Pátek 4. února 1910

Auf Grundlage der von der damaligen Regierung in Aussicht genommenen Abgrenzung der Gerichtsbezirke in Böhmen ist dann auch weiter eine Kreiseinteilung seitens derselben Regierung in Vorschlag gebracht worden, welche nachstehend lau

tet:

A. Des Kreises Budweis. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Budweis, Deutschbrod, Kaplitz, Krumau, Mühlhausen, Moldautein, Neuhaus, Pilgram, Pisek, Prachatitz, Schüttenhofen, Strakonitz, Tábor, Winterberg, Wittingau.

A. Des Kreises Chrudim oder Èaslau. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Chotìboø, Chrudim, Èaslau, Hohenmaut, Kolin, Kuttenberg, Ledeè, Leitomischl, Neubydžow, Pardubitz, Podìbrad, Polièka.

A. Des Kreises Eger. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Asch, Bischofteinitz, Eger, Falkenau, Graslitz, Ioachimsthal, Kaaden, Karlsbad, Komotau, Luditz, Mies, Plan, Podersam, Saaz, Tachau, Tepl.

A. Des Kreises Jièín. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Jièín, Jungbunzlau, Munchengrätz, Semil, Starkenbach, Turnau.

A. Des Kreises Königgrätz. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Königinhof, Königgrätz, Landskron, Náchod, Neustadt a. d. M., Reichenau, Senftenberg.

A. Des Kreises Leitmeritz. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Brüx, Dux, Laun, Leitmeritz, Raudnitz.

A. Des Kreises Pilsen. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften dind: Blatna, Klattau, Kralowitz, Neuern, Pilsen, Pøestitz, Rokitzan, Taus.

A. Des Kreises Prag. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Beneschau, Böhmisch- Brod, Hoøowitz, Karolinental, Kladno, Melnik, Pøibram, Rakonitz, Schlan, Selèan, Smichow, Konigliche Weinberge, Žižkow.

A. Des Kreises Reichenberg. B. Zugehörige Bezirkshauptmannschaften sind: Aussig, Böhmisch- Leipa, Braunau, Dauba, Friedland, Gabel, Gablonz, Grulich, Hohenelbe, Reichenberg, Rumburg, Schluckenau, Teplitz, Tetschen, Trautenau.

Die Gefertigten sind überzeugt, daß Se. Exzellenz der Herr Statthalter als ein genauer Kenner unserer Verhältnisse der von den Deutschen in Böhmen stets zum Ausdrucke gebrachten Anschauung beipflichten werden, daß nur durch eine möglichst genau durchgeführte nationale Abgrenzung der von allen Seiten so lang ersehnte Friede in Böhmen herbeigeführt werden kann und es ist nur zu verwundern, daß das derzeit die Zügel der Regierung führende Ministerium noch immer nicht den Mut gehabt hat, dieser Frage näherzutreten und sie, wozu ihr das Gesetz die vollste Berechtigung bietet, auch tatsächlich energisch durchzuführen. Es werden wohl mit der Errichtung einiger neuer Gerichtsbezirke und Bezirkshauptmannschaften größere Kosten verbunden sein, allein diese Kosten, mögen sie noch so groß ausfallen, können unmöglich ins Gewicht fallen, wenn es sich um die Anbahnung jener friedlichen Verhältnisse handelt, wie sie die Deutschen dieses Landes seit jeher lebhaft wünschen.

Die Gefertigten erlauben sich daher an Seine Exzellenz als den Vertreter der k. k. Regierung die nachstehende Anfrage zu richten:

1. Ist Seine Exzellenz davon überzeugt, daß die allererste und wichtigste Voraussetzung zur Herstellung friedlicher nationaler Verhältnisse in Böhmen eine bis in das Kleinste durchgeführte nationale Abgrenzung der Gerichts- und politischen Bezirke bildet?

2. Ist Seine Exzellenz in Kenntnis von den diesfalls seitens des Ministeriums Körber ausgearbeiteten, in diese Interpellation aufgenommenen Entwürfen über die nationale Abgrenzung der Gerichts- und politischen Bezirke und über die sich daran schließende Bildung national abgegrenzter Kreise in Böhmen?

