Oskar Siedek, Beamter der k. k. priv. österr.
Kredit-Anstalt, Präsident.
Dr. Leonhard Roesler, k. k. Hofrat, I. Vize-Präsident
Unbesetzt: Il. Vize-Präsident.
Dr. Paul Pallaster, Hof- und Gerichtsadvokat,
I. Schriftführer.
Josef Markowitz, Privatbeamter, lI. Schriftführer.
Wilhelm Lovrek, Fabriksbesitzer, Rechnungsführer.
Anton Klar, Beamter der k. k. priv. österr.
Kredit-Anstalt, Schatzmeister.
Franz Berger, k. k..Oberbaurat und Stadtbaudirektor.
Rudolf Boeck, k. k. Professor.
Dr. Karl Brunner v. Wattenwyl, k. k. Ministerialrat
a. D.
Dr. Aler. Dorn Ritter v. Marwalt, k. k. Kommerzialrat,
Schriftsteller.
Emil Dorovius, Ingenieur.
Rudolf Freisauff v. Neudegg, Chefredakteur
in Salzburg, Obmann des Zweigvereines "Salzburg."
Med.-Dr. Moritz Helf, Chefredakteur des Vereinsorganes
"Phönix."
Max Himly, Ober Ingenieur.
Dr. Kaspar Irresberger, Rechtsanwalt in Linz
a. D., Obmann des Zweigvereines "Ober Österreich."
Dr. Ludwig Karell, Schriftsteller.
Dr. Jul. Kratter, k. k. Universitäts Professor
in Graz,.Obmann des Zweig-Vereines "Steiermark."
Ernst Ritter v. Kuh, kommerzieller Kontrollor
der priv. österr. Staatseisenbahn-Gesellschaft a. D.
Dr. Julius Mauthner, Regierungs- und Sanitätsrat,
Universitäts-Professor.
St. C. Neubauer, Privatier.
Dr. Karl Rimböck, prakt. Arzt.
Dr. Ferdinand Steiner, prakt. Arzt.
Rudolf Stetka, Obmann des Arbeiter-Zweigvereines.
Dr. Franz Süß, Gymnasial-Professor.
Dr. Karl Toldt, Universitäts-Professor,
Hofrat, wirkl. Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Mitglied
des Herrenhauses.
Dr. Sust. Ad. Ungár-Szentmitlósy,
Schriftsteller.
Anton Widlar, Administrationsbeamter.
Wie ungerechtfertigt der Widerstand gegen die
Gestattung der Feuerbestattung ist, ergibt sich auch aus dem Vortrage,
welchen Herr Dr. Julius Kratter, Universitäts-Professor in
Graz, in der Hauptversammlung des Vereines der Freunde der Feuerbestattung
"Die Flamme" in Wien am 23. März 1895 gehalten
hat, und welcher lautet:
Hochgeehrte Versammlung! Es ist wohl nur wenigen
möglich, auch noch einen Blick in das Grab zu tun. Zu den
wenigen, welche durch ihren Beruf genötigt waren, seit einer
langen Reihe von Jahren dem Prozesse der Leichenzersezung ihr
Augenmerk zuzuewenden, gehöre auch ich. Es ist begreiflich,
daß, nachdem so wenige Menschen sich mit diesem Gegenstande
zu befassen Gelegenheit haben, auch die Vorstellungen über
die Dinge, welche sich nach der Bestattung im Erdgrabe abspielen,
meist nur ganz unklar und unvollkommen sind.
Wohl haben es oft schon Künstler und Schriftsteller
versucht, den Tod und das Grab darzustellen; allein, was sie schufen,
sind zumeist Gebilde der eigenen Phantasie und nicht Wirklichkeit,
mehr darauf berechnet, Grauen zu erregen, als zu belehren.
