Das Schlußwort des Dr. Jäger lautet:
"Hohes Haus!
Es ist unbequem, mit eingebürgerten Vorstellungen
zu brechen. Die Leichenbeerdigung ist der Geschichte nach im bewußten
Gegensatz zur Leichenverbrennung des Heidentums entstanden und
jetzt eine christliche Sitte, durch viele Jahrhunderte geheiligt.
Aber die Feuerbestattung ist keine dogmatische
Frage. Wer ihr den Geist religiöser Gleichgültigkeit,
Feindschaft gegen die Religion, ja die Verneinung der Religion
vorwirft, tut ihr Unrecht: er verwechselt Religion mit Kirchenglauben.
Religion ist das Gefühl der Abhängigkeit
von Gott, und Gott - eine Hypothese! Gott ist der Ausdruck für
die schaffende und erhaltende Kraft oder Macht. Gott ist die Natur
und die Natur ist Gott. Außerhalb der Natur gibt es keinen
Gott.
Wie entstehen Götter?? Erst sind sie Menschen,
geistig oder körperlich sehr hochstehende Menschen, hochverehrte
Menschen, dann sterben sie als Menschen, um als Götter wieder
aufzuerstehen und göttliche Ehren zu genießen.
Götter entstehen, wachsen, blühen
und vergehen wie die Menschengeschlechter, sie sind Produkte der
Zeiten, Erzeugnisse der jeweils durch Jahrhunderte oder Jahrtausende
herrschenden menschlichen Anschauungen.
Denn in seinen Göttern malt sich der Mensch;
der Mensch ist nicht, wie es der anthropistische Größenwahn
lehrt, ein Ebenbild Gottes, sondern Gott ist das Ebenvild des
Menschen.
Nun steht die Behandlung des Leichnams im engsten
Zusammenhange mit der sogenannten religiösen Ausfassung,
insbesondere mit den religiösen mystisch dunklen Wahnvorstellungen
über Zustände nach dem Tode. Dieses religiöse Bedürfnis
scheint bei vielen Menschen durch das Erdbegräbnis besser
befriedigt zu werden, als durch eine andere Bestattungsform: auch
scheint dem Empfinden der Pietät die Erdbestattung mehr zu
entsprechen, als die Feuerbestattung.
Aber man vergesse nicht, daß es sich
nicht um eine allgemeine Leichenverbrennung handelt, sondern nur
um eine Ausnahme von der üblichen Beerdigungsform, um eine
Leichenverbrennung von Fall zu Fall! Und da muß doch jeder
vorurteilsfreie Mensch, der weder in einer kirchlichen Vorstellung
befangen ist, noch in der Staatsschablone aufgeht, dafür
sorgen, daß die persönliche Freiheit soweit gewahrt
würde, daß jeder für sich und für seine verstorbenen
Angehörigen die Bestattungsform wählen könne, welche
seinem eigenen Gefühle am meisten zusagt!
Wenn menschliche Leichen in anatomischen Seziersälen,
und es sei gleich hinzugefügt, meist Leichen armer Leute,
zerstückelt, wenn die menschlichen Knochen einzeln oder zu
Skeletten zusammengeheftet aufbewahrt werden dürfen, welchen
religiösen Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode und
welcher Art pietätvollen Empfindens entspricht denn dieser
Vorgang?
Haben hier nicht Religion und Staat zugunsten
der Wissenschaft und der menschlichen Gesundheit abgedankt, ja
abdanken müssen? Weshalb werden Menschen, die der Tod auf
hoher See ereilt, unverweilt in dünnen Hüllen ins Meer
geworfen ohne den ganzen Krims-Krams; warum führt man diese
Leichen nicht mit bis zur Landung des Schiffes?
