Pátek 4. února 1910

Damit solchen, im Gesetze selbst lediglich vorausgesetzten Gewohnheiten der Charakter gesetzlichen Zwanges verliehen werde, müßten sie entweder den Inhalt eines ausdrücklichen gesetzlichen Gebotes bilden, oder ihre Nichtbeachtung müßte ausdrücklich von Gesetzes wegen verboten sein.

Wir gestatten uns, in dieser Richtung auf ein anderes Sach- und Rechtsverhältnis hinzuweisen, welches mit dem gegenständlichen viele Analogien bietet.

Man kann wohl behaupten, daß die Schutzpockenimpfung, wenn auch lange nicht in dem Maße, wie die Beerdigung der Leichen, eine bei der österreichischen Bevölkerung seit längerer Zeit festgegründete Gewohnheit geworden ist; eine ganze Reihe von behördlichen Vorschriften und Verordnungen setzt diese Gewohnheit voraus, und sogar in dem Reichssanitätsgesetze wird auf das Impfwesen Rücksicht genommen, dessen Leitung als der Staatsverwaltung obliegend erklärt wird.

Und dennoch ist in Österreich niemand dem Zwange unterworfen, sich impfen lassen zu müssen, weil ein gesetzliches Gebot hiefür nicht existiert.

Wenn wir oben darlegten, daß im Gesetze lediglich vorausgesetzte allgemeine Gewohnheiten den Charakter gesetzlichen Zwanges nur dann erlangen, wenn sie entweder den Inhalt eines ausdrücklichen gesetzlichen Gebotes bilden, oder ihre Nichtbeachtung ausdrücklich von Gesetzwegen verboten ist, so müssen wir allerdings eine Einschränkung zugeben, nämlich die, daß etwa das Abweichen von solchen allgemeinen Gewohnheiten den Grundsätzen der Sittlichkeit und der Moral widerstreiten würde, weil auch dadurch allein die allgemeine Gewohnheit unter der Sanktion des Gesetzes stünde, nach dessen Grundsätzen eine unsittliche oder unmoralische Handlung auch ungesetzlich ist.

Es kann aber gewiß nicht behauptet werden, daß die Leichenverbrennung einem Gesetze der Sittlichkeit oder Moral widerstreitet und in dieser Richtung genügt wohl der Hinweis darauf, daß die Leichenverbrennung heute beinahe in allen Kulturländern, voran in Deutschland, Italien, Frankreich, England und Nordamerika, nicht nur eingebürgert ist, sondern eine anerkannte, von Staatswegen geschützte, öffentliche Einrichtung bildet.

Da somit weder die Leichenbeerdigung in Österreich von Gesetzwegen ausdrücklich anbefohlen ist, noch die Leichenverbrennung von Gesetzwegen ausdrücklich verboten ist, auch die Leichenverbrennung keinen allgemeinen Grundsätzen der Sittlichkeit und Moral widerspricht, so kann mit Grund behauptet werden, daß die Leichenverbrennung in Österreich von Gesetzeswegen gestattet ist, und daß die von dem entgegengesetzten Standpunkte ausgehende Entscheidung der k. k. steiermärkischen Statthalterei unrichtig ist.

Wollte man aber etwa behaupten, daß aus jenen gesetzlichen Bestimmungen, welche die Bestattung von Leichen zum Gegenstande haben, deutlich hervorgeht, daß der Gesetzgeber nur die Beerdigung der Leichen im Auge gehabt hat - was richtig ist - und daß daraus folge, daß der Gesetzgeber die Leichenverbrennung ausgeschlossen haben wollte, so wäre dies aus verschiedenen Gründen unrichtig.

Wenn der Gesetzgeber nur an die Leichenbeerdigung gedacht hat, an die Leichenverbrennung aber schlechtwegs nicht gedacht hat, so resultiert daraus durchaus nicht gesetzliches Verbot der Leichenverbrennung, sondern äußerstens - eine Lücke im Gesetze, d. h. es ist eben im Gesetze, und das wird ohne weiters zugestanden, darüber überhaupt nicht die Rede, welche Vorschriften für die Leichenverbrennung, ohne daß sie verboten ist, zu gelten haben.

