2. Periode dermestienne (3 bis 4 Monate). Coleoptera: Dermestes, Corynethes, Fettzehrer. Lepidoptera: Aglossa, Fettzehrer.
4. Periode silphienne (4 bis 8 Monate). Dipteren: Phora, Anthomyca; Coleopteren: Silpha, Hister; Acarinen: Saprinus, Serrator, Moderbildneri
4. Periode acarienne. Acarinen: Tyroglyphus, Glyciphagus, Uropoda, Trachinotus. Anthrenen: Tineola biselliella, Moderbildner.
Es sind den Verschiedenen Gattungen angehörige Insekten: Dipteren, Coleopteren, Lepidopteren, welche hier in Betracht kommen. Es dürste zumeist die Tatsache interessieren, daß es festgestellt wurde, daß hier Generationen um Generationen wechseln, so zwar, daß wenn eine Generation dieser Insekten ihre Lebensbedingungen nicht mehr findet, eine zweite einwandert und das begonnene Zerstörungswerk fortsetzt und dann eine dritte einwandert u. s. w. Man kann geradezu Perioden unterscheiden, von einer periodenweisen Betätigung dieser Tiere Sprechen.
Dies wurde sogar dazu benutzt, um Zeitbestimmungen zu machen, wie lange ein Leichnam sich im Grabe befindet, je nachdem die eine oder andere Larvenart von Aasinsekten in der Leiche getroffen wird. Ich erwähne, von zoologischen Einzelheiten vollständig absehend, nur dasjenige, was diese Insekten leisten.
Zuerst wandern Insekten ein, welche sich von den Muskeln nähren; diese zehren die Muskeln ziemlich vollständig aus. Ich habe sie einfach als Muskelzehrer bezeichnet. Später wandern Insekten ein, welche sich von einem anderen Teile des menschlichen Körpers nähren, vom Fett. Es sind dies die Fettzehrer, und in letzter Linie kommen diejenigen in Betracht, welche zusammen die Moderprodukte bilden; ich habe sie Moderbildner genannt.
Ich glaube, es dürfte das Wenige genügen, um Ihnen eine beiläufige Vorstellung zu machen über diese Gräberfauna. Ich bemerke nur noch, das man diese Tabelle durchaus nicht generalisieren darf, sondern daß dieselbe eigentlich nur für eine bestimmte Örtlichkeit gilt, für diejenige, wo diese Studien gemacht worden sind - Paris. Selbstverständlich werden in anderen Ländern, unter verschiedenen Breitegraden und Klimaten zum Teile oder vorwiegend andere Insektengattungen es sein, welche in dieser Weise an der Leichenzersetzung beteiligt sind. *)
Unter Umständen kann die Tätigkeit dieser Aasinsekten vollständig ausgeschaltet werden. Es ist dies der Fall da, wo das Grab in einer Weise dicht hergestellt ist, daß ein Einbringen derselben nicht statthaben kann (Grüfte), oder der Sarg vollkommen dicht verschlossen ist (Metallsärge).
Wenn wir uns nun nach der Zeitdauer und nach den Bedindungen fragen, unter welchen die Leichenzersetzung erfolgt, so ist darüber Folgendes zu sagen.
Es ist eine Reihe äußerer und innerer Bedingungen, die einen Einfluß nimmt auf die Zeit, in welcher die Zersetzung der Leichen im Erdgrabe vor sich geht.
Nach übereinstimmenden Beobachtungen können unter den allergünstigen Bedingungen, d. h. wenn Voraussetzungen gegeben sind, welche die Leichenzerstörung außerordentlich fördern, die Weichgebilde eines erwachsenen Menschen im Grabe nicht vor Ablauf von zwei bis drei Jahren zersetzt sein; in der Regel dauert es außerordentlich viel länger, so daß sechs, acht, zehn und mehr Jahre vergehen können, wenn gewisse hemmende Bedingungen vorhanden sind. Die Zeit, in welcher eine Leiche im Erdgrahe vollständig zerstört wird, ist abhängig von, wie ich schon sagte, verschiedenen äußeren und inneren Bedingungen.
