Landtagssekretär Dr. Haasz und
Landtagsaktuar Dr. Maschek (lesen abwechselnd):
Interpellation des Abgeordneten Karl Iro und
Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter Grafen Coudenhove,
betreffend die ungesetzliche Anwendung der Stremayrschen Sprachenverordnungen
bei den Gerichten der Stadt Eger.
In einem kürzlich in Wien gehaltenen Vortrage
sagte der Egerer Rechtsanwalt Dr. Josef Karg inbezug auf den Gebrauch
der Sprachen bei den Gerichten in Eger u. a. folgendes:
"Der seit länger als Jahresfrist
in Böhmen tobende Sprachenkampf hat mit auffallender Heftigkeit
ein Gebiet ergriffen, das gegenüber den anderen deutschen
Gauen Böhmens eine bemerkenswerte geschichtliche und staatsrechtliche
Ausnahmsstellung einnimmt.
Haupt und Mittelpunkt dieses Gebietes, des
im nordwestlichen Winkel Böhmens gelegenen Egerlandgaues,
ist Eger, die alte, ehemals freie deutsche Reichsstadt.
Schon in der Staufenzeit, und zwar im Jahre
1234, wird Eger als Reichsstadt genannt und blieb auch nach der
Verpfändung an Böhmen reichsunmittelbares Gebiet.
Oftmals, namentlich im 15. Jahrhundert, wurde
die Stadt zu den Reichstagen geladen und in den Reichsmatrikeln
denannt, so 1480 und selbst noch 1514.
Nach den Staufen kam das Egerland in den Besitz
des Königs Ottokar II. von Böhmen, der es aber im Kriege
mit Rudolf von Habsburg an das Reich zurückgeben mußte.
So blieb Eger in der Folge Reichsland, bis
der deutsche König Ludwig der Bayer 1314 das Egerland an
den König Johann von Böhmen für 20.000 Mark Silber
zur Anerkennung für geleistete Kriegsdienste in der Schlacht
bei Mühldorf verpfändet und 1322 wirklich abgetreten
hat.
Schon am 23. Oktober 1322 erläßt
der neue Pfandherr des Egerlandes, König Johann von Böhmen,
eine förmliche Verfassungsurkunde, in der die staatsrechtliche
Stellung des verpfändeten Gebietes zur Krone Böhmen
bestimmt festgestellt und abgegrenzt wurde.
Von dieser Zeit an also war Eger mit Böhmen,
jedoch nicht mit dem Staate, sondern mit der Krone verbunden,
und zwar als unmittelbares Reichsland, als geschlossenes Gebiet
mit allen Territorialrechten, mit Vorbehalt der Reichshoheit,
unmittelbar unter den König selbst gestellt und jedem Einflusse
der böhmischen Ständekammer entzogen.
Seit den Freiheitsbriefen Rudolfs von Habsburg,
1279, und König Johanns, 1322, haben alle Könige und
Kaiser das geschlossene Gebiet des Egerlandes, seine staatsrechtliche
Sonderstellung, sowie die besonderen Rechte der Stadt und des
Landes in Majestätsbriefen anerkannt und wiederholt zu schützen
und zu achten erklärt.
Der letzte Akt der politischen Selbständigkeit
Egers erfolgte durch den Beitritt der Egerer Stände zur pragmatischen
Sanktion des Hauses Oesterreich im Protokolle vom 23. Juli 1721,
worin neben der Pfandstellung die besonderen Privilegien und Rechte
der Stadt Eger ausdrücklich verwahrt wurden.
Die pragmatische Sanktion erscheint nach ihrem
Inhalt als ein Vertrag, geschlossen vom Monarchen, dem damals
alleinigen Träger aller Staatsgewalt, mit dem als selbständiges
Rechtssubjekt anerkannten Egerer Gebiete; bei der fortbestehenden
Gültigkeit der pragmatischen Sanktion bedeuten die Sprachenverordnungen
offenbar einen rechtswidrigen Eingriff in das durch einen solennen
Vertrag bekräftigte Recht auf den ausschließlichen
Gebrauch der deutschen Sprache im amtlichen Verkehre in Eger,
und dadurch wird es wohl begreiflich, daß dieser Rechtsbruch
den äußersten Widerstand im Egerlande herausfordern
muß.
