Pátek 4. února 1910

Das Schlußwort des Dr. Jäger lautet:

"Hohes Haus!

Es ist unbequem, mit eingebürgerten Vorstellungen zu brechen. Die Leichenbeerdigung ist der Geschichte nach im bewußten Gegensatz zur Leichenverbrennung des Heidentums entstanden und jetzt eine christliche Sitte, durch viele Jahrhunderte geheiligt.

Aber die Feuerbestattung ist keine dogmatische Frage. Wer ihr den Geist religiöser Gleichgültigkeit, Feindschaft gegen die Religion, ja die Verneinung der Religion vorwirft, tut ihr Unrecht: er verwechselt Religion mit Kirchenglauben.

Religion ist das Gefühl der Abhängigkeit von Gott, und Gott - eine Hypothese! Gott ist der Ausdruck für die schaffende und erhaltende Kraft oder Macht. Gott ist die Natur und die Natur ist Gott. Außerhalb der Natur gibt es keinen Gott.

Wie entstehen Götter?? Erst sind sie Menschen, geistig oder körperlich sehr hochstehende Menschen, hochverehrte Menschen, dann sterben sie als Menschen, um als Götter wieder aufzuerstehen und göttliche Ehren zu genießen.

Götter entstehen, wachsen, blühen und vergehen wie die Menschengeschlechter, sie sind Produkte der Zeiten, Erzeugnisse der jeweils durch Jahrhunderte oder Jahrtausende herrschenden menschlichen Anschauungen.

Denn in seinen Göttern malt sich der Mensch; der Mensch ist nicht, wie es der anthropistische Größenwahn lehrt, ein Ebenbild Gottes, sondern Gott ist das Ebenvild des Menschen.

Nun steht die Behandlung des Leichnams im engsten Zusammenhange mit der sogenannten religiösen Ausfassung, insbesondere mit den religiösen mystisch dunklen Wahnvorstellungen über Zustände nach dem Tode. Dieses religiöse Bedürfnis scheint bei vielen Menschen durch das Erdbegräbnis besser befriedigt zu werden, als durch eine andere Bestattungsform: auch scheint dem Empfinden der Pietät die Erdbestattung mehr zu entsprechen, als die Feuerbestattung.

Aber man vergesse nicht, daß es sich nicht um eine allgemeine Leichenverbrennung handelt, sondern nur um eine Ausnahme von der üblichen Beerdigungsform, um eine Leichenverbrennung von Fall zu Fall! Und da muß doch jeder vorurteilsfreie Mensch, der weder in einer kirchlichen Vorstellung befangen ist, noch in der Staatsschablone aufgeht, dafür sorgen, daß die persönliche Freiheit soweit gewahrt würde, daß jeder für sich und für seine verstorbenen Angehörigen die Bestattungsform wählen könne, welche seinem eigenen Gefühle am meisten zusagt!

Wenn menschliche Leichen in anatomischen Seziersälen, und es sei gleich hinzugefügt, meist Leichen armer Leute, zerstückelt, wenn die menschlichen Knochen einzeln oder zu Skeletten zusammengeheftet aufbewahrt werden dürfen, welchen religiösen Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode und welcher Art pietätvollen Empfindens entspricht denn dieser Vorgang?

Haben hier nicht Religion und Staat zugunsten der Wissenschaft und der menschlichen Gesundheit abgedankt, ja abdanken müssen? Weshalb werden Menschen, die der Tod auf hoher See ereilt, unverweilt in dünnen Hüllen ins Meer geworfen ohne den ganzen Krims-Krams; warum führt man diese Leichen nicht mit bis zur Landung des Schiffes?

Einen großen Teil der modernen Menschheit düngt es allerdings würdiger und erhabener, die kostbaren Menschenleiber auf Jahrhunderte hinaus mit Ouadersteinen einzumauern oder in Paradekleidern in Familiengrüften beizusetzen oder in elenden Holzkästen langsam in der Erde verwesen zu lassen, als das Beispiel des Altertums nachzuahmen, von dem Goethe sagt:

"O weiser Brauch der Alten, das Vollkomm'ne,

Das ernst und langsam die Natur geknüpft,

Des Menschenbilds erhab'ne Würde, gleich,

Wenn sich der Geist, der wirkende, getrennt,

Durch reiner Flammen Tätigkeit zu lösen.

