Ètvrtek 4. listopadu 1920

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 16. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 4. listopadu 1920.

1. Øeè posl. Køepka (viz str. 66 protokolu):

Hohes Haus! Im Namen und im Auftrage der im deutschen parlamentarischen Verbande vereinigten Parteien habe ich die Ehre folgende Erklärung abzugeben:

Der deutsche parlamentarische Verband erblickt in der Ernennung eines Beamtenministeriums das klägliche Ende jener Scheindemokratie, die am 28. Oktober 1918 zur Grundlage dieses Gewaltstaates gemacht wurde.

Ohne gegen einzelne auf eine langjährige Tätigkeit im österreichischen Staatsdienste zurückblickenden Mitglieder des Kabinets persönliche Einwendungen zu erheben, erklärt der deutsche parlamentarische Verband, das durchaus undemokratische und unkonstitutionelle System einer sich über die bestehenden Parteiverhältnisse, ja sogar über parlamentarische Abstimmungen hinwegsetzenden Beamtenregierung grundsätzlich abzulehnen. Er kann aber auch ein Ministerium nicht anerkennen, das sich selbst als provisorisch bezeichnet. Provisorische Regierungen und Beamtenherrchaft kann es in einem demokratischen Staate, wo das Machtverhältnis der konstitutionellen Parteien die Regierungen schaffen und stützen soll, nicht geben. Der deutsche parlamentarische Verband kann einer Regierung kein Vertrauen entgegenbringen, die auf Anschauungen und politischen Grundsätzen der früheren Regierung fußt, die es zuläßt, daß das deutsche Volk immer wieder in herausfordernder Weise verletzt und in seinem nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Dasein bedroht wird.

Der deutsche parlamentarische Verband wird den in seiner Rechtsverwahrung vom 1. und 4. Juni 1920 niedergelegten Grundsätzen treu auch der neuen Regierung gegenüber darauf bestehen, daß die Forderungen des deutschen Volkes nach voller nationaler Selbstbestimmung erfüllt werden. Selbstbestimmung ist die Grundlage des modernen Staates; ist die Staatenbildung auf Grund der Selbstbestimmung vor sich gegangen, so ist die Möglichkeit für eine gesunde Entwicklung des Staatenwesens von selbst gegeben. Daß die Verhältnisse in diesem Staate anders liegen, ist nicht unsere Schuld. Die Regierung hat, wie die Dinge stehen, nur den einen Weg, die von èechischer Seite, insbesondere auch vom Präsidenten der Republik so oft geforderte aktive Mitarbeit der Deutschen zu ermöglichen, indem sie offen und klar die Bereitwilligkeit ausspricht und betätigt, innerhalb des Staates dem deutschen Volke dasjenige zu geben, was es nicht entbehren kann, ohne den Charakter einer vollberechtigten Nation zu verlieren.

Das jüngst bekanntgegebene Memoire III, dessen Uberreichung in Paris durch den Minister des Auswärtigen Dr. Beneš nach der gestrigen Sitzung des auswärtigen Ausschusses feststeht, bringt einen Teil der Grundgedanken, die den Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes bilden, zum Ausdrucke, indem es von der allgemeinen Zulassung der Sprache der Minderheiten, von dem Rechte der Minderheiten auf eigene Schulen, eigene Richter, eigene Gerichtshöfe, von der Aufrechterhaltung der deutschen Schulen einschließlich der Hochschulen, von der Behandlung der deutschen Sprache als zweiter Landessprache, von der Unterlassung jeglicher vexatorischer Maßnahmen gegen die Deutschen, von der Aufrichtung eines Regimes welches demjenigen der Schweiz ähnlich ist, spricht. Auf Grund dieses Dokumentes ist die Einverleibung der deutschen Sudetengebiete in dem èechoslovakischen Staate erfolgt. Die Durchführung der im Memoire III niedergelegten Grundsätze hat dieser Staat bisher unterlassen.

