In dieser Hinsicht ist sich der Herr Ministerpräsident seiner prekären Situation offenbar voll bewußt gewesen. Um den Beweis für den Liberalismus, oder soll ich gar sagen, für die Liberalität der èechischen Regierungen und für die nationale Gerechtigkeit, die diese Organe bei den oktroyierten Gesetzen an den Tag gelegt hätten, zu erbringen, vermag die Regierungserklärung aus der ganzen unübersehbaren Fülle von vielen hunderten Gesetzen im ganzen nur drei herauszugreifen, die für diese Beweisführung nicht schon auf den ersten Blick durchaus unverwertbar sind. Diese drei Gesetze sind das Wahlgesetz für die Gemeindevertretung und die Parlamentswahlgesetze. Aber auch diese Kronzeugen des Liberalismus und der nationalen Gerechtigkeit sagen einigermaßen belastend aus und ich zweifle, ob wirklich ganz Europa, wie der Herr Ministerpräsident meint, diese Gesetze als die liberalsten und als Muster nationaler Gerechtigkeit ansehen würde, wenn ganz Europa darüber unterrichtet wäre, daß unser Parlamentswahlrecht infolge der Abgrenzung der Wahlkreise und der Zuteilung der Mandate auf diese Wahlkreise des modernsten Erfordernisses jedes Wahlrechtes, des Gedankens der Gleichheit, entbehrt, weil die bestimmende Kraft der einzelnen Wählerstimme sehr erheblich davon abhängt, in welchem Wahlkreise sie abgegeben wurde, indem eine sehr erhebliche und die Mehrheitsverhältnisse des Parlamentes stark beeinflussende Bevorzugung von Wahlkreisen mit überwiegend oder rein èechischen oder slovakischen Mehrheiten stattgefunden hat gegenüber und auf Kosten von Wahlkreisen mit überwiegend deutscher oder magyarischer Bevölkerung. (Sehr richtig!) Indessen soll mich dieser arg gravierende Mangel nicht abhalten, zu erklären und anzuerkennen, daß die Wahlgesetze sonst wenig Anlaß zu einer Bemängelung bieten, weil die sie beherrschende Idee des Verhältniswahlrechtes unter dem Gesichtspunkte der Demokratie und der nationalen Billigkeit zu begrüßen ist.
Wie steht es aber mit den vielen hunderten anderen Gesetzen, die man uns beschert hat? Ich verstehe sehr gut, daß der Herr Ministerpräsident in dieser Richtung so einsilbig war; aber ich hoffe, daß er es auch verstehen wird, wenn wir bei unserem Gegenbeweise gegen seine Behauptung von der Liberalität, dem Liberalismus und der nationalen Gerechtigkeit der Revolutionsgesetzgebung etwas weniger zugeknöpft sind und auch von solchen Gesetzen sprechen, an welche der Herr Ministerpräsident vergessen hat, weil er an sie vergessen mußte. Es wäre verlockend, in diesem Zusammenhange jedes einzelne Gesetz unter die Lupe zu nehmen und bis in die letzte Einzelheit zu prüfen, denn mitunter sind gerade die Einzelheiten außerordentlich belehrend. Aber eine solche weitschweifige Abhandlung würde aus dem Rahmen dieser allgemeinen Debatte fallen, und ich darf umso eher darauf verzichten, als einerseits hoffentlich die Behandlung der von uns eingebrachten Anträge auf Ausarbeitung einer neuen Verfassung und auf Überprüfung aller bisherigen Gesetze uns hinreichend Anlaß dazu bieten wird, anderseits die wenigen Bemerkungen, die ich schon heute einschalten möchte, für die Zwecke meiner Beweisführung vollkommen genügen dürften.