Und wenn die Glut mit tausend Gipfeln sich

Zum Himmel hob und zwischen Dampf und Wolken,

Des Adlers Fittig deutend, sich bewegte,

Da trocknete die Träne, freier Blick

Der Hinterlaff'nen stieg dem neuen Gott

In des Olymps verklärte Räume nach."

Überdies haben auch schon genug ernste und gut religiös denkende Männer in ihren letztwilligen Verfügungen die Anordnung getroffen, daß ihr Leichnam durch Feuer vernichtet werden solle.

Die Feuerbestattung hat mit staatlichen und konfessionellen Ansichten und Uberzeugungen nichts zu tun. Bei der Feuerbestattung handelt es sich nur um den Einzelnen.

Es ist seine Privatsache, wie er über seinen Körper verfügt, aber es läge im Interesse jeder Kirche und Religionsgenossenschaft, daß sie sich dieser Neuerung, deren Einführung auf die Dauer nicht verhindert werden kann, warm annehme, daß diese Neuerung kirchlich ausgestattet werde und daß die Gebräuche, die man heute der Leiche im Sarge widmet, auch der Urne mit der Asche eines Verbrannten zuteil werden. Nicht mit Saulus die Christen zu verfolgen, sondern mit Paulus christliche Nächstenliebe zu betätigen, sollte für alle Kirchen die Losung sein."

Zum Schlusse kann ich nichts anderes sagen, als das, was mein verehrter Herr Kollege Dr. Ebenhoch am 22. März 1906 gesagt hat (liest):

"Es nützt alles nichts; das Rad der Zeit läßt sich nicht rückwärts treiben. Es geht mit uns, wenn wir es leiten und wenn wir uns bemühen, das Rad selbst zu lenken; es geht uns vor, wenn wir nichts machen und einfach so weiterschreiten und läßt uns als rückständige Hilflose zurück; es geht aber über uns, wenn wir uns gegen dasselbe richten und es aufhalten mochten."

Nun, meine Herren, ich glaube, die Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Osterreich werde sich auf die Dauer, auch wenn alle Religionsgenossenschaften und der Staat dagegen arbeiten, nicht aufhalten lassen.

Die Feuerbestattung wird kommen, weil sie kommen muß, wenn auch nicht zur Zeit dieses Ministeriums.

Für mich gilt aber der Satz, den Horaz geschrieben hat: "In magnis rebus et voluisse sat est".

Zu einer eigentlichen Debatte über den Dringlichkeitsantrag ist es bedauerlicherweise gar nicht gekommen, da außer dem Antragsteller Dr. Jäger nur der damalige Minister des Innern Graf Bylandt-Rheidt das Wort ergriffen hat.

Bei der Abstimmung haben stch von 121 abgegebenen Stimmen 54 für die Dringlichkeit und 67 Stimmen gegen die Dringlichkeit ergeben.

"Der Antrag wird somit", wie der Präsident verkündete, "geschäftsordnungsmäßig behandelt werden" - eine spezifisch österreichische Bestattungsform von Anträgen, die so ziemlich dem Begraben gleichkommt.

Nichts destoweniger bleibt die Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses vom 24. April d. J. für die krematistische Welt von erhöhter Bedeutung, und zwar nicht so sehr deshalb, weil die erhebliche Anzahl von Abgeordneten der verschiedensten Nationalität und Parteirichtung, welche sich für die dringliche Behandlung der Feuerbestattungsfrage einsetzten, das immer höher steigende Interesse der österreichischen Bevölkerung an der Feuerbestattungsfrage deutlich kennzeichnet, sondern insbesondere auch dadurch, daß sich die österreichische Regierung endlich gezwungen sah, zur Feuerbestattungsfrage, die sie bisher konsequent ignorierte, offen Stellung zu nehmen.

Mag auch die österreichische Regierungserklärung den Anhängern der fakultativen Feuerbestattung in Osterreich den Fehdehandschuh hingeworfen haben - der Stein ist wenigstens ins Rollen gebracht, der Kampf ist eröffnet!

Die Verfechter der fakultativen Feuerbestattung in Osterreich werden den Kampf mit aller Entschiedenheit und mit dem frohen Bewußtsein aufnehmen, daß im Streit um Ideen noch stets die gute Sache den Sieg davongetragen hat.