Der böhmische Patriot und Geschichtsschreiber
Palacky hat seinen Konnationalen einmal die Worte zugerufen: "Beim
Egerland müssen Sie Halt machen; wenn Sie wollen, daß
Ihre Rechte geachtet werden, so müssen Sie auch die alten
Rechte des Egerlandes respektieren!"
Die jetzigen Regisseure der tschechischen Politik
denken und handeln anders. Nach Eger muß der Feuerbrand
geworfen werden, um in dieses feste Bollwerk des Deutschtums Bresche
zu legen.
Ein ganzes Komplott tschechischer Advokaten
hatte im Herbste vorigen Jahres die Egerer Gerichte mit tschechischen
Klagen und Eingaben überhäuft.
Der ausgesprochen provokatorische Charakter
mußte jedem klar sein und ist ja auch, wie bekannt, der
Nachweis fingierter Klagen im Syndikatsprozesse gegen Landesgerichtsrat
Dr. Freyer gerichtlich erbracht worden.
Die Antwort aus die tschechische Herausforderung
war die Abweisung von provokatorischen Eingaben.
So verdanken wir denn der tschechischen Propaganda
nicht nur die recht gesunde Aufrüttelung aus dem nationalen
Schlummer, sondern auch eine gründliche Erfassung unserer
Rechtslage im Kampfe um die Wahrung unserer Sprache.
Wir Egerländer müssen namentlich
zwei deutschen Richtern (Landesgerichtsräten Dr. Stöhr
und Dr. Freyer) Dank und Anerkennung zollen, weil sie unsere Rechtslage
mit den Waffen scharfen juridischen Geistes mannhaft verteidigt
und befestigt haben.
Gegen die Abweisung tschechischer Eingaben
wurde Beschwerde eingebracht. Das Egerer Kreisgericht hat die
Beschwerde abgewiesen.
Die Begründung der rekursgerichtlichen
Entscheidung (Berichterstatter Landesgerichtsrat Dr. Stöhr)
ist so klar und scharf, so eingehend und sorgfältig und dabei
in eine so leicht faßliche Form gebracht, daß mit
der Mitteilung der wesentlichsten Entscheidungsgründe der
juristische Teil unseres Themas wohl am besten erledigt ist.
Das Kreisgericht, sagen die Entscheidungsgründe,
ist der Ansicht, daß die Verwerfung der Klage den Bestimmungen
des § 13 der allgemeinen Gerichtsordnung vom 1. Mai 1783,
welche durch den Artikel 1 des Einführungsgesetzes zur gegenwärtig
geltenden Zivilprozeßordnung aufrecht erhalten worden sind,
entspricht.
Nach § 13 der allgemeinen Gerichtsordnung
haben beide Teile sich in ihren Reden der landesüblichen
Sprache zu bedienen. Das Wort "landesüblich" kann,
wie aus dem Worte "Sprache" und aus dem Vergleiche mit
§ 14 der westgalizischen Gerichtsordnung hervorgeht, nur
dahin ausgelegt werden, daß unter "landesübliche
Sprache" im Sinne des § 13 der allgemeinen Gerichtsordnung
nur die im Lande bei Gericht übliche Sprache zu verstehen
ist.
Diese Auslegung findet ihre Stütze auch
in den Bestimmungen des § 4 des kaiserl. Patentes vom 9.
August 1854, R.-G.-Bl. Nr. 208 (welches das Verfahren in außerstrittigen
Rechtsangelegenheiten regelt), und den §§ 100, 163 und
198 der Strafprozeßordnung vom Jahre 1873, in welchen Gesetzen
von "bei Gericht üblichen Sprachen", von "gerichtsüblicher
Sprache" und von "Gerichtssprache" die Rede ist.