Dann ist es aber eben Sache der Rechtsverständigen, im Sinne des § 7 a. b. G -B. im Wege der Rechtsanalogie, eventuell "mit Hinsicht auf reifliches Erwägen der Umstände nach natürlichen Rechtsgrundsätzen" diese Lücke des Gesetzes auszufüllen, und zwar, da es sich um offentliches Recht handelt, mit Bestimmungen, die das hohe Ministerium zu treffen befugt ist.

Die Rechtsanalogie ist zulässig, weil der Gesetzgeber, und darüber ist wohl kein Zweifel, nicht etwa absichtlich von der Leichenverbrennung geschwiegen hat, sondern entsprechend den damaligen Verhältnissen an die Leichenverbrennung überhaupt gar nicht gedacht hat.

Die Rechtsanalogie hat eben einzugreifen' wenn, wie Unger lehrt, "Rechtsverhältnisse keine Normierung erhalten haben, was insbesondere dann leicht stattfinden wird, wenn der geschäftliche Verkehr einen raschen Aufschwung nimmt und das täglich fortschreitende Leben neue Verhältnisse erzeugt, für welche ein früher abgefaßtes Gesetzbuch eine normierende Rechtsregel nicht aufstellen konnte."

Es kann dann aber auch nicht an dem Verordnungsrechte des hohen Ministeriums gezweifelt werden.

Denn gestattet einmal die Rechtsanalogie "die Norm für die Entscheidung" von Fragen des Leichenverbrennungswesens aus den "Prinzipien des gesamten positiven Rechtes", also insbesondere aus den Prinzipien der verwandten Materien des positiven Rechtes zu bilden, dann führt die der Staatsverwaltung durch das Reichssanitätsgesetz vom 30. April 1870, R.-G.-Bl. Nr. 68, vorbehaltene Oberaussicht über das gesamte Sanitätswesen und das der Staatsverwaltung in ebendemselben Gesetze vorbehaltene Recht der Überwachung des Begräbniswesens zu dem Rechte der Staatsverwaltung hinüber, auch das Leichenverbrennungswesen zu überwachen und die für diese Überwachung erforderlichen Bestimmungen zu treffen.

Hiebei darf auch folgendes nicht übersehen werden:

Erdbestattung und Feuerbestattung sind keine Gegenfätze, geschweige denn kontradiktorische Gegensätze.

Die Feuerbestattung schließt die Erdbestattung nicht aus, denn auch eingeäscherte Leichname können begraben werden und werden sehr oft begraben, so daß sich Feuerbestattung und Erdbestattung eigentlich nur dadurch unterscheiden, daß bei der Erdbestattung der menschliche Leichnam zuerst endgültig bestattet wird, um erst dann dem chemischen Verbrennungsprozesse - denn auch die Verwesung ist ja nichts anderes, als eine Verbrennung - unterworfen zu werden, während bei der Fenerbestattung der Vorgang ein umgekehrter ist.

Diese Erwägung spricht nicht nur deutlich für die Zulässigkeit der Anwendung der Rechtsanalogie, sondern sie bietet auch eine breite Grundlage für die Ausübung des Verordnungsrechtes des hohen Ministeriums.

Die bei der Feuerbestattung zutage tretende Erscheinung, daß der menschliche Leichnam vor der entgültigen Bestattung vorerst einem anderem Prozesse unterworfen wird, ist nicht einzig dastehend, vielmehr geschieht gleiches in einer ganzen Reihe von anderen Fällen.

So wird der menschliche Leichnam vor der endgültigen Bestattung, sei es zu den Zwecken weiterer Transporte, sei es zu Zwecken der Aufbewahrung in Familiengrüften, dem Prozesse der Konservierung und Einbalsamierung unterworfen. So wird der menschliche Leichnam, sei es über Wunsch des Verstorbenen oder seiner Hinterbliebenen, sei es über amtswegige Verfügung, vor der entgültigen Bestattung der Sezierung unterworfen; so wird an dem menschlichen Leichnam über Wunsch des Verstorbenen oder feiner Hinterbliebenen vor der endgültigen Bestattung der sogenannte Herzstich vorgenommen; so wird der menschliche Leichnam in bestimmten Fällen vor der endgültigen Bestattung medizinischen Anstalten zu Lehr- und Lernzwecken zur Verfügung gestellt u. dgl. mehr.