Daß der Minister des Innern wenige Tage, nachdem er seine Regierungsaufklärung, der ein besonderer Artikel gewidmet werden soll, abgegeben, gefallen ist, wenn auch nicht über die Feuerbestattungsfrage, mag als gutes Omen in diesem Kampfe gelten!

Die Nummer 8 der genannten Druckschrift vom August 1906 enthält über den Stand der Feuerbestattung in Osterreich nachstehenden Aufsatz:

Bekanntlich hat im Juni 1903 in Wien eine Konferenz der, die fakultative Feuerbestattung anstrebenden Stadtgemeinden Österreichs getagt, die von nicht weniger als 70 Städten, darunter den Landeshauptstädten Prag, Graz, Triest, Laibach, Klagenfurt, Innsbruck, Linz und Troppau, beschickt war. Die Beschlüsse der Konferenz gingen wesentlich dahin, an die Regierung im Petitionswege das Begehren zu richten, daß die fakultative Feuerbestattung, die bereits in allen Kulturländern Eingang gefunden, auch in Oesterrreich zugelassen und zu diesem Behufe die von dem Wiener Vereine "Die Flamme" für Graz, von dem Prager Feuerbestattungsverein für Prag und von mehreren Stadtgemeinden überreichten Konzessionsgesuche wegen Errichtung von Feuerbestattungsanstalten genehmigt werden mögen. Die Konferenz setzte auch einen Vollzugsausschuß mit der Aufgabe ein, die Ausführung der Beschlüsse der Konferenz zu überwachen.

Während die Bestrebungen nach Einführung der fakultativen Feuerbestattung die längste Zeit hindurch einem passiven Widerstande der Regierung begegneten, indem die vor mehr als fünf Jahren eingebrachten Konzessionsgesuche überhaupt keine Erledigung fanden, gab im Laufe der gegenwärtigen Session des Abgeordnetenhauses der damalige Minister des Innern Graf-Bylandt-Rheidt über einen in dieser Richtung eingebrachten Dringlichkeitsantrag die Erklärung ab, daß die Regierung der Feuerbestattungsfrage wesentlich aus dem Grunde nicht nähertreten könne, weil die Erdbestattung gesetzlich vorgeschrieben sei, die Feuerbestattung daher nur im gesetzlichen Wege geregelt werden könnte. Offenbar im Zusammenhange mit dieser Regierungserklärung wurden dann die eingebrachten Konzessionsgesuche von den einzelnen Statthaltereien mit derselben Begründung abgewiesen.

Zur Beratung darüber, wie diesem abweislichen Bescheide zu begegnen sei, wurde der Vollzugsausschuß für den 2. Juli d. J. nach Wien zu einer Sitzung in den Lokalitäten des Vereines "Die Flamme" einberufen.

Anwesend waren die gewählten Mitglieder des Vollzugsausschusses: Sanitätsrat Dr. Heinrich Zahoø, Obmann des tschechischen Feuerbestattungsvereines (Prag); Med. Dr. Richard Pichler (Klagenfurt); Oskar Siedek, Präsident des Vereines "Die Flamme" (Wien); Dr. Paul Pallester, I. Schriftführer des Vereines "Die Flamme"; und überdies: Josef Markowitz, II. Schriftführer des Vereines "Die Flamme" (Wien); Anton Klaar, Schatzmeister des Vereines "Die Flamme" (Wien).

Ihre Abwesenheit hatten entschuldigt die Herren: Universitäts-Professor Dr. Ferdinand Kratter (Graz); Bürgermeister Hribar (Laibach).

Präsident Siedek übernahm auf Ersuchen den Vorsitz und eröffnete nach herzlicher Begrüßung der Anwesenden die Sitzung. Er gab zunächst seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß von den Mitgliedern des Vollzugsausschusses die Herren Professor Dr. Kratter und Bürgermeister Hribar am Erscheinen verhindert seien, von Dr. Hortis (Triest) und Professor F. Hofmann (Troppau) keine Antworten eingelangt seien.