Da für das Verfahren in außerstrittigen Rechtsangelegenheiten
und in Strafsachen doch keine anderen Grundsätze für
den Gebrauch der Sprache der Parteien gelten können, als
für das Verfahren in Streitsachen, so müssen die bezogenen
gesetzlichen Vorschriften auch als gesetzgeberische Auslegungen
des § 13 der allgemeinen Gerichtsordnung im Sinne des §
8 des allg. bürg. Gesetzbuches angesehen werden.
Die Bestimmungen des § 13 der allgemeinen
Gerichtsordnung, in dem angeführten Sinne aufgefaßt,
gelten aber gegenwärtig noch, weil seit der Erlassung derselben
und der zitierten zwei anderen Gesetze kein Gesetz, wodurch diese
Vorschriften abgeändert oder aufgehoben worden wären,
erlassen wurde und weil nach § 9 des allg. bürg. Gesetzbuches
Gesetze so lange ihre Kraft behalten, bis sie von dem Gesetzgeber
abgeändert oder ausgehoben werden.
Auch die Berufung aus den Art. XIX des Staatsgrundgesetzes
vermag an der obigen Anschauung vom Fortbestande der Geltung des
§ 13 der allgemeinen Gerichtsordnung nichts zu ändern,
da zu dem Art. XIX des Staatsgrundgesetzes, der nur einen allgemeinen
Rechtsgrundsatz enthält, ein denselben ausführendes
Gesetz bisher nicht erlassen wurde.
Aus der auf § 9 allg. bürg. Gesetzbuch
gestützten Anschauung geht endlich hervor, daß §
13 der allgemeinen Gerichtsordnung auch durch die Ministerialverordnung
vom 19. April 1880, die Taaffe-Stremayrsche Sprachenverordnung
für Böhmen, nicht ausgehoben werden konnte, da der Inhalt
des § 1 dieser Verordnung mit der Bestimmung des § 13
der allgemeinen Gerichtsordnung im Widerspruche steht, die Verordnung
in diesem Teile demnach nicht auf Grund dieses Gesetzes erlassen
wurde und somit gemäß Art. XI des Staatsgrundgesetzes
vom 21. Dezember 1867, R.-G.-Bl. Nr. 145, nicht gültig erscheint.
Aus diesem Grunde ist auch der letzten der
sogenannten Sprachenverordnungen vom 14. Okt. 1899, der Claryschen
Sprachenverordnung für Böhmen, eine Bedeutung für
die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht beizumessen.
Durch sie wurde die Sprachenverordnung vom 24. Feb. 1898, die
Gautschsche Sprachenverordnung, ausgehoben und bestimmt, daß
bis zur "gesetzlichen" Regelung für den Gebrauch
der Landessprachen jene Bestimmungen und Grundsätze provisorisch
in Anwendung zu kommen haben, welche hiefür bis zum Zeitpunkte
der Wirksamkeit der Ministerialverordnung vom 5. April 1897, der
Badenischen Sprachenverordnung, maßgebend gewesen sind.
Wenn schließlich der Rekurswerber auf
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes verweist, so ist ihm
die Bestimmung des § 12 allg. bürg. Gesetzbuch entgegenzuhalten,
wonach die richterlichen Urteile nicht die Kraft eines Gesetzes
haben und aus andere Fälle oder andere Personen nicht ausgedehnt
werden können, und überdies zu bemerken, daß auch
der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 3. November
1897, Z. 9682, die obige Auslegung des § 13 der allgemeinen
Gerichtsordnung in einem bei dem k. k. Bezirksgerichte Eger anhängig
gewesenen Rechtsfalle ausgesprochen hat.
Da es nun "gerichtsbekannt" ist,
daß im Sprengel des k. k. Bezirksgerichtes in Eger und somit
auch bei diesem nur die deutsche Sprache üblich ist - nach
der letzten Volkszählung vom Jahre 1900 hatte der Bezirk
Eger von 37.852 Einwohnern 37.637 Personen, die sich zur deutschen
Umgangssprache bekannten und nur 159 Personen, welche sich zu
einer slawischen Sprache bekannten - so haben sich die Parteien
nach § 13 der allgemeinen Gerichtsordnung auch nur der deutschen
Sprache als der hier allein landesüblichen Landessprache
zu bedienen.