Die èechoslovakische Regierung und das èechoslovakische Volk haben es in der Hand, die ertvollsten Kräfte dieses Staates zur Mitarbeit zu gewinnen oder zur Notwehr gegen den Staat zu treiben. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Hillebranda (viz. str. 75 protokolu):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der prinzipiellen und entschiedenen Kampfstellung der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterschaft gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung und den kapitalistischen Staat ergibt sich unsere Stellung zur Regierung dieses Staates ganz von selbst. Im Gegensatz zu der Erklärung, die wir eben von dem Vertreter der deutschen bürgerlichen Parteien hier im Hause gehört haben und die einem Anerbieten, einer Regierung des Bürgertums näherzutreten, zum Verwechseln ähnlich sieht, kann unsere Stellung natürlich nur die der schärfsten und unbedingten Opposition zur Regierung sein, umsomehr, wenn es sich, wie in diesem Falle, um eine ausgesprochene Beamtenregierung handelt, die in der Volksvertretung nicht wurzelt.

Die Versuche, eine parlamentarische Regierung zu bilden, sind gescheitert. Sie mußten bei dem heutigen Stande der Dinge darum scheitern, weil ein Zusammengehen zwischen den Vertretern der sozialistischen Gruppen der Bevölkerung und der Bürgertums im vorhinein völlig unmöglich erschien und weil, bisher wenigstens, die Bourgeoisien, die diesen Staat bewohnen, in erbitterter Feindschaft einander gegenüberstanden. Und so haben wir nun mit der Tatsache dieser Beamtenregierung rechnen. Daß wir sie haben, drückt den krisenhaften Zustand des Staates aus, die Krise des Staates, nicht bloß der Regierung, sie zeigt die ganze Unnatur, die Unmöglichkeit dieses Staatsgebildes, den ganzen Jammer auf, der diesem Nationalitätenstaat von Geburt an anhaftet.

Wenn diese Erscheinung etwa bewirken könnte oder doch dazu beitragen würde, daß jene Gruppe in diesem Hause aus dem Taumel des Siegerwahnes endlich erwacht, der ihr heute noch anhängt, so könnte die Tatsache der Notwendigkeit der Einsetzung einer Beamtenregierung vielleicht auch ihr Gutes haben. Notwendig wird es sein, daß endlich die Mehrheitsparteien dieses Hauses, daß man endlich auf der èechischen Seite dieses Hauses sich bemüht, der Vernunft Gehör zu schenken und sich vom Siegerübermut loszusagen, den wir, die Nicht-Èechen in diesem Staate, bis zum heutigen Tage in der unerhörtesten Weise zu fühlen bekommen.

Es wäre zu wünschen und wäre auch im lnteresse dieses Staates außerordentlich wichtig, wenn man zurückdenken würde an die Zeit, wo die Vertreter dieses èechischen Volkes im alten Österreich ganz ähnlich sprechen mußten, wie wir heute in diesem Staate zu sprechen gezwungen sind. Das war die Zeit, wo Sie die Umwandlung des alten Österreich in einen Nationalitätenbundesstaat gefordert haben, und heute haben Sie für denselben Gedanken nichts anderes übrig, als Spott und Hohn. Es war die Zeit, wo Sie als Verfechter des Gedankens der nationalen Autonomie mit uns gemeinsam für die Verwirklichung dieser Idee gefochten haben. Und fordern wir heute dasselbe, was Sie damals verlangten, so hören wir von Ihrer Seite immer nur das starre und absolute Nein. Sie waren es, die durch Jahrzehnte den Gedanken des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen hinausgeschrieen haben in die Welt, und heute antworten Sie uns auf unseren Ruf nach dem Selbstbestimmungsrecht mit der Konstatierung: "Heute gilt lediglich die Gewalt." Die Idee des Selbstbestimmungsrechtes hat für Sie ihre Lebendigkeit und Wirklichkeit eingebüßt. Sie haben sich mit Recht, und immer unterstützt von uns deutschen Sozialdemokraten, im alten Österreich aufgebäumt gegen die Unsumme von Unrecht, das an Ihnen verübt worden ist, Sie haben sich aufgebäumt gegen Verfolgung und Unterdrückung. Und heute verkünden uns Ihre Wortführer, dieselben, die damals den Kampf gegen Verfolgung und Unterdrückung geführt haben, heute verkünden sie uns: "Wir sind das Herrenvolk und Ihr müßt Euch unserem Gebote fügen!"