In allen diesen Fällen sind aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der mit dem menschlichen Leichnam vor dessen endgültiger Bestattung vorgenommenen Akte, sowie das Verfahren bei der Vornahme dieser Akte nicht etwa durch Gesetze, sondern lediglich durch Verordnungen der verschiedenen Staatsbehörden geordnet.

Es ist daher um so weniger ein Grund gegeben, daß für die Zulassung der Leichenverbrennung, welche ja auch nichts anderes, als ein vor endgültiger Bestattung der menschlichen Leichname mit denselben vorgenommener Akt ist und für die Schaffung der Bestimmungen und Voraussetzungen der Anwendung der Leichenverbrennung eine gesetzliche Regelung verlangt wird, statt diese Regelung der Verordnungsgewalt der Behörde zu überlassen.

Wohl haben sich die Regierungen der verschiedenen Kulturländer, in welchen die Feuerbestattung bereits Eingang gefunden hat, zumeist veranlaßt gesehen, die Feuerbestattungsfrage im gesetzlichen Wege zu regeln ohne daß jedoch überall die gesetzliche Regelung dieser Frage zur Bedingung der Zulassung der Feuerbestattung gemacht wurde, wie zum Beispiel in England die Feuerbestattung lange vor Erlassung des Kremationsgesetzes von Staatswegen zugelassen und ausgeübt wurde, während in Sachsen - Coburg - Gotha - und in Baden das Feuerbestattungswesen überhaupt nur durch örtliche Verordnungen geregelt ist.

Ist somit die Regelung des Feuerbestattungswesens in Österreich an ein Gesetz nicht gebunden, so ist damit auch die ganze Grundlage der angefochtenen Entscheidung der k. k. steuermärkischen Statthalterei erschüttert und es fehlt nunmehr ein rechtlicher Grund für die Abweisung unseres Konzessionsgesuches als, wie schon eingangs erwähnt, die Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886, von der Beerdigung überhaupt nicht spricht und ihrem Geiste nach das gesamte Bestattungswesen im Auge hat, wie denn auch alle österreschischen Leichenbestattungsunternehmen mit Wissen der Behörden ihren Geschäftstrieb auch aus die Besorgung der Leicheneinäscherung, allerdings mangels solcher Einrichtungen in Österreich, in ausländische Krematorien ausdehnen. - Unser Konzessionsgesuch hätte vom Standpunkte des geltenden Rechtes gewiß bewilligt werden sollen und es wäre nur Sache der Staatsverwaltung gewesen, unter Einem in Ausübung ihres Oberaufsichtsrechtes über das gesamte Sanitätswesen auch das Feuerbestattungswesen im Verordnungswege entsprechend zu regeln.

Die aufrechte Erledigung unseres Konzessionsgesuches und die damit im Zusammenhange stehende Ermöglichung der Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich ist aber auch ein Erfordernis der Gerechtigkeit und Billigkeit.

Wie schon im andern Zusammenhange dargestellt, haben sich beinahe alle Kulturländer veranlaßt gesehen, der seit einigen Jahrzehnten aufgetretenen Strömung, den menschlichen Leichnam im Wege der Verwesung vermittels der Einäscherung zu Staub werden zu lassen, dadurch Rechnung zu tragen, daß die Einäscherung des menschlichen Leichnams als zulässige Bestattungsart anerkannt, die Errichtung von FeuerbestattungsAnstalten zugestanden und hiedurch die Erfüllung des letzten Willens aller derjenigen, die ihren Leichnam lieber eingeäschert als unter der Erde der Verwesung preisgegeben wissen wollen, ermöglicht wurde.

Daß in jenen Ländern, in welchen die fakultative Feuerbestattung - und um diese handelt es sich ja nur - Eingang gefunden hat, hiedurch einem empfundenen Bedürfnisse entsprochen wurde, beweist der Umstand, daß in den genannten Ländern die Feuerbestattungsbewegung seit Einführung der Feuerbestattungsanstalten einen rapiden Fortschritt genommen hat.

In Deutschland allein stehen gegenwärtig 11 Feuerbestattungs-Anstalten im Betriebe, in Italien nicht weniger als 30 und eine Reihe weiterer Feuerbestattungsanstalten ist im Entstehen begriffen.

Nicht weniger als 110 Vereine mit rund 28.600 Mitgliedern sind in Deutschland und Osterreich an der Arbeit, um für die fakultative Leichenbestattung Propaganda zu machen.

