Pátek 4. února 1910

Wenn wir aus diesem Grunde wiederum auf die geschäftliche Lage vor 30 Jahren einen kurzen Rückblick werfen und mit der heutigen vergleichen, so kommen wir zu folgendem Resultat:

"Es ist Tatsache, daß sich der Umsatz im Handel seit 30 Jahren vielleicht verdreifacht hat. Ziehen wir aber in Rechnung, daß so manche Branche heute mit kaum 3 bis 4 Prozent Bruttonutzen arbeitet, beachtet man die oben zitierten I großen, sich jährlich steigernden Lasten des Handels, erwägen wir, daß sich die Konkurrenz seit der genannten. Periode nicht verdreifacht, sondern wenigstens im Verhältnisse zu der damaligen Bevölkerungszahl verzehnfacht hat, so muß jeder Kenner der Verhältnisse, ja selbst der Laie, zugeben, daß die Lasten zu dem Erfolge in grellem Mißverhältntisse und zwar zu Ungunsten der Geschäftsleute stehen."

Diese Reassumierung drängt uns zu dem unbeugsamen Fazit, daß, wenn nur auf Kosten des Arbeitgebers die Prinzipien der Humanität in überschwänglicher Weise zur Ausübung gelangen sollen, dieser in seiner Existenz bedroht und insbesondere der wirtschaftlich Schwächere dem Untergange geweiht ist, daher seitens der Bedrängten alles aufgeboten werden muß, um diesem Vorgang ein "bisher und nicht weiter" zu gebieten, so lange die bisherigen Verhältnisse bestehen.

Wir geben uns durchaus keinen Illusionen hin und wissen recht gut, daß die Bewegung der Jetztzeit in ihren Forderungen unaufhaltsam weiter gehen wird, aber wir sind fest überzeugt, daß diese Forderungen gleichen Schritt mit den jeweils bestehenden Verhältnissen halten müssen, sollen anders nicht die reellen Prinzipien des Handels untergraben werden, und diese sollten sich unsere Mitarbeiter stets vor Augen halten.

Es ist - wir verwahren uns jedoch gegen die etwaige Zumutung, als wollten wir alle unsere Angestellten des Handels und der Industrie damit meinen - es ist aber vielen unseren Mitarbeitern Nebensache, die Belastung oder die Einschränkung des Handels mit dem Erfolge gleichen Schritt hält. Manche freuen sich dieser Bewegung. "denn sie ist die Frucht ihrer Staat, aus der sie reiche Ernte erhoffen", ohne zu bedenken, daß die Entnerbung des Handels ihnen unmöglich für die Dauer Nutzen bringen kann.

Die Anhängger aus kaufmännischen Kreisen dieser Prediger müssen wir aber recht bedauern, daß sie als angehende Kaufleute die Grundlagen des Handels, die in möglichster Freiheit und strengster Wahrung der Einzelexistenzberechtigung bestehen, mit wuchtiger Faust ins Gesicht schlagen, indem sie sich "zu Stürmern gegen die Existenz der Handelswelt" ausnützen lassen.

Es ist ferner zu bedauern, daß unsere Mitarbeiter, die dem praktischen Berufe des Handels angehören, diese Bewegung teilweise unterstützen, ohne zu überlegen, daß sie - meist unbewußt gegen sich selbst, als unsere Nachfolger, arbeiten.

Die heutige Bewegung eines großen Teiles unserer Mitarbeiter richtet sich auf die Erlangung der "ganztägigen Sonntagsruhe im Handel und der Industrie".

Wir sondern im Nachstehenden nicht umsonst die Teilhaber dieser Bewegung in drei Gruppen, denn wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, "den wahren Wert der ganzen Bewegung" ins "rechte Licht" zu stellen, um den Beweis zu erbringen, daß dieselbe meist nachdrücklich geleitet und organisiert wurde von einer Mitarbeitergruppe, die "zur Unzufriedenheit gar keine Berechtigung hat" und die eigentlich interessierte Gruppe durch Verheißungen und durch "Vorzeigung nur der Lichtseiten der Forderung" mit sich reißt.