Meine Herren, Sie sollten doch nicht vergessen - Ihre eigene Geschichte lehrt es Sie doch so deutlich - daß kein Volk zur Liebe gezwungen werden kann. Man muß sich die Liebe der Völker erst erwerben, erst verdienen, wenn man auf sie Anspruch erhebt. Man muß es uns erträglich und möglich machen, in diesem Staate zu leben und sich als vollwertige Mitglieder, als Bürger dieses Staates zu fühlen, denen das Recht nicht in minderem Maße zugeschnitten ist, als irgend einem anderen Bürger dieses Staates. Wir haben uns Ihnen nicht aufgedrängt, wir wollten nicht herein. Gegen unseren Willen, gegen unseren Protest haben Sie uns in diesen Staat hineingepreßt. Und dies ist geschehen unter Umständen, die wieder der Ideologie der Besten Ihrer Nation von früher in schroffster Weise widersprechen.

Ich will nicht Rekriminationen erheben, nur eine einzige Tatsache gestatten Sie mir in diesem Zusammenhange anzuführen. Der auch von mir sehr verehrte Präsident dieses Staates Masaryk hat in einer Versammlung am 31. Mai 1900 hier in Prag unter anderem seine Auffassung über das Zusammenleben der Völker und über die Zukunft der Sudetengebiete in folgenden Worten zusammengefaßt:

"Wenn diese Länder (Böhmen, Mähren und Schlesien) ein selbständiges staatsrechtliches Ganzes, in historisch erhaltener Unteilbarkeit bilden sollen, könnte dies nur unter Zustimmung des deutschen Volkes, welches die böhmischen Länder bewohnt, geschehen." Und weiter: "Die Verständigung mit unseren deutschen Landsleuten ist eine historisch gegebene Notwendigkeit," ferner: "Die Entwicklung der Verfassung in den böhmischen Ländern weist auf die nationale Abgrenzung hin. Wir sind deshalb grundsätzlich für eine Abgrenzung, welche es ermöglicht, daß jedes der beiden Völker seine Angelegenheiten selbständig und unter eigener Verantwortung besorgt."

Das waren die Auffassungen von ehedem. Heute fragt man uns um unsere Zustimmung nicht mehr, heute spricht man nicht mehr von der Notwendigkeit der nationalen Autonomie der einzelnen Völker! Heute sagt man nicht mehr, daß die Verständigung zwischen den Völkern gesucht werden müsse, heute fußt man lediglich auf der Gewalt, man nennt die Gewalt heute das Recht und man zwingt uns auf Grund eines Diktats, ohne uns zu fragen, ohne mit uns zu verhandeln. Eineinhalb Jahre, meine Herren von der èechischen Seite, eineinhalb Jahre haben Sie Gesetze gemacht, ohne uns zu fragen, ohne irgendwie zu versuchen, zu erkunden, welche Auffassungen in den anderen Völkern über den Inhalt dieser Gesetze vorhanden sind. Sie haben die wichtigsten, die grundlegenden Gesetze, die Verfassungsgesetze ohne uns und gegen uns gemacht, Sie haben sie uns einfach aufoktroyiert und mit beispielloser - und ich muß schon sagen - einfach unverständlicher Starrsinnigkeit bäumen Sie sich dagegen auf, wenn irgend etwas an diesen Gesetzen geändert werden soll.

Nun sind wir in diese Versammlung hiergekommen und nun erwecken Sie den Anschein, als ob auch den Vertretern der anderen Völker die Möglichkeit gegeben wäre, Änderungen herbeizuführen. Aber damit das nicht möglich sei, haben Sie den Initiativausschuß geschaffen, um zu verhüten, daß irgend etwas, was Ihnen nicht behagt, in diesem Staate jemals nicht etwa Gesetz werden - sondern einfach nur im Parlament zur Verhandlung gelangen könne.

