Pátek 9. øíjna 1908

daß die Erdbestattung nur auf einer alten christlichen Sitte beruhe, zu der sie allerdings, wie im früheren Zusammenhange dargelegt, erst zur Zeit Karls des Großen, der dem Klerus das Monopol der Leichenbeerdigung Verlieh, geworden war.

Der Einwand, daß die Feuerbestattung das Recht des Staates, Verbrechen auszudecken, beeinträchtige, widerlegt sich einfach dadurch, daß die hervorragendsten Kulturstaaten, die sich der Pflicht der Aufdeckung von Verbrechen gewiß nicht minder bewußt sind, in gerechter Prüfung und Würdigung der damit zusammenhängenden Fragen, auf die näher einzugehen, hier nicht Raum ist, die Feuerbestattung zugelassen haben.

Was aber die Pietät anbelangt, so mögen hievon jene Zeugnis ablegen, die jemals dem würdevollen Vorgange einer Feuerbestattung beigewohnt haben und davon mit dem Gefühle geschieden sind, daß der Leichnam des Verblichenen in wenigen Stunden zu dem geworden ist, was grauenvolle und unheimliche Ereignisse im Erdgrabe erst nach Jahren bewirken.

Unserem Konzessionsgesuche soll also nicht nur vom Standpunkte des bestehenden Rechtes, Sondern auch vom Standpunkte der allgemeinen Gerechtigkeit und Billigkeit entsprochen werden, damit, wie es in der am 23. Juni 1903 beschlossenen Resolution der die Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich anstrebenden Städte ausgesprochen ist, "das beschämende Gefühl beseitigt werde, daß Leichen von im Inland verstorbenen Österreichern, um dem erklärten letzten Willen gemäß eingeäschert zu werden, unter Aufwand großer Kosten in ausländische Krematorien überfuhrt werden müssen, bevor sie auf heimatlichem Boden ihre letzte Ruhestätte finden können".

Wir Stellen demnach durch unseren in A) ermächtigten Vertreter den Antrag:

Diesen Rekurs dem hohen k. k. Ministerium des Innern vorzulegen, hochwelches in Würdigung der von uns geltend gemachten Gründe die angesochtene Entscheidung der k. k. steiermärkischen Statthalterei dahin abändern wolle, daß unserem Gesuche vom 25. April 1901 um die Konzession zur Errichtung einer Leichenfeuerbestattungs-Unternehmung in Graz stattgegeben werde.

Verein der Freunde der Feuerbestattung "Die Flamme".

Welche Fortschritte die Feuerbestattung außerhalb Österreich gemacht hat, ist aus dem Aufrufe der Zentralleitung des Vereines der Freunde der Feuerbestattung "Die Flamme" in Wien, vom März 1907 ersichtlich, welcher lautet:

Längst hat man aufgehört, jene als weltverachtende Sonderlinge zu betrachten, welche dafür eintreten, daß menschliche Leichen, anstatt sie einer langsamen Verwesung mit all ihren Gefahren und Widerlichkeiten preiszugeben, durch einen raschen Verbrennungsprozeß aufgelöst werden, weichet nichts als ein Häuflein harmloser Asche übrig läßt.

Von berufenen fachmännischen Körperschaften ist die Notwendigkeit anerkannt und wird die Forderung erhoben, daß zur Zeit des Auftretens einer Seuche Vorrichtungen zur Einäscherung vorhanden sein sollen, welche zur Verhütung der Entwicklung von Epidemien, wie auch während des Bestehens solcher, von großer sanitärer Nützlichkeit sich erweisen würden.

In Italien, wo die Feuerbestattung seit 1874 gestattet ist, wird sie heute in. 28 Städten geübt; in Amerika, England und in skandinavischen Ländern bestehen seit Jahren Feuerhallen (Krematorien), und auch in Mitteleuropa wächst die Anzahl derselben von Jahr zu Jahr.

In Frankreich, und besonders in Paris, macht die Feuerbestattung rasche Fortschritte. Seit dem Jahre 1889 sind dortselbst bis Ende 1904 67. 676 Verbrennungen vorgenommen worden. In Reims und in Rouen bestehen bereits Feuerhallen, in Lyon soll demnäst eine solche, Vorläufig von Einäscherung von Spitalsleichen, errichtet werden, und in Nizza hat die Gemeinde auf einem der dortigen Friedhöfe einen Platz für eine zu erbauende Feuerhalle reserviert.