*) Neuerdings hat Dr. Ed. v. Niezabitowski in Krakau in einer interessanten esperiementellen Untersuchung über die Leichenfauna (Bierteljahrsschr. f. ger. Med. 3 Folge XXIII 1. 1902) diesen Satz völlig bestätigt und schließt sich meiner auch in Drasches Bibliothek der ges. med. Wissenschaften, Bd. u. ger. Med., S. 550 (1899) niedergelegten Anschauung an, daß das System der entomologischen Chronologie der Fäulnis von Megnin auf Allgemeingiltigkeit keinen Anspruch erheben könne. Nach Ort und Zeit sind die an der Leichengerstörung beteiligten Insekten vielfach verschieben. Nach N. muß der Löwenanteil am Zerstörungswerke den Fliegen, und zwar den Maden der golbgrünen Lucilia caesar zugeschrieben werden, die beinahe drei Viertel der gesamten Weichteile aufzehren; in geringerer Anzahl erscheinen andere Fliegenarten (Musca domestica und corvina, Calliphora, Sarcophaga und Pyophyla). Den Rest der Weichteile im Freien liegender Seichen verzehren Käfer und ihre Larven, zumeist die großen schwarzen Larven von Necrodes, in geringerer Zahl Silpha, Emus, Philonthus, Hister, Saprinus, Necrophorus.
Als äußere Bedingungen der Verwesung sind zu bezeichnen: die Luft, die Feuchtigkeit und die Wärme. Die Temperatur ist außerordentlich wichtig für den Leichenzersetzungsvorgang, und es ist allgemein bekannt, daß bei niedriger Temperatur überhaupt alle Zersetzungen aufhören. Je höher also die Temperatur im Grabe ist, umso rascher geht die Leichenzersetzung vor sich, je niedriger, umso verzögerter ist sie.
Es gehört dann zu den Bedingungen der Leichenzersetzung ein gewisser Grad von Feuchtigkeit. Was diese anlangt, so genügt anfänglich die im Körper Vorhandene Flüssigkeit, um die Zersetzung in Gang zu bringen und durch einige Zeit zu erhalten. Im weiteren Verlaufe bedarf es aber eines Zutrittes Von Feuchtigkeit von außen her, damit die neugebildeten Produkte in Lösung kommen. Wenn daher die Feuchtigkeit mangelt, wenn große Trockenheit vorhanden ist, dann wird die Leichenzersetzung gehemmt und es kommt nach der postmortalen Ausblutung und Abgäbe der Korperslüssigkeiten an die Umgebung zur Bertrockung der Seiche; es hört jede weitere. Zersetzung aus. Die Leiche wird in eine Mumie verwandelt. Solche natürliche Wumienbildung*) gibt es tatsächlich auch im Grabe. Es sind einige Gegenden, beispielsweise in Piemont, in Dalmatien und Istrien bekannt geworden, wo Wertrockungen von Leichen in Gräbern ziemlich häufig beobachtet werden. Auch von einzelnen Gegenden Deutschlands ist Aehnliches bekannt.
Ist Feuchtigkeit im Übermaße vorhanden' dann findet ein anderer Vorgang statt; die Zersetzung der Leiche wird aus andere Weise gehemmt. Es ist der Prozeß der Leichenzersetzung nämlich gebunden an das Vorhandensein einer gewissen Menge von Sauerstoff. Wenn der Sauerstoff dadurch mangelt, daß eine Leiche in zu feuchter Erde liegt, gewissermaßen, wie ich selbes tatsächlich gesehen habe, in einem Wasserbette sich befindet, wenn die Erde undurchlässig ist, so daß das einsickernde Wasser sich an der Grabsohle ansammelt und der Leichnam also eigentlich im Wasser schwimmt, dann ist zu wenig Luft vorhanben um die Zersetzung noch im Gange zu erhalten, und es kommt zur Bildung einer eigenartigen, schmierigen, sich nicht mehr weiter verändernden Masse, dem Sogenannten Fettwachs, Leichenwachs, Leichensett oder Adipocire. Die Bildung von Leichenwachs beruht auf mangelhafter oder gänzlich aufgehobener Oxydation und besteht wesentlich in der Abspaltung von Fettsäuren und der Bildung von Seifen. Man hat daher diesen Vorgang mit Recht auch Verseifung der Seichen bezeichnet.
*) Von der naturlichen Leichenvertrocknung ist die kunstliche Mumienbildung durch Einbalsamieren wohl zu unterscheiden, wie sie von den Ägyptern höchst kunstvoll geübt wurbe und vereinzelt in einfacher Weise auch heute vorkommt, indem die Leichen von Fürsten, Vornehmen und Reichen durch Einspritzung fäulniswidriger Stoffe der Zersetzung entzogen und dadurch konferviert werden.