Einen großen Teil der modernen Menschheit
düngt es allerdings würdiger und erhabener, die kostbaren
Menschenleiber auf Jahrhunderte hinaus mit Ouadersteinen einzumauern
oder in Paradekleidern in Familiengrüften beizusetzen oder
in elenden Holzkästen langsam in der Erde verwesen zu lassen,
als das Beispiel des Altertums nachzuahmen, von dem Goethe sagt:
"O weiser Brauch der Alten, das Vollkomm'ne,
Das ernst und langsam die Natur geknüpft,
Des Menschenbilds erhab'ne Würde, gleich,
Wenn sich der Geist, der wirkende, getrennt,
Durch reiner Flammen Tätigkeit zu lösen.
Und wenn die Glut mit tausend Gipfeln sich
Zum Himmel hob und zwischen Dampf und Wolken,
Des Adlers Fittig deutend, sich bewegte,
Da trocknete die Träne, freier Blick
Der Hinterlaff'nen stieg dem neuen Gott
In des Olymps verklärte Räume nach."
Überdies haben auch schon genug ernste
und gut religiös denkende Männer in ihren letztwilligen
Verfügungen die Anordnung getroffen, daß ihr Leichnam
durch Feuer vernichtet werden solle.
Die Feuerbestattung hat mit staatlichen und
konfessionellen Ansichten und Uberzeugungen nichts zu tun. Bei
der Feuerbestattung handelt es sich nur um den Einzelnen.
Es ist seine Privatsache, wie er über
seinen Körper verfügt, aber es läge im Interesse
jeder Kirche und Religionsgenossenschaft, daß sie sich dieser
Neuerung, deren Einführung auf die Dauer nicht verhindert
werden kann, warm annehme, daß diese Neuerung kirchlich
ausgestattet werde und daß die Gebräuche, die man heute
der Leiche im Sarge widmet, auch der Urne mit der Asche eines
Verbrannten zuteil werden. Nicht mit Saulus die Christen zu verfolgen,
sondern mit Paulus christliche Nächstenliebe zu betätigen,
sollte für alle Kirchen die Losung sein."
Zum Schlusse kann ich nichts anderes sagen,
als das, was mein verehrter Herr Kollege Dr. Ebenhoch am 22. März
1906 gesagt hat (liest):
"Es nützt alles nichts; das Rad der
Zeit läßt sich nicht rückwärts treiben. Es
geht mit uns, wenn wir es leiten und wenn wir uns bemühen,
das Rad selbst zu lenken; es geht uns vor, wenn wir nichts machen
und einfach so weiterschreiten und läßt uns als rückständige
Hilflose zurück; es geht aber über uns, wenn wir uns
gegen dasselbe richten und es aufhalten mochten."
Nun, meine Herren, ich glaube, die Einführung
der fakultativen Feuerbestattung in Osterreich werde sich auf
die Dauer, auch wenn alle Religionsgenossenschaften und der Staat
dagegen arbeiten, nicht aufhalten lassen.
Die Feuerbestattung wird kommen, weil sie kommen
muß, wenn auch nicht zur Zeit dieses Ministeriums.
Für mich gilt aber der Satz, den Horaz
geschrieben hat: "In magnis rebus et voluisse sat est".
Zu einer eigentlichen Debatte über den
Dringlichkeitsantrag ist es bedauerlicherweise gar nicht gekommen,
da außer dem Antragsteller Dr. Jäger nur der damalige
Minister des Innern Graf Bylandt-Rheidt das Wort ergriffen hat.
Bei der Abstimmung haben stch von 121 abgegebenen
Stimmen 54 für die Dringlichkeit und 67 Stimmen gegen die
Dringlichkeit ergeben.
"Der Antrag wird somit", wie der
Präsident verkündete, "geschäftsordnungsmäßig
behandelt werden" - eine spezifisch österreichische
Bestattungsform von Anträgen, die so ziemlich dem Begraben
gleichkommt.