Der Oberste Gerichtshof, an welchem der Egerer
Fall im weiteren Rechtszuge gelangte, hat es fertiggebracht, die
kreisgerichtliche Entscheidung in ihrer Gänze als unrichtig
hinzustellen. Sie widerspreche nämlich, wie die Begründung
des Obersten Gerichtshofes ausführt, dem Art. XIX des Staatsgrundgesetzes
und den auf ihm fußenden Ausführungsverordnungen. Der
Art. XIX habe in Uebereinstimmung mit dem Grundsatze, der in §
13 der allgemeinen Gerichtsordnung ausgesprochen sei, die Gleichberechtigung
aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem
Leben anerkannt. Diese Bestimmung habe, wie dies das Reichsgericht
in seiner Entscheidung vom 13. April 1905, Z. 115, ausgesprochen
habe, für Böhmen die Bedeutung, daß jede der in
diesem Lande üblichen Sprachen nicht bloß in ihrem
Gebiete, sondern im ganzen Lande gleichberechtigt sei. Daher seien
die Behörden verpflichtet, die in Böhmen in einer der
beiden Sprachen verfaßten Eingaben ohne Rücksicht darauf,
ob die betreffende Sprache am Sitze des Amtes landesüblich
sei oder nicht, anzunehmen. Sie sei aber auch verpflichtet, sie
in dieser Sprache zu erledigen, weit die Sprachenverordnungen
vom 19. April 1880, vom 14. Oktober 1899, welche, wie dies der
Oberste Gerichtshof zu wiederholten Malen selbst und ebenso das
Reichsgericht in dem gedachten Erkenntnis aussprachen, als eine
von den möglichen Ausführungsmodalitäten des Staatsgrundgesetzes
anzusehen seien (!!!), die nähere Bestimmung getroffen hätten,
daß die Behörden verbunden wären, das Einschreiten
in derselben Sprache zu erledigen, in welcher es erging.
Kein Mensch wird in diesen Gründen eine
ernste Widerlegung der kreisgerichtlichen Entscheidung entdecken.
Wenn indes schon ein Defizit an selbständigen Gedanken und
Argumenten vorhanden war, so hätte es immerhin doch der eigenen
Würde des obersten Tribunals besser entsprochen, das reiche
Hausarchiv und insbesondere den vorhandenen Schatz der Judikate
zu benützen, als ein nicht sehr glückliches Erzeugnis
des Reichsgerichtes auszustöbern und aufzutischen.
Ein ganz flüchtiger Blick in das Judikatenbuch
hätte genügt, daß Art. XIX mit der Gerichtssprache
gar nichts zu tun hat, als bloßer Grundsatz zur Judikatur
in der Sprachenfrage nicht verwendbar ist, und daß die einzige
Möglichkeit der Ausführung dieses Grundsatzes nur das
Gesetz sein kann.
Art. X des Staatsgrundgesetzes über die
richterliche Gewalt und dessen bezügliche Ausführungsgesetze
bilden zum Art. XIX die zutreffendste Analogie.
Nacht Art. X des Staatsgrundgesetzes vom 21.
Dezember 1867 über die richterliche Gewalt sind die Verhandlungen
vor dem erkennenden Richter in Zivil und Strafrechtsangelegenheiten
mündlich und öffentlich.
Wie jedermann weiß, war das zivilgerichtliche
Verfahren bis zum 1. Jänner 1898 nicht öffentlich und
nicht mündlich, sondern schriftlich.
Die in dem Staatsgrundgesetze verheißene
Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens in Zivil
und Strafsachen konnte erst durch die beiden Prozeßordnungen
als Ausführungsgesetze erfüllt werden.
Wäre dies auch im Verordnungswege denkbar
gewesen? Gewiß niemals!
Die Tschechen bezeichnen bezüglich der
sogenannten äußeren Gerichtssprache als Mindestmaß
ihrer Forderungen den Zustand, wie er durch die Stremayrsche Verordnung
geschaffen worden ist.
Wenn das, was in der Stremayrschen Sprachenverordnung
enthalten ist, oder auch nur Aehnliches Gesetz wird, so ist Deutschböhmen
verloren, der Tschechisierung von Wien und Niederösterreich
Tür und Tor geöffnet und die Slawisierung des ganzen
Staates nur noch eine Frage der Zeit.