Die Bewegung für die ganztägige Sonntagsruhe ging vor allem von der sozialistischen Partei aus, welche in ihrer Presse unausgesetzt das Wort für selbe führt - die Handelsangestellten als "monerne Sklaven" - die Chefs als "Ausbeuter" charakterisiert! Nun liegt ja im Wesen das Menschen selbst, daß man gerne dem Gehör schenkt, der vermeintlich unser Bestes anstrebt; die soziale Richtung gewann leider auch in den Kreisen der Handelsangestellten teilweise Anhängerschaft, die die Theorie des Sozialismus eingesaugt und blindlings derselben huldigt. Die Anhängerschaft der sozialen Richtung im Handel rekrutiert sich zumeist aus ganz jungen Leuten - oft kaum der Schule entwachsenen Knaben, was eigentlich nur als ein gutes Zeichen im allgemeinen betrachtet werden möge, denn es gehört eine ganz eigentümliche Auffassung dazu, daß ein gereifter Kaufmann solchen den Handelsstand zersetzenden Theorien huldigen könnte. Das ist die eine Gruppe.

Die zweite Gruppe, die tonangebende und bis nun meist die Versammlungen der Angestellten leitende, sind die Herren Angestellten in den Industriekomptoirs. Auch sie bedienen sich der Losung, welche die Sozialisten, um recht zahlreiche Anhänger zu gewinnen, als Parole ausgegeben haben: "Mehr Freiheit!" Recht leicht haben es die Herren dieser zweiten Gruppe mit der Forderung nach ganztägiger Sonntagsruhe. Selbst in günstigen sozialen Stellungen, mit den Verhältnissen des Klein- und Mittelhandels gar nicht oder meist nur der Theorie nach bekannt, an ein Etablieren nur in den seltensten Fällen und da doch wieder nur in ihrem Beruf als Industrielle denkend, die sonst an Sonntagen kaum zwei Stunden das Nötigste im Komptoir erledigen oder in den Sommermonaten, weil leicht zulässig, die ganztägige Sonntagsruhe schon genießend, sind nun zu Führern der Bewegung geworden. Es wird behauptet, daß es des Standes "unwürdig" ist, daß dem Kommis nicht 24 Stunden freie Zeit gelassen wird, es wird zitiert, "daß nach einer ganztägigen Sonntagsruhe der Angestellte mit frischem Geist und doppelter Kraft freudig an sein Tagwerk gehen werde", usw.

Eines schickt sich nicht für alle!

"Glauben uns doch die Herren, wir Kaufleute würden selbst gerne den ganzen Sonntag für uns und unsere Familien widmen - wir Kaufleute würden recht gerne bei weniger Arbeit und mehr Vergnügen gleiche Losungen erzielen! Glauben die Herren aber ja nicht, daß es von uns ein Iustamentsstandpunkt ist - nur der Arbeit halber, sondern bitterer Ernst um die Existenz!"

Also kein Iustamentsstandpunkt ist es, das werden wir noch später nachweisen. Oder sollten die Herren Industrieangestellten nicht soweit orientiert sein, daß sie nicht einsehen müssen, daß die ganztägige Sonntagsruhe speziell dem Detailhandel großen Schaden zufügen würde und dennoch an dieser Forderung halten? Das wäre ein großes Unrecht "meist begangen an ihrem Anhange aus der dritten Gruppe", welche zum großen Teile an eine Selbständigkeit denkt, es wäre "eine direkte Untergrabung der Interessen eigener Berufsgenossen"! Es gibt noch ein Drittes, was die Herren, betreffend die Konsequenzen, anführen könnten, und zwar, daß sich altes ausgleicht! Nun, auf das kommen wir auch noch zu sprechen und werden es mit tatsächlichen Beweisen widerlegen!