Als der Herr Ministerpräsident von Liberalismus und nationaler Gerechtigkeit sprach, hat er geschwiegen und mußte er schweigen von der Gesamtheit der Verfassungsgesetze, die in der Abgrenzuug der sogenannten Freiheitsrechte keineswegs liberal und meilenweit entfernt sind von dem Erfordernis der nationalen Gerechtigkeit, da sie sich durch ihren ungesunden Zentralismus, von dem einmal der Herr Präsident der Republik gesagt hat, daß er den Organismus durch Mechanismus ersetzt, an den demokratischen Grundgedanken der nationalen Selbstverwaltung versündigen, da sie in keinem einzigen Punkt den Erfordernissen des modernen Nationalitätenrechtes Rechnung tragen, welches die Angehörigen einer sogenannten Minderheitsnation - wenn schon dieser für unsere Verhältnisse unzutreffende Ausdruck gebraucht werden soll - nicht nur als isolierte Individuen, sondern auch in ihrer Zusammenfassung zu einer sogenannten "groupe collective" berücksichtigt, da sie schließlich auch den einzelnen deutschen Staatsbürgern nicht einmaljene nationalpolitische Rechtstellung gewährleisten, die allen Nationen des österreichischen Staates staatsgrundgesetzlich gewährleistet war, und mit der doch die Èechen ihr Auslangen auch zu jener Zeit nicht finden zu können glaubten, als sie an einen selbständigen Staat noch gar nicht dachten.
Der Herr Ministerpräsident hat geschwiegen und mußte schweigen von dem famosen Sprachengesetz, bei dem man in Verlegenheit ist, welche seiner Qualitäten als die unsympatischeste zu bezeichnen wäre, ob seine Unaufrichtigkeit, seine tendenziöse Unvollständigkeit oder sein Chauvinismus.
Der Herr Ministerpräsident hat sich denn doch gescheut, dieses Gesetz ein liberales und national gerechtes zu nennen, dieses Gesetz, welches selbst hinter dem ganz unzulänglichen national-politischen Minimalprogramm des Minderheitsschutzvertrages um ein weites Stück zurückbleibt, das sich aus nationalem Fanatismus über jedes Gebot der Gerechtigkeit und über alle Erwägungen der praktischen Zweckmäßigkeit hinwegsetzt, die doch in erster Linie bei sprachenrechtlichen Regelungen berücksichtigt werden muß, und das, wenn ich als Abgeordneter der Deutschen Prags ein Einzelmoment hervorheben darf, in der souveränen Mißachtung und Brüskierung des Deutschtums der Reichshauptstadt noch weiter geht, als dies selbst, wenn ich Zeitungsmeldungen glauben darf, Herr Dr. Kramáø in seinem Entwurfe für möglich hielt, dem wohl von keiner Seite dieses Hauses der Vorwurf nationaler Lauheit gemacht werden dürfte. (Veselost nìmeckých poslancù.)
Der Herr Ministerpräsident hat nicht genannt und nicht nennen dürfen die Gesetze über die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses und des Senates, weil diese Geschäftsordnung mit ihren ausgeklügelten Finessen, mit ihren Beschränkungen der Redefreiheit, mit ihren Strafmaßnahmen gegen unbequeme Volksvertreter, mit ihrem militaristischen Einschlag in den Vorschriften über die Par lamentswache, und nicht zuletzt mit ihrem meisterhaft erfundenen Initiativausschuß, der die für die Presse abgeschaffte Vor zensur für das Parlament einführt und die Möglichkeit bietet, unerwünschten Anträgen ein stilles Begräbnis mit Aus schluß jeder Öffentlichkeit zu bereiten, weil die Geschäftsordnung mit allen die sen Bestimmungen und durch sie als die illiberalste aller parlamentarischen Geschäftsordnungen sich darstellt, weil sie undemokratisch ist, da sie die Autonomie der gewählten Volkshäuser in unerhörter Weise beschneidet, weil sie national ungerecht ist und das sprachliche Recht der Gewählten fast noch mehr verletzt als der Wähler, ohne Rücksicht darauf, daß gerade die sprachenrechtlichen Bestimmungen dem Hauptzweck jeder gesunden parlamentarischen Geschäftsordnung, der Erleichterung der parlamentarischen Verhandlungen, direkt entgegenarbeiten.