Meine Aufgabe wird es sein, nicht dergleichen
Momentbilder grauenerregenden Inhaltes zu entwerfen, wie sie bei
mir als Erinnerungsbilder von Geschehenem in reicher Zahl vorhanden
sind, oder Gebilde der Phantasie vorzuführen, wie sie andere
weniger gesehen als erdacht haben, sondern meine Aufgabe soll
es sein, schlicht und schmucklos zu berichten, was Wissenschaft
und Beobachtung festzustellen vermochten über die Dinge,
die vor sich gehen, nachdem der menschliche Leichnam in das Erdgrab
gesenkt ist.
Die Reihe der Veränderungen beginnt mit
dem Momente des Todes, als welchen wir den Stillstand des Herzens
bezeichnen müssen. Es treten zunächst rein physikalische
Vorgänge in den Vordergrund der Erscheinungen: Das Erkalten
der Leichen infolge Aufhörens der Wärmebildung, die
Erstarrung derselben (Totenstarre) durch Gerinnung des Muskeleiweißes,
die Vertrocknung gewisser Stellen der Körperoberfläche
wegen gesteigerter Verdunstung der Gewebsflüssigkeiten von
feuchten, nässenden oberhautlosen Partien aus, endlich die
Blutsenkung. Von dem Augenblicke an, als das Blut nicht mehr durch
die Triebkraft des lebenden Herzens bewegt wird, nicht mehr im
Körper kreist, folgt diese Flüssigkeit nur noch dem
physikalischen Gesetze der Schwere und senkt sich in die tiefft
gelegenen Körperteile. So entstehen die als Totenflecke bekannten
Leichenversärbungen der Haut und die inneren Blutsenkungen
(Hypostasen). Bald vermögen die Blutgefäße dem
Drucke der auf ihnen lastenden Blutsäule nicht mehr Widerstand
zu leisten, indem sie selbst verändert werden, und es tritt
das Blut aus seinen natürlichen Behältern aus.
Um diese Zeit haben sich allerdings auch schon
tiefgehende chemische Veränderungen des Blutes vollzogen:
die Blutkörperchen sind zerfallen, der in ihnen befindliche
Farbstoff des lebenden Blutes (Oxyhämoglobin) ist frei und
in eine schmutzigbraune Abart (Methämoglobin) umgewandelt
worden; die geronnenen Anteile (Blut- und Fibringerinnsel) wurden
verflüssigt.
Bald wird die Oberhaut durch das gegen die
Körperoberfläche vordringende Blut in Blasen aufgehoben,
in einer Weise, die Brandblasen nicht unähnlich ist. Diese
Fäulnisblasen sind mit schmutziggelbbrauner und rotbrauner
Fäulnisflüssigkeit (Fäulnistranssudat) erfüllt
und bedecken oft weite Strecken des Leichnams. Das Deckgewebe
des Körpers, die Oberhaut, verfällt dadurch einer Mazeration,
bald leistet auch sie nicht mehr Widerstand, die Blasen bersten
und es treten die Körperflüssigkeiten nach außen.
So kommt es, daß mit dem Zerfalle der Oberhautgebilde die
Möglichkeit gegeben ist, daß allmählich alle Flüssigkeiten
des Körpers nach außen wandern. Man nennt das die postmortale
Ausblutung der Leichen, welche in der Regel einen Zeitraum von
etwa zwei Monaten in Anspruch nimmt, so daß nach dieser
Zeit alles Blut aus den Organen und den Geweben verschwunden ist.
Ein ähnlicher physikalischchemischer Vorgang ist auch die
allerdings später beginnende Wanderung des Fettes oder besser
eines Teiles des Fettes des menschlichen Körpers. Es zersetzt
sich nämlich das Fett unter Ausscheidung des Glyzerins, an
welches die Fettsäuren im Normalfett gebunden sind, und Freiwerden
dieser letzteren. Die bei gewöhnlicher Temperatur flüssige
Ölsäure vermag nun die Gewebe zu durchdringen und schließlich
selbst aus dem Körper auszutreten, gleichwie das abgespaltene
Glyzerin, während die Hauptmasse des Fettes, bestehend aus
den festen Fettsäuren, an der ursprünglichen Bildungsstätte
verharrt und als schwer zerstörbarer Teil des menschlichen
Körpers oft lange Zeit erhalten bleibt.