Und nun die dritte Gruppe! Die Angestellten der Detail- und Grossogeschäfte, die der sozialen Richtung nicht huldigen, zum Teil aber dennoch die Bewegung nach ganztägiger Sonntagsruhe unterstützen. Diesen unseren Mitarbeitern können wir nur zurufen:

"Aus eigener Erfahrung seht ihr ja, wie schwer und mühsam die Existenz des Kaufmannes ist! Wollt ihr denn das bißchen Verdienst, welches die Frequenz des betreff enden Ortes an einem Sonntagvormittage mit sich bringt, euren Brotherren kürzen? Wir wissen ja, daß ihr euch nicht als "moderne Sklaven" betrachtet, als die man euch so gerne ausspielt. Ihr wißt aber auch, daß wir keine Ausbeuter sind, die von euerem Fleiße prassen; ihr wißt aber auch, daß euere geschickten Hände unsere Auslagen zu Ausstellungen machen, die an Sonntagen selbst verkaufen und daß bei der Erfüllung euerer Forderung dieses Sonntagsgeschäft uns entgeht! Aber nicht "uns allein" entgeht momentan der Verdienst, sondern auch euch, die ihr doch unsere Nachfolger seid! Bederkt, daß die Wunden, die ihr uns heute schlagt, euch morgen schon schmerzen werden, ja daß ihr selbst daran verblutet! Schaut nicht die Medaille nur von derenen Seite an, betrachtet, als Männer der Praxis" beide Seiten, und wir sind überzeugt, es wird euch vor der andern schaudern!"

Wir können nicht so oberflächlich über das Thema!Schädigung des Klein- und Mittelhandels durch die ganztägige Sonntagsruhe" hinweggehen, ohne diese Schädigung auch gründlich zu beweisen:

Zuerst wollen wir das Verhältnis der Gruppe III. der Angestellten der Detail- und Grossohändler ein wenig erörtern. Die Schlagworte "der Arbeiter, der Taglöhrer hat es besser als der Kommis" sind eben nur Schlagworte, die keinem ernsten Mitarbeiter imponieren sollten! Der Tagarbeiter arbeitet physisch, arbeitet seine 8 bis 10 Stunden herunter und bekommt auch für diese Zeit gezahlt. Anders ist das Verhältnis beim Handelsangestellten. Dieser muß jetzt mehr ein geistiger Arbeiter als ein physischer dein, er muß denken, das bringt sein Beruf mit, sonst ist er kein Kaufmann.

Der Kaufmann hat nicht permanent so und so viele Stunden zu tun, für die er entl hnt wird, sondern er wartet auf die Kunde, wartet oft sehr, sehr lange samt seinem Personale. Unsere Mitarbeiter werden auch nicht nach der Sturde bezahlt, sondern sie beziehen ein jährliches Salair, gleichgültig, ob nun "gar nichts", wenig oder viel zu tun ist - ob Feiertag oder Sonntag.

Auch das Verhältnis zwischen dem Klein- und Mittelhandelangestellten und dann der Industrie ist ein grundverschiedenes. Der erstere muß, wie schon bemerkt, auf die Kunde warten, während der Industrielle seine Kunden selbst oder durch seine Vertreter aufsucht. Während beim Industriellen Sonntags eingelaufene Bestellungen nicht effektuiert werden können, weil die Fabrik still steht, "muß" und soll der Kaufmann gerade diese Ruhezeit der Fabriken und ihrer Arbeiter und Bediensteten ausnützen, um ihre Anwesenheit in dem betreffenden Sammelort für die Anbringung seiner Waren zu benützen. Beim Fabrikanten laufen die Aufträge zu 95 Prozent brieflich ein, beim Detailhändler nicht; sobald er seinen Laden geschlossen hat, ist auch seine ganze Tätigkeit, sein Verdienst unterbunden.

Wenn wir nun das Verhältnis der Detail- und Mittelhandelangestellten auseinandergesetzt haben, gelangen wir zu den eigentlichen Nachteilen, die die ganzsonntägige Sperre mit sich brächte.