Es ist auf diese Weise möglich und kommt nicht nur in Massengräbern, sondern, wie ich zuerst nachgewiesen habe, auch in Einzelgräbern oft genug vor, daß ein größerer oder kleinerer Teil der ganzen Weichgebilde in diese eigentümliche, dern Käse ähnliche Masse umgewandelt wird. Nach zehn und mehr Jahren ist dann der Leichnam auch in seinen Weichteilen nicht zersetzt, sondern oft selbst der äußeren Form nach noch mehr weniger kenntlich erhalten. Derartige Leichen widerstehen dem gänzlichen Zerfalle ungezählt lange Zeiträume. Auch diese Art der Leichenveränderung muß als ein anormaler, nicht gewollter und nicht wünschenswerter Vorgang bezeichnet werden.
Die am Schlüsse angefügten Bilder mögen das, was ich kurz über den Verlauf der Verwesung gesagt habe, veranschaulichen. Es sind Bilder, welche anläßlich amtlicher Enterdigungen teils durch Professor Ipsen in Inns bruck, teils durch Stadtphysiker Igl in Brünn ausgenommen wurden. Für die Überlassung dieser anschaulichen Bilder zum Zwecke der Wiedergabe an dieser Stelle gebührt den Genannten der Dan? aller Freunde der Feuerbestattung.
Maßgebend für den Ablauf der Verwesungsvorgänge sind dann in der Leiche selbst gelegene, innere Bedingungen: das Alter, die Leibesbeschaffenheit und vor allem die Todesart des Menschen. Bezüglich dieser individuellen Bedingungen der Leichenverwesung will ich nur bemerken, daß im allgemeinen dann, wenn eine größere Menge von Flüssigkeit von vornherein im Körper vorhanden ist, die Leichenzersetzung gefördert wird, und daß wenn das Individuum weniger Gewerbsflüssigkeiten hat, die Leichenzersetzung gehemmt ist. Daher faulen Kinder mit ihren wasserreichen Geweben rascher als Erwachsene, fette, gut genährte, vollsäftige Individuen rascher als magere und blutarme.
Wenn jemand an einer Infektionskrankheit gestorben ist, also an einer Krankheit, welche meist auf einer Blutveränderung fußt, dann ist die Leichenzersetzung auch wieder eine geförderte, indem nach den wissenschaftlichen Erfahrungen vielfach auch jene Kleinlebewesen, welche Krankheitserreger sind, zugleich als Zerstörer des Leichnams, als Fäulnisbakterien fungieren.
Die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Teile des menschlichen Körpers gegenüber der Fäulnis ist gleichfalls eine sehr verschiedene. Die Weichgebilde, eine große Anzahl der inneren Organe, sind verhältnismäßig wenig widerstandsfähig und zerfallen frühzeitig; andere derbere Teile, wie die Sehnen, Bänder, die Blutgefäße, (eisten der Zersetzung einen weit größeren Widerstand und es bedarf einer viel längeren Zeit, bis auch diese Teile vollständig zersetzt sind. Einen besonderen Widerstand leistet aber das Knochengewebe.
Es ist allgemein bekannt, daß in der Regel eigentlich eine vollständige Zersetzung der Knochen im Grabe gar nicht Stattfindet, sondern daß selbst nach zehn und mehr Jahren ein großer Teil der Knochen, bei erwachsenen Menschen wenigstens, untersetzt, noch nicht zerstört, im Grabe vorgesunden wird. Eine gleichbekannte Tatsache ist es, daß diese nach so langer Zeit aus den Gräbern geschafften menschlichen Überreste nicht gerade immer einer pietätvollen Behandlung sich erfreuen. Die Knochen können aber nicht etwa nur ein Jahrzehnt der Fäulnis in der Erde widerstehen, sondern viele Dezennien und Jahrhunderte können darüber hinweggehen; wir haben ja selbst fossile Knochen. Unter Umständen vergehen also ganz ungemessene Zeiträume bis zur gänzlichen Zerstörung auch der festen Gebilde des menschlichen Organismus.