Frühzeitig, und zwar schon ganz kurz nach
dem Eintritte des Todes, beginnen auch die chemischen Zersetzungen,
welche eine weitaus größere Wichtigkeit beanspruchen.
Die chemische Leichenzersetzung ist ein höchst komplizierter
Vorgang, dessen Einzelheiten noch keineswegs vollkommen bekannt
sind, so sehr auch die wissenschaftliche Forschung der letzten
Jahrzehnte bemüht war, Licht auch über dieses Dunkel
zu verbreiten. Der Hauptsache nach besteht derselbe darin, daß
aus den hoch zusammengesetzten Molekülen, welche am Aufbaue
des menschlichen Körpers beteiligt sind, durch fortgesetzte
Spaltungen immer einfachere Verbindungen gebildet werden.
Man hat in neuerer Zeit diesen chemischen Zersetzungsvorgängen
eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und ist in der Erkenntnis
dieser Veränderungen ziemlich weit vorgeschritten, ohne daß
es bisher möglich gewesen wäre, alle chemischen Umsetzungen
von Stufe zu Stufe zu verfolgen und bis zu den Endgliedern festzustellen.
Ich darf wohl auf eine interessante Gruppe besonders aufmerksam
machen, welche Gegen stand vielfacher wissenschaftlicher Forschungen
geworden ist. Es find dies jene Körper, die man als Leichen-
oder Kadaveralkaloide (Ptomatine) bezeichnet hat. Selmi in Bologna
hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Leichenzersetzung
schon in einem frühen Stadium durch Veränderung der
Eiweißtörper der menschlichen Gewebe neue basische
Körper gebildet werden, welche in ihrer Wirkung gewissen
in Pflanzen vorhandenen giftigen Stoffen, den sogenannten Pflanzenbasen,
(Pflanzenalkaloiden) ganz ähnlich seien. Deswegen hat er
die Bezeichnung Kadaver oder Leichenalkaloide für diese ganze
Gruppe von Fäulniskörpern gewählt. Brieger in Berlin
hat diese Ptomatine einer besonders sorgfältigen Untersuchung
unterzogen; er war es auch, welcher zuerst die chemische Konstitution
einer größeren Anzahl dieser bei der Leichenfäulnis
austretenden Spaltungsprodukte genau festgesetzt hat. Es würde
zu weit führen, wenn ich auf die schon heute ziemlich große
Zahl dieser Körper näher eingehen wollte.
Um ihnen, hochgeehrte Versammlung, nur eine
beiläufige Vorstellung zu geben, habe ich hier auf der Tafel
I eine größere Anzahl dieser Körper aufgeschrieben
und bemerke nur, daß dieselben verschiedene chemischen Gruppen
angehören und verschiedenen Zusammensetzung haben; alle lassen
sich jedoch aus den Eiweißkörpern als Spaltprodukte
ableiten. Es sind insbesondere der Gruppe der zusammengesetzten
Ammoniake, der Amine und Diamine angehörige Körper,
welche bei der Leichenfäulnis in verschiedener zeitlicher
Aufeinanderfolge gebildet werden und wieder verschwinden, um anderen
Platz zu machen. Bezüglich dieser Fäulnisbasen bemerke
ich noch, daß ein Teil derselben giftig, ein anderer Teil
ungiftig ist. Es werden also tatsächlich durch die Zersetzungsvorgänge
im Grabe auch teilweise giftige Körper gebildet.
[Die Formeln sind neu hinzugefügt worden, ebenso die genaue
Bezeichnung der Giftigkeit.]
Methylamin CH3 NH2, Äthylamin
C2 H5 NH2, Propylamin C3H7,NH2,
Dimethylamin (CH3)2 NH, Diäthylamin
(C2H5)2 NH, Trimethylamin (CH3)3
N, Triäthylamin (C2H5)3
N, Isophenyläthylamin (Collidin C6H5
CH, CH3 NH2, sämtlich giftig,
örtlich reizend und gehirnreizend.