Ganz besonders in den großen und größeren Städten, Kurorten und Badestädten, wo sich der rege Verkehr nicht nur der Landbevölkerung, sondern auch der Touristen usw. zentralisiert, muß auf die Ausschmückung der Läden und das Arrangement der Auslagen nicht nur viel Fleiß, sondern auch viel Geld verwendet werden. Geschäfte in freguentierten Straßen, welche Tausende Kronen für die Läden zahlen und Hunderte zur Ausschmückung der Auslagen usw. verwenden, so zum Beispiel Herren- und Damenmodekonfektions-, Schnitt-, Manufaktur-, Kurz-, Spielwaren-, Delikatessen-, Hausbedarfwarenhandlungen, die favorisierend um die geschmackvolle Ausschmückung ihrer Auslagen besorgt sind, zu was bieten sie diesen Fleiß, diese Geldopfer auf? Wohl nur zur Dekoration des Ortes selbst? Genügt denn nicht, wenn einfach an der Firma zu lesen ist: Kolonial-, Mode-, Schnittwaren usw.? Osa, es genügt für den täglichen gewöhnlichen Gebrauch vollständig. Aber der Kaufmann will und muß mehr absetzen als das Publikum braucht, er "verleitet durch Schaustellungen in seinen Auslagen dasselbe, zu kaufen, was es, ohne durch die Auslage angezogen zu sein, nicht machen würde.

"Das Auge sieht's, das Herz begehrt's, der Mann bezahlt's!" Solche Kaufe nennt man Gelegenheits- oder Auslagenkäufe, die nicht erfolgen, wenn die Auslage nicht verleitet.

Ferner sind die Auslagen förmlich Ausstellungen en miniature. Es herrscht ein notgedrungener Wettbewerb, das Beste, Schönste zu zeigen: da der duftende Kaffee und die goldgelben Rosinen, dort der geschmackvoll arrangierte elegante Stoff, da das reizende Schürzchen, dort das nette Kaffeeservice, da die schöne Brosche, dort die frisch angelangten Krebse. "Das find lauter berechnete Schaustellungen auf die Kassa des Publikums", die, wenn sie nicht gesehen, auch nicht gekauft werden.

Und "wann" werden solche Auslagengeschäfte abgewickelt? An Tagen der größten Frequenz, an Sonntagvormittagen, die wir dem Verlangen der Angestellten gemäß einbüßen sollen.

"Bedenkt man aber, daß diese Käufe in ganz Oesterreich Millionen an Entgang der Losungen ausmachen, bedenkt man, daß dieser Entgang nicht nur den Kaufmann, sondern auch den Industriellen trifft, bedenkt man, daß durch die Einförmigkeit der Stadt - bei geschlossenen Läden - auch die Frequenz nach der Stadt nachläßt, denn die Auslagen sind "die Magnete" für das auswärtige Publikum, so wird man erst die ganze Tragweite dieser Forderung ermessen."

"Es gleicht sich eben nicht alles aus!

Der Bedarfsartikelverkauf vielleicht -

Der en passant-Verkauf nie!"

Gehen wir weiter in der Verfolgung des Nachteiles der ganztägigen Sonntagsruhe: 52 halbe Sonntage sind bereits den Angestellten jährlich freigegeben: 52 weitere sollen folgen: rechnen wir noch die hohen Feiertage und die Sommerfeiertagsnachmittage dazu, so gelangen wir zu dem Ergebnisse, daß "ganze zwei Monate im Jahre" der Handel Ferien geben müßte.

Wenn ein Zinshaus durch zwei Monate freisteht, erhält es vom Staate einen entsprechenden Steuernachlaß.

Uns würde aber niemand für diese zwei Monate die Erwerb-, Einkommen- usw. Steuer vergüten, ebensowenig würde das Personal mit einem kleineren Gehalte zufrieden sein, ja eher größere Ansprüche an Gehalt würde es erheben, weil die größere Erholungszeit naturgemäß größere Auslagen bedingt, denn wir glauben nicht, daß unsere Angestellten den Sonntagvormittag ausschließlich zu ihrer geistigen Ausbildung benützen werden.