Der Herr Ministerpräsident hat zwar das Universitätsgesetz genannt, aber den wahren Inhalt des Universitätsgesetzes hat er verschwiegen und mußte er verschweigen, weil dieser wahre Inhalt, meine Damen und Herren, keineswegs so harmlos ist, daß er sich erschöpft in der bloßen Ausmerzung des Namens eines Habsburgerfürsten. Vielmehr hat der wahre Inhalt dieses Universitätsgesetzes auch in der revidierten Fassung die deutsche Universität zunächst ganz namenlos gemacht und hat ihr dann außerdem einige, nicht ganz belanglose Sachen weggenommen. Es sind dies allerdings nur: ihr ganzes Vermögen, ihre Archive, ihre Insignien, das Karolinum und die Sternwarte (Hlas: Aber sonst nichts!), aber das ist immerhin genug, um mit dem besten Willen auch dieses Gesetz nicht als Muster des Liberalismus und nationaler Gerechtigkeit (Výkøiky.) bezeichnen zu können.
Die Regierungserklärung durfte nicht sprechen und hat auch nicht gesprochen vom Gesetz über die Schulverwaltung, dessen Liberalismus darin besteht, daß es statt des Ausbaues der nationalen Autonomie und der autonomen Einrichtungen überhaupt und ihres Wirkungskreises die Beeinträchtigung der eingelebten und bewährten Schulautonomie bringt, um dem weniger bewährten Bürokratismus ein neues Gebiet für seine unfruchtbare Tätigkeit zu eröffnen, und dessen nationale Gerechtigkeit sich darin äußert, daß der gesunde Gedanke der nationalen Abgrenzung, für den in früherer Zeit auch die Èechen so viel Verständnis hatten und der gerade auf dem Gebiet des Schulwesens seine Berechtigung voll erwiesen hat, daß dieser gesunde Gedanke der nationalen Abgrenzung auf dem Altar eines nationalen Chauvinismus geopfert wird, in ähnlicher Weise, wie dies durch das ebenfalls unerwähnt gebliebene Gesetz über die Gauverfassung geschehen ist, bei dessen Abfassung das Hauptmotiv darin lag, durch gekünstelte, lebensunfähige Gaubildungen zunächst die Fiktion, daß es im Bereich des èechoslovakischen Staates keine rein deutschen Gebiete gibt, zu erhärten und sohin im Wege rascher oder allmählicher Entnationalisierung aus dieser Fiktion wenigstens eine halbe Wahrheit werden zu lassen. (Hlas: Das werden sie nicht erleben!) Hoffentlich nicht!
Von all diesem hat der Herr Ministerpräsident nicht gesprochen. Er hat nicht gesprochen von dem außerordentlich demokratischen und liberalen Wehrgesetz, nicht von dem Bodengesetz. Er hat von zahllosen Gesetzen mit unverhüllt oder verhüllt antidemokratischer oder antideutscher Tendenz nicht gesprochen, er mußte über all das schweigen, um das Konzept seiner brüchigen Argumentation nicht zu verderben. Wir deutschen Volksvertreter können aber von allen diesen Gesetzen nicht schweigen und wir werden dies weder heute, noch in Hinkunft tun, bis die durch unseren Eintritt in das Parlament aufgeworfene Frage der Revision aller dieser Gesetze derart ihre restlose Bereinigung gefunden hat, daß aus dem Verfassungsaufbau dieses Staates und seiner gesamten bisherigen Gesetzgebung auch der letzte Rest undemokratischer Gesinnung, chauvinistischer und imperialistischer Denkungsweise und nationaler Entrechtung ausgemerzt ist. Wir können und wollen diese Fragen ebenso wenig zur Ruhe kommen lassen, wie wir davon absehen können, von den zahllosen Übergriffen einer ungerechten Administrative zu sprechen, deren Opfer in der vorparlamentarischen Zeit die Angehörigen des deutschen Volkes geworden sind, und die nur dadurch aus der Welt geschafft werden können, daß volle Schadloshaltung und Wiedergutmachung geleistet wird.
