zuckerpreiserhöhung in diesem Ausmaße unerläßlich und unbedingt notwendig war, ob angesichts eines solchen Riesengewinnes es wirklich so sein muß, und ich frage vor allem etwas anderes. Meine Herren von der Regierung, wir sind nicht gewillt, es dauernd zu ertragen, daß Sie das Parlament herabdrücken zu einem Komödienspiel. Denn nichts anderes ist es, wenn Sie 2 bis 3 Tage vor Zusammentritt der Vollversammlung dieses Hauses ohne das Parlament diese Erhöhung des Zuckerpreises in diesem Ausmaße beschließen, wenn Sie diese Erhöhung vornehmen, nicht nur ohne das Parlament zu befragen, sondern gegen den ausdrücklichen Wunsch und Beschluß des Ständigen Ausschusses, den Sie als einen Ersatz für dieses Parlament ja selbst geschaffen haben. Diese Zuckerpreiserhöhung stellt sich als ein unerhörter Willkürakt dieser Beamtenregierung auch dem Parlamente gegenüber dar. Und, meine Herren von der èechischen Seite, wenn es Ihnen ernst ist mit den Worten von der Demokratie, wenn es Ihnen ernst ist damit, daß das Parlament . . . . (Výkøiky èsl. poslancù.) Verehrter Herr Kollege Udržal, es hilft nichts, Sie wissen so gut, wie ich, daß ich èechisch nicht kann, wenn Sie etwas sagen wollen, so bitte ich es so zu sprechen, daß ich es auch verstehen kann. Wenn es Ihnen ernst ist mit der Demokratie und mit dem Parlamentarismus in diesem Staate, dann müssen Sie genau so, wie wir der Regierung sagen: "Wehe, wenn dieser Fall sich wiederholen sollte! Wir ertragen es nicht und wir dulden es nicht, daß das Parlament zu einem solchen Komödienspiel mißbraucht werde, wie es diesmal geschehen ist."

Ein besonderes Kapitel, das einer ausführlichen Darlegung bedürfte, ist die Art, wie Sie bei uns die Staatsangestellten behandeln.

Es wäre unendlich viel zu sagen über den nationalen Druck, den Sie ausüben und über die Bedrohung der nichtèechischen Beamten in ihrer Existenz, ihrem Fortkommen, wenn sie nicht in einer vorgeschriebenen Zeit in ausreichendem Maße die èechische Sprache erlernen. Aber ich will nur einiges über die materielle Seite sagen. Sie wollen eine Verdoppelung der vierteljährigen Teuerungszulage für die Staatsangestellten vornehmen und generös und nobel, wie der Herr Finanzminister ist, will er für die niedersten Kategorien überdies noch, man höre und staune, 20 K monatlich zulegen. Es ist also in überreichem Maße für die Staatsangestellten gesorgt. Nur werden dies wohl die Staatsangestellten mit ganz anderen Augen betrachten als Sie. Und wie die Lehrerschaft es auffaßt, daß Sie das von Ihnen beschlossene Gesetz vom 23. Mai 1919, das die Parität in diesen Fragen festlegt, daß Sie dieses einfach zerfetzen und zerreißen und daß Sie trotz der gesetzlichen Bestimmung diese Vorteile der Regelung der Zulagen der Lehrerschaft nicht zukommen wollen lassen, daß Sie so tun, als ob der Hunger den Lehrern weniger weh tut als den Staatsangestellten, das erhöht die Erbitterung im hohen Maße und setzt Sie ganz zweifellos auch vom Standpunkte des formalen Rechtes absolut ins Unrecht. Sie kommen nun mit dieser Teuerungszulage wieder, wie immer, natürlich zu spät. Wir haben bereits in der ersten Session entsprechende Vorschläge gemacht. Sie haben sie natürlich abgelehnt zu einer Zeit, wo die Verwirklichung dieser Vorschläge tatsächlich Hilfe gebracht hätte. Wir schlagen Ihnen jetzt wieder andere Maßnahmen vor, eine größere Erhöhung, eine außerordentliche Aushilfe, insbesondere auch für Weihnachten, und wir verlangen insbesondere, daß diese Vorteile nicht nur den unmittelbaren Staatsangestellten, sondern auch der Lehrerschaft zustatten kommen. Wollen Sie nicht zu Gesetzesverächtern werden, wollen Sie nicht kalten Herzens das Zerbrechen dessen, was Sie selbst geschaffen haben, so werden Sie, soweit es sich um die Lehrerschaft handelt, unseren Vorschlägen zustimmen müssen. Und gestatten Sie ein Wort wenigstens über ein bestimmtes Kapitel des Leides innerhalb der Lehrerschaft. Wir müssen endlich tun, was längst hätte geschehen müssen, daß Alt- und Neupensionisten einander gleichgestellt werden.