Wir kommen zu den Vorteilen, die durch die ganztägige . Sonntagsruhe unseren Mitarbeitern erwachsen würden:

Zur Erweiterung ihrer Bildung könnten sie, wenn schon der gute Wille vorhanden, den Sonntagvormittag nicht verwerten, denn Schulunterricht wird weder offiziell noch privat erteilt. Oder würde zu religiösen Uebungen die Zeit angewandt? Daran zweifeln wir, ohne beleidigen zu wollen. Oder zur körperlichen Erholung? Nun fragen wir, ist denn bei uns in Oesterreich der Geschäftsgang ein derartiger, daß die jetzt gebotenen Erholungsstunden nicht genügen?

"Wir glauben an einen derartigen Geschäftsgang nicht, sind vielmehr überzeugt, daß gerade der sich etablierende Kommis erst durch seine Selbstständigkeit zur Einsicht kommt, wie oft nur zu bitter das Los des Chefs ist, daß er "erst dann" zur Einsicht gelangt, welcher enormen geistigen und körperlichen Anstrengung es bedarf, um unter den obwaltenden Umständen in Oesterreich - sich im Fahrwasser zu erhalten."

Wenn wir die mehr begehrten 4 bis 5 Stunden der Sonntagsruhe rechnen, die doch dem Angestellten keinen Nutzen, dem ganzen Kaufmannsstand aber großen Schaden bereiten würden, so finden wir, daß dem Verlangen nach mehr Ruhe in einer praktischeren Form entsprochen werden könnte, und zw. durch die gesetzliche Regelung der Tagesarbeit, indem für Groß oder Klein ein Fixum der Arbeitszeit, sagen wir 12 bis 14 Stunden, je nach Branche und den Verhältnissen normiert werden könnte. Dadurch würde niemand eine Einbuße erfahren, dafür aber den Angestellten genügende Zeit zu ihrer geistigen Fortbildung und weiteren körperlichen Erholung geboten werden, was bei einzelnen Branchen zirka 6 bis 8 Stunden der Woche freie Zeit betragen würde.

Und schließlich kommen wir noch zu einem Punkte, den die Herren Mitarbeiter immer ins Treffen führen, indem sie auf Deutschland und England hinweisen, welche Länder ganzsonntägige Ruhepause haben sollen!

England müssen wir schon ganz und gar aus dem Spiele lassen, denn in England ruht jedes Gewerbe, nicht ein Glas Porter wird einem gereicht. Nun, solche Verhältnisse wünschen wir und unsere Herren Mitarbeiter gewiß nicht. Englands Verhältnisse können keinen Maßstab für Oesterreich bilden, weil die Landes-, Lebens- und Existenzbedingungen dort andere sind als in Oesterreich, und bis zur Zeit der Einführung englischer Verhältnisse in Oesterreich noch manches Jahrzehnt im Strome der Zeit dahinfließen wird.

Deutschland! Ja, das ist das Eldorado so manchen Jünglings, das ist das Reich der Freiheit. Auch wir beneiden Deutschland um seine besseren geschäftlichen Verhältnisse, auch wir wünschten, bei uns in Oesterreich würde man für die Ausbildung des Handels so viel tun. Doch die Verhältnisse, betreffend die Ruhestunden, nun, da scheinen unsere Herren Mitarbeiter schlecht orientiert zu sein, denn wir haben uns die Mühe genommen und haben aus den größten Handelsstädten Deutschlands Berichte eingeholt von Firmen, die als Elitefirmen gelten, und sind wir in der angenehmen Lage, sowohl schriftliche als auch gedruckte Verordnungen, die im Original zu unserer Verfügung stehen, und die uns belehrten, daß sich die Sache etwas anders verhält, anführen zu können.