Nun möchte ich eines Ümstandes Erwähnung tun, der auch zur Verzögerung der Leichenzersetzung ganz wesentlich beiträgt. Es sind das die Umhüllungen, in denen die Leichname in die Erbe kommen, die Kleiber und die Särge. Je besser diese Umhüllungen beschaffen sind, je dichter und je aus besserem Material, umso ungünstiger wirken sie auf die Leiche, indem sie dieselbe Verzögern. Es sind namentlich die in neuerer Zeit immer mehr und mehr bei den Wohlhabenben üblich werdenden Metallsärge, welche dem eigentlichen Zwecke des Erdgrabes, eine möglichst rasche Leichenzersetzung herbeizuführen, ganz besonders hinderlich sind, und es sind gerade jene Leichen, deren Zersetzung verzögert verläuft, diejenigen, welche die allerwidrigsten Bilder darbieten. Ich muß es an dieser Stelle bedauern, daß ein sehr zweckmäßiger Gedanke eines weisen Fürsten, der einstens angeordnet hat, baß die Seichen nur in Sinnen gehüllt und ohne Sarg in die Erbe versenkt werden sollten, an dem unüberwindlichen Widerstände der denkträgen Massen und dem zu allen Zeiten unbesiegbaren Vorurteile der Menschheit gescheitert ist, ein Gedanke Kaiser Josef II.
Sie werden jetzt wohl schon sich selbst die Frage aufgeworfen haben: Was ist nun das Ende all dieser ekligen Borgänge im Grabe, die ich Ihnen knapp und möglichst dezent zu schildern bemüht war?
Tafel III. Fäulnis.
Org. Molekül C = CH4 (Kohlenwasserstoff), N= NH3 (Ammoniak), O H + Hx = OH2 (Wasser), S = SH2 (Schwefelwasserstoff).
Verwesung.
Org. Molekül C - CO2 (Kohlensäure), N = N2 O5 (Salpetersäure), O H + Ox = H2O (Wasser), S = SO3 (Schwefelsäure).
Verbrennung.
Org. Molekül C = CO2 (Kohlensäure), N = N2 O5 (Salpetersäure*), O H + Ox = H2O (Wasser), S = SO3 (Schwefelsäure).
*) In Wirklichkeit wird bei der Leichenverbrennung nicht Salpetersäure gebildet, sondern der Stickstoff entweicht als solcher.
Ich habe an dieser Tafel den Versuch gemacht, in ganz schematicher Weise das Wesentliche dessen darzustellen, was mir über die letzten Schicksale des menschlichen Körpers im Erdgrabe wissen. Es war schon Justus v. Liebig, der festgesetzt hat, daß man bei der Leichenzersetzung zwei in ihrer Wesenheit verschiedene Prozesse zu unterscheiden habe: die Fäulnis und die Verwesung, welche auch schon durch die Sprache unterschieden werden Derjenige Prozeß, den wir Fäulnis nennen, ist im wesentlichen ein Vorgang, wobei es zur Bildung von Wasserstoff-Endprodukten kommt. Es vollzieht sich die Leichenfäulnis im Erdgrabe und allenthalben dann, wenn Sauerstoffmangel vorhanden ist. Hiebei kommt es durch die Tätigkeit der Fäulnisbakterien zur Zersetzung des Wassers und Abspaltung des Wasserstoffes aus demselben. Der abgespaltene Wasserstoff verbindet sich mit denjenigen Elementen, welche die organischen Moleküle bilden, aus denen der Körper aufgebaut ist.
Die organischen Moleküle unserer Gewebe sind aus nur wenig Grundstoffen zusammengesetzt. Diese sind Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und in den meisten eine gewisse Menge von Schwefel. Ich habe von anderen und seltenen Elementen ganz abgesehen. Durch fortgesetzte Spaltung in der Richtung, wie es hier angedeutet ist, bei reichlich vorhandenem Wasser und bei Mangel an Sauerstoff bilden sich nun fortgesetzt Wasserstoffverbindungen und als Endglieder in dem Prozesse erscheinen die uns bekannten einfachsten Wasserstoffverbindungen derjenigen Elemente, welche hier in Betracht kommen Der Kohlenstoff der organischen Moleküle erscheint in Form von Kohlenwasserstoff. Das, was man Grubengas nennt, und diejenigen Gase, welche die Unglücksfälle in den Bergwerken veranlassen, sind solche Kohlenwasserstoffe. Es bildet sich weiters ein Allen sehr bekannter Körper, Ammoniak, indem der Stickstoff mit der entsprechenden Anzahl von Wasserstoffatomen zusammentritt. Weiters verbindet sich der Sauerstoff mit dem Wasserstoff, es wird Wasser gebildet, und es verbindet sich der Schwefel mit Wasserstoff in der entsprechenden Menge zu Schwefelwasserstoff. Ammoniak und Schwefelwasserstoff sind die gleichfalls allgemein bekannten übelriechenden Produkte der Fäulnis und daher ist dieser Vorgang der Leichenzersetzung mit Recht auch als stinkende Leichenfäulnis bezeichnet worden.