Äthylendiamin C2H4 (NH2)2,
Äthylidendiamin CH3 CH(NH2)2,
Trimethylendiamin (CH2)3 (NH2)2
giftig, wie oben.
Tetramethylendiamin (CH2)4
(NH2)2 (Putrescin), Pentamethylendiamin
(CH2)5 (NH2)2 (Cadaverin)
Neuridin, Saprin dem Cadaverin isomere, ungiftig.
Cholin C5 H15 NO2,
in größerer Menge giftig. Muscarin (Leichen-Muscarin),
Fliegenschwammgift C5 H15 NO3.
Neurin C5 H13 NO, giftig. Oxyneurin (Betain,
Lycin) C5H13 NO3, wenig giftig.
(mit zum Teil noch unbekannter Zusammensetzung).
Mydin C8 H11 NO, ungiftig.
Mydalein (vielleicht ein Diamin) ungiftig. Mydatoxin C6 H13
NO2, giftig. Gadinin C7 H17 NO2,
giftig, Sepsin. Ptomatropin (Fäulnisatropin), giftig. Ptomatocurarin
(Fäulniscurarin), giftig. Peptotoxin, giftig. Tyrotoxin,
giftig.
Um aber keine irrige Vorstellung aufkommen
zu lassen, möchte ich hier noch bemerken, daß dasjenige,
was man Leichengift nennt, wohl nicht einer von den hier aufgeschriebenen
Körpern ist, sondern wenn Leichen in der gewöhnlichen
Sprachweise giftig wirken und tatsächlich Blutvergiftung
bei demjenigen, der damit hantiert, unter Umständen hervorrufen
können, so sind das lebende Organismen, in der Leiche vorhandene
Krankheitsoder Fäulniserreger, die von da auf den lebenden
Körper eines Menschen gelangen und durch ihre Zersetzungen
die bösartigen Folgen der Blutvergiftung nach sich ziehen.
In einer zweifellos langen Kette weiterer,
meist noch unbekannter Zersetzungen spalten sich diese Körper
fort und fort, so daß schließlich verhältnismäßig
einfache Körper als Endprodukte des ganzen chemischen Leichenzersetzungsvorganges
erscheinen. [Selbstverständlich sind auch die schon heute
bekannten in der Tabelle angeführten Leichengifte keineswegs
gleichzeitig vorhanden, sondern einzelne erscheinen früh,
verschwinden bei der weiteren Fäulnis und machen anderen
Platz, so daß man auf diesem Verhalten geradezu eine chemische
Chronologie der Fäulnis wird begründen können,
wie ich dies schon am X. internationalen medizin. Kongreß
in Berlin dargetan habe. (Über die Bedeutung der Ptomatine
für die gerichtliche Medizin.)] Ich werde später
noch auf diese Endprodukte der Leichenzersetzung zu sprechen kommen.
Eingeleitet und unterhalten werden alle Spaltungen
der hoch zusammengesetzten Eiweißkörper der menschlichen
Gewebe durch lebende Organismen, Spaltpilze, welche ihrerseits
in üppigster Lebenstätigkeit begriffen, aus den abgestorbenen
menschlichen Geweben immer neue und anders zusammengesetzte Körper
als Stoffwechselprodukte ihres Lebens bilden, um - einem allgemeinen
Gesetze zu folge - generationsweise in den eigenen Stoffwechselprodukten
unterzugehen.
Die Individuenzahl dieser kleinsten Leichenzerstörer
ist unschätzbar groß. Milliarden und aber Milliarden
von Leichenbakterien sind an der Zerstörung eines einzigen
Leichnams beteiligt; beschränkt ist jedoch ihre Artzahl.