3. Ist Seine Exzellenz geneigt, bei der vorgesetzten Regierung alles aufzubieten, damit dieselbe endlich der seit nahezu 2 Jahrzehnten den Gegenstand der öffentlichen Besprechung bildenden und in Bezug auf ihre Einzelnheiten bereits vollständig vorbereiteten Lösung der Frage der nationalen Abgrenzung nähertrete, die bezügliche Vorlage sobald als möglich ausarbeiten lasse und, nachdem dem Landtage von Böhmen die Möglichkeit geboten wurde, zu dieser Abgrenzungsfrage Stellung zu nehmen, die damit in Zusammenhang stehende Errichtung neuer Gerichts- und politischer Bezirke im Verordnungswege durchführe?

Prag, den 3. Feber 1910.

Abg. Dr. Pergelt und Genossen.

Oberstlandmarschall: Anfrage der Abg. Edl. von Stransky und Genossen an Seine Exzellenz den Hrrrn k. k. Statthalter.

Landtagsaktuar Dr. Šafaøoviè (liest):

Anfrage der Abg. Ed. von Stransky und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn k. k. Statthalter.

Ein Prager Tagesjournal brachte vor einiger Zeit einen Artikel über die geradezu unerhörten Verhältnisse, die im Schulgebäude der Prager deutschen Lehrerinnenbildungsanstalt in Bezug auf Bauzustand und hygienische Einrichtungen herrschen.

Den Anstoß zu diesem Artikel gab das bekannte Massenunglück in einem Schulhause anläßlich einer Brandkatastrophe, welches die Zeitungen registriert hatten.

Nach dem Eingreifen der Öffentlichkeit wäre wohl anzunehmen gewesen, daß sich die berufenen Kreise dafür interessieren würden, die getadelten Übelstände zu untersuchen und gründlich zu beseitigen. Leider muß konstatiert werden, daß in dieser Richtung so viel wie gar nichts geschehen ist.

Es fanden zwar Kommissionierungen statt, der Effekt derselben blieb jedoch gleich Null, denn bloße Übungen, wie sich die Schülerinnen bei einem Brande zu benehmen haben, können unmöglich als ein hinreichendes Präventivmittel bezeichnet werden, um Katastrophen bei einem solchen Anlasse zu vermeiden, wo doch bekanntlich alles den Kopf verliert und wo in der Regel alle möglichen Zufälligkeiten mitspielen, auf die man gar nicht bedacht war.

In einem Zeitpunkte, wo das allgemeine Bestreben dahin geht, katastrophalen Ereignissen entgegenzutreten - es sei hier nur der verschiedenen Bauvorschriften für Theater, der Verordnungen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter in Gewerbsbetrieben bedacht - in einem solchen Zeitpunkte humanen Strebens muß es Wunder nehmen, daß sich in den zunächst berufenen Kreisen niemand findet, der kurz und bündig erklärt, die Verhältnisse sind unhaltbar, wie sie in der deutschen Lehrerinnenbildungsanstalt in Prag bestehen, und fordern zu einer gründlichen Abhilfe auf, wenn man sich nicht der Gefahr aussetzen will, mitschuldig an einem großen Unglück zu werden.

Fassen wir zunächst den Baustand dieses Schulhauses ins Auge! Die Errichtung der Anstalt reicht in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück; den damaligen bescheidenen Anforderungen und einer sehr geringen Schülerinnenanzahl mag das Gebäude ja vielleicht entsprochen haben. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Zahl der Schülerinnen seither beständig gewachsen ist und daß heute in diesem, in einem abseits gelegenen Winkel situierten, ringsum von hohen Gebäuden eingeschlossenen Schulhause an 500 Mädchen untergebracht sind.