Die seit 1890 bestehende Feuerhalle in Zürich ist in städtischem Betrieb; eine zweite, in welcher die Einäscherung auf Staatskosten erfolgt, besitzt die Schweiz in Vasel; auch in Genf und St. Gallen bestehen bereits Feuerhallen und in Biel, Bern, Glarus, Luzern und Winterthur ist die Errichtung solcher in Ausficht genommen.

Zu der seit 1878 in Betrieb stehenden Feuerhalle in Gotha, in welcher bis Ende 1906 4400 Leichen - darunter eine nicht unbedeutende Anzahl aus Wien, Graz und anderen österreichischen Städten dahin überführter - eingeäschert worden sind, haben sich auf deutschem Boden seit 1891 dreizehn neue gesellt (zu Bremen, Chemnitz, Eisenach, Hamburg, Heidelberg, Heilbronn, Jena, Karlsruhe, Mainz, Mannheim, Offenbach a. M., Stuttgart und Ulm a. D. ); in Freiburg i. B., Hagen i. W. und Zwickau i. S. sind solche im Bau begriffen. In der Feuerhalle von Hamburg (Ohlsdorf) hat die Feuerbestattung bereits das dreiundzwanzigste Hundert, in jener von Heidelberg das siebzehnte Hundert, in jenen von Offenbach a. M. und Jena das elfte Hundert, in jener von Mainz das siebente und in jener von Mannheim das vierte Hundert überschritten. Demnächst werden in Baden-Baden und Durlach Feuerhallen errichtet und sind solche in Darmstadt, Dresden, Gera, Gießen, Leipzig, Gablonz a. N., Graz, Pößneck, Prag, Aussig, Mähr. -Ostrau, Reichenberg i. B. und Weimar geplant.

Aus englischem Boden sind Feuerhallen in London, Manchester, Liverpool, Glasgow, Birmingham, Bradford, Darlington, Hull und Leicester im Betriebe. London wird voraussichtlich in diesem Jahre bereits drei Einäscherungsanstalten besitzen: Ilford im Osten, Finchley im Norden und die große Anstalt der Cremation Society im Nordwesten. Sheffield wird in zwei Jahren im Besitze einer solchen sein. Außerdem steht die Errichtung von Feuerhallen infolge des vom Parlamente beschlossenen und vom König am 22 Juli 1902 unterzeichneten Leichenverbrennungsgesetzes (Cremation Act 1902), welches am 1. April 1904 in Wirksamkeit getreten ist, in vielen anderen Städten Großbritanniens bevor.

Zu den in der Feuerbestattungsfrage am raschesten fortschreitenden Ländern gehören die skandinavischen. Der Verein "Svenska Likbrännings Föreningen" zu Stockholm besitzt sechs Zweigvereine: in Göteborg, Gefle, Helsingborg, Oerebro, Malmö und Norrköping, und befinden sich Feuerhallen in Kopenhagen, Gothenburg und Stockholm; in Kopenhagen besteht der Verein "Forening for Ligbraending".

In Spanien wurde im August 1901 mittels königlicher Verordnung die Feuerbestattung zugelassen. Auch in Rußland wird die Einführung der Feuerbestattung beabsichtigt und ist der Bau einer Feuerhalle in Wladiwostok behufs Einäscherung der Pestleichen geplant.

Auf dem hygienischen Kongresse zu London 1891, auf welchem auch unser Vaterland durch hervorragende Funktionäre der öffentlichen Gesundneitspflege vertreten war, erklärte Sir Henry Thompson: "Die einzige Methode, um infektiöse Leichen wirklich unschädlich zu machen, ist die Desinfektion durch hohe Temperatur - die Verbrennung. " Nach eingehender Beratung wurde auf diesem Kongresse die Resolution angenommen: es seien "alle legislativen Hindernisse der Leichenverbrennung zu entfernen. "

Ähnliche Beschlüsse wurden auch von den letzten fünf hygienischen Kongressen gefaßt und wollen wir nur hervorheben, daß auf dem hygienischen Kongresse zu Budapest im Jahre 1894 einstimmig nachstehende Resolution beschlossen wurde:

1.   Die Feuerbestattung ist in hygienischer Beziehung von großer Bedeutung.

2.   Die Regierungen sind aufzufordern, die fakultative Feuerbestattung einzuführen und zu fördern.

Obwohl in Preußen bisher die Feuerbestattung nicht zugelassen wurde, hat dennoch im Jahre 1898 der Fortschritt mit der Aufstellung eines Verbrennungsofens in Berlin, Vorläufig allerdings nur für nicht individualisierte Leichen und Leichenteile, seinen Einzug gehalten. Die bezügliche Entschließung der Regierung entsprang sichtlich der Erkenntnis der hygienischen und wirtschaftlichen Vorteile, welche die Leichenverbrennung gegenüber der Erdbestattung bietet.

Auch der niederösterreichische Landessanitätsrat hat in einem Gutachten, welches er 1891 über die aus Anlaß der Einbeziehung von 23 Vororte-Kirchhöfen in das Wiener Gemeindegebiet zutreffenden Waßnahmen abgab, ausdrücklich betont, daß "die Verbrennung der Seichen, wenn sie in einer den Anforderungen der Justiz- u. Sanitätspflege, sowie der religiösen Rücksichten und der Pietät entsprechenden Weise vollzogen und nicht als kostspielige Sonderheit, sondern als eine in möglichster Allgemeinheit durchführbare Maßregel ins Werk gesetzt wird, den Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege entspricht, die Vielen Schwierigleiten, welche das Beerdigungswesen bereitet, am gründlichsten beseitigt und daher als eine Aufgabe der Zukunft anzustreben ist. " Die k. k. Statthaltern hat es dem Wiener Magistrate anheimgestellt, von diesem Gutachten den geeigneten Gebrauch zu machen.

Wie sehr das Interesse einer Großstadt dazu zwingt, die zur Verwesung der Leichname erforderliche Bodenfläche einzuschränken, spricht sich darin aus, daß ungeachtet der räumlichen Ausdehnung des Wiener Zentralfriedhofes wiederholt, wohl bereits viermal, Bergroßerungen des Friedhofs-Areales vorgenommen werden mußten, und daß die Kommune Wien abermals vor dieser Notwendigkeit sieht, wie aus solgenden in der Gemeinderatssitzung vom 15. Oktober 1901 (laut stenographischem Bericht des Amtsblattes Nr. 84, 18. Oktober 1901, S. 1946) vom Bürgermeister gesprochenen Worten hervorgeht:

"Für jeden, der die Verhältnisse der Stadt kennt, ist es klar, daß der Zentralfriedhof nur mehr auf eine kürzere ober längere Reihe von Jahren auslangt. Es muß daher eine voraussehende Gemeindeverwaltung darauf bedacht sein, an die Erweiterung dieses Friedhofes zu denken. Diese Erweiterung kann nach meiner Überzeugung nur in der Richtung gegen die Donau gesucht werden. Gegenüber dem Zentralfriedhofe befinden sich nur Gründe, die zum Teile Herrn Vogelsinger gehören, zum Teile den Gebrüdern Weichl, und dann der Komplex des sogenannten Neugebäudes. "

Man sieht, daß in der Großstadt alles nach jener Lösung der Bestattungsfrage hindrängt, welche dem Gefühle Tausender längst sympathisch geworben ist.

Bedürfte es hier eines Beweises, so wäre er wohl darin zu finden, daß sich bereits 72 österreichische Stadtgemeinden, darunter beinahe sämtliche Landeshauptstädte, mit einer Gesamteinwohnerzahl von 1 1/2 Millionen, durch ihre legalen Körperschaften für die Einführung der fakultativen Feuerbestattung in grundsätzlichen Beschlüssen ausgesprochen haben. Anläßlich der am 23. Juni 1903 in Wien stattgefundenen Konferenz, welcher 31 Reichsraisabgeordnete, mehrere Bürgermeister, sowie einige andere Delegierte als Vertretet der erwähnten Stadtgemeinden anwohnten, stimmten alle Anwesenden für eine Resolution, welche die Regierung auffordert, die fakultative Feuerbestattung in Österreich endlich freizugeben und die von mehreren Stadtgemeinden sowie von dem Wiener Vereine "Die Flamme" eingebrachten Gesuche wegen Erbauung von Einäscherungsstätten ausrecht zu erledigen. Das Ziel, das wir anstreben, ist keine Auflehnung gegen Religion und Pietät; der Glaube an ein künftiges Leben ist von der Dauer der Auflösung der sterblichen Überreste vollkommen unabhängig und die Pietät "für einen teuern Toten widerspricht dessen Übergabe an die Fäulnis gewiß nicht besser als dessen Auflösung durch erhitzte Luft.