Hier handelt es sich um Sein oder Nichtsein,
die Sprachenfrage ist fürwahr die Lebensfrage Oesterreichs.
Die Stremayrsche Sprachenverordnung ist echtes
tschechisches Staatsrecht, welches, wenn es einmal gesetzlich
anerkannt wäre, im weiteren Verlaufe seiner Unersättlichkeit
die österreichische Verfassung und den Staat in Trümmer
schlüge. Daß diese Sprachenverordnung tschechisches
Staatsrecht ist - wenn es auch vorderhand aus Klugheit noch nicht
dafür ausgegeben wird - will ich Ihnen an einigen Beispielen
auf dem Gebiete des Straf und Zivilrechtes zu zeigen versuchen.
Ich wähle Beispiele, die jeden Tag sich
verwirklichen können, und trage nur die Farbe etwas stärker
auf, damit das Bild deutlich hervortrete und die Nutzanwendung
auch dem Laien sofort in die Augen springt, daß Gesetze
derart beschaffen sein sollen, daß sie den Bedürfnissen
der Bevölkerung entsprechen.
Nun zu dem Beispiele aus dem Strafrechte.
Wählen wir ein Egerländer Dorf, bei
Eger oder Franzensbad gelegen, es heißt Trebendorf, zum
Schauplatze.
Ein tschechischer Handwerksbursch berührt
auf seiner Wanderschaft auch dieses Dorf, bettelt von Haus zu
Haus, wird aber gerade in dem größten Bauernhofe, wo
er das ausgiebigste Almofen erwartete, etwas unsanft abgewiesen.
Er droht, schwört dem Bauer Rache und zündet ihm abends
richtig die Scheuer an. In flagranti erwischt, wird er von den
Bauern dem Gerichte eingeliefert.
Schwurgerichtsverhandlung in Eger!!!
In welcher Sprache soll nun verhandelt werden?
Hier sitzt ein Hofrat, ein gebürtiger Egerländer, also
unbestreitbar deutsch, der Richtersenat ist deutsch, der Schriftführer,
der Staatsanwalt und Verteidiger find deutsch, die Zeugen und
Sachverständigen sind ebenfalls deutsch. Die Geschwornen
verstehen kein Wort tschechisch und sind echte Egerländer,
ebenso wie die gesamte Zuhörerschaft. Daß auch der
Privatbeteiligte, das unglückliche Opfer des Racheaktes,
kerndeutsch ist, erscheint im Hinblicke auf den Tatort wohl selbstverständlich.
Wie soll nun da verhandelt werden?
Der gesunde Menschenverstand sagt: "deutsch",
es kann ja gar nicht anders verhandelt werden, als deutsch. Es
ist eine Menschenunmöglichkeit, daß tschechisch verhandelt
werde, weil kein einziger von den Beteiligten diese Sprache versteht.
Was sagt die Sprachenverordnung? Man höre
und staune! Sie sagt: Es muß tschechisch verhandelt werden
und auf diese Bestimmung ist sie ganz besonders stolz.
Der Grundsatz, daß in Strafsachen sich
alles nach dem Angeklagten zu richten habe, daß alle Anträge,
Beschlüsse und Erkenntnisse und insbesondere die Vorträge
des Staatsanwalts und des Verteidigers in jener Sprache zu geschehen
habe, deren sich der Held des Stückes zu bedienen geruht,
wird für die Quintessenz juridischer Weisheit erklärt.
Ich frage also: Warum muß hier tschechisch
verhandelt werden? - - Und finde auf diese Frage keine andere
Antwort, als: Das tschechische Staatsrecht verlangt es.
Um es noch klarer zu machen, erlaube ich mir,
noch eine kleine Variante zu unterlegen.
Unser tschechischer Handwerksbursch trieb sich
lange Zeit im Auslande herum, am längsten im benachbarten
Bayern und Sachsen, und spricht deshalb auch wirklich ganz perfekt
deutsch. Es wäre ihm wohl sonst ganz gleichgültig, ob
die Verhandlung gegen ihn in tschechischer oder deutscher Sprache
durchgeführt wird, doch der verirrte Sohn des glorreichen
Königreichs ist nebenbei ein bewußter Patriot und verlangt
sein nationales Recht.