Die Schülerinnen verteilen sich auf drei Stockwerke des Gebäudes. Jene Klassen, welche im Parterre gelegen sind, leiden naturgemäß beständig unter dem Mangel natürlicher Beleuchtung. Das vorhandene Stiegenhaus ist direkt ein Graus. Die Verbindung der Stockwerke untereinander wird durch eine einzige, hölzerne, finstere Treppe, die eine Breite von 1.50 Meter hat, bewerkstelligt. Die Klassenzimmer münden auf schmale Gänge, die im Zickzack zu dieser hölzernen Treppe führen; eine direkte Verbindung mit dem Hauptabgange haben sie daher nicht.

Der Hauptgang, welcher ins Freie führt, ist nur 1.50 Meter breit. Beim Eintritt in die Parterrelokalitäten hat man das Gefühl, als ob man durch modrige Kellerräume schreiten würde.

Ist es schon an und für sich unverantwortlich, in einer derartig stark besuchten Schule überhaupt eine hölzerne Treppe zu dulden, so sei hier nur die Frage aufgeworfen, wie sich die in den oberen Stockwerken untergebrachten Kinder retten könnten, wenn die unteren Partien der Stiege unpassierbar würden. Haben sich jene Organe, denen die Oberaufsicht über die Anstalt übertragen ist, jemals diese Frage vorgelegt? Wir wollen hier gar nicht weiter in Erwägung ziehen, daß eine direkte Hauptverbindung in den Stockwerken mit der Stiege fehlt und daß daher bei einer Panik bei den vorhandenen schmalen Gängen (nur 1.50 Meter breit, so daß hier in den Zwischenstunden nicht einmal alle Mädchen Platz haben) und bei den sonstigen Kommunikationshindernissen die Treppen überhaupt nicht zu erreichen sind, daß die Türen der Klassenzimmer sich nach innen öffnen, daß die vorhandenen Notausgänge ganz und gar mangelhaft sind und werfen nur die Frage auf, ob die angeführten Momente nicht vollständig hinreichen, um die Schule überhaupt zu sperren.

Was würde der k. k. Gewerbeinspektor zu einer Fabrik mit 500 Arbeitern sagen, die derartige Betriebsverhältnisse aufweist? Unbedingte Sperrung wäre das Los des Betriebes.

In hygienischer Hinsicht liegen die Verhältnisse nicht besser.

Entsprechend wirkende Ventilationen fehlen in den Schulzimmern fast vollständig. Wenn die Klassen ausreichend gelüftet werden sollen, müssen die Schülerinnen die Lehrsäle verlassen und sich auf den schmalen, im Winter empfindlich kalten Gängen, herumdrücken. Dies hat schon oftmals zu argen Verkühlungen und zum Entstehen schwerer Leiden geführt.

Von berufener Seite wurde deshalb der Ausspruch getan, die k. k. Lehrerinnnenbildungsanstalt ist die Brutstätte für Lungenleiden aller Art.

Die räumlichen Verhältnisse der Schulzimmer sind vollständig ungenügend.

Es gibt Lehrräume, wo bei einem Belage von über 60 Hörerinnen, und zwar erwachsenen Mädchen, kaum jene räumlichen Verhältnisse erreicht werden, die die Verordnung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 12. März 1888, Zahl 7099 und 1887, für Volksschulen fordert. Hiebei muß aber erwogen werden, daß in Volksschulen die Zahl der Unterrichtsstunden um nahezu ein Drittel geringer ist, weshalb die Forderung nach größerem Bewegungs- und Luftraum wohl durchaus am Platze erscheint.

Für moderne Lehrräume bei günstiger Ventilation müssen zumindest 1.25 m2 Flächenraum und 6-7 m3 Luftraum für die Person gerechnet werden bei einer Höhe der Säle von 3.5-4 m und einer Tiefe bis höchstens 9 m.

Die Verordnung des Handelsministeriums vom 23. November 1905, R.-G.-Bl. Nr. 176, geht bezüglich der Fabriken in einzelnen Punkten sogar noch viel weiter.

Daß die Kandidatinnen in derart beschaffenen Lehrräumen wie Heringe aneinandergepsercht sitzen müssen und nach allen Seiten hin behindert sind, versteht sich von selbst. Es leidet durch die unerhörten Verhältnisse nicht nur die Gesundheit der Kinder, sondern auch der Unterricht.