Ich bemerke, daß man wohl berechtigt ist, zu sagen, daß eigentlich die Fäulnis ein anomaler Vorgang der Leichenzersetzung in der Erde sei. Das, was durch das Begraben angestrebt wird, wozu aber die Bedingungen sehr häufig fehlen, weil das Erdreich nicht entsprechend beschaffen, weil es nicht genug porös ist, weil es nicht genügende Mengen von Luft enthält, das also, was als Regel anzusehen ist, ist der andere Prozeß, den ich als Verwesung bezeichnet habe, der auch Vermoderung genannt wird, die nicht stinkende Leichenzersetzung. Hiebei werden ganz andere Produkte gebildet.
Wieder haben wir die Grundstoffe, aus denen sich die den menschlichen Körper bildenden Gewebsmoleküle zusammensetzen: Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefel, und es erscheinen als Endglieder dieser Zersetzung bei genügend vorhandenem Sauerstoff die höchsten Oxydationsstufen dieser Elemente, und zwar der Kohlenstoff als Kohlensäure, der Stickstoff als irgend eine hohe Oxydverbindung, schließlich als Salpetersäure Es verbindet sich wieder Sauerstoff mit dem Wasserstoff zu Wasser und der Schwefel wird zu Schwefelsäure. Ich bemerke ganz nebenbei, daß ich der Einfachheit halber hier nur die Anhybride angeschrieben habe.
Sie sehen also, daß die Elemente in dem einen Falle immer mit Wasserstoff sich verbinden, im anderen Falle immer mit Sauerstoff.
Die Fäulnis besteht also hauptsächlich in Reduktionsvorgängen. Sie ist ein Prozeß, der von Justus v. Liebig mit der trockenen Destillation in eine Parallele gestellt worden ist. Die Verwesung aber, die Vermoderung, derjenige Zersetzungsvorgang der menschlichen Leiche, welcher eigentlich als die Regel, als angestrebte Art der Leichenzerstörung im Erdgrabe betrachtet werden muß, das ist ihrem Erfolge nach einer Verbrennung gleichzustellen, denn dabei, sowie bei der wirklichen Verbrennung organischer Körper erhält man als Endprodukte die höchsten Oxydationsstufen der diese Körper ausbauenden Grundstoffe, oder mit anderen Worten, es hat die wissenschaftliche Forschung nachgewiesen, daß in der Wesenheit kein Unterschied besteht zwischen dem, was im Erdgrabe vor sich geht oder vor sich gehen soll, und demjenigen, was geschieht, wenn Leichen im Feuergrabe eingeäschert werden.
Die Verwesung und Verbrennung sind sachlich ein und derselbe Prozeß.
Damit, hochgeehrte Versamlung, bin ich am Ende meiner Darstellung.
Ich könnte schließen und es Ihrer eigenen Überlegung anheimstellen, Folgerungen aus dieser wissenschaftlich festgestellten Tatsache zu ziehen. Ich möchte aber nicht von dieser Stelle abtreten, ohne dennoch auch einige Bemerkungen über das wenigstens in diesem Kreise so aktuelle Thema der Leichenverbrennung zu sprechen.
Man sollte meinen, daß schon durch die von mir begründete Feststellung der gleichen Wesenheit der Leichenzersetzung im Erdgrabe und im Feuergrabe eine ganze Reihe von gegen die Feuerbestattung erhobenen Bedenken in Wegfall kommt. Was könnte ernstlich gegen eine Bestattungsform eingewendet werden, bei der im Prinzip dasselbe geschieht wie beim Begraben? Ich werde daher auf die einzelnen Bedenken nicht weiter eingehen. Ich will nur von meinem rein persönlichen Standpunkte aus einen Einwurf hier ganz kurz beprechen, der mir in der Tat ein sehr wesentlicher zu sein scheint.