Wie soll verhandelt werden? Die Sprachenverordnung
bleibt dabei: tschechisch! Warum?
Hegen Sie, meine Herren, noch einen Zweifel,
daß die Sprachenverordnung nichts anderes ist, als die Verwirklichung
des tschechischen Staatsrechtes?
Nun lassen Sie mich zu dem Beispiele auf dem
Gebiete des Zivilrechts übergehen.
In Königsberg a. E. ist großer Viehmarkt.
Ein tschechischer Viehhändler aus der Pilsner Gegend, der
die deutsche Sprache radebricht, daß Gott erbarm, bringt
eine Simmentaler Kuh, ein Prachtstück, auf den Markt und
verkauft sie an den Huberbauern aus Hartessenreuth. Das Geschäft
wurde natürlich in deutscher Sprache abgeschlossen. Die Kuh
melkt weniger, als ausdrücklich zugesagt wurde und der Bauer
verweigert die Zahlung des zurückgehaltenen Kaufpreisrestes.
Prozeß in Eger!
Der Viehhändler klagt in tschechischer
Sprache. Was hat zu geschehen? Antwort der Sprachenverordnung:
Die tschechische Klage wird tschechisch erledigt und dem deutschen
Bauer, der kein Wort davon versteht, mit einem tschechischen Beschlusse
zugestellt; bei der Verhandlung kann der Viehhändler meinetwegen
"Hrom a peklo" fingen, der Bauer versteht ihn nicht
und erst bei der Verkündung des Urteils merkt der Bauer,
um was es sich in der Klage eigentlich gehandelt hat.
Wenn dann vielleicht der Rechtsfreund des sachfälligen
Bauern die Berufungsschrift mit dem Satz einleiten würde,
daß wir Deutsche im geschlossenen Sprachgebiete doch noch
recht weit von einem befriedigenden Rechtsverfahren entfernt sind,
so riskiert er überdies eine empfindliche Geldstrafe, trotzdem
er doch nichts anderes als nur die bittere Wahrheit bekundet hätte.
Ich glaube, die vorgeführten Beispiele
reichen vollständig aus, um deutlich zu zeigen, daß
die Sprachenverordnung den Bedürfnissen der Bevölkerung
nicht genügt, ja denselben geradezu Hohn spricht und daß
sie ausschließlich den Zwecken des tschechischen Staatsrechts
dient, welches man auf diese Weise einzuführen und festzulegen
bestrebt ist.
Den tschechischen Aspirationen entsprechend
sollten kürzlich zwei Verhandlungen beim Schwurgerichte Eger
in tschechischer Sprache durchgeführt werden.
Die Egerer Bevölkerung war darüber
einig, dagegen den äußersten Widerstand aufzubieten.
Damals siegte wirklich die Vernunft, das Gericht
ordnete die Zuziehung eines Dolmetsches an.
Darob großer Sturm im Tschechenlager,
der sich in einer Interpellation des Justizministers Luft machte.
Als Mitunterzeichner dieser Interpellation,
welche das urdeutsche Egerland in gemischtsprachiges Gebiet verwandelt,
erscheint auch der Professor an der rechts und staatswissenschaftlichen
Fakultät der böhmischen Universität Dr. Jaromir
Èelakovsky!
In der Interpellation wird ausgeführt:
"Am 5. Dezember hat beim Kreisgericht
in Eger eine Schwurgerichtsverhandlung stattgefunden, bei welcher
Zeugen tschechischer Nationalität, die sich bei ihrer Einvernahme
der tschechischen Sprache bedient haben, durch einen dem Gerichtshose
nicht angehörenden Richter, u. zw. durch den LGR. Freyer,
denselben, welcher die Revolte der deutschen Richter gegen die
tschechische Sprache angefangen habe, einvernommen und ihre Aussagen
in deutscher Sprache protokolliert wurden. Die Institution eines
Dolmetsches der landesüblichen Sprache bei den staatlichen
Behörden in Böhmen sei unbekannt. Dieses Vorgehen verstoße
gegen die Staatsgrundgesetze und die Stremayrschen Sprachenverordnungen
und beleidige die Gefühle der tschechischen Majorität
aufs tiefste. Die Interpellanten fragen, ob der Leiter des Justizministeriums
dahin wirken wolle, daß die geltenden Gesetze und Verordnungen
über den Sprachengebrauch in Böhmen auch von den Richtern
im gemischtsprachigen Gebiete respektiert und eingehalten werden."