Es wird dadurch auch viel nützliches in der Frage der Vorrückung der Lehrkräfte geschehen. Heute ist es so, daß die materiellen Unterschiede in den Pensionsbezügen dieser beiden Gruppen so sind, daß es geschehen kann, daß einer nur die Hälfte dessen bezieht, als der andere. Das ist ein Skandal, der nicht aufrecht zu erhalten ist. Und noch eines: Sorgen Sie dafür, daß die Ärmsten der Armen in der Kategorie der Lehrpersonen, daß die Kindergärtnerinnen gleichgestellt werden den Handarbeitslehrerinnen. Was soll man denn dazu sagen, wenn man hört, daß es in diesem Staate noch Kindergärtnerinnen gibt, deren monatliches Einkommen 200 K, 160 K, ja 120 K beträgt! Das ist doch wahrhaft eine Kulturschande im besten Sinne des Wortes! Und mit verhältnismäßig kleinen Summen wäre sie aus der Welt zu schaffen. Man tue es, da auch hier die Erbitterung ins Maßlose gestiegen ist. Es geht nicht, daß man immer nur spart und spart auf Kosten der Bedürftigsten. Eine vernünftige Wirtschaftspolitik könnte den Staat instand setzen, gar manches einzuholen, was hier versäumt worden ist; und hätte man z. B. bei den Verkäufen des Exportzuckers mehr Vorsicht gezeigt, so ständen uns ungeheuere Summen zur Verfügung, mit denen viele hätte verwirklicht werden können, nach dessen Verwirklichung wir heute vergeblich schreien. Aber der Staat, in dem wir leben, ist nach allen Richtungen hin durchaus unsozial und ein Charaktermerkmal brennt ihm auf der Stirne: Er ist vor allem ein Militärstaat, ein Staat, der sich aufbaut auf dem Grundsatz der rücksichtslosesten Gewalt. Die Gewalt hat bei seiner Geburt gestanden, aus imperialistischen Erwägungen heraus ist er geworden. Die deutschen Sudetengebiete, die Slovakei haben Sie gegen ihren Willen zwangsweise in den Staat einverleibt und nun müssen Sie, wo dieser Staat sein inneres Gefüge nicht findet, zu seinem Schutze, zu seiner Erhaltung arbeiten. Seine Militärmacht, welche ungeheuere Summen verschlingt, seine Wehrmacht ist so ungeheuer groß, wie sie kein Staat vor dem Kriege besessen hat. Von 1212 Millionen Kronen im Jahre 1920 erhöhen sich die Ausgaben für die Militärmacht auf 2368 Millionen Kronen, d. h. Sie verdoppeln sie. Und die Ausgabe für die Post Schule, die bemessen Sie dann mit 608 Millionen Kronen. Das drückt den Kulturgrad dieses Staates aus. So morden Sie die Kultur, so hindern Sie, daß die Völker sich entwickeln, daß der Geist sich ungehemmt entfalten kann, daß wir vorwärts zu schreiten vermögen. Im Investitionsbudget prangt für Kasernenbauten die Summe von 120 Millionen, und für Zwecke der Wohnungsfürsorge haben Siejetzt nichts als die bescheidene Summe von 33.6 Millionen. Auch das ist ein Maßstab dafür, wie Sie die Aufgaben des Staates erkennen, ein Maßstab dafür, daß dieser Staat ein Militärstaat ärgster Art ist.