Präsident Siedek streifte in kurzen Worten den Gegenstand der Sitzung, die Beschlußfassung über die Art der geplanten Aktion bei der Regierung, für welche er im Hinblicke auf den längst schwebenden Rekurs des tschechischen Vereines und den eben überreichten Rekurs des Vereines "Die Flamme" beide in den Konzessioneangelegenheiten - eine Handhabe und mit Rücksicht auf die derzeitige parlamentarische Regierung eine günstige Gelegenheit zu erblicken glaubt und erteilt hierauf zum Referate über den Rekurs des Wiener Vereines das Wort an Dr. Pallester. Dieser bespricht die abschlägige Entscheidung der k. k. Statthalterei vom 4. April 1906 über das Konzessionsansuchen, welche mit dem Tenor der Erwiderung des seinerzeitigen Ministers des Innern Grafen Bylandt-Rheidt auf den am 24. April 1906 von Dr. Jäger gestellten Dringlichkeitsantrag wegen Zulassung der Feuerbestattung ziemlich verwandt sei, was auf die gleiche geistige Urheberschaft schließen lasse.

Dr. Pallester bringt hierauf den von ihm verfaßten Rekurs zur Verlesung, der in treffender Weise den abweislichen Standpunkt des Beschlusses: "daß nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bestattung der Leichen im Wege der Beerdigung vorgeschrieben ist, somit auch die Leichenverbrennung unzulässig erscheint und daß eine Konzession im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886 nur solchen Bewerbern verliehen werden kann, welche die mit der Beerdigung von Leichen verbundenen Besorgungen zu übernehmen beabsichtigen", widerlegt.

Ebenso verficht Dr. Pallester in dem Rekurse im Gegensatze zu der von Exzellenz Grafen Bylandt-Rheidt seinerzeit vertretenen Anschauung den Standpunkt, daß die Einführung der Feuerbestattung sehr wohl im Verordnungswege möglich ist und keines Gesetzes bedarf.

Der Mangel an gesetzlichen Vorschriften für die Leichenverbrennung ist, ohne daß gegen dieselbe ein Verbot existiert, eben eine Lücke im Gesetze, welche auszufüllen, Sache der Rechtsverständigen ist, und zwar im Sinne des § 7 a), b) G.-B. im Wege der Rechtsanalogie, eventuell "mit Hinsicht auf reifliches Erwägen der Umstände nach natürlichen Rechtsgrundsätzen", und zwar, da es sich um öffentliches Recht handelt, mit Bestimmungen, die das hohe Ministerium zu treffen befugt ist

Die Rechtsanalogie hat eben einzugreifen wenn "Rechtsverhältnisse keine Normierung" erhalten haben, was insbesondere dann leicht stattfinden wird, wenn der geschäftliche Verkehr einen raschen Aufschwung nimmt und das täglich fortschreitende Leben neue Verhältnisse erzeugt, für welche ein früher abgesaßtes Gesetzbuch eine normierende Rechtsregel nicht aufstellen konnte.

Es kann dann aber auch nicht an dem Verordnungsrechte des hohen Ministeriums gezweifelt werden, umsoweniger, als Erd und Feuerbestattung keine kontradiktorischen Gegensätze sind, da die Feuerbestattung die Erdbestattung eingeäscherter Leichname ja nicht ausschließt; eine Erwägung, die nicht nur deutlich für die Zulässigkeit der Anwendung der Rechtsanalogie spricht, sondern auch eine breite Grundlage für die Ausübung des Verordnungsrechtes des hohen Ministeriums bietet.

Dr. Pallester betonte nun, daß die Aktion bei den Ministern dahin gerichtet sein soll, den beiden Rekursen Folge zu geben.

Als zweiter Punkt des Aktionsprogrammes wurde die neuerliche Eingabe an das Eisenbahn-Ministerium wegen Abschaffung des Leichenbegleiters bei Kremationstransporten unter Hinweis auf die in Deutschland erfolgte Beseitigung dieses bisherigen Erfordernisses beschlossen.

Darauf nahm Sanitätsrat Dr. Zahoø das Wort, dankte zunächst für die an ihn ergangene Einladung und besprach die dem tschechischen Vereine in dessen Konzessionsangelegenheit zugemittelte abschlägige, in verwandter Weise begründete Entscheidung, gegen welche ebenfalls der Rekurs ergriffen wurde, der nun der Erledigung harrt.

Dr. Zahoø berichtet weiters über seine bereits mit Minister Exz. Dr Forscht diesbezüglich gepflogene Unterredung und erachtet, wiewohl er sich bezüglich des Erfolges der geplanten Aktion nicht den rosigsten Hoffnungen hingibt, dennoch den gegenwärtigen Zeitpunkt hiefür nicht ungünstig.