niemandem, weder einem Mitgliede unseres Vereines noch jemand anderem, wird von uns auferlegt, die Feuerbestattung der eigenen irdischen Reste anzuordnen oder geschehen zu lassen; nur die Möglichkeit wollen wir schaffen, daß eine Bestattungsweise Eingang finde, welche unseren Empfindungen und den öffentlichen Interessen besser als die gegenwärtig in unserem Baterlande ausschließlich geübte entspricht. Soll dies Ziel erreicht werden, so müssen sich alle Freunde unserer Idee zusammenscharen.

Derer, die unsere Sache für gut und richtig halten, gibt es Tausende in den Verschiedensten Lebenskreisen, einzeln ohnmächtig, vermögen sie, zu machtvoller Zahl vereint, ebenso wie dies in anderen deutschen und nicht deutschen Ländern geschehen ist, die öffentliche Meinung und die maßgebenden Körperschaften und Behörden für unsere Sache zu gewinnen; nur wenn Tausende hinter ihr stehen, wird eine Petition um gesetzliche Regelung der Feuerbestattung in Österreich Erfolg haben.

Möge sich keiner von jenen, die dieses Blatt lesen, damit begnügen, uns stillschweigend zuzustimmen; wer uns recht gibt, der schließe sich uns an.

Wien, März 1907.

Die Zentralleitung:

Oskar Siedek, Beamter der k. k. priv. österr. Kredit-Anstalt, Präsident.

Dr. Leonhard Roesler, k. k. Hofrat, I VizePräsident.

Unbesetzt: II. Vize-Präsident.

Dr. Paul Pallester, Hof- und Gerichtsadvokat, I. Schriftführer.

Josef Markowitz, Privatbeamter, II. Schriftführer.

Wilhelm Lovrek, Fabriksbesitzer, Rechnungsführer.

Anton Klar, Beamter der k. k. priv. österr. Kredit-Anstalt, Schatzmeister.

Beiräte:

Franz Berger, k. k. Oberbaurat und Stadtbaudirektor.

Rudolf Boeck, k. k. Professor.

Dr. Karl Brunner v. Wattenwyl, k. k. Ministerialrat a. D.

Dr. Alex. Dorn Ritter v. Marwalt, k. k. Kommerzialrat, Schriftsteller.

Emil Dorobius, Ingenieur.

Rudolf Freisauff v. Neudegg, Chefredakteur in Salzburg, Obmann des Zweigvereines "Salzburg".

Med. -Dr. Moritz Helf, Chefredakteur des Vereinsorganes "Phönix".

Max Himly, Ober-Ingenieur.

Dr. Kaspar Irresberger, Rechtsanwalt in Linz a. D., Obmann des Zweigvereines "Oberösterreich".

Dr. Ludwig Kareil, Schriftsteller.

Dr. Jul. Kratter, k. k. Universitäts-Professor in Graz, Obmann des Zweigvereines "Steiermark".

Ernst Ritter v. Kuh, kommerzieller Kontrollor der priv. österr. Staatseisenbahn-Gesellschaft a. D.

Dr. Julius Mauthner, Regierungs- und Sanitätsrat, Universitäts-Professor.

St. C. Neubauer, Privatier. Dr. Karl Rimböck, prakt. Arzt. Dr. Ferdinand Steiner, prakt. Arzt.

Rudolf Stetka, Obmann des Arbeiter-Zweigvereines.

Dr. Franz Süß, Gymnasial-Professor.

Dr. Karl Toldt, Universitäts-Professor, Hofrat, wirkl. Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Mitglied des Herrenhauses.

Dr. Gust. Ad. Ungár-Szentmiklósy, Schriftsteller.

Anton Widlar, Administrationsbeamter.