In Österreich selbst hat die Feuerbestattungsbewegung in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung genommen; Beweis dessen, daß nicht weniger als über 70 Stadtgemeinden, darunter die Landeshauptstädte: Prag, Graz, Triest, Innsbruck, Klagenfurt, Laibach, Linz und Troppau sich durch ihre berufenen Vertreter für die Einführung der fakultativen Feuerbestattung ausgesprochen und entsprechende Petitionen an das hohe k. k. Ministerium des Innern geleitet haben. Man kann also, was bei Entscheidung öffentlich rechtlicher Fragen im allgemeinen und insbesondere bei Erledigung unseres Konzessionsgesuches zu berücksichtigen ist, gewiß nicht in Abrede stellen, daß sich für die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich und Ermöglichung derselben durch Errichtung von Feuerbestattungsanstalten ein maßgebendes großes und intensives Interesse kundgegeben hat, umsoweniger als sich die Fälle von Jahr zu Jahr mehren, daß Leichen von Österreichern, allerdings nur aus den mehrbemittelten Kreisen, in ausländische Krematorien zur Einäscherung überführt werden, um nur den Wunsch des Verstorbenen zu erfüllen.

Da es sich nur, was nicht oft genug betont werden kann, um die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung handelt, so unterlassen wir es, auf alle jene hygienischen, volkswirtschaftlichen und ästhetischen Gründe, welche für die Feuerbestattung sprechen, hinzuweisen und beschränken uns in dieser Richtung nur aus die Bemerkung, daß die Errichtung von Feuerbestattungsanstalten zumindestens in den größeren Bevölkerungszentren von Regierungswegen schon deswegen nicht gehindert werden sollte, weil nach dem Ausspruche aller Sachverständigen das Vorhandensein solcher Anstalten in Zeiten von Epidemien eine nicht genug hoch anzuschlagende, ja sogar notwendige Handhabe zur Bekämpfung derselben bilden würde.

Dagegen sei es uns gestattet, mit kurzen Worten gegen jene Vorurteile anzukämpfen, welche leider noch weit verbreitet sind und auf der Behauptung beruhen, als ob die Leicheneinäscherung dem religiösen Gewissen, insbesondere dem des Christentums widerstreite, die staatlichen Behörden in der Aufdeckung von Verbrechen hindere und das Gefühl der Pietät verletze.

Hervorragende Vertreter der christlichen Konfessionen mußten zugeben, daß keinerlei dogmatische Gründe wider die Feuerbestattung anzuführen seien, daß die Feuerbestattung "keinem Gebote Gottes und keinem Artikel des christlichen Glaubens" zuwiderläuft, und daß die Erdbestattung nur auf einer alten christlichen Sitte beruhe, zu der sie allerdings, wie im früheren Zusammenhange dargelegt, erst zur Zeit Karls des Großen, der dem Klerus das Monopol der Leichenbeerdigung verlieh, geworden war.

Der Einwand, daß die Feuerbestattung das Recht des Staates, Verbrechen aufzudecken, beeinträchtige, widerlegt sich einfach dadurch, daß die hervorragendsten Kulturstaaten, die sich der Pflicht der Aufdeckung von Verbrechen gewiß nicht minder bewußt sind, in gerechter Prüfung und Würdigung der damit zusammenhängenden Fragen, auf die näher einzugehen, hier nicht Raum ist, die Feuerbestattung zugelassen haben.

Was aber die Pietät anbelangt, so mögen hievon jene Zeugnis ablegen, die jemals dem würdevollen Vorgange einer Feuerbestattung beigewohnt haben und davon mit dem Gefühle geschieden sind, daß der Leichnam des Verblichenen in wenigen Stunden zu dem geworden ist, was grauenvolle und unheimliche Ereignisse im Erdgrabe erst nach Jahren bewirken.

Unserem Konzessionsgesuche soll also nicht nur vom Standpunkte des bestehenden Rechtes, sondern auch vom Standpunkte der allgemeinen Gerechtigkeit und Billigkeit entsprochen werden, damit, wie es in der am 23. Juni 1903 beschlossenen Resolution der die Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich anstrebenden Städte ausgesprochen ist, "das beschämende Gefühl beseitigt werde, daß Leichen von im Inland verstorbenen Österreichern, um dem erklärten letzten Willen gemäß eingeäschert zu werden, unter Aufwand großer Kosten in ausländische Krematorien überführt werden müssen, bevor sie auf heimatlichem Boden ihre letzte Ruhestätte finden können".