Verzeihen Sie, meine Herren, angesichts solcher Dinge ist es nicht zu viel gesagt, wenn ich hier ausspreche: Die Einrichtung dieses Initiativausschusses in seinem heutigen Zustand und mit seinen heutigen Befugnissen ist eine freche Verhöhnung des parlamentarischen Gedankens überhaupt (Souhlas na levici), eine Ungeheuerlichkeit, die beispiellos dasteht in der Geschichte des Parlamentarismus aller Völker, eine brutale Vergewaltigung, zu deren Anerkennung Sie uns niemals werden bringen können.

S ie sagen uns bei jeder Gelegenheit daß Sie uns zur Mitarbeit in diesem Staate einladen. Unter solchen Umständen, meine Herren, werden wohl auch Sie noch zu empfinden im Stande sein, daß diese Einladung zur Rechtsverweigerung auch noch den Hohn hinzufügt. Wenn heute der Finanzminister hier in seiner Rede sich den Scherz geleistet hat - ich vermag es nicht anders zu nennen - uns zu sagen, wer nicht mitarbeiten will, der begibt sich des Rechtes der Kritik an den Einrichtungen in diesem Staate, so sage ich: Herr Finanzminister, sorgen Sie zuerst dafür, daß die Ursachen zur Kritik verschwinden und dann wird sich vielleicht für manchen über die Frage der Mitarbeit anders reden lassen. So gehen die Dinge nicht, wie man es bisher gemacht hat. Zur Einrichtung dieses Initiativausschusses haben Sie für die Handhabung der Geschäfte hier im Hause selbst eine Geschäftsordnung hinzugefügt, die wir auch nicht anders als eine Schande vor ganz Europa, vor der Kulturwelt empfinden.

Ist es denn zuviel verlangt, meine Herren, wenn wir, die ganz ebenso Vertreter des Volkes in diesem Staate sind wie Sie, daß wir verstehen wollen, was hier vorgeht, daß wir nicht im luftleeren Raum sein wollen, daß wir in der lebendigen Wirklichkeit stehen wollen, zu wissen, zu verstehen, um was es sich handelt? Wir sind die Vertreter von Millionen Menschen, die in diesem Staate leben, Sie aber schreiten über unsere Wünsche eínfach hinweg und es fällt Ihnen nicht ein, irgendwie zu versuchen, einen praktischen Weg zu finden, der für beide Teile gangbar wäre. So tun Sie etwas, was unter Umständen auch für diesen Staat nicht ohne Gefahr ist, der Glaube an das Parlament ist ohnedem in der Bevölkerung nicht mehr so fest verwurzelt. Fahren Sie so fort und Sie werden selbst dafür sorgen, daß dieser Glaube in seinen Wurzeln ausgerissen wird. Wenn Sie heute die Weltlage betrachten, so sollten Sie doch auch einmal eine Stunde der Muße finden, um zu überlegen, welche Konsequenzen sich schließlich auch für Sie daraus ergeben könnten.

Eines ist sicher: die Methode, die Sie bisher angewendet haben, sehr gegen unseren Willen, führt nur dazu, die nationalen Gegensätze zu vertiefen, den nationalen Haß ins ungemessene zu verschärfen. Dafür sorgt auch das famose beispiellos unerhörte Sprachengesetz, das Sie geschaffen haben, ein Gesetz, das Härten enthält, die einfach unerträglich sind, ein Gesetz, das zahlreiche Bürger dieses Staates um das materielle Recht glattweg betrügt, ein Gesetz, das nicht auszuhalten ist. Wie soll es denn möglich sein, daß ein Deutscher, der in einem Bezirke wohnt, zum Beispiel bei den Gerichten des deutschen Nachbarbezirkes eventuell nur in èechischer Sprache Eingaben machen und ihre Erledigung nur in èechischer Sprache finden kann? Das, meine Herren, ist kein Rechtsstaat, das ist die Ordnung eines Tollhauses und wir werden nicht aufhören, diese Zustände zu bekämpfen, solange es uns möglich ist, gegen sie Front zu machen. Im § 28 des Gesetzes vom 29. Februar 1920 ist vorgesehen, daß zur Milderung der unerträglichen Härten dieses Gesetzes für die nächsten 5 Jahre wenigstens eine Durchführungsverordnung sorgen soll und es ist uns von der früheren Regierung in entschiedenster Weise versprochen worden, daß diese Durchführungsverordnung in kürzester Zeit erscheinen wird. Aber es scheint, daß es immer mehr und mehr üblich wird, daß offizielle Regierungsversprechungen einfach in die Luft gesprochen sind, daß kein Minister sich für verpflichtet hält, einzuhalten, was er verspricht. Unserer Auffassung von Verantwortlichkeit und Pflichtempfinden entspricht das keineswegs und wir möchten schon recht sehr wünschen, daß das Versprechen, das in dieser Sache gegeben wurde, endlich seine Erfüllung findet. So wie es heute ist, kann es nicht bleiben. Wenn man das Sprachengesetz betrachtet, möchte man nahezu meinen, das Rechtsgefühl sei in der Majoritätsnation völlig erloschen, weil sich niemand findet, der energisch dagegen Front macht.