Wir erlaubten uns, den betreffenden Firmen folgende Fragen zur Beantwortung vorzulegen und geben diese und deren Beantwortungen hier hiemit bekannt:

1. Frage:

Wird in Fabriks- und Geschäftskomvtoirs in Deutschland an Sonntagen überhaupt nicht gearbeitet, auch die wichtigste Post nicht erledigt?

Antwort:

a) Dresden:

An Sonntagen darf, so in Fabriks- als auch Geschäftskomptoirs, durch drei Stunden, außerhalb des Gottesdienstes, gearbeitet werden.

b) Berlin:

An Sonntagen wird in Berlin in den Fabriks- und Geschäftskomptoirs nur ausnahmsweise gearbeitet.

c) Hamburg:

An Sonntagen wird in Hamburg in den Fabriks- und Geschäftskomptoirs von halb 12 bis 2 Uhr im Sommer, von halb 12 bis 3 Uhr im Winter gearbeitet, außerdem steht es den Angestellten frei, freiwillig zu arbeiten, solange sie wollen.

2. Frage:

Wird die Wochentagesarbeit in den Komptoirs und Läden an eine bestimmte Zahl von Stunden gebunden?

Antwort:

a) Dresden:

Nein! Es muß nur eine tägliche achtstündige Ruhezeit den Angestellten gewahrt werden.

Berlin und Hamburg gleich Dresden.

3. Frage, den Detailhandel betreffend:

Ist im Deutschen Reiche die ganztägige Sonntagsruhe gesetzlich vorgeschrieben?

Antwort:

a) Dresden:

Nein! Es dürfen an Sonntagen die Verkaussläden von 7 bis 9 Uhr früh und von 11 bis 2 Uhr mittag offen gehalten werden. - Doch ist die Bestimmung der Verkaufsstundeneinteilung den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

b) Berlin:

Nein! Es dürfen in Berlin die Detailläden bis 10 Uhr vormittag und von 12 bis 2 Uhr nachmittags offen gehalten werden.

c) Hamburg:

Nein! In Hamburg dürfen an den hohen Feiertagen, das ist Weihnachten, Oftern. Pfingsten, die Kolonialwarenhändler von 7 bis 9 Uhr vormittag - andere nicht - an Sonntagen im Sommer von 7 bis 9 1/2 Uhr vormittag und 11 1/2 bis 2 Uhr nachmittag, im Winter von 8 bis 9 1/4 Uhr vormittag und 11 1/2 bis 3 Uhr nachmittag, ferner an den vier Sonntagen vor Weihnachten und dem Sonntag vor Neujahr von 8 bis 91/2 Uhr vormittag und von 11 1/2 bis abend alle Geschäfte offen haben.

4. Frage:

Wenn ganztägige Sonntagsruhe in Deutschland eingeführt, wirkt selbe auf den Gefchäftsgang schädigend und auf welche Branchen meistens?

a) Dresden:

Es hat eine Verringerung des Absatzes stattgefunden, der sich jedoch, nachdem keine ganztägige, sondern nur bestimmte Stunden Sonntagsruhe in Deutschland eingeführt ist, durch die Gewöhnung an diese Anordnung ausgeglichen hat.

b) Berlin:

Nachdem keine ganztägige Sonntagsruhe sondern nur 7 Stunden verkauft werden darf, gewöhnt man sich an diese Bestimmung.

c) Hamburg:

Der Detailhandel ist mit dieser Verordnung unzufrieden, besonders die Kolonialwarenhandlung, weil Geschäfte, die die Landkunde bedienen, sehr empfindlich geschädigt sind.

Wir ersehen daraus, daß die neu reformierten diesbezüglichen Verhältnisse in Deutschland bei weitem noch hinter den unseren zurück sind, wo wir seit Jahren die volle Sonntagsnachmittagsruhe und andere, dem Auslande frommende Begünstigungen unseren Angestellten eingeführt haben.