Wir stellen demnach durch unseren in A) ermächtigten Vertreter den Antrag:

Diesen Rekurs dem hohen k. k. Ministerium des Innern vorzulegen, hochwelches in Würdigung der von uns geltend gemachten Gründe die angefochtene Entscheidung der k. k. steiermärkischen Statthalterei dahin abändern wolle, daß unserem Gesuche vom 25. April 1901 um die Konzession zur Errichtung einer Leichenfeuerbestattungs-Unternehmung in Graz stattgegeben werde.

Verein der Freunde der Feuerbestattung

"Die Flamme"

Welche Fortschritte die Feuerbestattung außerhalb Osterreich gemacht hat, ist aus dem Aufrufe der Zentralleitung des Vereines der Freunde der Feuerbestattung "Die Flamme" in Wien, vom März 1907 ersichtlich, welcher lautet:

Längst hat man aufgehört, jene als weltverachtende Sonderlinge zu betrachten, welche dafür eintreten, daß menschliche Leichen, anstatt sie einer langsamen Verwesung mit all ihren Gefahren und Widerlichkeiten preiszugeben, durch einen raschen. Verbrennungsprozeß aufgelöst werden, welcher nichts als ein Häuflein harmloser Asche übrig läßt.

Von berufenen fachmännischen Körperschaften ist die Notwendigkeit anerkannt und wird die Forderung erhoben, daß zur Zeit des Auftretens einer Seuche Vorrichtungen zur Einäscherung vorhanden sein sollen, welche zur Verhütung der Entwicklung von Epidemien, wie auch während des Bestehens solcher, von großer sanitärer Nützlichkeit sich erweisen würden.

In Italien, wo die Feuerbestattung seit 1874 gestattet ist, wird sie heute in 28 Städten geübt; in Amerika, England und in skandinavischen Ländern bestehen seit Jahren Feuerhallen (Krematorien), und auch in Mitteleuropa wächst die Anzahl derselben von Jahr zu Jahr.

In Frankreich und besonders in Paris, macht die Feuerbestattung rasche Fortschritte. Seit dem Jahre 1889 sind dortselbst bis Ende 1904 67.676 Verbrennungen vorgenommen worden. In Reims und in Rouen bestehen bereits Feuerhallen, in Lyon soll demnächst eine solche, vorläufig zur Einäscherung von Spitalsleichen, errichtet werden, und in Nizza hat die Gemeinde auf einem der dortigen Friedhöfe einen Platz für eine zu erbauende Feuerhalle reserviert.

Die seit 1890 bestehende Feuerhalle in Zürich ist in städtischem Betrieb; eine zweite, in welcher die Einäscherung auf Staatskosten ersolgt, besitzt die Schweiz in Basel; auch in Genf und St. Gallen bestehen bereits Feuerhallen und in Biel, Bern, Glarus, Luzern und Winterthur ist die Errichtung solcher in Aussicht genommen.

Zu der seit 1878 in Betrieb stehenden Feuerhalle in Gotha, in welcher bis Ende 1906 4400 Leichen - darunter eine nicht unbedeutende Anzahl aus Wien, Graz und anderen österreichischen Städten dahin überführter - eingeäschert worden sind, haben sich auf deutschem Boden seit 1891 dreizehn neue gesellt (zu Bremen, Chemnitz, Eisenach, Hamburg, Heidelberg, Heilbronn, Jena, Karlsruhe, Mainz, Mannheim, Offenbach a. M., Stuttgart und Ulm a. D.); in Freiburg i. B., Hagen i. W. und Zwickau i. S. sind solche im Bau begriffen. In der Feuerhalle von Hamburg (Ohlsdorf) hat die Feuerbestattung bereits das dreiundzwanzigste Hundert, in jener von Heidelberg das siebzenhnte Hundert, in jenen von Offenbach a. M. und Jena das elfte Hundert, in jener von Mainz das siebente und in jener von Mannheim das vierte Hundert überschritten. Demnächst werden in Baden-Baden und Durlach Feuerhallen errichtet und sind solche in Darmstadt, Dresden, Gera, Gießen, Leipzig, Gablonz a. N., Graz, Pößneck, Prag: Aussig, Mähr.-Ostrau, Reichenberg i. B. und Weimar geplant.