Der Herr Ministerpräsident hat auch auf jene Stellen unseres Manifestes Bezug genommen, in denen von der staatlichen Administrative die Rede ist und hat es bemängelt, daß starke Ausdrücke angewendet wurden, daß von Vergewaltigung und Drosselung gesprochen wurde, daß die Worte der Anklage übertrieben und ungerechtfertigt waren und daß unbegründete Pauschalanklagen erhoben worden sind. Ich weiß nicht, auf welches dieser zahlreichen Epitheta der Herr Ministerpräsident ein besonderes Gewicht legt. - Wenn er in erster Linie den pauschalen Charakter der erhobenen Vorwürfe inkriminieren sollte, so darf doch wohl darauf hingewiesen werden, daß es nicht gut angeht, in einem Manifest mit detaillierten Angaben zu kommen, abgesehen davon, daß auf diese Weise unser Manifest den Umfang eines dicken Buches angenommen hätte. Übrigens kann sich der Herr Ministerpräsident, wenn auch nicht alle, so doch sehr viele Belege für die sogenannten pauschalen Anklagen in außerordentlich leichter und bequemer Weise aus der Kanzlei des Ministerpräsidiums und den Kanzleien aller übrigen Ministerien verschaffen, in denen zahllose unerledigte Beschwerden und Eingaben lagern. Wir wollen übrigens diese unerfreuliche kompilatorische Arbeit keineswegs von uns abwälzen. Wir versprechen dem Herrn Ministerpräsidenten, daß wir im gegebenen Augenblick vor der Regierung und der gesamten Öffentlichkeit einen erschöpfenden Katalog aller jener Beschwerden auflegen werden, die als Beweis unserer sogenannten pauschalen Anklagen in Betracht kommen. (Sehr richtig!)
Vielleicht legt aber der Herr Minister präsident das Hauptgewicht darauf, daß die erhobenen Vorwürfe ungerechtfertigt und übertrieben erscheinen. Hier spielt natürlich das subjektive Ermessen eine große Rolle. Aber ich habe das sichere Empfinden, daß einige wenige Fragen, die ich dem Herrn Ministerpräsidenten jetzt vorlegen möchte, sogar auch ihn zu einer Revision oder wenigstens zu einer teilweisen Revision seiner Au ffassung, daß von unserer Seite mit ungerechtfertigten und übertriebenen Vorwürfen gearbeitet wird, veranlassen dürften zu einer Revision seiner Auffassung, die sich zumindest innerlich vollziehen wird, wenn er auch aus diesem oder jenem Grunde davon absehen dürfte, sie öffentlich zu bekunden.
Ich will z. B. den Herrn Ministerpräsidenten fragen, ob er es als übertrieben und ungerecht ansieht, wenn wir uns durch die zahllosen und verschiedenfältigen Eingriffe in die Gemeinde- und Bezirksautonomie beschwert erachten, die ohne jede gesetzliche Grundlage im Laufe der parlamentslosen Zeit erfolgt sind, zum großen Teil auch noch heute andauern. Ich denke da an die Auflösung der Bezirksvertretungen, der entgegen den ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen keine Ausschreibung der Neuwahlen gefolgt ist, sondern die Einsetzung von Verwaltungskommissionen, die in ungerechter und der Bevölkerungsziffer hohnsprechender Art unter Zurücksetzung der Deutschen gegenüber den Èechen zusammengesetzt wurden. Ich denke an die grundlose Auflösung der Gemeindevertretungen, der vielfach nicht die Ausschreibung von Neuwahlen folgte. Um nicht in den Verdacht der Pauschalanklagen zu kommen, will ich als Musterbeispiel die deutsche Stadt Rokitnitz erwähnen, wo ein èechischer Regierungskommissär noch heute seines Amtes waltet. (Výkøiky.) Ich denke an die vielen Ungesetzlichkeiten ähnlicher Art, die in diesen Zusammenhang gehören.
In diesen Zusammenhang gehört wohl auch die Verfälschung der Gemeindewahlergebnisse in rein oder überwiegend deutschen Gemeinden durch geschickte Dislozierung der wahlberechtigten Garnisonen. Scheint dem Herrn Ministerpräsidenten auch diese Anklage unbegründet zu sein?