Dazu kommt noch in nationaler Beziehung die beispiellose Mißhandlung, die Sie unserem Schulwesen ang deihen lassen. Ich will nicht vom Kapitel "Hochschule" sprechen, so verlockend es wäre, darüber viel zu sprechen. Näher liegt uns und unmittelbar berührt uns, was Sie tun, um unsere Volksschule zu verderben, um den Geist der Kinder des Proletariates, der Besitzlosen zu verkümmern, und dagegen müssen wir uns wenden. In der Zeit bis etwa Mitte September sind in diesem Staate rund - ziffernmäßig genau ist das nie festzustellen, weil alle Bemühungen, Ziffernmaterial zu bekommen, an dem passiven Widerstand der betreffenden Behörden gescheitert sind - also es sind etwa rund 800 deutsche Volksschulklassen geschlossen, 35 Volksschulen überhaupt gesperrt worden, unter dem heuchlerischen Vorgeben, daß es sich hier um Minoritätsschulen handelt. Und doch ist aus dem Gesetze klipp und klar erkennbar, daß der Begriff "Minorität" in diesem Sinne nicht Anwendung finden kann, weil das Gesetz lediglich Minoritäten innerhalb des Schulbezirkes, aber nicht innerhalb des Staatsganzen meint. Und hätten Zweifel darüber bestehen können, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hätte diese Zweifel völlig zerstören müssen. Aber Sie treten das Gesetz mit Füßen, Sie pfeifen auf die Entscheidung des Obersten Gerichtes, Sie kümmern sich darum nicht. Respekt aber verlangen Sie von den anderen vor den Gesetzen, die Sie selber mißachten. Sie zwingen Kinder deutscher Eltern, èechische Schulen zu besuchen - da und dort ist es geschehen - auch dann, wenn sie vorher schon in deutsche Schulen eingetragen waren; ja man scheut sich nicht, selbst mit Geldstrafen vorzugehen. Wir haben dieses unerträgliche Vorgehen unseren Schulen gegenüber zum Gegenstande unausgesetzer Beschwerden gemacht und wir haben viel versprochen bekommen, die liberalste Handhabung und Auslegung des Gesetzes. Aber auch das waren Versprechungen in den Wind, die Erfüllung dieser Versprechungen ist nicht erfolgt. Sie benützen es gerne, wenn irgendwo die Schülerzahl von 80 für eine Schulklasse nicht erreicht wird, um diese Schulklasse zu sperren, wenn es sich um eine deutsche Schule handelt. Ja, um Gotteswillen, ist es denn wirklich notwendig, in einem Kulturstaate darzulegen, daß es an und für sich eine brennende Schande, ein Mord an der Kultur ist, wenn man überhaupt 80 Kinder in eine Schulklasse sperrt, daß man froh sein müßte, wenn die Kinderzahl in der Klasse geringer ist? Schauen Sie nach dem armen halb verhungerten DeutschÖsterreich, das gesetzlich festgelegt hat, daß nicht mehr als 40 Kinder in einer Schulklasse sitzen dürfen. Sie kommen und sagen: Da ist eine deutsche Schule, da sind nur 68, 70 Kinder, also marsch weg mit dir, wir sperren die Klasse, denn die gesetzliche Zahl ist nicht erreicht! (Posl. Dyk: Kde jest místo pro èeské dìti?) Ich verstehe Sie leider nicht, um Ihnen antworten zu können.