Man hat viele dieser Mikroorganismen in ihren
biologischen Eigenschaften näher studiert, und es ist heute
schon eine ziemlich große Anzahl von Fäulniserregern
vollkommen nach allen Richtungen sichergestellt. [Nach den
sorgfältigen, im Labora torium von Bizzozero ausgeführten
Untersuchungen Ottolenghis über die Fäulnisbakterien
des Blutes sind bei der Leichenfäulnis hauptsächlich
die nachfolgenden Spaltpilze beteiligt:
Beginnende Fäulnis: Mesentericus vulgatus.
Mesentericus fuscus. Meséntericus fuscus B.
Beginnende Fäulnis: Mesentericus fuscus.
Mesentericus fuscus B. Bacillus subtilis. Bacillus subtilis B.
Micrococcus alcus liquefaciens.
Vorgeschrittene Fäulnis: neben den
vorigen Bacillus candicans. Micrococcus candicans Micrococcus
luteus. Micrococcus auran tiacus. Sternförmiger Coccus. Bacillus
albus cadaveris. Bacillus citreus cadaveris.
Die beiden letztgenannten, von Straßmann
und Stecker eingehend studierten Bazillenarten gehören der
Spätfäulnis an.] Zweifellos
sind aber auch noch andere, bisher nicht genauer untersuchte Pilze
an der Leichenzersetzung beteiligt. So will ich nur erwähnen,
daß in meinem Institute in Graz Untersuchungen im Zuge sind
über einen neuen, bei der Leichenfäulnis aufgefundenen
Pilz, der an der Oberfläche faulender Organe wuchert.
Es sind aber nicht bloß diese niedrigsten
Pflanzengebilde, die Spaltpilze, die an Leichenzersetzung mitwirken:
auch Ihnen allen sehr wohlbekannte höhere Pflanzenorganisation
finden den Boden zu ihrem Gedeihen, zu ihrem Wachsen und zur Ausbreitung
auf der menschlichen Leiche: die Schimmelpilze. Alle Schimmelarten,
die bisher bekannt geworden sind, kommen auch auf der Leiche vor,
und zwar werden sie schon frühzeitig daselbst angesiedelt
gefunden. Ich glaube, nach eigener Erfahrung sagen zu können,
daß die Aufgabe dieser streng luftlebigen (aëroben)
Pilze, welche daher immer nur an der Oberfläche des Körpers
wachsen können, die ist, die sehr widerstandsfähige
Lederhaut zu zerstören.
Man findet die Schimmelbildung daher auch schon
bei Leichen in den anfänglichen Stadien der Zersetzung, in
den ersten Monaten bis nach Schluß des ersten Jahres, aber
auch noch weit darüber hinaus. Ganz und gar verschimmelte
Leichname findet man, wie ich aus eigener reicher Erfahrung bezeugen
kann, bei Ausgrabungen oft nach vielen Jahren.
Allein nicht nur auf der Pflanzenwelt, nicht
nur diese unterirdische Flora, wenn es gestattet ist, für
solche Pflanzengebilde diesen schönen Namen zu gebrauchen,
sondern auch Tiere nehmen Anteil an der Zerstörung des Körpers
im Grabe. Es sind Ihnen wenigstens im allgemeinen wohlbekannte
Tiere, welche hier mitarbeiten: Insekten, vor allem verschiedene
Fliegengattungen sind es, die ihre Eier teils direkt auf die noch
unbestattete Leiche absetzen, teils auf die Graberde ablegen,
deren Larven dann in das Grab eindringen, den Leichnam besiedeln
und dort ihr Zerstörungswerk beginnen. Es sind auch hier
wieder neue Untersuchungen gewesen, welche sich der Erforschung
dieser Tierwelt zugewendet haben. Ich nenne insbesondere Reinhard,
Handlirsch, einen Wiener und Megnin. Letzterer hat eine Tabelle
entworfen über die wichtigsten der bei der Leichenzersetzung
beteiligten Insekten. Auch hier möchte ich wohl nicht auf
die Einzelheiten eingehen, ich will nur einiges zur Tabelle bemerken,
welche Sie hier auf dieser Tafel aufgeschrieben finden.