Oder besitzen wir eine übertriebene Empfindlichkeit, wenn wir den Bestand und die Tätigkeit der sogenannten "národní výbory" als Übergriffe und Vergewaltigungen ansehen und nicht das richtige Verständnis dafür aufbringen können, daß diese meines Wissens formell längst aufgehobenen, aber trotzdem immer noch weiter geduldeten Revolutionsgebilde - ich verwende einen Ausdruck des Ministeriums des Innern - jemals in der Lage waren und sogar noch heute sind, Kompetenzen staatlicher Behörden auszuüben, Zeitungsbeschlagnahmen durchzuführen, deutsche Beamte zu versetzen etc., darüber hinaus sich allerdings auch Zuständigkeiten anzumaßen, über die nicht einmal eine staatliche Behörde verfügt, wie dies z. B. geschehen ist, wenn die Entlassung deutscher Beamter aus Gemeinde- und Privatanstellungen erzwungen oder gewaltsam über das Schicksal der deutschen Schulen und Schulgebäude verfügt wurde? Hier floß und fließt vermutlich die berühmte Rechtsquelle der Revolution. Meine Damen und Herren! Ich bin weit davon entfernt, diese Rechtsquelle zu leugnen. Aber ich habe nie gedacht, daß sie ein so unerschöpfliches Reservoir (Smích nìmeckých poslancù.) darstellt und daß sie so verheerende Überschwemmungen anrichten kann. Und eines ist mir unter allen Umständen unerklärlich, wieso für denselben territorialen Bereich zwei Organe gleicher Kompetenz ihre Wirksamkeit auf dieselbe Rechtsquelle, nämlich die Revolution, zurückführen können, auf der einen Seite die "národní výbory", auf der andern Seite die sogenannten politischen Bezirksverwaltungen, die als Nachfolgerinnen der alten österreichischen Bezirkshauptmannschaften doch auch ihre Amtstätigkeit nur auf die Revolution als Rechtsquelle zurückführen. Hier liegt etwas rechtlich Unmögliches und Unerträgliches vor. In der Praxis geht alles wunderbar glatt vor sich, da die staatlichen Behörden regelmäßig dem Terror der "národní výbory" das Feld räumen (Sehr richtig!) und ihnen dies ja auch nicht weiter übelgenommen werden kann, da sie infolge des mangelnden guten Willens oder der Ohnmacht der Zentralstellen sonst eine Neuauflage z. B. der Biliner Ereignisse erleben müßten, wo dem "národní výbor" Militär gegen die staatliche Behörde zur Verfügung gestellt wurde. Man sollte uns da denn doch wohl von Seiten der verehrten Regierung das kümmerliche Recht lassen, von Ubergriffen und Vergewaltigungen zu sprechen.
Anklagen wegen so geringer Vorkommnisse, wie es Ubergriffe gegen deutsche humanitäre Anstalten, gegen deutsche Vereine und Verkürzungen deutscher wissenschaftlicher und kultureller Institutionen oder die mit Recht so beliebten wirksamen Drohungen zur Erzwingung der Utraquisierung oder Verèechung rein deutscher Anstalten und Institutionen (Hlas: Höhere Schweiz.) sind, die dürften von der Regierungsbank vermutlich als Übertreibungen stigmatisiert werden. Die Regierung steht offenbar auf dem Standpunkt "minima non curat praetor", und ist bei der Abgrenzung des Begriffes "minima" außerordentlich weitherzig. Lapalien, über die nur querulanten überhaupt ein Wort verlieren können, sind in den Augen der in dieser Hinsicht so anspruchsvollen Regierung vermutlich auch die zahllosen Übergriffe zur Verèechung der öffentli chen Aufschriften in rein oder überwiegend deutschen Städten und Gemeinden, Lapalien sind die Denkmalschändungen, Lapalien sind nicht nur die dem elementarsten Rechtsempfinden, der Vernunft und dem guten Geschmack, sondern auch dem Minderheitsschutzvertrag widersprechenden Behinderungen der deutschen Sprache in privaten Aufschriften und Firmatafeln durch den Terror der Straße unter Mitwirkung oder Duldung der staatlichen Organe, unter welchen terroristischen Akten gerade die Prager deutsche Bevölkerung in besonderem Maße getroffen worden ist, ohne daß die Regierung Anlaß gefunden hätte, von dem bei ihr sonst so beliebten Aufsichtsrechte Gebrauch zu machen; Lapalien sind vermutlich auch die zahllosen willkürlichen Verhaftungen, auch die vielfachen Exzesse gegen Leben und Eigentum deutscher Staatsbürger, denen gegenüber die staatlichen Sicherheitsbehörden versagen, sofern nicht an diesen Exzessen geradezu Personen mitwirkten, die auf Grund ihres Amtes eigentlich zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung verpflichtet (Výkøiky.) sind. Aber, meine Damen und Herren, den traurigen Mut wird denn doch wohl die Regierung nicht aufbringen, um auch unsere noch immer unerledigten Klagen wegen der folgenschweren Ereignisse am 4. März 1919 und wegen ähnlicher trauriger Vorfälle, die sich zu anderen Zeitpunkten ereignet haben, als übertrieben und ungerechtfertigt zu bezeichnen.