Es ist leider so, daß die diktatorische Gewalt, ich darf sagen der Mißbrauch der Gewalt, den der Vorsitzende des Landesschulrates Herr Metelka unausgesetzt begeht, Anforderungen an unsere Geduld stellt, die das Maß des Erträglichen längst überschritten haben. Ich muß schon sagen, Sie verlangen außerordentlich viel, wenn Sie meinen, daß die deutsche Bevölkerung angesichts dieser Dinge die Tyrannei des Herrn Metelka immer widerspruchslos ertragen soll. Und wenn man etwa glaubt, nach dem neuesten Kurs, der eingeschlagen wird, etwas ausrichten zu können, wenn Sie glauben, durch die Verfolgung jener Lehrer, die den Mut und die Uberzeugungskraft haben, in öffentlichen Kundgebungen sich gegen die Erdrosselung unseres Schulwesens zu wenden, durch Verfolgungen solcher Lehrer zur Ruhe kommen zu können, so lassen Sie sich sagen: durch Verfolgung hat man nie Ideen erschlagen können und Sie werden dadurch den Schulkampf nur umsomehr entfachen, die Leidenschaften erwecken und werden vielleicht dadurch helfen, daß der Erfolg schließlich auf unserer Seite sein muß.

Bei der Schule geht es um unsere ureigenste Sache. Die Volksschule ist die Schule vor allem der arbeitenden Bevölkerung und wir wünschen dazu zu gelangen, daß wir dieses höchste Kulturgut, das wir haben, selbst verwalten können. Wir wollen den Geist bestimmen, der unsere Schule zu beherrschen hat. Wir verlangen von Ihnen keine Geschenke, geben Sie uns das Recht der Steuerhoheit, geben Sie uns die nationale Autonomie und wir werden uns um unsere Schulen selber kümmern und es wird kein Finanzminister sagen können, daß es Ersparungsrücksichten sind, die zu einem solchen unerhörten Vorgehen gegen unser Volksschulwesen führen.

An diesen wenigen Beispielen, die ich anzuführen Gelegenheit nahm, erweist sich, daß unsere Stellung als Angehörige der deutschen Nation in diesem Staate eine ungeheuer schwere ist und nur eine oppositionelle gegen Sie sein kann.

Aber für uns sind noch wichtigere und größere Dinge in Frage. Ihr Staat mag sich noch so demokratisch nennen, er mag noch so stolz sein auf den Charakter der Republik, den er sich beigefügt hat, er ist doch nichts anderes als der nackte Klassenstaat, um kein Haar besser als irgend ein Klassenstaat, der äußerlich eine andere Form der Verwaltung sich gewählt hat. Schauen Sie sich nur die Ziffern des Budgets, die Reihen der Steuersummen an, vergleichen Sie und Sie kommen gleich darauf, welche Klassen in diesem Staate das entscheidende Wort zu sprechen haben. Da ist z. B. die Summe der Grundsteuer mit 138 Millionen angegeben. Der ganze Grundbesitz im ganzen Staate zahlt also 138 Millionen und die Branntweinsteuer allein macht schon die Summe von 257 Millionen Kronen, also etwa das Doppelte der Steuern der Agrarier in diesem ganzen Staate aus. Natürlich, denn die Agrarier sind es ja, die diesen Staat eigentlich beherrschen und ihm die Gesetze geben, denen wir uns fügen müssen. Oder sehen Sie sich die Kriegssteuer an! Die Aufstellung des Budgets weist da die Ziffer von 233 Millionen auf und die arme Bevölkerung, die den Zucker so spärlich zugewiesen bekommt, zahlt trotz dieser spärlichen Zuckerzuweisung allein an Zuckersteuer 329 Millionen, also um 100 Millionen mehr, als man den Kriegsgewinnern an Kriegssteuern im ganzen Staate abnimmt. Natürlich, es ist eben ein Klassenstaat, der nicht anders kann als Erbarmen zu empfinden für die armen Schieber und Wucherer, die das Elend des Krieges benützt haben, um ungeheuere Reichtümer in ihren Händen zu sammeln! Die Kohlensteuer, der sich keiner entziehen kann, außer er wird zwangsweise dazu verhalten, dadurch, daß er keine Kohle bekommt, figuriert im Budget mit der Summe von 1200 Millionen Kronen, das ist nicht weniger als doppelt soviel als die ganze Grundsteuer, die Kriegssteuer, die Erwerbssteuer, die Rentenund die Tanti@emensteuer zusammen genommen. Die doppelte Summe aller dieser Steuern verschlingt also allein die Kohlensteuer. Das zeigt uns - was uns nicht überrascht, was wir als selbstverständlich erachten in einem kapitalistischen Staate, den die besitzenden Klassen allein verwalten, allein in der Hand haben - das zeigt uns die allbekannte Steuerscheu der Besitzenden. Es zeigt uns, wie das Budget des Staates sich aufbaut auf die Schröpfung, auf die rücksichtslose Heranziehung derer, die wirtschaftlich am schwächsten sind, das zeigt uns den brutalen, rücksichstlosen Klassencharakter dieses Staates.