Auf englischem Boden sind Feuerhallen in London, Manchester, Liverpool, Glasgow, Birmingham, Bradford, Darlington, Hull und Leicester im Betriebe. London wird voraussichtlich in diesem Jahre bereits drei Einäscherungsanstalten besitzen: Ilford im Osten, Finchley im Norden und die große Anstalt der Cremation Society im Nordwesten. Sheffield wird in zwei Jahren im Besitze einer solchen sein. Außerdem steht die Errichtung von Feuerhallen infolge des vom Parlamente beschlossenen und vom König am 22. Juli 1902 unterzeichneten Leichenverbrennungsgesetzes (Cremation Act 1902), welches am 1. April 1904 in Wirksamkeit getreten ist, in vielen anderen Städten Großbritanniens bevor.

Zu den, in der Feuerbestattungsfrage am raschesten fortschreitenden Ländern gehören die skandinavischen. Der Verein "Svenska Likbrännings Föreningen" zu Stockholm besitzt sechs Zweigvereine: in Göteborg, Gefle, Helsingborg, Oerebro, Malmö und Norrköping, und befinden sich Feuerhallen in Kopenhagen, Gothenburg und Stockholm; in Kopenhagen besteht der Verein "Forening for Ligbraending".

In Spanien wurde im August 1901 mittels königlicher Verordnung die Feuerbestattung zugelassen. Auch in Rußland wird die Einführung der Feuerbestattung beabsichtigt und ist der Bau einer Feuerhalle in Wladiwostok behufs Einäscherung der Pestleichen geplant.

Auf dem hygienischen Kongresse zu London 1891, auf welchem auch unser Vaterland durch hervorragende Funktionäre der öffentlichen Gesundheitspflege vertreten war, erklärte Sir Henry Thompson: "Die einzige Methode, um infektiöse Leichen wirklich unschädlich zu machen, ist die Desinfektion durch hohe Temperatur - die Verbrennung." Nach eingehender Beratung wurde auf diesem Kongresse die Resolution angenommen: es seien "alle legislativen Hindernisse der Leichenverbrennung zu entfernen."

Ähnliche Beschlüsse wurden auch von den letzten fünf hygienischen Kongressen gefaßt und wollen wir nur hervorheben, daß auf dem hygienischen Kongresse zu Budapest im Jahre 1894 einstimmig nachstehende Resolution beschlossen wurde:

1. Die Feuerbestattung ist in hygienischer Beziehung von großer Bedeutung.

2. Die Regierungen sind aufzufordern, die fakultative Feuerbestattung einzuführen und zu fördern.

Obwohl in Preußen bisher die Feuerbestattung nicht zugelassen wurde, hat dennoch im Jahre 1898 der Fortschritt mit der Aufstellung eines Verbrennungsofens in Berlin, vorläufig allerdings nur für nicht individualisierte Leichen und Leichenteile, seinen Einzug gehalten. Die bezügliche Entschließung der Regierung entsprang sichtlich der Erkenntnis der hygienischen und wirtschaftlichen Vorteile, welche die Leichenverbrennung gegenüber der Erdbestattung bietet.

Auch der niederösterreichische Landessanitätsrat hat in einem Gutachten, welches er 1891 über die, aus Anlaß der Einbeziehung von 23 Vororte-Kirchhöfen in das Wiener Gemeindegebiet zutreffenden Maßnahmen abgab, ausdrücklich betont, daß die "Verbrennung der Leichen, wenn sie in einer, den Anforderungen der Justiz- u. Sanitätspflege, sowie der religiösen Rücksichten und der Pietät entsprechenden Weise vollzogen und nicht als kostspielige Sonderheit, sondern als eine in möglicher Allgemeinheit durchführbare Maßregel ins Werk gesetzt wird, den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege entspricht, die vielen Schwierigkeiten, welche das Beerdigungswesen bereitet, am gründlichsten beseitigt und daher als eine Aufgabe der Zukunft anzustreben ist." Die k. k. Statthalterei hat es dem Wiener Magistrate anheimgestellt, von diesem Gutachten den geeigneten Gebrauch zu machen.