Was nun die Art der Inangriffnahme der Aktion betrifft, wurde folgendes beschlossen:

Der Vollzugsausschuß begibt sich am Dienstag den 3. Juli a. c. ins Abgeordnetenhaus, woselbst mit denjenigen Herren Abgeordneten, die sich in der Feuerbestattungsfrage irgendwie schon betätigt haben, ein Kontakt gesucht wird.

Diesbezüglich sind von den deutschen Abgeordneten die Herren Dr. Hoffmann von Wellenhof, Dr. Beurle, Dr. Funke und Dobernig ins Auge gefaßt, während Dr. Zahoø die Herren Dr. Spindler, Skala und Dr. Hortis hiefür vorschlägt.

Nach Informationen der für die Aktion gewonnenen Herren begibt sich der Vollzugsausschuß unter Führung der Abgeordneten zum Ministerpräsidenten und zu den einzelnen Ressortsministern, um in kurzen Worten seine Wünsche zum Ausdrucke zu bringen.

Als Zeitpunkt für die Zusammenkunft im Abgeordnetenhause wurde 11 Uhr vormittags festgesetzt.

Unter herzlichem Danke an die Anwesenden für ihr Erscheinen und mit den besten Wünschen für einen günstigen Erfolg der Aktion schloß Herr Siedek die Sitzung.

Die aus den Herren Landessanitätsrat Dr. Zahoø (Prag), Dr. Richard Pichler (Klagenfurt), Präsident Oskar Siedek und Schriftführer Dr. Pallester (Wien) bestehende Deputation begab sich am 3. Juli 1906 unter Führung der Abgeordneten Spindler, Dobernig, Dr. Beurle und Dr. Hofmann v. Wellenhof zu den verschiedenen Ministern, um eine Abänderung der Entscheidungen der Statthaltereien zu erwirken. Die Deputation wurde von sämtlichen Ministern in liebenswürdigster Weise empfangen. Die Minister Prade, Dr. Pacák, Dr. v. Derschatta und Dr. Forscht sprachen sich der Deputution gegenüber als Anhänger der fakultativen Feuerbestattung aus und versprachen die Bestrebungen der Aktion nach Möglichkeit fördern zu wollen. Minister Dr. Marchet erklärte, von seinem Standpunkte der Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich kein Hindernis entgegenzusetzen. Justizminister Dr. Klein bemerkte zur großen Befriedigung der Deputation, daß die seinerzeitige Erklärung des gewesenen Ministers Grafen Bylandt-Rheidt ohne Einvernehmen mit dem Justizminister abgegeben wurde und daß er gegebenen Falles Gelegenheit nehmen werde, die juristische Seite der Frage eingehend zu würdigen. Der Minister des Innern Freiherr von Bienerth erklärte wohl, daß ar sich der kundgegebenen Auffassung des Ministers Bylandt-Rheidt seinerzeit angeschlossen habe, daß er aber gern bereit sei, die Angelegenheit auf Grund der Ausführungen des Rekurses, der abschriftlich sämtlichen Ministern von der Deputation übergeben wurde, neuerdings gründlichst zu prüfen. Beim Ministerpräsidenten, der durch Amtsgeschäfte sehr in Anspruch genommen war, konnte die Deputation nicht vorsprechen. Abg. Dr. Beurle übernahm es jedoch, ihm die Wünsche der Deputation persönlich vorzubringen.

Die Anhänger der Feuerbestattung hoffen nunmehr, daß die fakultative Feuerbestattung in Österreich in absehbarer Zeit zur Einführung gelangen werde.

Im Anschlusse an den vorstehenden Bericht möge hier der Rekurs des Vereines der Freunde der Feuerbestattung "Die Flamme" in Wien an die k. k. steiermärkische Statthalterei gegen deren Entscheidung vom 4. April 1906, G.-Z. 37.545 ex 1905, verfaßt vom Vorstandsmitgliede Hof und Gerichtsadvokaten Dr. Paul Pallester, seinen Platz finden:

Durch die hierämtliche Entscheidung vom 4. April 1906, Z. 37.545/1905, welche unserem gegenwärtigen Präsidenten, Herrn Oskar Siedek, am 19. Mai 1906 zugestellt wurde und womit unserem Ansuchen vom 25. April 1901 um die Konzession zur Errichtung und zum Betriebe einer Leichenbestattungs-Unternehmnng in Graz nach der Verordnung der k. k. Ministerien des Handels und des Innern vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886, keine Folge gegeben wurde, erachten wir uns beschwert und erstatten dagegen in offener Frist nachstehenden Rekurs:

Wir können nicht umhin, vor allem unserem Befremden darüber Ausdruck zu geben, daß die k. k. steiermärkische Statthalterei nicht weniger als fünf Jahre gebraucht hat, um unser am 25. April 1901 überreichtes Gesuch - aus dem einzigen Grunde abzuweisen, weil angeblich nach dem Gesetze eine andere Bestattungsart von Leichen, als im Wege der Beerdigung unzulässig erscheint.

Das Lustrum, welches verstreichen mußte, um diese Entscheidung zur Reife zu bringen, spricht jedenfalls dafür, daß der einzig hiefür geltend gemachte Grund im Schoße der k. k. Statthalterei selbst jahrelang dem größten Zweifel begegnet haben dürfte.

Die Grundlage der ang fochtenen Entscheidung ist aber nicht nur zweifelhaft, sondern nachweisbar unrichtig.

Die k. k. Statthalterei beruft sich darauf, daß nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bestattung der Leichen im Wege der Beerdigung vorgeschrieben ist, daß eine andere Bestattungsart, somit auch die Leichenverbrennung, unzulässig erscheint, und daß eine Konzession im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886, nur solchen Bewerbern erteil werden kann, welche die mit der Beerdigung - die Unterstreichung des letztgenannten Wortes ist der uns zugestellten Ausfertigung der Statthaltereientscheidung entnommen - von Leichen verbundenen Besorgungen zu übernehmen beabsichtigen.

Beide Prämissen der angefochtenen Entscheidung sind irrig.

Weder existiert ein österreichisches Gesetz - wenn man nicht etwa auf Karl den Großen, den Begründer der Ostmark, welcher die bis dahin unter den germanischen Stämmen übliche Leichenverbrennung verboten hat, zurückgreifen wollte - welches die Beerdigung der Leichen vorschreibt, noch ist in dem Wortlaute der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1886, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886, auch nur ein einzigesmal von "Beerdigung" die Rede.

Der Mangel einer gesetzlichen Vorschrift, daß menschliche Leichen beerdigt werden müssen, ist durchaus nicht überraschend, sondern geradezu selbstverständlich.

Ist doch die Beerdigung der menschlichen Leichen eine seit Jahrhunderten in Europa eingebürgerte Gewohnheit, die zu durchbrechen niemandem beifiel, bis zu dem Zeitpunkte, wo vor einigen Jahrzenten die aus noch früherer Zeit stammende Gewohnheit, die Leichen vor deren endgültiger Bestattung einzuäschern, ihre Wiedergeburt feierte.

Kein Wunder daher, daß dem österreichischen Gesetzgeber jeder Anlaß fehlte, eine Einrichtung, welche ohnehin durchgehends seit Jahrhunderten fest begründet war und von jedermann beobachtet wurde, zum Gegenstande einer gesetzlichen Vorschrift zu machen. Eine gesetzliche Vorschrift, daß Leichen beerdigt werden müssen, besteht also nicht.

Dagegen kann nicht geleugnet werden, daß alle österreichischen gesetzlichen Bestimmungen, welche sich mit der Bestattung menschlicher Leichname beschäftigen, so z. B. die Anordnungen, wann die Leichen bestattet werden müssen u. dgl., die Beerdigung der Leichen eben mit Rücksicht auf die erwähnte, Jahrhunderte alte, allgemeine Gewohnheit als selbstverständlich voraussetzen.

Sollte sich aber die k. k. Statthalterei bei ihrer Entscheidung darauf berufen wollen tatsächlich ist es nicht geschehen - so geschähe es mit Unrecht, denn der Umstand, daß bestimmte gesetzliche Vorschriften auch noch so allgemeine und fest begründete Gewohnheiten zur Voraussetzung haben, kann nach den Grundsätzen logischen Urteiles und nach allgemeinen und natürlichen Rechtsgrundsätzen diese Gewohnheiten selbst nicht derart sanktionieren, daß eine Übertretung dieser Gewohnheiten ungesetzlich wäre.


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