Wie ungerechtfertigt der Widerstand gegen die Gestattung der Feuerbestattung ist, ergibt sich auch aus dem Vortrage, welchen Herr Dr. Julius Kratter, Universitäts-Professor in Graz, in der Hauptversammlung des Vereines der Freunde der Feuerbestattung,, Die Flamme" in Wien am 23. März 1895 gehalten hat, und welcher lautet:

Hochgeehrte Versammlung! Es ist wohl nur wenigen möglich, auch noch einen Blick in das Grab zu tun. Zu den wenigen, welche durch ihren Beruf genötigt waren, seit einer langen Reihe von Jahren dem Prozesse der Leichenzersetzung ihr Augenmerk zuzuwenden, gehöre auch ich. Es ist begreiflich, daß nachdem so wenige Menschen sich mit diesem Gegenstande zu befassen Gelegenheit haben, auch die Vorstellungen über die Dinge, welche sich nach der Bestattung im Erdgrabe abspielen, meist nur ganz unklar und unvollkommen sind.

Wohl haben es oft schon Künstler und Schriftsteller versucht, den Tod und das Grab darzustellen; allein, was sie schufen, sind zumeist Gebilde der eigenen Phantasie und nicht Wirklichkeit, mehr darauf berechnet, Grauen zu erregen, als zu belehren.

Meine Ausgabe wird es sein, nicht dergleichen Momentbilber grauenerregenden Inhaltes zu entwerfen, wie sie bei mir als Erinnerungsbilder von Gesehenem in reicher Zahl vorhanden sind, oder Gebilde der Phantasie vorzuführen, wie sie andere weniger gesehen als erdacht haben, Sondern meine Aufgabe soll es sein, schlicht und schmucklos zu berichten, was Wissenschaft und Beobachtung festzustellen vermochten über die Dinge, die vor sich gehen, nachdem der menschliche Leichnam in das Erdgrab gesenkt ist.

Die Reihe der Veränderungen beginnt mit dem Momente des Todes, als welchen wir den Stillstand des Herzens bezeichnen müssen. Es treten zunächst rein physikalische Vorgänge in den Vordergrund der Erscheinungen: Das Erkalten der Leichen infolge Aufhörens der Wärmebildung, die Erstarrung derselben (Totenstarre) durch Gerinnung des Muskeleiweißes, die Wertrocknung gewisser Stellen der Körperoberfläche wegen gesteigerter Verdunstung der Gewebsflüssigkeiten von feuchten, nässenden oberhautlosen Partien aus, endlich die Blutsenkung. Von dem Augenblicke an, als das Blut nicht mehr durch die Triebkraft des lebenden Herzens bewegt wird, nicht mehr im Körper kreist folgt diese Flüssigkeit nur noch dem physikalischen Gesetze der Schwere und senkt sich in die tiefst gelegenen Körperteile. So entstehen die als Totenflecke bekannten Leichenverfärbungen der Haut und die inneren Blutsenkungen (Hypostasen). Bald vermögen die Blutgefäße dem Drucke der auf ihnen lastenden Blutsäule nicht mehr Widerstand zu leisten, indem sie selbst verändert werden, und es tritt das Blut aus seinen natürlichen Behältern aus.

Um diese Zeit haben sich allerdings auch schon tiefgehende chemische Veränderungen des Blutes vollzogen: die Blutkörperchen sind zerfallen, der in ihnen befindliche Farbstoff des lebenden Blutes (Oxyhämoglobin) ist frei und in eine schmutzigbraune Abart (Methämoglobin) umgewandelt worden; die geronnenen Anteile (Blut- und Fibringerinnsel) wurden verflüssigt.