Ob es unseren Herren Mitarbeitern passen würde, an Sonntagen mit Unterbrechungen erst um 2 oder 3 Uhr nachmittags die Läden zu schließen? Außerdem an fünf Sonn tagen vor Neujahr zu arbeiten, wo man bei uns wegen zwei solchen schon Lärm schlägt!"

Mit Hochdruck wird seitens der Angestellten um die Einführung der ganztägigen Sonntagsruhe bei allen maßgebenden Behörden und den Reichsrats- und Landtagsabgeordneten gearbeitet, man beschwört förmlich die Herren Abgeordneten, sich der Handelsangestellten anzunehmen und bauscht diese Forderung zu einer Existenzfrage auf! Wie wir konstatieren können, haben in den diversen Versammlungen auch bereits einige Herren Abgeordneten ihre Unterstützung zugesagt, ja nicht nur zugesagt, sondern, wie die Berichte der Presse mitteilen, erklärt, daß sie von der "Notwendigkeit" dieser Einführung überzeugt sind!

Nur zu leicht wird eine Zusage gemacht, insbesondere, wenn auf die Prinzipien der Humanität hingewiesen wird, denn "dem Bedrängten" beizustehen ist ein "edles Werk" und eines wahren Volksoertreters würdig. Man setzt sich ganz besonders gerne für solche "humane Forderungen" ein, insbesondere dann, wenn man annimmt, daß dem anderen Teile dadurch kein Schaden entsteht!

Wir bitten aber unsere Herren Abgeordneten, in unseren Kreisen, in den Kreisen ihrer Wähler, bei den kaufmännischen Steuerträgern nachzufragen, ob denn diese Forderung wirklich so unschuldiger Natur ist, die uns keinen Schaden zufügt?

Leider, wenn auch erklärlich und entschuldbar, ist den meisten Herren Abgeordneten der ganze Apparat des kaufmännischen Getriebes fremd, wenigstens müssen ihnen die jetzigen kaufmännischen Verhältnisse ganz fremd sein, sonst konnten einige der Herren ihr Wort für diese Forderung gewiß nicht verpfänden!

Wolle man uns gestatten, noch eines Umstandes zu gedenken, der gewiß zu dem Mitbeachtenswerten gezählt werden muß: Falls diese Forderung der Angestellten zum Gesetze erhoben würde, würde der Druck derselben den österreichischen Grenzkaufmann ganz außerordentlich belasten, ja die größere Zahl derselben wohl ruinieren! Es dürfte nur wenigen der Herren Abgeordneten bekannt sein und auch die Regierungskreise sind damit nicht genügend vertraut, daß heute schon der österreichische Grenzkaufmann zufolge der verschiedenen, bei manchen Artikeln ganz außerordentlich in die Wagschale fallenden Zollverhältnisse des Auslandes gegenüber Oesterreich, seinen oft kurz entsernt etablierten ausländischen Kollegen, punkto "Konkurrenzfähigkeit" im großen Nachteile ist. So ist zum Beispiel der ausländische Kaufmann bei Artikeln wie Zucker, Kaffee, Rosinen, Petroleum, Gewürze etc., welche doch die Kaffefüller jedes Kolonialwarenhändlers sind, im ganz bedeutenden Vorteile, indem er selbe um 6-10 Pfennig per 1/2 Kilogramm billiger verkaufen kann, was doch bei dem bekannt geringeren Nutzen dieser Branche gewiß ein nennenswerter Faktor ist und von der Grenzbevölkerung in ausgiebigster Weise benutzt wird. Wir können aus eigener Wahrnehmung konstatieren, daß die in hunderten Fällen für diesen Zweck so günstigen Situationen der österreichischen und ausländischen Orte und Städte, der in nahen ausländischen Fabriken und anderer Beschäftigung nachgehenden Arbeiterklasse nur zu willkommenen Anlaß geben, um dort ihren täglichen Bedarf an Lebensmitteln zu decken.