In diesem Zusammenhang lassen Sie mich mit einem Worte erinnern an die Art, wie Sie vorgegangen sind bei der Einberufung der Rekruten, besonders an die Vorfälle in Eger. Man beruft junge Leute ein, die glauben, daß für sie gesorgt sein wird, da stellt es sich heraus, daß für sie keine Nahrung vorhanden ist, man hat sie völlig ihrem Schicksal überlassen. So geht es nicht und Sie dürfen sich nicht wundern, wenn es zu unangenehmen Erscheinungen kommt. Ich kann mir nicht versagen, in diesem Zusammenhange auch auszusprechen, daß die Haltung unserer deutsch-bürgerlichen Parteien in der Rekrutenfrage eine zwieschlächtige und durch nichts zu rechtfertigende war. Während der eine mit Stolz in Versammlungen verkündet, er habe in 20 Versammlungen geredet und abgeraten, sich assentieren zu lassen, muß der andere vernünftig sein und gestehen: das ist kein Weg, auf den man arme junge Leute verführen kann, und in der Tat ist diese Methode der Zwieschlächtigkeit und Hinterhältigkeit zum Unglück für viele Rekruten geworden, und es hätte noch viel ärger kommen können. Meine Herren, es ist natürlich unmöglich, über diese Dinge zu sprechen, ohne zu erinnern an die Vorgänge der jüngsten Tage in Reichenberg und in Teplitz. Ich weiß, die Legionäre machen Ihnen recht viel zu schaffen, aber Sie sind verantwortlich für das, was sie tun un es ist kein Zweifel, Sie alle wissen, bei diesen unerhörten Dingen in Teplitz und Reichenberg haben die Behörden völlig versagt, kein Atom von Autorität stand ihnen zur Verfügung, um die randalierenden und zerstörungswütigen Legionäre in der Hand zu behalten. Der Regierung ist zu sagen, daß sie für das, was geschehen ist und vielleicht nächsten Sonntag wieder geschehen wird, daß sie allein die Verantwortung trägt, und will sie nicht, daß sich die Gegensätze zwischen den Nationen verscharfen und vertiefen, will sie nicht jenen Teil der Bevölkerung, der für solche Gedanken zugänglich ist, gewaltsam der Irredenta in die Arme treiben, so muß sie dafür sorgen, daß solche Ausschreitungen künftig unmöglich werden. Aber so, meine Herren, sieht die Demokratie aus, die Sie in diesem Staate aufgerichtet haben. Die Legionäre sind das Sinnbild dieser Demokratie, die auf die Gewalt, auf ihre eigene Willkür sich stützen und nebenher als Ergänzung sehen wir das Heer von nationalistisch durchfressenen Beamten, die den Staat und die Gesetze sabotieren. Und so haben wir beispielsweise einen Minister des Äußeren, der es noch nicht für nötig erachtet hat, vor diesem Hause zu erscheinen und seine Außenpolitik vor dem Parlament zu vertreten, der sich in den Außenausschuß flüchtet, um diesen Auseinandersetzungen hier aus dem Wege zu gehen. Von Demokratie haftet diesem Staate wahrhaft auch nicht ein Hauch an. Ein Polizeistaat im alten Sinne ist er geblieben. Die Ausgaben, die für die Gendarmerie und die Polizei ausgeworfen wurden, sind auch ungeheuer. Sie brauchen sie, Sie wissen, wie wenig Sie auf die Sympathie der Bevölkerung zu rechnen haben und die Maßnahmen, die Sie treffen, atmen den alten Polizeigeist. Was soll man dazu sagen, wenn diese angeblich demokratische Regierung so vermessen ist, eine Broschüre, die sich mit dem Problem des Sozialismus beschäftigt, so zu konfiszieren, wie dies seinerzeit weiland Taaffe oder irgendeine Polizeiseele vergangener Jahrhunderte getan hat. Was soll man zu den unerhörten Ausweisungen politisch tätiger Menschen sagen, wie in jüngster Zeit solche vorgekommen sind? Ich erinnere an den Fall Franke, an den Fall Pfifferling in Preßburg, Stecker in Theusing, ich erinnere an den Fall Mrožek in Trzynietz. Ich erinnere daran, wie ich heute erfahren habe, daß eine Lehrerin, die èechoslovakische Staatsbürgerin war, der man die Schule gesperrt hat, an der sie tätig war und die nach Ungarn auswandern mußte und dort zur Zeit Béla Kuns zwangsweise zur Erteilung von Unterricht verhalten wurde, daß dieser Lehrerin, die nicht anders konnte, die Sie brotlos gemacht haben, dann die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde; und jetzt hat man sie glücklich aus diesem freien Staate ausgewiesen, eine Frau, die 33 Jahre im Lehrberufe tätig war. Und wenn man zum Herrn Ministerpräsidenten kommt und sagt: "Herr Ministerpräsident, empfinden Sie es denn nicht als Schande, daß solche Dinge geschehen können?" Dann sagt der Herr Ministerpräsident: "Ja, wir stützen uns auf das Gesetz, wir können doch nicht anders, und staatsgefährlich sind die Leute, um die es sich handelt." Und da zeigt die Regierung natürlich die starke Hand, die starke Hand gegen Leute, die sich nicht wehren können. Die starke Hand ist unter Umständen eine sehr willkommene Sache. Zeigen Sie sie den Legionären gegenüber, die draußen in Deutschböhmen unsere Städte beunruhigen und Ausschreitungen begehen!