Bald wird die Oberhaut durch das gegen die Körperoberfläche vordringende Blut in Blasen aufgehoben, in einer Weise, die Brandblasen nicht unähnlich ist. Diese Fäulnisblasen sind mit schmutziggelbbrauner und rotbrauner Fäulnisflüssigkeit (Fäulnistranssudat) erfüllt und bedecken oft weite Strecken des Leichnams. Das Deckgewebe des Körpers, die Oberhaut, verfällt dadurch einer Mazeration, bald leistet auch sie nicht mehr Widerstand, die Blasen bersten und es treten die Körperflüssigkeiten nach außen. So kommt es, daß mit dem Zerfalle der Oberhautgebilde die Möglichkeit gegeben ist, daß allmählich alle Flüssigkeiten des Korpers nach außen wandern. Man nennt das die postmortale Ausblutung der Leichen, welche in der Regel einen Zeitraum von etwa zwei Monaten in Anspruch nimmt, so daß nach dieser Zeit alles Blut aus den Organen und den Geweben Verschwunden ist. Ein ähnlicher physikalischchemischer Vorgang ist auch die allerdings später beginnende Wanderung des Fettes oder besser eines Teiles des Fettes des menschlichen Körpers. Es zersetzt sich nämlich das Fett unter Ausscheidung des Glyzerins, an welches die Fettsäuren im Normalfett gebunden sind, und Freiwerden dieser letzteren. Die bei gewöhnlicher Temperatur flüssige Ölsäure vermag nun die Gewebe zu durchdringen und schließlich selbst aus dem Körper auszutreten, gleichwie das abgespaltene Glyzerin, während die Hauptmasse des Fettes, bestehend aus den festen Fettsäuren, an der ursprünglichen Bildungsstätte verharrt und als schwer zerstörbarer Teil des menschlichen Körpers oft lange Zeit erhalten bleibt.

Frühzeitig, und zwar schon ganz kurz nach dem Eintritte des Todes, beginnen auch die chemischen Zersetzungen, welche eine weitaus größere Wichtigkeit beanspruchen. Die chemische Leichenzersetzung ist ein höchst komplizierter Vorgang, dessen Einzelheiten noch keineswegs vollkommen bekannt sind, so sehr auch die wissenschaftliche Forschung der letzten Jahrzehnte bemüht war, Licht auch über dieses Dunkel zu verbreiten. Der Hauptsache nach besteht derselbe darin, daß aus den hoch zusammengesetzten Molekülen, welche am Aufbaue des menschlichen Körpers beteiligt sind, durch fortgesetzte Spaltungen immer einfachere Verbindungen gebildet werden.

Man hat in neuerer Zeit diesen chemischen Zersetzungsvorgängen eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und ist in der Erkenntnis dieser Veränderungen ziemlich weit Vorgeschritten, ohne daß es bisher möglich gewesen wäre, alle chemischen Umsetzungen von Stufe zu Stufe zu verfolgen und bis zu den Endgliedern festzustellen. Ich darf wohl auf eine interessante Gruppe besonders aufmerksam machen, welche Gegenstand vielfacher wissenschaftlicher Forschungen geworden ist. Es sind dies jene Körper, die man als Leichenoder Kadaveralkaloide (Ptomatine) bezeichnet hat. Selmi in Bologna hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, baß bei der Leichenzersetzung schon in einem frühen Stadium durch Beränderung der Eiweißkörper der menschlichen Gewebe neue basische Körper gebildet werden, welche in ihrer Wirkung gewissen in Pflanzen vorhandenen giftigen Stoffen, den sogenannten Pflanzenbasen, (Pftanzenalkaloiden) ganz ähnlich seien. Deswegen hat er die Bezeichnung Kadaver- oder Leichenalkaloide für diese ganze Gruppe von Fäulniskörpern gewählt. Brieger in Berlin hat diese Ptomatine einer besonders sorgfältigen Untersuchung unterzogen; er war es auch, welcher zuerst die chemische Konstitution einer größeren Anzahl dieser bei der Leichenfäulnis austretenden Spaltungsprodukte genau festgesetzt hat. Es würde zu weit führen, wenn ich auf die schon heute ziemlich große Zahl dieser Körper näher eingehen wollte.

Um ihnen, hochgeehrte Versammlung, nur eine beiläufige Vorstellung zu geben, habe ich hier auf der Tafel I eine größere Anzahl dieser Körper ausgeschrieben und bemerke nur, daß dieselben Verschiedenen chemischen Gruppen angehören und verschiedene Zusammensetzung haben; alle lassen sich jedoch aus den Eiweißkörpern als Spaltprodukte ableiten. Es sind insbesondere der Gruppe der zusammengesetzten Ammoniake, der Amine und Diamine angehörige Körper, welche bei der Leichenfäulnis in verschiedener zeitlicher Aufeinanderfolge gebildet werden und wieder verschwinden, um anderen Platz zu machen. Bezüglich dieser Fäulnisbasen bemerke ich noch, daß ein Teil derselben giftig, ein anderer Teil ungiftig ist. Es werden also tatsächlich durch die Zersetzungsvorgänge im Grabe auch teilweise giftige Körper gebildet.