1. Periode sarcophagienne (3monatliche Tauer).
Dipterengaltungen: Cyrtoneura, Caliphora, Lucilia, Sarcophaga,
Muskelzehrer.
2. Periode dermestienne (3 bis 4 Monate). Coleoptera:
Dermestes, Corynethes, Fettzehrer; Lwpidoptera: Aglossa, Fettzehrer.
3. Periode silphienne (4 bis 8 Monate). Dipteren:
Phora, Anthomyca; Coleopteren: Silpha, Hister; Acarinen: Saprinus,
Serrator, Moderbildner.
4. Periode acarienne. Acarinen: Tyro glyphus,
Glyciphagus, Uropoda, Trachinotus; Anthrenen: Tineola biselliella,
Moderbildner.
Es sind den verschiedenen Gattungen angehörige
Insekten: Dipteren, Coleopteren, Lepidopteren, welche hier in
Betracht kommen. Es dürfte zumeist die Tatsache interessieren,
daß es festgestellt wurde, daß hier Generationen um
Generationen wechseln, so zwar, daß, wenn eine Generation
dieser Insekten ihre Lebensbedingungen nicht mehr findet, eine
zweite einwandert und das begonnene Zerstörungswerk fortsetzt
und dann eine dritte einwandert u.s.w. Man kann geradezu Perioden
unterscheiden, von einer periodenweisen Betätigung dieser
Tiere sprechen.
Dies wurde sogar dazu benützt, um Zeitbestimmungen
zu machen, wie lange ein Leichnam sich im Grabe befindet, je nachdem
die eine oder andere Larvenart von Aasinsekten in der Leiche getroffen
wird. Ich erwähne, von zoologischen Einzelheiten vollständig
absehend, nur dasjenige, was diese Insekten leisten.
Zuerst wandern Insekten ein, welche sich von
den Muskeln nähren; diese zehren die Muskeln ziemlich vollständig
auf. Ich habe sie einfach als Muskelzehrer bezeichnet. Später
wandern Insekten ein, welche sich von einem anderen Teile des
menschlichen Körpers nähren, vom Fett. Es sind die Fettzehrer,
und in letzter Linie kommen diejenigen in Betracht, welche zusammen
die Moderprodukte bilden; ich habe sie Moderbildner genannt.
Ich glaube, es dürfte das Wenige genügen,
um Ihnen eine beiläufige Vorstellung zu machen über
diese Gräberfauna. Ich bemerke nur noch, daß man diese
Tabelle durchaus nicht generalisieren darf, sondern daß
dieselbe eigentlich nur für eine bestimmte Örtlichkeit
gilt, für diejenige, wo diese Studien gemacht worden sind
- Paris. Selbstverständlich werden in anderen Ländern,
unter verschiedenen Breitegraden und Klimaten zum Teile oder vorwiegend
andere Insektengattungen es sein, welche in dieser Weise an der
Leichenzersetzung beteiligt sind. [Neuerdings hat Dr. Ed. v.
Niezabitowski in Krakau in einer interessanten experiementellen
Untersuchung über die Leichen fauna (Vierteljahrsschre s.
ger. Med. 3 Folge XXIII. 1. 1902) diesen Satz völlig bestätigt
und schließt sich meiner, auch in Drasches Bibliothek der
ges. med. Wissenschaften, Bd. u. ger. Med., S. 550 (1899) niedergelegten
Anschauung an, daß das System der entomologischen Chronologie
der Fäulnis von Megnin auf Allgemeingiltigkeit keinen Anspruch
erheben könne. Nach Ort und Zeit sind die an der Leichenzerftörung
beteiligten Insekten vielfach verschieden. Nach N. muß der
Löwenanteil am Zerstörungswerke den Fliegen, und zwar
dem Maden der goldgrünen Lucilia caesar zugeschrieben werden,
die beinahe drei Viertel der gesamten Weichteile aufzehren; in
geringerer Anzahl erscheinen andere Fliegenarten (Musca domestica
und corvina, Calliphora, Sarcophaga und Pyophyla.) Den Rest der
Weichteile im Freien liegender Leichen verzehren Käfer und
ihre Larven, zumeist die großen Schwarzen Larven von Necrodes,
in geringerer Zahl Silpha, Emus, Philonthus, Hister, Saprinus,
Necrophorus.]