Am schönsten aber bei der ganzen Sache sind die Abortanlagen. Sie sind geradezu ein Jammer. Auf zwei Schulklassen mit einem Belag von über 120 Kandidatinnen entfällt ein einziger Anstandsort. Die erwähnte Verordnung vom 23. November 1905, die in ihren Bestrebungen sicher nicht zu weit geht, schreibt vor, daß für höchstens 30 Personen ein Abort zu rechnen ist.

Sind das nicht unerhörte Verhältnisse in einem k. k. Lehrinstitute, dem einzigen staatlichen in Böhmen, dem die Ausgabe zufällt, für unsere Schulen geeignete Lehrkräfte heranzubilden? Der Staat möge sich einmal die Schulpaläste ansehen, die unsere deutschen Gemeinden aufbauen ließen und sich daran ein Vorbild nehmen!

Die Gefertigten stellen auf Ew. Exzellenz als obersten Hüter der Schuljugend die Fragen:

1. Sind Ew. Exzellenz diese unerhörten Verhältnisse bekannt?

2. Warum ist schon nicht längst eine energische Maßnahme getroffen worden, um diese geradezu himmelschreienden Verhältnisse zu beseitigen?

3. Sind Ew. Exzellenz geneigt, sofort unter Zuziehung von Sachverständigen auf dem Gebiete der Schul- und Gewerbehygiene und der Unfallverhütung eine geeignete Kommission zusammensetzen zu lassen, welche unverzüglich die sanitären und baulichen Verhältnisse in der k. k. Lehrerinnenbitdungsanstalt überprüft und geeignete Anträge stellt?

4. Können die Gefertigten erwarten, daß nach dem Resultate dieser Kommission von Staatswegen alles veranlaßt werden wird, um diese trostlosen Verhältnisse zu sanieren oder soll erst der Eintritt einer Katastrophe abgewartet werden, bevor hier Wandel geschaffen wird?

Prag, am 3. Feber 1910.

Abg. Ed. v. Stransky und Genossen.

Oberstlandmarschall: Anfrage der Herren Abgeordneten Dr. Herold und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe.

Landtagssekretär Dr. Haasz liest abwechselnd mit Landtagsaktuar Dr. Šafaøoviè.

Anfrage des Abg. Dr. Herold und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend die ganztägige Sonntagsruhe der Handelsangestellten.

Der Bund der oesterreichischen Industriellen Sektion Teplitz hat vor geraumer Zeit an das Abgeordnetenhaus eine Petition überreicht, in welcher des Näheren ausgeführt wird:

In Anbetracht des Umstandes, daß von den Handels- und Industrieangestellten in Oesterreich die Einführung der ganztägigen Sonntagsruhe energisch verlangt wird und diese Forderung sowohl mit der jetzigen Geschäftslage, als auch mit der nur aus dem Säckel der Handelswelt fließenden Bestreitung der Wohlsahrtseinrichtungen und den sozialen Verbesserungen des Lebensunterhaltes der Handels- und Industrieangestellten in keiner Weise in Vereinbarung gebracht werden kann, sprach sich die Sektion Teplitz des Bundes Oesterreichischer Industrieller in entschiedenster Weise gegen diese Forderung aus.

Wir sind der festen Ueberzeugung, daß durch die Einführung der ganztägigen Sonntagsruhe nicht nur der ganze Kaufmannstand in Oesterreich arg geschädigt würde, sondern viele Tausende Existenzen, die oft nur an das Sonntagsgeschäft angewiesen sind, zugrunde gerichtet würden und verweisen diesbezüglich auf die hier nachfolgende Begründung.

Wir leben in der Zeit des Dampfes, der Elektrizität, aber auch, wie man zu behaupten pflegt - ob mit Recht oder Unrecht, sei hier nicht untersucht - der Humanität.