Tafel I. Leichenalkaloide - Ptomatine*).

Amine.

Methylamin CH3 NH2, Athylamin C2H5NH2, Propylamin C3H7NH2, Dimethylamin (CH3)2 NH, Diäthylamin (C2H5)2 NH, Trimethylamin (CH3)3 N, Triäthylamin (C2H5)3 N, Isophenyläthylamin (Collidin C6 H5 CH, CH3 NH2, sämtlich giftig, örtlich reizend und gehirnreizend.

Diamine.

Athylendiamin C2H4 (NH2)2, Äthylidendiamin CH3 CH(NH2)2, Trimethylendiamin (CH2)3 (NH2)2 giftig, wie oben.

Tetramethylendiamin (CH2)4 (NH2)2 (Putrescin), Pentamethylendiamin (CH2)5 (NH2)2 (Cadaverin), Neuridin, Saprin dem Cadaverin isomere, ungiftig.

*) Die Formeln sind neu hinzugefügt worden, ebenso die genaue Bezeichnung der Giftigkeit.

Cholingruppe.

Cholin C5 H15 NO2, in größerer Menge giftig. Muscarin (Leichen-Muscarin), Fliegenschwammgift C5 Hl5 NO3. Neurin C5 H13 NO, giftig. Oxyneurin (Betain, Lycin) C5 H13 NO3, wenig giftig.

Andere

(mit zum Teil noch unbekannter Zusammensetzung).

Mydin C8 H11 NO, ungiftig. Mydalein (vielleicht ein Diamin), ungiftig. Mydatoxin C6 H13 NO2, giftig. Gadinin C7 H17 NO2, giftig, Sepsin. Ptomatropin (Fäulnisatropin), giftig. Ptomatocurarin (Fäulniscurarin), giftig. Peptotoxin, giftig. Tyrotoxin, giftig.

Um aber keine irrige Vorstellung aufkommen zu lassen, möchte ich hier noch bemerken, daß dasjenige, was man Leichengift nennt, wohl nicht einer von den hier aufgeschriebenen Körpern ist, sondern wenn Leichen in der gewöhnlichen Sprachweise giftig wirken und tatsächlich Blutvergiftung bei demjenigen, der damit hantiert, unter Umständen hervorrufen können, so sind das lebende Organismen, in der Leiche vorhandene Krankheitsoder Fäulniserreger, die von da auf den lebenden Körper eines Menschen gelangen und durch ihre Zersetzungen die bösartigen Folgen der Blutvergiftung nach sich ziehen.

In einer zweifellos langen Kette weiterer, meist noch unbekannter Zersetzungen spalten sich diese Körper fort und fort, so daß schließlich verhältnismäßig einfache Körper als Endprodukte des ganzen chemischen Leichenzersetzungsvorganges erscheinen. *) Ich werde später noch auf diese Endprodukte der Leichenzersetzung zu sprechen kommen.

Eingeleitet und unterhalten werden alle Spaltungen der hoch zusammengesetzten Eiweißkörper der menschlichen Gewebe durch lebende Organismen, Spaltpilze, welche ihrerseits in üppigster Lebenstätigkeit begriffen, aus den abgestorbenen menschlichen Geweben immer neue und anders zusammengesetzte Körper als Stoffwechselprodukte ihres Lebens bilden um einem allgemeinen Gesetze zufolge generationenweise in den eigenen Stoffwechselprodukten unterzugehen.

*) Selbstverständlich sind auch die schon heute bekannten in der Tabelle angeführten Leichengifte keineswegs gleichzeitig vorhanden, sondern einzelne erscheinen früh, verschwinden bei der weiteren Fäulnis und machen anderen Platz, so daß man auf diesem Verhalten gegeradezu eine chemische Chronologie der Fäulnis wird begründen können, wie ich dies schon am X. internationalen medizin. Kongreß in Berlin dargetan habe. (Über die Bedeutung der Ptomatine für die gerichtliche Medizin. )

Die Individuenzahl dieser kleinsten Leichenzerstörer ist unschätzbar groß. Milliarden und aber Milliarden von Leichenbakterien sind an der Zerstörung eines einzigen Leichnams beteiligt; beschränkt ist jedoch ihre Artzahl.