Man hat nämlich unter anderem auch gesagt: "Gerade die Rechtspflege und die gerichtliche Medizin haben ein besonderes Interesse daran, daß die Leichname nicht so kurze Zeit nach dem Tode zerstört werden; es sind ja Beispiele genug bekannt, wo durch späte Ausgrabungen noch Verbrechen festgestellt werden konnten", und ich muß es bestätigen, daß dies tatsächlich der Fass ist. Ich habe im Laufe von drei Jahrzehnten eine verhältnismäßig sehr große Zahl von für gerichtliche Zwecke vorgenommenen Enterdigungen von Leichen mitgemacht und muß sagen, daß mitunter für die Rechtspflege überraschende Ergebnisse durch derartige, selbst sehr spät vorgenommene Untersuchungen von Erbleichen zu Stande gebracht worden sind. Im allgemeinen ist also dieser Einwurf gewiß begründet und es könnte in der Tat die Frage aufgeworfen werden, wie denn nun gerade ein Vertreter der gerichtlichen Medizin dazu kommt, der Leichenverbrennung das Wort zu reden.
Ich glaube, daß dieses Bedenken sehr leicht hinwegfallen wird, wenn vor der Bestattung im Feuergrabe, vor der Verbrennung, eine entsprechende Untersuchung in jedem einzelnen Falle Vorgenommen wird, nämlich in jedem solchen einzelnen Falle, wo nicht die Todesveranlassung durch unzweifelhaftes ärztliches Zeugnis im vorhinein über allen Zweifel sichergestellt ist - kurz, eine geordnete und streng gehandhabte Leichenschau sichert die Interessen der Rechtspflege mehr, als die Möglichkeit einer späteren Enterdigung.
Ich bemerke außerdem, daß ich während meiner Tätigkeit als Gerichtsarzt noch äußerst Selten Gelegenheit hatte, bei Ausgrabungen in Städten zu intervenieren, weil hier die Sanitäts-Organisation, die Organisation der Totenbeschau und der Sicherheitsdienst in der Regel derart eingerichtet sind, daß es kaum jemals vorkommt, daß eine verbrecherische Handlung dem Auge der überwachenden Organe entgeht und ein Begräbnis stattfindet, während in späterer Zeit erst eine Korrektur durch die Exhumierung geschaffen werden muß. Das kommt fast nur am Lande vor. Ich sage also, gerade da, wo das Sanitätswesen in entsprechender Weise organisiert ist, in den größeren Städten, ist dieses Bedenken ein außerordentlich geringes.
Dann kommt noch eines in Betracht. Ich glaube, daß bei den Bestrebungen aller Feuerbestattungsvereine es sich nur um die fakultative Feuerbestattung handelt, und ich habe die vollkommene Überzeugung, daß die Feuerbestattung auch immer nur eine fakultative sein wird.
Wenn ich also die Dinge übersehe, wie sie tatsächlich sind, so kann ich mich der Meinung nicht verschließen, daß, sowie zu allen Zeiten, wo es eine Feuerbestattung gegeben hat, auch nebstbei noch zahlreiche Menschen begraben wurden, so auch in Hinkünft neben solchen Menschen, deren Leichname verbrannt werden, die übergroße Zahl auf dem Wege des Erdgrabes bestattet werden wird. Es wird also gewiß nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Menschen sein, die hier überhaupt in Betracht kommt. Dafür sprechen auch die Ziffern, die uns über die bisherigen Leichenverbrennungen bekannt geworden sind.
Wenn ich mir das alles gegenwärtig halte, so kann ich sagen, daß ich auch von meinem Standpunkte als forensischer Mediziner ganz wohl über die geschilderten Bedenken hinweggekommen bin, umsomehr, wenn ich mir entgegenhalte, daß anderseits die Leichenverbrennung aber auch große positive (hygienische) Vorteile darbietet. Ich bin auch da weit entfernt, etwa zu sagen, "die Friedhöfe sind wahre Schäden der Menschheit, daraus erwächst der Umgebung sehr leicht ein großer Nachteil. " Ich habe vielmehr die Uiberzeugung, daß in der Regel die lebende Menschheit durch die einmal in die Erde gelegten Leichen sehr wenig geschädigt wird. Wenn ich sage, es sei die Leichenverbrennung ein hygienischer Vorteil und hygienischer Fortschritt, so habe ich ganz etwas Anderes im Äuge.