Wohin Sie blicken mögen, sind Erscheinungen, die unsere Billigung nicht zu finden vermögen. Noch immer halten Sie fest an der Entrechtung der Arbeiterklasse auf vielen Gebieten. Ich erinnere daran, daß in den Bezirksverwaltungskommissionen, in den Landesverwaltungskommissionen von Böhmen und Mähren bisher Arbeitervertreter überhaupt nicht vorhanden sind, trotzdem die politisch organisierte Arbeiterschaft aller Nationen eine ganz beträchtliche Macht in diesem Staate darstellt. Ich erinnere daran, daß trotz aller immer und immer wiederholten Urgenzen die Versprechungen auf Umgestaltung des Bodenamtes bisher noch immer auf ihre Erfüllung warten.

Täuschen Sie sich nicht, meine Herren von der Regierung und von den Regierungsparteien, täuschen Sie sich nicht, die Arbeiterklasse ist trotz allem und allem, trotz des Einzwängens in Rechtlosigkeit, wie Sie es versuchen, trotz der nationalen Gegensätze nicht so machtlos, wie Sie zu glauben scheinen. Und ich hoffe und wünsche, daß wir mit dem èechischen Proletariat bald in engster Phalanx kämpfen werden. Es könnte dann anders kommen als Sie glauben, wenn Sie nicht verstehen, was diese Zeit von Ihnen fordert. Der Krieg hat das Kraftgefühl der Arbeiterklasse selbstverständlich gesteigert. Wie denn sollte es auch anders sein, als daß die arbeitenden Menschen erkannt haben in dieser furchtbaren Zeit des Krieges, daß sie der Motor sind, der die Gesellschaft treibt, der das Werk in Gang hält, und daß daraus der Schluß gezogen wird, daß die, welche den ganzen Gesellschaftsbau stützen, die ihn halten, ohne die er zusammenstürzt, daß die nun fordern, daß die Drosselung ihres Rechtes in diesem Staate endlich beendet werde und aufhöre.

Wenn Sie auch den starken Mann spielen wollen, Sie meine Herren auf der Ministerbank, die sozialdemokratische Arbeiterschaft werden Sie über ihre Kraft und über die Möglichkeit, die sich gestellten Aufgaben zu erfüllen, nicht täuschen können. Wir bleiben lhnen gegenüber meine Herren von der neuen Regierung, das, was wir waren: Wir bleiben prinzipielle Gegner Ihrer Regierungsmethode wie wir den Staat, in dem wir leben, als kapitalistischen Staat selbstverständlich bekämpfen werden, künftig so wie bisher. Wir werden fortführen den Kampf gegen die Entrechtung, gegen die Willkür, die Sie immer von neuem uns gegenüber üben, fortführen den Kampf gegen die Drosselung unserer Schulen, gegen die Knechtung des Geistes, gegen die Erwürgung der Kultur, wie sie von Ihnen gehandhabt wird. Wir werden nicht dulden, daß - wie es in jüngster Zeit geschehen ist, verschämt wohl, trotzdem aber doch daß die Kontrerevolution in Europa auch durch die Regierung dieses Staates gefördert werde. Wir werden fortführen den Kampf gegen den gewaltigsten Machtfaktor jedes kapitalistischen Staates, den Kampf gegen den Militarismus, fortführen den Kampf gegen ihn wie gegen den Klassenstaat selbst und wir werden nicht ermüden, unablässig, mit aller Leidenschaft, die uns innewohnt, mit all dem Können, über das wir verfügen, zu dienen dem einen Gedanken, zu wirken in dem einen Sinne: Vorwärts zu kommen, vorwärts auf der Bahn zum Sozialismus! (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. dr. Feierfeila (viz str. 97. protokolu):