Nichts destoweniger bleibt die Sitzung des
österreichischen Abgeordnetenhauses vom 24. April d. J. für
die krematistische Welt von erhöhter Bedeutung, und zwar
nicht so sehr deshalb, weil die erhebliche Anzahl von Abgeordneten
der verschiedensten Nationalität und Parteirichtung, welche
sich für die dringliche Behandlung der Feuerbestattungsfrage
einsetzten, das immer höher steigende Interesse der österreichischen
Bevölkerung an der Feuerbestattungsfrage deutlich kennzeichnet,
sondern insbesondere auch dadurch, daß sich die österreichische
Regierung endlich gezwungen sah, zur Feuerbestattungsfrage, die
sie bisher konsequent ignorierte, offen Stellung zu nehmen.
Mag auch die österreichische Regierungserklärung
den Anhängern der fakultativen Feuerbestattung in Osterreich
den Fehdehandschuh hingeworfen haben - der Stein ist wenigstens
ins Rollen gebracht, der Kampf ist eröffnet!
Die Verfechter der fakultativen Feuerbestattung
in Osterreich werden den Kampf mit aller Entschiedenheit und mit
dem frohen Bewußtsein aufnehmen, daß im Streit um
Ideen noch stets die gute Sache den Sieg davongetragen hat.
Daß der Minister des Innern wenige Tage,
nachdem er seine Regierungsaufklärung, der ein besonderer
Artikel gewidmet werden soll, abgegeben, gefallen ist, wenn auch
nicht über die Feuerbestattungsfrage, mag als gutes Omen
in diesem Kampfe gelten!
Die Nummer 8 der genannten Druckschrift vom
August 1906 enthält über den Stand der Feuerbestattung
in Osterreich nachstehenden Aufsatz:
Bekanntlich hat im Juni 1903 in Wien eine Konferenz
der, die fakultative Feuerbestattung anstrebenden Stadtgemeinden
Österreichs getagt, die von nicht weniger als 70 Städten,
darunter den Landeshauptstädten Prag, Graz, Triest, Laibach,
Klagenfurt, Innsbruck, Linz und Troppau, beschickt war. Die Beschlüsse
der Konferenz gingen wesentlich dahin, an die Regierung im Petitionswege
das Begehren zu richten, daß die fakultative Feuerbestattung,
die bereits in allen Kulturländern Eingang gefunden, auch
in Oesterrreich zugelassen und zu diesem Behufe die von dem Wiener
Vereine "Die Flamme" für Graz, von dem Prager Feuerbestattungsverein
für Prag und von mehreren Stadtgemeinden überreichten
Konzessionsgesuche wegen Errichtung von Feuerbestattungsanstalten
genehmigt werden mögen. Die Konferenz setzte auch einen Vollzugsausschuß
mit der Aufgabe ein, die Ausführung der Beschlüsse der
Konferenz zu überwachen.
Während die Bestrebungen nach Einführung
der fakultativen Feuerbestattung die längste Zeit hindurch
einem passiven Widerstande der Regierung begegneten, indem die
vor mehr als fünf Jahren eingebrachten Konzessionsgesuche
überhaupt keine Erledigung fanden, gab im Laufe der gegenwärtigen
Session des Abgeordnetenhauses der damalige Minister des Innern
Graf-Bylandt-Rheidt über einen in dieser Richtung eingebrachten
Dringlichkeitsantrag die Erklärung ab, daß die Regierung
der Feuerbestattungsfrage wesentlich aus dem Grunde nicht nähertreten
könne, weil die Erdbestattung gesetzlich vorgeschrieben sei,
die Feuerbestattung daher nur im gesetzlichen Wege geregelt werden
könnte. Offenbar im Zusammenhange mit dieser Regierungserklärung
wurden dann die eingebrachten Konzessionsgesuche von den einzelnen
Statthaltereien mit derselben Begründung abgewiesen.