Es drängen sich mir, da ich nun einmal mitten drin bin, in dieser endlosen Liste der Vergewaltigungen administrativer Natur, so zahllose und verschiedenartige Beschwerden auf, daß es unmöglich ist, eine systematische Ordnung aufrecht zu erhalten. Ich muß wieder auf die Gemeindeautonomie zurückgreifen und fragen, ob es der Ministerpräsident nicht selbst als Vergewaltigung empfindet, wenn gegen den Widerspruch aller beteiligten autonomen Stellen und überdies im Widerspruch mit den Verkehrserfordernissen und mit den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Gemeindeeinwohner, sehr häufig sogar im Gegensatz zu den öffentlich geäußerten Wünschen der èechischen Bevölkerung selbst aus rein nationalen, d. h. chauvinistischen Gründen Abtrennungen von Gemeindeteilen, Zuweisungen an andere Gemeinden, Zusammenlegungen von Gemeinden etc. vorgenommen wurden, welchen tendenziösen Charakter z. B. alle Aktionen dieser Art besitzen, die im Gebiet der Iglau - Steckener Sprachinsel im Zuge sind oder sogar trotz aller Proteste und trotz aller Zusagen rein sachlicher Entscheidung zum Teil bereits durchgeführt wurden.
Der Herr Ministerpräsident empfindet es als zu starken Ausdruck, wenn wir von Drosselung sprechen. Aber kann mir der Herr Ministerpräsident, der doch im Einklang mit den Prinzipien seiner Partei, welche ja stets ein so feines Verständnis für die Freiheit der Presse besaß, einen anderen Ausdruch empfehlen zur Kennzeichnung der unerhörten Konfiskationspraxis, durch die man monatenlang die oppositionelle Presse zu knebeln suchte und in sehr weiten Gebieten dieses Staates auch heute noch zu knebeln sucht und findet der Herr Ministerpräsident den Ausdruck "Drosselung" vielleicht nicht selbst noch als zu milde, wenn er sich an die berüchtigten Zeitungseinstellungen erinnert, deren Opfer gerade die größten Organe der Sudetendeutschen geworden sind, an ihrer Spitze die "Bohemia", die nach dem offenen Eingeständnis mehrerer maßgebender und verantwortlicher Persönlichkeiten des damaligen Regimes keineswegs deswegen eingestellt wurde, weil sie an einem niemals bestandenen und in der blamabelsten Weise erst aufgebauschten und dann tot geschwiegenen Spionagekomplott beteiligt war, sondern weil sie in diesen kritischen Monaten gerade durch die vornehme Sachlichkeit ihrer Argumente unbequem zu werden begann.
Ich will weiters fragen, ob es unzulässig ist, von Vergewaltigungen zu sprechen, wenn man das Verhalten der Regierung gegenüber den deutschen Staatsbeamten und Staatsangestellten überhaupt in allen Zweigen der staatlichen Verwaltung, vor allem aber im Eisenbahndienst zu beurteilen hat, dieses willkürliche Verhalten, das sich in Enthebungen von leitenden Stellen, in Dienstenthebungen überhaupt, in Nichtübernahmen, in zeitlichen Pensionierungen, in Gehaltskürzungen und in seelisch verbitternden und materiell schädigenden Versetzungen äußert oder kann es als Ungerechtigkeit betrachtet werden, wenn man das traurige Kapitel aufschlägt, das von den endlosen Leiden der pflichtgemäß zu vollem Recht zu übernehmenden, tatsächlich aber seit Monaten einer katastrophalen Notlage, ja einem langsamen Verhungern preisgegebenen deutschen Offiziere und Militärpersonen handelt und von der grausamen Tätigkeit jener berühmten Kommissionen, die mit allen Schrecken eines Fehmgerichtes ausgestattet, Normen von unerträglicher Härte eine noch unerträglichere Anwendung geben? Bei diesem Vorwurf wäre allerdings ein Einwand der Regierung berechtigt, nämlich der Hinweis darauf, daß die geschilderten Übelstände nicht bloß unter national-politischen Gesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und der Billigkeit zu verurteilen sind, sondern auch und vielleicht noch mehr zu verurteilen vom Standpunkt der Interessen des Staates, der sich selbst seiner besten Kräfte beraubt, trotzdem er wahrhaft an solchen Kräften keinen Überfluß hat.