Die Errungenschaften der eingangs erwähnten beiden Kräfte, wenn sie auch recht oft die Prinzipien der Humanität über Bord werfen, beeinflussen in ganz hervorragender Weise den ganzen Wettverkehr. Sie schufen Verbindungen mit Ländern, die bisher fern oder ganz fremd jedem Verkehre, ja jeder Zivilisation entrückt waren, sie umgestalteten auch den inneren Verkehr, ja die lokalgeschäftlichen Verhältnisse in einer Weise, die insbesondere der physischen Menschenkraft in ganz außerordentlichem Maße zustatten kommt.

Der größte Teil der heutigen Kaufmannschaft weiß sich nur zu gut an die - nun an die gute alte Zeit - zu erinnern, an die noch nicht so weit hinter uns liegenden Jahre, wo die Lehrlinge und Kommis so recht ihre ganze Menschenkraft in ausgiebigster Weise dem lieben Berufe widmen mußten, von welcher aber der jetzige Nachwuchs nicht die blasse Vorstellung besitzt!

Wenn man nur von dem Standpunkte der einen Branche, zum Beispiele Kolonialwaren, einen oberflächlichen Rückblick auf jene Zeit, die nun 30 bis 35 Jahre hinter uns liegt, wirft und bedenkt, was zu jener Zeit der Lehrling und der Kommis physisch leisten mußte und in Erwägung zieht, daß der Lehrling damals das ganze Gewürz stoßen, die schwere Handkaffeetrommel schütteln und fast die ganzen Warenvorräte von der nahen Stadt, Fabrik, Mühle oder von der Bahn herbeischaffen mußte, wenn man ferner der nicht geheizten Läden und Schlafstellen bei den damals bestehenden Verhältnissen gedenkt, wenn in Erwägung gezogen wird, daß zu jener Zeit die Geschäftslokale von früh 5 oder 6 Uhr bis abends 10 auch 11 Uhr, im wahren Sinne das Wortes offen standen und wenn man schließlich in Betracht zieht, daß es damals keine oder nur wenige, dem Körper einigermaßen Ruhe und dem Geist Bereicherung bietende kaufmännische Fartbildungsschulen gab, die Ausgänge sich beim Kommis auf jeden zweiten oder dritten Sonntag - beim Lehrling sogar nur auf drei Halbtage im Jahre (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) beschränkten, so ist jetzt, es sei offen und gerne konstatiert, die Zeit der Ueberbürdung des Handelsangestellten Gott sei Dank vorüber, obzwar bemerkt werden muß, daß zur vollständigen Schilderung jener "guten alten Zeit" noch recht vieles, leider aber wenig Gutes angeführt werden müßte.

Das Wort "schuften", mit dem eine gewisse Partei die "jetzige Tätigkeit" der kaufmännischen Hilfskräfte zu belegen die Güte hat, paßt wohl auf die vorbeschriebene Zeitperiode und ihre Verhältnisse ganz und gar - es aber auf heutige Zeit und deren Verhältnisse anzuwenden, ist nicht nur "unbillig" und "ungerecht" - sondern sogar "böswillig!

Wie schon bemerkt wurde, haben der Dampf und die Elektrizität es mit sich gebracht, daß die Verhältnisse und die Lage der Herren Angestellten eine bedeutende Erleichterung erfuhren, aber auch die in der Jetztzeit geübte Humanität kommt in nicht geringem Maße den Handels- und Industrieangestellten zugute.

Dort, wo einst in düsterem Laden der schurzumgürtete Kommis zähneklappernd mit wunden Händen tagsüber schwer arbeiten und bis in die späte Nacht hinein Düten kleben mußte, sehen wir heute in einem freundlichen, wohldurchwärmten Lokal fesch gekleidete junge Männer, die, wenn ihre Befähigung nur einigermaßen den Ansprüchen des Chefs entspricht, nur ausnahmsweise und da nur zu leichterer Arbeit - sonst aber nur ausschließlich zur Bedienung der Kundschaft verwendet werden.