Zur Beratung darüber, wie diesem abweislichen
Bescheide zu begegnen sei, wurde der Vollzugsausschuß für
den 2. Juli d. J. nach Wien zu einer Sitzung in den Lokalitäten
des Vereines "Die Flamme" einberufen.
Anwesend waren die gewählten Mitglieder
des Vollzugsausschusses: Sanitätsrat Dr. Heinrich Zahoø,
Obmann des tschechischen Feuerbestattungsvereines (Prag); Med.
Dr. Richard Pichler (Klagenfurt); Oskar Siedek, Präsident
des Vereines "Die Flamme" (Wien); Dr. Paul Pallester,
I. Schriftführer des Vereines "Die
Flamme"; und überdies: Josef Markowitz, II. Schriftführer
des Vereines "Die Flamme" (Wien); Anton Klaar, Schatzmeister
des Vereines "Die Flamme" (Wien).
Ihre Abwesenheit hatten entschuldigt die Herren:
Universitäts-Professor Dr. Ferdinand Kratter (Graz); Bürgermeister
Hribar (Laibach).
Präsident Siedek übernahm auf Ersuchen
den Vorsitz und eröffnete nach herzlicher Begrüßung
der Anwesenden die Sitzung. Er gab zunächst seinem Bedauern
darüber Ausdruck, daß von den Mitgliedern des Vollzugsausschusses
die Herren Professor Dr. Kratter und Bürgermeister Hribar
am Erscheinen verhindert seien, von Dr. Hortis (Triest) und Professor
F. Hofmann (Troppau) keine Antworten eingelangt seien.
Präsident Siedek streifte in kurzen Worten
den Gegenstand der Sitzung, die Beschlußfassung über
die Art der geplanten Aktion bei der Regierung, für welche
er im Hinblicke auf den längst schwebenden Rekurs des tschechischen
Vereines und den eben überreichten Rekurs des Vereines "Die
Flamme" beide in den Konzessioneangelegenheiten - eine Handhabe
und mit Rücksicht auf die derzeitige parlamentarische Regierung
eine günstige Gelegenheit zu erblicken glaubt und erteilt
hierauf zum Referate über den Rekurs des Wiener Vereines
das Wort an Dr. Pallester. Dieser bespricht die abschlägige
Entscheidung der k. k. Statthalterei vom 4. April 1906 über
das Konzessionsansuchen, welche mit dem Tenor der Erwiderung des
seinerzeitigen Ministers des Innern Grafen Bylandt-Rheidt auf
den am 24. April 1906 von Dr. Jäger gestellten Dringlichkeitsantrag
wegen Zulassung der Feuerbestattung ziemlich verwandt sei, was
auf die gleiche geistige Urheberschaft schließen lasse.
Dr. Pallester bringt hierauf den von ihm verfaßten
Rekurs zur Verlesung, der in treffender Weise den abweislichen
Standpunkt des Beschlusses: "daß nach dem Stande unserer
Gesetzgebung die Bestattung der Leichen im Wege der Beerdigung
vorgeschrieben ist, somit auch die Leichenverbrennung unzulässig
erscheint und daß eine Konzession im Sinne der Ministerialverordnung
vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886 nur solchen Bewerbern
verliehen werden kann, welche die mit der Beerdigung von Leichen
verbundenen Besorgungen zu übernehmen beabsichtigen",
widerlegt.
Ebenso verficht Dr. Pallester in dem Rekurse
im Gegensatze zu der von Exzellenz Grafen Bylandt-Rheidt seinerzeit
vertretenen Anschauung den Standpunkt, daß die Einführung
der Feuerbestattung sehr wohl im Verordnungswege möglich
ist und keines Gesetzes bedarf.