Aber auch andere Dinge, auch die Art, wie Sie die brennendsten Fragen der Zeit erledigen, bestätigt diesen Klassencharakter Ihrer Republik. Sie gehen achtlos vorüber an dem, was am notwendigsten ist. Wie oft schon, trotzdem dieses Haus ja kaum noch zu ordentlicher Arbeit gekommen ist, ist aus unseren Reihen auch hier schon der Ruf nach Inangriffnahme der Sozialisierung des Bergbaues, des Großgrundbesitzes, der sozialisierungsreifen Betriebe erhoben worden. Es handelt sich doch hier nicht um eine Frage, die in weiter Ferne irgend einmal zu lösen sein wird, sondern um ein Problem des Tages, an dessen Lösung unmittelbar, sofort, ohne Zögern geschritten werden kann und soll. Ja, glauben Sie, daß die Massen der Arbeiterschaft nach den unsäglichen Leiden dieses Krieges etwa wieder an die Stätten ihrer Arbeit zurückkehren würden als die Alten? Daß das Proletariat gesonnen wäre, wieder unterzukriechen in die alte Unterordnung, wie sie früher bestand? Nein, die Arbeiterklasse ist anders geworden: Die Arbeiterschaft will teilnehmen an der Beherrschung des Wirtschaftslebens, sie will regelnd eingreifen, sie will es haben, daß der Ertrag der Arbeit nicht in die Taschen der Einzelnen wandere, sondern der Allgemeinheit zufließe, daß die Masse der schaffenden Menschen auch den Vorteil schöpfe aus der Arbeit der schaffenden Menschen.