Hohes Haus! Ich möchte einleitungsweise mit einer kleinen Richtigstellung kommen. Der Herr Redner von der deutschen sozialdemokratischen Partei hat in seinen Ausführungen auch erwähnt, daß die Erklärung, welche der deutsche parlamentarische Verband abgegeben hat, sich eigentlich ausgenommen hat wie eine Erklärung, bereit zu sein, in die Regierung einzutreten. (Veselost.) Sehr verehrte Anwesende, da ist er aber sehr im Irrtum, das muß ich sagen; da kann er ganz unbesorgt sein, vollständig unbesorgt. Freilich etwas anderes ist es, meine Herren, vielleicht aber, wenn man die Sache umgekehrt nimmt: ob wir auch so unbesorgt sein können, wenn schon vom Regierungseintritt gesprochen wird. Aber das nur einleitungsweise.

Als die jetzige Regierung sich im Ständigen Ausschuß vorgestellt hat und dann auch hier, hat sie geglaubt, der abtretenden Regierung ein Kompliment zu machen, und da hat sie ungefähr folgendes gesagt: Die alte Regierung hat einen Großteil der Arbeit, welche sie sich programmatisch vorgenommen hat, ausgeführt. Und dann fügte sie hinzu, diese Arbeit würde sie selbst weiter fortführen, und zwar auch nach dem Prinzip, welches die alte Regierung befolgt hat. Und dieses wäre gewesen: Ordnung, Anständigkeit, ein tatkräftiges Arbeiten für Alle, namentlich für die schwächer Gestellten, eine ungestörte demokratische Entwicklung im Innern und nach Außen, Ruhe und Vertrauen.

Nun, meine Herren, ich glaube mit diesen Worten hat sich die neue Regierung eigentlich nicht sehr gut eingeführt. Es mag im gewöhnlichen Leben der Fall sein, daß man das Sprichwort anwenden darf: Von Verstorbenen nichts als Gutes. Aber ich glaube nicht, daß man dieses Wort wird anwenden dürfen einer abgetretenen Regierung gegenüber. Da muß es erlaubt sein, die Wahrheit zu sagen, und wenn man da die Wahrheit sagen will, da muß man sagen: Von diesen schönen Worten, wie sie da prinzipiell ausgesprochen wurden, ist aber auch nicht eines in Wirklichkeit erfüllt worden. Es ist weder im Innern zu dieser Ordnung, Anständigkeit u. s. w. gekommen, noch nach außen hin das Vertrauen erworben worden. Im Gegenteile, wir müssen sagen, es ist im Innern in vielen Belangen der Öffentlichkeit geradezu zu anarchischen Zuständen gekommen und nach außen hin hat dieser Staat alles andere, nur nicht das Vertrauen der Welt erworben. Sehen Sie, man müßte etwa sagen, die Zustände, wie sie in unseren Zentralen herrschen, müßte man "ruhige, tatkräftige, demokratische Arbeit" nennen, oder man müßte diese unsinnige Preistreiberei so nennen, oder man müßte den geradezu katastrophalen Ernährungsjammer, unter dem das ganze Land leidet, so nennen oder man müßte das so nennen, wo das tapfere Schwert der Legionäre entschieden hat, sagen wir gegen wehrlose noch lebende Bürgermeister und gegen noch wehrloserere schon tote Kaiser-Josefs-Bilder. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