Aber nicht nur die Arbeiterklasse, oder die zufällig über der Grenze Beschäftigten, sondern scharenweise pilgern Kinder und Große die paar Schritte über die Grenze, um das zollämtlich gestattete Minimumquantum von Ware einigemale täglich nach Oesterreich zu schaffen, was bei der großen Ausdehnung der Grenze abermals hunderttausende von Kronen an geschäftlichem Nutzen dem österreichischen Kaufmanne entreißt.

Sollte aber der österreichische Grenzkaufmann noch zur Einhaltung der ganztägigen Sonntagsruhe gezwungen sein, während, wie wir nachgewiesen haben, selbst die Hauptstädte Deutschlands vor- und nachmittags an Sonntagen verkaufen dürfen, für das Land, besonders aber die ausländischen Grenzorte noch weitere, diesbezügliche Begünstigungen bestehen, so ist es nur zu leicht begreiflich, daß es mit der Existenz der österreichischen Grenzkaufleute so ziemlich schlecht bestellt wäre, ja die größte Zahl derselben um die Existenz gebracht würde. Diese Forderung gewähren, heißt: "auf einer Seite "Humanität" pflegen, auf der anderen "Brutalität" üben!

Wir können nicht annehmen, daß man maßgebenden Orts und in den Abgeordnetenkreisen diese unsere tatsächlich verbürgten Argumente nicht würdigen will, sondern wir nehmen an, daß die betreffenden KK reise über die Tragweite dieser Forderung bisher nicht oder nicht genügend orientiert waren, weshalb wir lebhaft wünschten, daß diese Darlegungen den gesetzgeberischen Kreisen ganz Oesterreichs bekannt würden, damit dieser Forderung der Handels- und Industrieangestellten gleich in vorhinein der Boden entzogen würde.

In Anbetracht dieses unseres Gutachtens kommen wir zur folgenden unwiderleglichen Schlußfolgerung:

"Die noch weitere Schmälerung der Arbeitszeit im Warenhandel, welche von den Handels- und Industrieangestellten durch die Forderung der ganztägigen Sonntagsruhe herbeigeführt werden soll, bedeutet eine enorm große Schädigung des ganzen Handels in Oesterreich, welche sich aber auch auf die Industrie und sonstigen Erwerbszweige indirekt verpflanzen müßte.

Unsere Handelsverhältnisse halten bei weitem nicht den Vergleich mit Deutschland aus, obzwar dieses viel weniger Ruhepausen an Sonntagen, wie wir jetzt schon seit Jahren geboten - gewährt. - Man möge doch hiherenorts endlich zu der Ueberzeugung gelangen, daß die Grundlage des Wohlstandes eines Volkes, eines Staates nur in gesunder Handelspolitik liegt, die unserer Industrie das Arbeitsfeld öffnet und den Handel fördert.

Wir versichern nochmals, daß unsere Ausführungen nicht von Animosität gegen die Handels und Industrieangestellten geleitet wurden, doch diese Forderung bringt den Handelsangestellten nicht nur keinen Nutzen, sondern ist geeignet, nicht nur den jetzigen, sondern auch den kommenden Chefs - also unseren Mitarbeitern - den Angestellten selbst - dauernden geschäftlichen Nachteil zu bringen, weshalb wir uns nochmals ganz entschieden gegen die Bewilligung derselben aussprechen und bitten daher der Belastung und teilweisen Existenzbedrohung des Detailhandels und der Industrie, die unbedingt auch in Mitleidenschaft gezogen wird, dadurch einigermaßen Einhalt zu tun, daß diese Forderung der Handels- und Industrieangestellten nicht zur gesetzlichen Vorlage und Verhandlung gelange.

Da die in dieser Petition angeführten Verhältnisse noch unverändert bestehen, erfolgt die Anfrage:

Ist die hohe Regierung geneigt, auf die, in dieser Petition enthaltenen Anregungen Rücksicht zu nehmen?

Prag, am 4. Feber 1910.

Abg. Dr. Herold und Genossen.

Oberstlandmarschall: Anfrage der Abgeordneten Dr. Pergelt und Genossen an seine Exzellenz den Herrn Statthalter.


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