Eine weitere Frage geht dahin, ob es nicht als ein administrativer Übergriff bezeichnet werden darf, wenn die doch auch mit deutschen Steuergeldern erhaltenen staatlichen Behörden, vor allem die auch uns ökonomisch sehr belastenden auswärtigen Vertretungen deutsche und èechische Parteien nicht gleichmäßig behandeln, ja mitunter ganz offen nach Nationalität und Konfession fragen, um ihr Verhalten nach der Antwort zu regeln.
Ich will mich aber bei meinen Fragen nicht nur auf das positive Tun der staatlichen Organe beziehen, sondern auch auf das Viele, was nicht geschehen ist. Denn auch in Unterlassungen kann Gewalt und kann Unrecht gelegen sein. Ich frage also, warum die Regierung, trotzdem sie doch sonst in der vorparlamentarischen Zeit nicht gerade zurückhaltend war in legislatorischen und administrativen Maßnahmen, warum die Regierung bis heute nicht das Mindeste vorgekehrt hat, um den unter allen Umständen auch nach der èechischen Geschichtsauffassung unschuldigen Kriegsopfern ausgiebig zu helfen. Ich frage, warum noch heute Tausende deutscher Kriegsgefangener fern von ihrer Heimat weilen, warum sie und mit welchem Rechte sie anders behandelt werden als ihre èechischen Mitbürger. Ich frage, warum sie in gewissen Sammellagern einer unwürdigen Behandlung ausgesetzt werden. Und ich frage weiter, warum die sogenannten mobilisierten Bürger deutscher Nationalität einerseits monatelang und jahrelang im Dienste des èechischen Heeres in Sibirien verwendet werden, anderseits aber nicht teilhaftig sind des Vorzugsrechtes des èechischen Heeres beim Heimtransport, und wenn sie in geringerer Zahl tatsächlich heimtransportiert werden, trotz ihrer Dienstleistung plötzlich ohne einen Kreuzer Abfindung auf die Straße geworfen werden. (Potlesk nìmeckých poslancù.)
Ich werfe in diesem Zusammenhang,
wo ich von administrativen Unterlassungen spreche und mit Absicht
gerade in diesem Zusammenhange, die Frage nach dem bisherigen
Schicksal der Kriegsanleihe auf. Denn meines Erachtens ist diese
ganze Angelegenheit zu Unrecht auf das Gebiet der Gesetzgebung
verwiesen worden und in ihrer bisherigen Behandlung liegt richtiger
Auffassung nach nichts anderes als eine ungeheure administrative
Unterlassungssünde. Der èechische Staat, der sich sofort als der
Erbe des österreichischen Staates und seiner nicht unbeträchtlichen
Aktiven betrachtete und erklärte, dieser Staat hatte nach den
primitivsten Rechtsgrundsätzen die Pflicht, auch die diese Aktiven
belastenden Passiven mitzuübernehmen. Er hatte die Pflicht, für
die stockungslose Aufrechterhaltung des Zinsendienstes und der
Kapitalrückzahlung für die in den Händen seiner Staatsbürger befindlichen
Kriegsanleihen und Vorkriegsrenten Sorge zu tragen, unbekümmert
um irgendwelche Ermächtigungen oder Freibriefe des Friedensvertrages.
Jedes andere Vorgehen stellt sich als ein Unrecht dar, als ein
Unrecht, das selbstverständlich in allererster Linie, die so besonders
hart betroffene deutsche Bevölkerung belastet, und dieses Unrecht
muß gutgemacht werden und es kann nur gutgemacht werden durch
die volle uneingeschränkte Einlösung der Kriegsanleihe, ohne jede
Verquickung mit irgendeiner neuer staatlichen Kreditoperation.
(Potlesk nìmeckých poslancù. Rùzné výkøiky. Hluk.)