Der Mangel an gesetzlichen Vorschriften für
die Leichenverbrennung ist, ohne daß gegen dieselbe ein
Verbot existiert, eben eine Lücke im Gesetze, welche auszufüllen,
Sache der Rechtsverständigen ist, und zwar im Sinne des §
7 a), b) G.-B. im Wege der Rechtsanalogie, eventuell "mit
Hinsicht auf reifliches Erwägen der Umstände nach natürlichen
Rechtsgrundsätzen", und zwar, da es sich um öffentliches
Recht handelt, mit Bestimmungen, die das hohe Ministerium zu treffen
befugt ist
Die Rechtsanalogie hat eben einzugreifen wenn
"Rechtsverhältnisse keine Normierung" erhalten
haben, was insbesondere dann leicht stattfinden wird, wenn der
geschäftliche Verkehr einen raschen Aufschwung nimmt und
das täglich fortschreitende Leben neue Verhältnisse
erzeugt, für welche ein früher abgesaßtes Gesetzbuch
eine normierende Rechtsregel nicht aufstellen konnte.
Es kann dann aber auch nicht an dem Verordnungsrechte
des hohen Ministeriums gezweifelt werden, umsoweniger, als Erd
und Feuerbestattung keine kontradiktorischen Gegensätze sind,
da die Feuerbestattung die Erdbestattung eingeäscherter Leichname
ja nicht ausschließt; eine Erwägung, die nicht nur
deutlich für die Zulässigkeit der Anwendung der Rechtsanalogie
spricht, sondern auch eine breite Grundlage für die Ausübung
des Verordnungsrechtes des hohen Ministeriums bietet.
Dr. Pallester betonte nun, daß die Aktion
bei den Ministern dahin gerichtet sein soll, den beiden Rekursen
Folge zu geben.
Als zweiter Punkt des Aktionsprogrammes wurde
die neuerliche Eingabe an das Eisenbahn-Ministerium wegen Abschaffung
des Leichenbegleiters bei Kremationstransporten unter Hinweis
auf die in Deutschland erfolgte Beseitigung dieses bisherigen
Erfordernisses beschlossen.
Darauf nahm Sanitätsrat Dr. Zahoø das Wort, dankte
zunächst für die an ihn ergangene Einladung und
besprach die dem tschechischen Vereine in dessen Konzessionsangelegenheit
zugemittelte abschlägige, in verwandter Weise begründete
Entscheidung, gegen welche ebenfalls der Rekurs ergriffen wurde,
der nun der Erledigung harrt.
Dr. Zahoø berichtet weiters über
seine bereits mit Minister Exz. Dr Forscht diesbezüglich
gepflogene Unterredung und erachtet, wiewohl er sich bezüglich
des Erfolges der geplanten Aktion nicht den rosigsten Hoffnungen
hingibt, dennoch den gegenwärtigen Zeitpunkt hiefür
nicht ungünstig.
Was nun die Art der Inangriffnahme der Aktion
betrifft, wurde folgendes beschlossen:
Der Vollzugsausschuß begibt sich am Dienstag
den 3. Juli a. c. ins Abgeordnetenhaus, woselbst mit denjenigen
Herren Abgeordneten, die sich in der Feuerbestattungsfrage irgendwie
schon betätigt haben, ein Kontakt gesucht wird.
Diesbezüglich sind von den deutschen Abgeordneten die Herren
Dr. Hoffmann von Wellenhof, Dr. Beurle, Dr. Funke und Dobernig
ins Auge gefaßt, während Dr. Zahoø die Herren
Dr. Spindler, Skala und Dr. Hortis hiefür
vorschlägt.
Nach Informationen der für die Aktion
gewonnenen Herren begibt sich der Vollzugsausschuß unter
Führung der Abgeordneten zum Ministerpräsidenten und
zu den einzelnen Ressortsministern, um in kurzen Worten seine
Wünsche zum Ausdrucke zu bringen.
Als Zeitpunkt für die Zusammenkunft im
Abgeordnetenhause wurde 11 Uhr vormittags festgesetzt.
Unter herzlichem Danke an die Anwesenden für
ihr Erscheinen und mit den besten Wünschen für einen
günstigen Erfolg der Aktion schloß Herr Siedek die
Sitzung.