Es gibt Verhältnisse, wo wir durch gar nichts Anderes als durch die Macht des Feuers den Kampf gegen schwere Unzukömmlichkeiten und arge gesundheitliche Bedrohungen der menschlichen Gesellschaft aufnehmen können, und es ist unehrlich, wenn das nicht allseitig anerkannt wird. Ich erinnere nur, daß in jenem Winter 1878 auf 1879, als plötzlich nochmals die bei uns schon lang erstorbene und erloschene Beulenpest in Wetljanka, einem Dorfe bei Astrachan im südlichen Rußland, ausbrach, und wiederum dieser Würgengel der Menschheit ungestüm an die Pforten Europas pochte, über alle Bedenken und Bedenklichkeiten gegen die Feuerbestattung hinweg folgender Vorgang eingeschlagen wurde. Alle Pestleichen, es waren über 80, und alles, was mit den Leichen in Berührung gekommen war, alle Effekten und dazu noch das ganze russische Dorf wurden, nachdem die Uiberlebenden weggeschafft worden waren, verbrannt, und der Erfolg dieser offiziellen Leichenverbrennung war der, daß damit auch die Seuche und die Bedrohung der europäischen Menschheit ein Ende hatten. - Und als 1870-71 Tausende von Menschen- und Tierleichen auf den großen französischen Schlachtfeldern lagen und die Luft vergiftet wurde, kam eine Sanitätskommission, um Rat zu schaffen. - Man zündete große Feuer an, übergoß Tier- und Menschenleichen mit brennbarem Material und es fand eine Leichenverbrennung in großem Stile statt, im Interesse der Menschheit. Und was geschieht da alltäglich unter unseren Augen? Was geschieht mit den Effekten der Blattern- und Cholerakranken ? mit den Effekten an anderen Epidemien Gestorbener, mit all jenen Gegenständen, die in Berührung mit einem solchen Kranken gekommen sind und woraus Träger weiterer Infektion werden können? Sie werden, soweit dies möglich ist, verbrannt. Der Leichnam selbst aber, von dem dies alles stammt, wird in die Erde gelegt! Tagtäglich nimmt der Chirurg das von Jauche und Eiter infizierte Verbandzeug von den Wunden weg, die er neu verbindet, und er entfernt abgestorbene Teile des menschlichen Körpers. Und was macht er damit ? Verbrannt werden diese Dinge, und ich habe die vollständige Uiberzeugung, daß, wenn ein Chirurg diese doch von Menschen stammenden Dinge statt sie zu verbrennen, pietätvoll vergrübe, man dagegen Einspruch erheben und sagen würde: Das geht nicht an, das ist eine ungenügende Versicherung dieser Dinge, durch welche weitere Menschen Schaden leiden können!
Es hat auch einmal eine Behörde die Nichtbewilligung der Feuerbestattung mit dem mangelnden Bedürfnisse begründet. Ich glaube, aus Dem, was ich bisher gesagt habe, wohl ableiten zu können, daß unter Umständen, wenn man aufrichtig ist, ja wohl ein Bedürfnis namentlich in großen Städten Vorhanden sein könnte, und wenn ich an die Aengsten und teilweise Ratlosigkeit der Verwaltungsbehörden etwa bei einer drohenden Choter - Epidemie denke, so komme ich zu der Vorstellung, daß es recht nützlich wäre, wenn in den großen Zentren des menschlichen Verkehrs Verbrennungsstätten vorhanden sein würden, weil es dann möglich wäre, unter Umständen in einer wahrhaft rationellen Weise gegen die Seuchen durch Verbrennung der an solchen epidemischen Krankheiten verstorbenen Menschen im Interesse der Überlebenden vorzugehen. Wenn man sagt, es sei kein Bedürfnis für die Feuerbestattung Vorhanden, so muß ich demgegenüber doch bemerken, daß mir dieses Argument etwa gleichen Wert zu haben scheint, wie wenn jemand schließen wurde: Es ist kein Bedürfnis für eine neue Beleuchtungsart, etwa das elektrische Licht, vorhanden, denn es gibt ja Gas und Petroleum genug, und auch vor dem elektrischen Lichte haben die Menschen gesehen.
Ob die Zeit kommen wird oder ob sie nahe ist, wo die Wünsche der Feuerbestattungsvereine in Erfüllung gehen werden, weiß ich nicht, es ist dies auch nicht eine Frage, die ich zu erörtern habe.