Wie saumselig diese Dinge betrieben wurden, das zeigt, wie Sie sich bisher in der Frage der Sozialisierung der Bergwerke verhalten haben, die volkswirtschaftlich ganz zweifellos von der allergrößten Bedeutung ist. Vergessen wir nicht, daß der Rückgang der Kohlenproduktion in unserem Staate nicht weniger als 38% beträgt. Vergessen Sie nicht, daß die privaten Kohlengrubenbesitzer rein aus dem Wunsch heraus, die Profitrate möglichst zu erhöhen, ihren eigenen Gewinn auf die denkbar höchste Höhe hinaufzuführen, daß diese privaten Eigentümer der Kohlenschächte alles unterlassen haben, um die notwendigen Investitionen im Bergbau vorzunehmen, um die technischen Neuerungen durchzuführen, mit deren Hilfe es möglich wäre, die Erhöhung der Produktion in den Kohlenbergwerken herbeizuführen. Und weil dem so ist, und weil nicht zu erwarten ist, daß die privaten Eigentümer der Kohlengruben in Zukunft etwa diesen ihren Standpunkt so rasch ändern werden, ist es ein eminentes Interesse der gesamten Volkswirtschaft, der gesamten Bevölkerung und bis zu einem gewissen Grade auch des Staates, daß der privaten Wirtschaft die Bewirtschaftung des Bergbaues entrissen werde, u. z. durch die Sozialisierung. Das ist möglich, das kann geschehen, wenn man ernsthaft will; eine Belebung der Industrie, Hebung des Wohlstandes und Verminderung der Arbeitslosigkeit wären die Folgen. Es kann geschehen, weil die Voraussetzungen für die Sozialisierung nirgends in so hohem Maße gegeben sind wie gerade beim Bergbau. Und trotzdem vermissen wir jeden Anlauf, jede Initiative von den Bänken der Regierung. Die Arbeiter, die zunächst betroffen sind, die Organisationen der Bergarbeiter, haben sich intensiv und mit strengster Sachlichkeit mit dieser Frage beschäftigt und schon im Juni des vergangenen Jahres der Regierung Vorschläge überreicht. Bisher aber sind wir trotzdem um gar nichts vorwärtsgekommen. Aber, meine Herren von der Regierung, wähnen Sie ja nicht, daß es möglich sein wird, über die Sozialisierung einfach hinwegzukommen! Es hilft nichts, sich in dieser Beziehung einfach auf den Boden der Neutralität zu stellen. Da heißt es Farbe bekennen! Die Arbeiterschaft in diesem Staat ist nicht darnach, daß sie es sich dauernd gefallen ließe, genarrt und gefoppt zu werden durch die ewigen Versprechungen, denen keine Tat folgt. Ich will gar nicht sprechen beispielsweise von dem Zerrbild einer Sozialisierung, wie Sie sie beim Großgrundbesitz versucht haben, eine Maßnahme, die von der Sozialisierung nur den Namen, aber gar nichts von ihrem Wesen hat. Sie müssen sich entscheiden, auf diesem Gebiete etwas anderes zu tun. Es wird auch hohe Zeit. Die Ungeduld der gesamten Arbeiterschaft wächst von Tag zu Tag; es ist Zeit, daß Sie sich endlich entschließen, das längst versprochene Betriebsrätegesetz zu schaffen. Tun Sie es nicht, dann werden Sie eines Tages Betriebsräte haben, ohne Gesetz, und ob die Entwicklung in so ruhigen Bahnen sich vollziehen wird, wie Sie es wünschen, mögen Sie sich selbst beantworten. Jedenfalls sei es aber gebucht, daß die Verantwortung in ihrer Gänze auf Ihnen lastet, wenn Sie es weiter verzögern und verhindern, daß dieses notwendige Gesetz geschaffen werde. Sie haben sich daran gewöhnt, in diesem Staate die dringendsten Dinge unerledigt zu lassen oder eine Scheinregelung an Stelle einer wirklichen Tat zu setzen.

Wie haben Sie beispielsweise unsere Kriegsinvaliden behandelt? Wie behandeln Sie die Witwen nach gefallenen Soldaten, wie behandeln Sie die armen Waisen! Ein Vergleich mit dem ausgebluteten, sterbensarmen Deutsch-Österreich zeigt Ihnen, wie in einem anderen Staate, wenn der ernste Wille vorhanden ist, dem Elend zu steuern, eine solche Frage geregelt wird. Und was tun Sie nun? Sehen Sie sich die Ziffern des Budgets an und Sie kommen darauf, daß die Auslagen für die Invalidenfürsorge, die im Vorjahre mit 930 Millionen festgesetzt waren, auf 606 Millionen herabgesetzt wurden. Anstatt die Ausgabenpost zu erhöhen, wie es dringend notwendig wäre, wenn Sie die Menschen nicht in Tod und Verzweiflung jagen wollen, setzen Sie diese Ziffern kalten Herzens herab und kümmern sich den Teufel darum, was aus den Menschen werden soll, die das zu tragen haben. Und was machen Sie mit den Unterhaltsbeiträgen? Sie setzen sie herab von 540 auf 100 Millionen, auf ein Fünftel der früheren Summe. Ja, sollen die Invaliden, sollen die Kriegerwitwen, sollen die Waisenkinder die Opfer des Krieges sein, die für Sie, die herrschende Nation in diesem Staate, die Kosten Ihres viel gefeierten Sieges bezahlten? Das sind doch schließlich auch die Frauen und Kinder Angehöriger Ihrer eigenen Nation genau so wie der unseren!


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