Die aus den Herren Landessanitätsrat Dr. Zahoø (Prag),
Dr. Richard Pichler (Klagenfurt), Präsident Oskar Siedek
und Schriftführer Dr. Pallester (Wien) bestehende Deputation
begab sich am 3. Juli 1906 unter Führung der Abgeordneten
Spindler, Dobernig, Dr. Beurle und Dr. Hofmann
v. Wellenhof zu den verschiedenen Ministern, um eine Abänderung
der Entscheidungen der Statthaltereien zu erwirken. Die Deputation
wurde von sämtlichen Ministern in liebenswürdigster
Weise empfangen. Die Minister Prade, Dr. Pacák, Dr. v.
Derschatta und Dr. Forscht sprachen sich der Deputution gegenüber
als Anhänger der fakultativen Feuerbestattung aus und versprachen
die Bestrebungen der Aktion nach Möglichkeit fördern
zu wollen. Minister Dr. Marchet erklärte, von seinem Standpunkte
der Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich
kein Hindernis entgegenzusetzen. Justizminister Dr. Klein bemerkte
zur großen Befriedigung der Deputation, daß die seinerzeitige
Erklärung des gewesenen Ministers Grafen Bylandt-Rheidt ohne
Einvernehmen mit dem Justizminister abgegeben wurde und daß
er gegebenen Falles Gelegenheit nehmen werde, die juristische
Seite der Frage eingehend zu würdigen. Der Minister des Innern
Freiherr von Bienerth erklärte wohl, daß ar sich der
kundgegebenen Auffassung des Ministers Bylandt-Rheidt seinerzeit
angeschlossen habe, daß er aber gern bereit sei, die Angelegenheit
auf Grund der Ausführungen des Rekurses, der abschriftlich
sämtlichen Ministern von der Deputation übergeben wurde,
neuerdings gründlichst zu prüfen. Beim Ministerpräsidenten,
der durch Amtsgeschäfte sehr in Anspruch genommen war, konnte
die Deputation nicht vorsprechen. Abg. Dr. Beurle übernahm
es jedoch, ihm die Wünsche der Deputation persönlich
vorzubringen.
Die Anhänger der Feuerbestattung hoffen
nunmehr, daß die fakultative Feuerbestattung in Österreich
in absehbarer Zeit zur Einführung gelangen werde.
Im Anschlusse an den vorstehenden Bericht möge
hier der Rekurs des Vereines der Freunde der Feuerbestattung "Die
Flamme" in Wien an die k. k. steiermärkische Statthalterei
gegen deren Entscheidung vom 4. April 1906, G.-Z. 37.545 ex 1905,
verfaßt vom Vorstandsmitgliede Hof und Gerichtsadvokaten
Dr. Paul Pallester, seinen Platz finden:
Durch die hierämtliche Entscheidung vom
4. April 1906, Z. 37.545/1905, welche unserem gegenwärtigen
Präsidenten, Herrn Oskar Siedek, am 19. Mai 1906 zugestellt
wurde und womit unserem Ansuchen vom 25. April 1901 um die Konzession
zur Errichtung und zum Betriebe einer Leichenbestattungs-Unternehmnng
in Graz nach der Verordnung der k. k. Ministerien des Handels
und des Innern vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886,
keine Folge gegeben wurde, erachten wir uns beschwert und erstatten
dagegen in offener Frist nachstehenden Rekurs:
Wir können nicht umhin, vor allem unserem
Befremden darüber Ausdruck zu geben, daß die k. k.
steiermärkische Statthalterei nicht weniger als fünf
Jahre gebraucht hat, um unser am 25. April 1901 überreichtes
Gesuch - aus dem einzigen Grunde abzuweisen, weil angeblich nach
dem Gesetze eine andere Bestattungsart von Leichen, als im Wege
der Beerdigung unzulässig erscheint.