Man hat viele dieser Mikroorganismen in ihren biologischen Eigenschaften näher studiert, und es ist heute schon eine ziemlich große Anzahl von Fäulniserregern vollkommen nach allen Richtungen sichergestellt. *) Zweifellos sind aber auch noch andere, bisher nicht genauer untersuchte Pilze an der Leichenzersetzung beteiligt. So will ich nur erwähnen, daß in meinem Institute in Graz Untersuchungen im Zuge sind über einen neuen, bei der Leichenfäulnis aufgefundenen Pilz, der an der Oberfläche faulender Organe wuchert.

Es sind aber nicht bloß diese niedrigsten Pflanzengebilde, die Spaltpilze, die an der

*) Nach den sorgfältigen, im Laboratorium von Bizzozero ausgeführten Untersuchungen Ottolenghi's über die Fäulnisbakterien des Blutes sind bei der Leichenfäulnis hauptsächlich die nachfolgenden Spaltpilze beteiligt:

Beginnende Fäulnis: Mesentericus vulgatus. Mesentericus fuscus. Mesentericus fuscus B.

Beginnende Fäulnis: Mesentericus fuscus. Mesentericus fuscus B. Bacillus subtilis. Bacillus subtilis B. Mikrococcus albus liquefaciens.

Borgeschrittene Fäulnis: neben den vorigen Bacillus candicans Mikrococcus candicans. Mikrococcus luteus. Mikrococcus aurantiacus. Sternförmiger Coccus. Bacillus albus cadaveris. Bacillus citreus cadaveris.

Die beiden letztgenanten, von Straßmann und Strecker eingehend studierten Bazillenarten gehören der Spätfäulnis an

Leichenzersetzung mitwirken; auch Ihnen allen sehr wohlbekannte höhere Pflanzenorganisation finden den Boden zu ihrem Gedeihen, zu ihrem Achsen und zur Ausbreitung auf der menschlichen Leiche: die Schimmelpilze. Alle Schimmelarten, die bisher bekannt geworben sind, kommen auch aus der Leiche vor, und zwar werden sie schon frühzeitig daselbst angesiedelt gefunden. Ich glaube, nach eigener Erfahrung sagen zu können, daß die Aufgabe dieser streng lustlebigen (aeroben) Pilze, welche daher immer nur an der Oberfläche des Körpers wachsen können, die ist, die sehr widerstandsfähige Lederhaut zu zerstören.

Man findet die Schimmelbildung daher auch schon bei Leichen in den anfänglichen Stadien der Zersetzung, in den ersten Monaten bis nach Schluß des ersten Jahres, aber auch noch weit darüber hinaus. Ganz und gar verschimmelte Leichname findet man, wie ich aus eigener reicher Erfahrung bezeugen kann, bei Ausgrabungen oft nach vielen Jahren.

Allein nicht nur auf der Pflanzenwelt, nicht nur diese unterirdische Flora, wenn es gestattet ist, für solche Pflanzengebilde diesen schönen Namen zu gebrauchen, sondern auch Tiere nehmen Anteil an der Zerstörung des Körpers im Grabe. Es sind Ihnen wenigstens im allgemeinen wohlbekannte Tiere, welche hier mitarbeiten: Insekten, vor allem verschiedene Fliegengattungen sind es, die ihre Eier teils direkt auf die noch unbestattete Leiche absetzen, teils auf die Graberde ablegen, deren Larven dann in das Grab einbringen, den Leichnam besiedeln und dort ihr Zerstörungswetk beginnen. Es sind auch hier wieder neue Untersuchungen gewesen, welche sich der Erforschung dieser Tierwelt zugewendet haben. Ich nenne insbesondere Reinhard, Handlirsch, einen Wiener und Megnin. Letzterer hat eine Tabelle entworfen über die wichtigsten der bei der Leichenzersetzung beteiligten Insekten. Auch hier möchte ich wohl nicht aus die Einzelheiten eingehen, ich will nur einiges zur Tabelle bewerken, welche Sie hier auf dieser Tafel aufgeschrieben finden.

Tnfel II. Gräberfauna nach Megnin.

1. Periode sarcophagienne (3monattiche Dauer). Dipterengattungen: Cyrtoneura, Caliphora, Lucilia, Sarrophaga, Muskelzehrer.


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