Die schwere Arbeit fällt dem Markthelfer, dem Hausmeister oder dem Personale des Spediteurs zu. Der Gewürzmörser wird in manchen Geschäften als ein Monstrum aus vergangenen Tagen zum Andenken aufbewahrt, die Schütteltrommel wich den modernen Dampf- oder leichtbeweglichen Kaffeeröstmaschinen und ist dem kaufmännischen Hilfspersonale nur noch vom "Hörensagen" bekannt; der Stoßwagen als Kraftmesser des Lehrlings wird immer seltener und kommt nur bei ganz leichten lokalen Beförderungen von Waren in Verwendung, die Strapazen der mühseligen Arbeit des nächtlichen Fahrens zum oder vom Markttage eines mehr oder weniger weit entfernten Nachbarortes sind ganz abgeschafft und noch eine ganze Reihe, die ganze physische Kraft des jungen Mitarbeiters in Anspruch nehmenden Tätigkeiten sind ganz oder zum größten Teile in Wegfall gekommen, und es kann ohne begründeten Widerspruch getrost die Behauptung aufgestellt und der Beweis erbracht werden, daß die Fortschritte im modernen Verkehre in physischer Beziehung den beschwerlichen Teil des Wirkens unseren heutigen kaufmännischen Hilfskräften abgenommen haben.

Aber auch in humanitärer Beziehung ging die Jetztzeit nicht spurlos an unseren jugendlichen Mitarbeitern vorüber, im Gegenteil, gerade in dieser Richtung hin sind Fortschritte verzeichnen, von denen vor einem halben Menschenalter noch niemand eine Ahnung hatte.

Abgesehen von der besseren Lebensweise, welche insbesondere in der Verköstigung und dem Logis zum Ausdruck gelangt, aber doch nicht außeracht gelassen werden dürfte, wurden speziell in den letzten zwei Dezennien Einrichtungen geschaffen, auf die nur in aller Kürze hingewiesen sei, trotzdem sie auf die soziale Stellung des kaufmännischen Hilfspersonales von ganz außerordentlicher Tragweite sind und deshalb hier angeführt werden müssen.

Durch die Errichtung zahlreicher Handelsfortbildungsschnlen, deren Unterrichtszeit meist auf die Tagesstunden fällt, wurden wöchentlich 6 Stunden - und rechnet man den Gang zur und von der Schule, 6 1/2 bis 7 Stunden, ja für die am Lande beschäftigten Lehrlinge 7-8 Stunden, zur körperlichen Erholung derselben genommen.

Betreffs der körperlichen Erholung des gesamten Personales wurde in der Weise Vorsorge getroffen, daß die sich einst auf 16 bis 18 Stunden erstreckende Tagesarbeitszeit freiwillig auf 12 bis 14 Stunden herabgemindert wurde. Doch blieb man dabei nicht stehen. Es wurde die Sonntagsnachmittagsruhe erst durch vier Stunden eingeführt, dann aber auf den ganzen Sonntagsnachmittag ausgedehnt, ja in vielen Städten geben die Kaufleute ungezwungen auch im Sommer die Feiertagsnachmittage frei.

Daß es unter solchen Verhältnissen unseren Mitarbeitern an Erholung nicht fehlt, dafür sprechen die eben angeführten nicht zu leugnenden Tatsachen, aber eben so sicher ist es, daß mancher Chef unter den heute obwaltenden Verhältnissen sich so viel Erholung bieten kann und - darf!

Durch die in dem letzten Dezennium geschaffenen Wohlfahrtseinrichtungen, wie zum Beispiel die kaufmännischen Krankenkassen, zu deren Fortbestehen und Erhaltung die Chefs einen großen Teil, in vielen Fällen den gesamten Beitrag für ihr Personal leisten, wurde für die Handels- und Industrieangestellten in einer Weise Vorsorge getroffen, um die sie mancher Chef wahrlich beneiden kann.

Man ging in einzelnen Städten noch weiter, indem für kurbedürftige Mitarbeiter Fonde gebildet wurden, zu denen die Chefs gewiß nicht den kleinsten Beitrag leisten.