Meine Herren, es herrscht also alles andere, nur nicht im Innern dieses Staates diese Ruhe und Anständigkeit und diese ungestörte demokratische Entwicklung. Man braucht das gar nicht im Detail zu beweisen, den Beweis hiefür erbringen die èechischen Zeitungen tagtäglich. Aber dieser Staat hat auch nach außen durchaus nicht das Vertrauen erlangt, von dem die Regierung spricht. Der Staat ist - und ich will niemanden beleidigen, aber man muß es sagen - vom Anfang an auf Lüge und Unwahrheit aufgebaut. (Potlesk némeckých poslancù.) Man soll nach einem Sprichworte im Hause des Gehenkten nicht vom Stricke reden. Ich will das nicht weiter ausführen, aber einen Punkt muß man doch hervorheben. Wie dieser Staat vom Anfang an auf Unwahrheit aufgebaut ist, so ist er im letzten Augenblick, als er gegründet wurde, zustande gekommen durch eine kolossale Irreführung der ganzen Welt. Den Beweis dafür bietet das Gott sei Dank bekanntgewordene Memorandum III. Das wird nie mehr von der Öffentlichkeit verschwinden. Da ist diese Pariser Konferenz, welche diesen Staat letztwillig geschaffen hat, aber vollständig irre geführt worden. Da wird man doch nicht denken, daß das Vertrauen nach außen erweckt. Übrigens kann der Staat tagtäglich erfahren, wie wenig Vertrauen er im Innern hat. Mit einem Worte, die jetzige Regierung, die sich berufen hat auf die prinzipiellen Erklärungen ihrer Vorgängerin, hat sich eigentlich nicht sehr glücklich eingeführt, und ich muß noch einen Satz diesbezüglich hinzufügen: Sie ist auch deshalb nicht gut eingeführt, weil in dieser Regierung zwei Männer sitzen, die sie nach der Vergangenheit schwer belasten. Diese beiden Männer mögen persönlich hochachtbare Leute, auch sehr gescheite Leute sei n, aber es liegt eben ihre politische Vergangenheit vor. Der eine Herr ist Dr. Beneš selber mit seinem Memorandum. Das werden wir nie vergessen. Der zweite Herr ist der Finanzminister Engliš mit seiner Hacke. Das Bild, das er da gewagt hat zu gebrauchen, wird er auch nicht mehr los werden. Aber im Ernste gesprochen, zu solchen Leuten kann der deutsche Teil dieses Staates nie Vertrauen haben.

Dann hat die Regierung gesagt, sie sei eine Beamtenregierung und der Unterschied zwischen den Beamtenregierungen im alten Österreich und in diesem demokratischen Staate, in dieser höheren Schweiz, bedinge, daß sich diese Regierung nicht dauernd einrichtet. Also sie rechnet selbst nur mit einem Leben von Wochen oder vielleicht mit einem Leben von Monaten.

Ihr Programm aber, das Sie entwickelt hat, ist ein ungemein reichhaltiges. Man braucht lange, um sich durchzuarbeiten und um es durchzustudieren. Da möchte ich sagen: Wenn es Ihnen wirklich ernst ist, daß Sie nur Wochen oder Monate bestehen bleiben, dann müssen Sie aber auch wirklich mit aller Energie, allem Eifer und allem Fleiß arbeiten, um auch nur einen Teil dieses Programmes durchzuführen.

Nun, hohes Haus, sei es mir gestattet, einen oder den anderen Gedanken dieser Regierungserklärung im besonderen etwas hervorzuheben. Zunächst zwei Punkte, welche rein kultureller Natur sind. Der eine Punkt wurde - soviel ich beobachten konnte - schon von einem und dem anderen Redner hier gestreift. Er betrifft unser Schulwesen. Über das Schulwesen sagt die Regierungserklärung, die Regierung wolle die Schulen aller Nationen in diesem Staate schützen. Sie wolle pädagogisch und wissenschaftlich die Schulen in jeder Weise fördern. Sie wolle die Schule so schützen, daß sie nicht erschüttert wird durch Parteikämpfe. Das ist ein Wort, das man ja hören lassen kann. Aber von diesem Worte muß man leider wieder das bekannte Wort sagen: "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Ans ich deckt sich das Wort ja auch mit den schönen Versprechungen, welche im Memorandum der Pariser Konferenz gemacht worden sind. Dort heißt es ja auch, es werde der èechischen Regierung nicht einfallen, sich an den deutschen Schulen zu vergreifen, sie würden unbeschädigt in ihren Schulen weiterarbeiten können. Nun, meine hochverehrten Anwesenden, wenn wir aber die Entwicklung, wie sie in Wirklichkeit im Schulwesen vor sich gegangen ist, ein bischen ins Auge fassen, müssen wir sagen: Nach zwei Seiten hin ist diese Entwicklung äußerst bedenklich. Ja es sind Zustände nach diesen beiden Seiten hin eingerissen, die unerträglich und unhaltbar sind, weil sie vollständig ungesetzlich sind. Das ist einmal nach der nationalen Seite hin, und das ist zweitens nach der kulturellen Seite hin.


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