Schade, daß der Leiter des Ministeriums
nicht sofort die Antwort gegeben hat; sie wäre am besten
mit der Gegenfrage erteilt, ob denn den Interpellanten die Bestimmung
der §§ 163 und 248 Str.-Pr.-O. nicht bekannt sei, gemäß
welcher die Vernehmung eines Zeugen, welcher der Gerichtssprache
nicht kundig ist, nur mit Zuziehung eines beeideten Dolmetsches
stattzufinden hat?
Den Höhepunkt der Unvernunft hat die Stremayrsche
Verordnung im § 10 erstiegen, welcher bestimmt, daß
die Eintragungen in die öffentlichen Bücher und öffentlichen
Register in der Sprache des mündlichen oder schriftlichen
Ansuchens zu vollziehen sind.
Ist diese Bestimmung nicht förmlich ein
Spott aus die Publizität, den obersten Zweck der Grundbuchsgesetzgebung?
Im Dorf Unterschön bei Eger ist seit einigen
Jahren ein Tscheche Besitzer eines größeren Bauernhofes.
Die zahlreichen Grundbuchseintragungen während dieser Besitzzeit
sind durchwegs tschechisch.
Wird hier nicht das öffentliche Buch ins
Gegenteil verkehrt und sein Inhalt nicht tatsächlich der
öffentlichen Einsichtnahme entzogen und verborgen?
Daß solche Zustände unhaltbar seien,
hat selbst der frühere Ministerpräsident Baron Beck
in einer Unterredung zugegeben.
Die Zweckwidrigkeit der Sprachenverordnung
liegt so klar auf der Hand, daß jedes weitere Wort darüber
überflüssig erscheint.
Also vorerst die Fessel hinweg die so empfindlich
einschnürt und die Stellung der Deutschen in der Sprachenfrage
zu ihrem größten Nachteil beengt.
Die Aufhebung der Stremayrschen Verordnung
spätestens im Zeitpunkte der Vorlage eines Sprachengesetzentwurfes
erscheint für die Herstellung des status quo ante die unerläßlichste
Voraussetzung.
Eine gerechte Lösung der Sprachenverhältnisse
vom Standpunkte der wirklichen sozialen und nationalen Bedürfnisse
ist bei gutem Willen durchaus nicht so schwierig, als man allgemein
annimmt.
Die Geschichte der letzten Dezennien lehrt,
daß nur allein die einsprachige Gleichberechtigung dem Lande
den Frieden wiedergeben kann, daß dagegen die von den Tschechen
bei allen Aemtern geforderte, aber in keinem tatsächlichen
Bedürfnisse gelegen Zweisprachigkeit den nationalen Kampf
nimmer zur Ruhe kommen läßt, da hiedurch naturgemäß
heftige nationale Reibungen verursacht und unausgesetzt Druck
und Zwang erzeugt werden."
Unter Hinweis auf diese Ausführungen richten
die Gefertigten an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter die Anfrage,
ob er geneigt sei, bei der obersten Justizbehörde auf diese
ungesetzliche Anwendung der Stremayrschen Sprachenverordnungen
inbezug auf den Sprachgebrauch bei den Egerer Gerichten aufmerksam
zu machen und dahin vorstellig zu werden, daß die Leitung
des Egerer Kreisgerichtes darauf aufmerksam gemacht werde, daß
in Eger einzig und allein nur die deutsche Sprache als die beim
dortigen Gericht übliche Sprache zu gelten habe?
Prag, am 7. Feber 1910.
Abg. Karl Iro und Genossen. |