Neuerdings arbeitet man auch an der Altersund Invaliditätsversorgung der Angestellten, die ohne Zweifel in nicht zu ferner Zeit in Wirksamkeit treten wird, wenn auch der erste Entwurf hiefür, infolge der hierin ausgesprochenen allzugroßen Belastung der Chefs, die für manchen Kaufmann und Industriellen den Ruin bedeutet hätte, verworfen werden mußte.

Die Ausübung der Humanität ist gewiß ein edles Werk, läßt sich sehr leicht "vom grünen Tische" aus diktieren, aber alles hat seine Grenzen!

Lassen wir nun aber die Leistungen zur Ausübung der Humanität ins wahre Licht treten, betrachten wir genau, "wer" auch für die ganzen Erleichterungen in physischer Beziehung aufzutommen hat und wir kommen zu der unwiderleglichen Tatsache, daß die schwere Arbeit, die einst das kaufmännische Personale leisten mußte, entweder maschinell oder durch Heranziehung zahlreicher untergeordneter Hilfskräfte verrichtet, aber vom Geschäftsinhaber in beiden Fällen bezahlt wird, daß die Verbesserung der Lebensweise, die körperliche Erholung durch die ganz freiwillige Verkürzung der Arbeitszeit, oder durch die teils freiwillig, teils gesetzlich eingeführte Sonn- und Feiertagsnachmittagsruhe, die geistige Ausbildung durch die Handelsfortbildungsschulen, der Bestand und die Erhaltung der Gehilfenkrankenkassen und die Fundierung der Fonde für kurbedürftige Handels- und Industrieangestellte entweder ganz allein oder gewiß doch zum größten Teile, entweder direkt oder indirekt durch die kaufmännischen Gremien und Genossenschaften auf Kosten der Geschäftsinhaber geschehen ist und geschieht!

Zurückkommend auf die Alters- und Invaliditätsversorgung, wollte man auch diese noch zu zwei Dritteilen den Chefs aufbürden, die in ihrer Fassung zur Folge gehabt hätte, daß der steuertragende Chef mit seinen nicht steuertragenden oder gering besteuerten Angestellten puncto gesicherter Stellung gerne getauscht hätte.

Neue Mehrbelastungen und Mehreinschränkungen für den Handel werden vom grünen Tische diktiert, ohne die Handelswelt darüber befragt zu haben, ohne Rücksicht auf die geschäftliche Lage, ohne Rücksicht darauf, daß "Zehntausende von Kaufleuten gegen keine Krankheit, gegen keinen Unfall, gegen kein geschäftliches Mißgeschick sich versichern können, weil es ihre Notlage einfach nicht gestattet, für solche Angelegenheiten alljährlich bestimmte Summen ausgeben zu können und an eine Alters- und Invaliditatsversicherung aus dem gleichen Grunde nicht denken dürfen, so daß eine große Anzahl von Geschäftsleuten das Alter in kümmerlicher Weise fristen müssen."

Wir glauben nicht mit übertriebenen Worten die Situation des größten Teiles der Handelswelt Oesterreichs gekennzeichnet, sondern, ganz ohne jede Voreingenommenheit gegen unsere Mitarbeiter, denen wir die Verbesserung ihrer Lage, soweit sie sich mit den geschäftlichen Verhältnissen in Einklang bringen läßt, wahrhaftig gönnen, die tatsächlich bestehenden Verhältnisse festgelegt zu haben.

Es erscheint nun dem Gesagten nach die Frage am Platze:

"Hat denn auch bei uns in Oesterreich die geschäftliche Lage im allgemeinen mit diesen Belastungen, denen sich noch die erhöhten Anforderungen an Gehalt seitens unserer Mitarbeiter, die heute unbedingt notwendige feinere Ausstattung der Verkaufslokale und Auslagen, die hohen Mieten, Steuern und sonstigen Abgaben und geschäftlichen Auslagen, die man früher gar nicht kannte und auf die wir später noch zu sprechen kommen, anschließen, hat das Geschäftsleben mit diesen Belastungen gleichen Schritt gehalten, so daß dieselben ohne Gefahr für den Bestand des Detailhandels zu tragen sind?


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