Unter Umständen kann die Tätigkeit
dieser Aasinsekten vollständig ausgeschaltet werden. Es ist
dies der Fall da, wo das Grab in einer Weise dicht hergestellt
ist, daß ein Eindringen derselben nicht statthaben kann
(Grüfte), oder der Sarg vollkommen dicht verschlossen ist
(Metallsärge).
Wenn wir uns nun nach der Zeitdauer und nach
den Bedingungen fragen, unter welchen die Leichenzersetzung erfolgt,
so ist darüber Folgendes zu sagen.
Es ist eine Reihe äußerer und innerer
Bedingungen, die einen Einfluß nimmt auf die Zeit, in welcher
die Zersetzung der Leichen im Erdgrabe vor sich geht.
Nach übereinstimmenden Beobachtungen können
unter den allergünstigen Bedingungen, d. h. wenn Voraussetzungen
gegeben sind, welche die Leichenzerstörung außerordentlich
fördern, die Weichgebilde eines erwachsenen Menschen im Grabe
nicht vor Ablauf von zwei bis drei Jahren zersetzt sein; in der
Regel dauert es außerordentlich viel länger, so daß
sechs, acht, zehn und mehr Jahre vergehen könen, wenn gewisse
hemmende Bedingungen vorhanden sind. Die Zeit, in welcher eine
Leiche im Erdgrabe vollständing zerstört wird, ist abhängig
von, wie ich schon sagte, verschiedenen äußeren und
inneren Bedingungen.
Als äußere Bedingungen der Verwesung
sind zu bezeichnen: die Luft, die Feuchtigkeit und die Wärme.
Die Temperatur ist außerordentlich wichtig für den
Leichenzersetzungsvorgang, und es ist allgemein bekannt, daß
bei niedriger Temperatur überhaupt alle Zersetzungen aufhören.
Je höher also die Temperatur im Grabe ist, umso rascher geht
die Leichenzersetzung vor sich, je niedriger, umso verzögerter
ist sie.
Es gehört dann zu den Bedingungen der
Leichenzersetzung ein gewisser Grad von Feuchtigkeit. Was diese
anlangt, so genügt anfänglich die im Körper vorhandene
Flüssigkeit, um die Zersetzung in Gang zu bringen und durch
einige Zeit zu erhalten. Im weiteren Verlaufe bedarf es aber eines
Zutrittes von Feuchtigkeit von außen her, damit die neugebildeten
Produkte in Lösung kommen. Wenn daher die Feuchtigkeit mangelt,
wenn große Trockenheit vorhanden ist, dann wird die Leichenzersetzung
gehemmt und es kommt nach der postmortalen Ausblutung und Abgabe
der Körperflüssigkeiten an die Umgebung zur Vertrockung
der Leiche; es hört jede weitere Zersetzung auf. Die Leiche
wird in eine Mumie verwandelt. Solche natürliche Mumienbildung
[Von der natürlichen Leichenvertrocknung ist die künstliche
Mumienbildung durch Einbalsamieren wohl zu unterscheiden, wie
sie von den Ägyptern höchst kunstvoll geübt wurde
und vereinzelt in einfacher Weise auch heute vorkommt, indem die
Leichen von Fürsten, Vornehmen und Reichen durch Einspritzung
fäulniswidriger Stoffe der Zersetzung entzogen und dadurch
konserviert werden.] gibt es tatsächlich auch im Grabe.
Es sind einige Gegenden, beispielsweise in
Piemont, in Dalmatien und Istrien bekannt geworden, wo Vertrockungen
von Leichen in Gräbern ziemlich häufig beobachtet werden.
Auch von einzelnen Gegenden Deutschlands ist Aehnliches bekannt.