Wie sehr das Interesse einer Großstadt dazu zwingt, die zur Verwesung der Leichname erforderliche Bodenfläche einzuschränken, spricht sich darin aus, daß ungeachtet der räumlichen Ausdehnung des Wiener Zentralfriedhofes wiederholt, wohl bereits viermal, Vergrößerungen des Friedhofs-Areales vorgenommen werden mußten, und daß die Kommune Wien abermals vor dieser Notwendigkeit steht, wie aus solgenden in der Gemeinderatssitzung vom 15. Oktober 1901 (laut stenographischem Bericht des Amtsblattes Nr. 84, 18. Oktober 1901, S. 1946) vom Bürgermeister gesprochenen Worten hervorgeht:

"Für jeden, der die Verhältnisse der Stadt kennt, ist es klar, daß der Zentralfriedhof nur mehr auf eine kürzere oder längere Reihe von Jahren auslangt. Es muß daher eine voraussehende Gemeindeverwaltung darauf bedacht sein, an die Erweiterung dieses Friedhofes zu denken. Diese Erweiterung kann nach meiner Überzeugung nur in der Richtung gegen die Donau gesucht werden. Gegenüber dem Zentralfriedhofe befinden sich nur Gründe, die zum Teile Herrn Vogelsinger gehören, zum Teile den Gebrüdern Meichl, und dann der Komplex des sogenannten Neugebäudes."

Man sieht, daß in der Großstadt alles nach jener Lösung der Bestattungsfrage hindrängt, welche dem Gefühle Tausender längst sympathisch geworden ist.

Bedürfte es hier eines Beweises, so wäre er wohl darin zu finden, daß sich bereits 72 österreichische Stadtgemeinden, darunter beinahe sämtliche Landeshauptstädte, mit einer Gesamteinwohnerzahl von 1 1/2 Millionen, durch ihre legalen Körperschaften für die Einführung der fakultativen Feuerbestattung in grundsätzlichen Beschlüssen ausgesprochen haben. Anläßlich der am 23. Juni 1903 in Wien stattgefundenen Konferenz, welcher 31 Reichsratsabgeordnete, mehrere Bürgermeister, sowie einige andere Delegierte als Vertreter der erwähnten Stadtgemeinden anwohnten, stimmten alle Anwesenden für eine Resolution, welche die Regierung auffordert, die fakultative Feuerbestattung in Österreich endlich freizugeben und die von mehreren Stadtgemeinden, sowie von dem Wiener Vereine "Die Flamme" eingebrachten Gesuche wegen Erbauung von Einäscherungsstätten aufrecht zu erledigen. Das Ziel, das wir anstreben, ist keine Auflehnung gegen Religion und Pietät; der Glaube an ein künftiges Leben ist von der Dauer der Auflösung der sterblichen Überreste vollkommen unabhängig und die Pietät für einen teueren Toten widerspricht dessen Übergabe an die Fäulnis gewiß nicht besser, als dessen Auflösung durch erhitzte Luft.

Niemandem, weder einem Mitgliede unseres Vereines, noch jemand anderem, wird von uns auferlegt, die Feuerbestattung der eigenen irdischen Reste anzuordnen oder geschehen zu lassen; nur die Möglichkeit wollen wir schaffen, daß eine Bestattungsweise Eingang finde, welche unseren Empfindungen und den öffentlichen Interessen besser als die gegenwärtig in unserem Vaterlande ausschließlich geübte entspricht. Soll dies Ziel erreicht werden, so müssen sich alle Freunde unserer Idee zusammenscharen.

Derer, die unsere Sache für gut und richtig halten, gibt es Tausende in den verschiedensten Lebenskreisen, einzeln ohnmächtig, vermögen sie, zu machtvoller Zahl vereint, ebenso wie dies in anderen deutschen und nicht deutschen Ländern geschehen ist, die öffentliche Meinung und die maßgebenden Körperschaften und Behörden für unsere Sache zu gewinnen; nur wenn Tausende hinter ihr stehen, wird eine Petition um gesetzliche Regelung der Feuerbestattung in Osterreich Erfolg haben.

Möge sich keiner von jenen, die dieses Blatt lesen, damit begnügen, uns stillschweigend zuzustimmen; wer uns recht gibt, der schließe ich uns an.

Wien, 4. März 1907.


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