Das Lustrum, welches verstreichen mußte,
um diese Entscheidung zur Reife zu bringen, spricht jedenfalls
dafür, daß der einzig hiefür geltend gemachte
Grund im Schoße der k. k. Statthalterei selbst jahrelang
dem größten Zweifel begegnet haben dürfte.
Die Grundlage der ang fochtenen Entscheidung
ist aber nicht nur zweifelhaft, sondern nachweisbar unrichtig.
Die k. k. Statthalterei beruft sich darauf,
daß nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bestattung
der Leichen im Wege der Beerdigung vorgeschrieben ist, daß
eine andere Bestattungsart, somit auch die Leichenverbrennung,
unzulässig erscheint, und daß eine Konzession im Sinne
der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R.-G.-Bl. Nr.
13 ex 1886, nur solchen Bewerbern erteil werden kann, welche die
mit der Beerdigung - die Unterstreichung des letztgenannten
Wortes ist der uns zugestellten Ausfertigung der Statthaltereientscheidung
entnommen - von Leichen verbundenen Besorgungen zu übernehmen
beabsichtigen.
Beide Prämissen der angefochtenen Entscheidung
sind irrig.
Weder existiert ein österreichisches Gesetz
- wenn man nicht etwa auf Karl den Großen, den Begründer
der Ostmark, welcher die bis dahin unter den germanischen Stämmen
übliche Leichenverbrennung verboten hat, zurückgreifen
wollte - welches die Beerdigung der Leichen vorschreibt, noch
ist in dem Wortlaute der Ministerialverordnung vom 30. Dezember
1886, R.-G.-Bl. Nr. 13 ex 1886, auch nur ein einzigesmal von "Beerdigung"
die Rede.
Der Mangel einer gesetzlichen Vorschrift, daß
menschliche Leichen beerdigt werden müssen, ist durchaus
nicht überraschend, sondern geradezu selbstverständlich.
Ist doch die Beerdigung der menschlichen Leichen
eine seit Jahrhunderten in Europa eingebürgerte Gewohnheit,
die zu durchbrechen niemandem beifiel, bis zu dem Zeitpunkte,
wo vor einigen Jahrzenten die aus noch früherer Zeit stammende
Gewohnheit, die Leichen vor deren endgültiger Bestattung
einzuäschern, ihre Wiedergeburt feierte.
Kein Wunder daher, daß dem österreichischen
Gesetzgeber jeder Anlaß fehlte, eine Einrichtung, welche
ohnehin durchgehends seit Jahrhunderten fest begründet war
und von jedermann beobachtet wurde, zum Gegenstande einer gesetzlichen
Vorschrift zu machen. Eine gesetzliche Vorschrift, daß Leichen
beerdigt werden müssen, besteht also nicht.
Dagegen kann nicht geleugnet werden, daß
alle österreichischen gesetzlichen Bestimmungen, welche sich
mit der Bestattung menschlicher Leichname beschäftigen, so
z. B. die Anordnungen, wann die Leichen bestattet werden müssen
u. dgl., die Beerdigung der Leichen eben mit Rücksicht auf
die erwähnte, Jahrhunderte alte, allgemeine Gewohnheit als
selbstverständlich voraussetzen.
Sollte sich aber die k. k. Statthalterei bei
ihrer Entscheidung darauf berufen wollen tatsächlich ist
es nicht geschehen - so geschähe es mit Unrecht, denn der
Umstand, daß bestimmte gesetzliche Vorschriften auch noch
so allgemeine und fest begründete Gewohnheiten zur Voraussetzung
haben, kann nach den Grundsätzen logischen Urteiles und nach
allgemeinen und natürlichen Rechtsgrundsätzen diese
Gewohnheiten selbst nicht derart sanktionieren, daß eine
Übertretung dieser Gewohnheiten ungesetzlich wäre.