Wenn ich aber ganz objektiv die Dinge überblicke und die Entwicklung der Menschheit betrachte, dann glaube ich sagen zu können: Gleich wie alle Kraftäußerungen und sinnlichen Erscheinungen der Natur in letzter Linie auf Wellenbewegungen zurückzuführen sind, so ist auch der menschliche Fortschritt ein wellenförmiger. Das Schiff der Menschheit steuert gleichsam aus den Wellen des Meeres. Einmal wird es hoch emporgehoben auf die Höhe einer Flutwelle, um dann wieder herabzusinken in ein tiefes Wellental, wo es still zu stehen scheint, bis es von einer neuen Welle ersaßt und wieder vorwärts getrieben wird. Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir jetzt in einer rückläufigen Bewegung begriffen und steuern tief im Wellental; aber wir können die geschichtliche und naturwissenschaftliche Überzeugung nicht verbergen, daß so wie bisher stets auf den Stillstand die Bewegung und auf den Rückschritt der Fortschritt gefolgt ist, es auch in aller Zukunft sein und gehen werde.
Und so wird auch ganz bestimmt die Zeit kommen, wo jene Vorurteile überwunden sein werden, die noch heute gegenüber der Feuerbestattung vorwalten, und es wird das ist meine felsenfeste Überzeugung - trotz aller hemmenden Rückschrittskräfte auch jene lichte Zeit kommen, wo denjenigen, welche wünschen, daß ihr individuelles Dasein, nachdem sie vom Leben geschieden sind, rasch und in schöner und reiner Weise in jenem Elemente zerstört werde, welches der Ausgangspunkt und der wichtigste Faktor für die ganze menschliche Kulturentwicklung geworden ist, dem Feuer; daß, sage ich, denjenigen, welche solchen Wunsch im Herzen tragen, die Freiheit gegeben sein wird, ihre sterblichen Überreste in ihrer Art zu zerstören.
Es wird bestimmt auch jene freie Zeit kommen, in der es dem Menschen freigestellt sein wird, im Feuer rasch oder in der Erde langsam zu verbrennen, und kein Zwang mehr bestehen wird, zur ausschließlichen, jahrelang andauernden und ästhetisch abstoßenden Verbrennung des menschlichen Körpers im Erdgrabe.
Wenn ich mir im Geiste Vergegenwärtige die Einheit der Vorgänge in der Erde und bei der Verbrennung und dabei die Endprodukte beiber Prozesse ins Auge fasse, so kann ich nur sagen, daß jener piätetvolle Spruch, den wir so gerne auf den Leichenstein eines lieben Dahingeschiedenen setzen, und der mir eigentlich die im Volksbewußtsein nie ganze erloschene Erinnerung daran, daß einstens auch unsere Ahnen ihre Toten dem Feuer zu überliesern pflegten, zum Ausdrucke zu bringen scheint, mit voller Berechtigung nur an die Urne gesetzt werden kann, der Spruch: "Friede seiner Asche!"
Unter Bezugnahme auf das Vorangeführte erlauben sich die Unterzeichneten die Anfrage zu stellen:
Ist Se. Exzellenz geneigt, bei der Regierung dafür einzutreten, daß die fakultative Feuerbestattung in Österreich ehebaldigst gestattet werde.
Prag, am 9. Oktober 1908.
Abg. Dr. Bernardin und Genossen.
(Während der Verlesung dieser Anfrage hat der Oberstlandmarschallstellvertreter Dr. Urban den Vorsitz übernommen. )
Oberstlandmarschallstellvertreter Dr. Karl Urban: Anfrage der Herren Abgeordnetten Lößt und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend den Geschäftspatriotismus der Prager amtlichen Zeitungen.
Lantagssekretär Dr. Haasz (liest): Anfrage der Abgeordneten Lößl und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend den Geschäftspatriotismus der Prager amtlichen Zeitungen.
Die Präger amtlichen und halbamtlichen Blätter "Prager Zeitung", "Prager Abendblatt" und "Pražské Noviny" versenden ein Rundschreiben an Geschäftsfirmen, das nach Inhalt, Stil, Grammatik und Rechtschreibung wörtlich folgendermaßen lautet:
Prag, im Jubiläumsjahr 1908. Graben 33.
Euer Hochwohlgeboren! Anläßlich des 60-jährigen RegierungsJubiläums Sr. Majestät wird für den 2. Dezember des Jahres die Herausgabe bet amtlichen Prager Zeitungen als Festnummer geplant.
Die Festnummer soll einleitend einen Rückblick auf die glorreiche Regierung unseres Kaisers bringen, die Entwicklung unserer Monarchie im allgemeinen, sowie die Entwicklung Böhmens, resp. Prags im besonderen während der 60-jähr. Regierung zu schildern. Die Festnummer, die selbstredend als patriotische Kundgebung gedacht ist und allen, die dieselbe be-