121 abgegebenen Stimmen 54 für die Dringlichkeit und 67 Stimmen gegen die Dringlichteit ergeben.
"Der Antrag wird somit", wie der Präsident verkündete, "geschäfsordnungsmäßig behandelt werden" - eine spezifisch österreichische Bestattungsform von Anträgen, die so ziemlich dem Begraben gleichkommt Nichts destoweniger bleibt die Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses vom 24. April d. I. für die krematistische Welt von erhöhter Bedeutung, und zwar nicht so sehr deshalb, weil die erhebliche Anzahl Von Abgeordneten der verschiedensten Nationalität und Parteirichtung, welche sich für die dringliche Behandlung der Feuerbestattungsfrage einsetzten, das immer höher steigende Interesse der österreichischen Bevölterung an der Feuerbestattungsfrage deutlich kennzeichnet, sondern insbesondere auch dadurch, daß sich die österreichische Regierung endlich gezwungen sah, zur Feuerbestattungsfrage, die sie bisher konsequent ignorierte, offen Stellung zu nehmen.
Mag auch die österreichische Regierungsertlärung den Anhängern der fakultativen Feuerbestattung in Österreich den Fehdehanbschuh hingeworfen haben - der Stein ist wenigstens ins Rollen gebracht, der Kampf ist eröffnet!
Die Berfechter der fakultativen Feuerbestattung in Österreich werden den Kamps mit aller Entschiebenheit und mit dem frohen Bewußtsein aufnehmen, daß im Streite um Ideen noch stets die gute Sache den Sieg davongetragen hat.
Daß der Minister des Innern wenige Tage, nachdem er seine Regierungserklärung, der ein besonderer Artikel gewidmet werden soll, abgegeben, gefallen ist, wenn auch nicht über die Feuerbestattungsfrage, mag als gutes Omen in diesem Kampfe gelten!
Die Nummer 8 der genannten Druckschrift vom August 1906 enthält über den Stand der Feuerbestattung in Österreich nachstehenden Aufsatz:
Bekanntlich hat im Juni 1903 in Wien eine Konferenz der die fakultative Feuerbestattung anstrebenden Stadtgemeinden Oesterreichs getagt, die von nicht weniger als 70 Städten, darunter den Landeshauptstädten Prag, Graz, Xrieft, Laibach, Klagenfurt, Innsbruck, Linz und Troppau, beschickt war. Die Beschlüsse der Konferenz gingen wesentlich dahin, an die Regierung im Petitionstwege das Begehren zu richten, daß die fakultative Feuerbestattung, die bereits in allen Kulturländern Eingang gesunden, auch in Oesterreich zugelassen und zu diesem Behufe die von dem Wiener Bereine "Die Flamme" für Graz, von dem Prager Feuerbestattungsverein für Prag und von mehreren Stadtgemeinden überreichten Konzessionsgesuche wegen Errichtung von Feuerbestattungsanstalten genehmigt werden mögen. Die Konferenz setzte auch einen Bollzugsausschuß mit der Aufgabe ein, die Ausführung der Beschlüsse der Konferenz zu überwachen.
Während die Bestrebungen nach Einführung der fakultativen Feuerbestattung die längste Zeit hindurch einem passiven Widerstande der Regierung begegneten, indem die vor mehr als fünf Jahren eingebrachten Konzessionsgesuche überhaupt feine Erledigung fanden, gab im Laufe der gegenwärtigen Session des Abgeordnetenhauses der damalige Minister des Innern Graf Bylandt-Rheibt über einen in dieser Richtung eingebrachten Dringlichkeitsantrag die Erklärung ab, baß die Regierung der Fewerbestattungsfrage wesentlich aus dem Grunde nicht nähertreten könne, weil die Erdbestattung gesetzlich vorgeschrieben sei, die Feuerbestattung daher nur im gesetzlichen Wege geregelt werden könnte. Offenbar im Zusammenhange mit dieser Regierungserklärung wurden dann die eingebrachten Konzessionsgesuche von den einzelnen Statthaltereien mit derselben Begründung abgewiesen.
Zur Beratung darüber, wie diesem abweislichen Bescheide zu begegnen sei, wurde der Bollzugsausschuß für den 2. Juli d. I. nach Wien zu einer Sitzung in den Lokalitäten des Vereines "Die Flamme" einberufen.
Anwesend waren die gewählten Mitglieder des Vollzugsausschusses: Sanitätsrat Dr. Heinrich Zahoø, Obmann des tschechischen Feuerbestattungsvereines (Prag); Wed. Dr. Richard Pichler (Ktagenfurt): Oskar Siedek, Präsident des Bereines "Die Flamme" (Wien); Dr. Paul Pallester, I. Schriftführer des Vereines "Die Flamme"; und überdies: Josef Markowitz, II. Schriftführer des Bereines
"Die Flamme" (Wien); Anton Klaar, Schatzmeister des Vereines,, Die Flamme" (Wien).
Ihre Abwesenheit hatten entschuldigt die Herren: Universitäts-Professor Dr. Ferdinand Kratter. (Graz); Bürgermeister Hribar (Laibach).
Präsident Siedek übernahm auf Ersuchen den Vorsitz und eröffnete nach herzlicher Begrüßung der Anwesenden die Sitzung. Er gab zunächst seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß von den Mitgliedern des Vollzugsausschusses die Herren Professor Dr. Kratter und Bürgermeister Hribar am Erscheinen verhindert seien, von Dr. Hortis (Triest) und Professor F. Hofmann (Troppau) keine Antworten eingelangt seien.
Präsident Siedek streifte in kurzen Worten den Gegenstand der Sitzung, die Beschlußfassung über die Art der geplanten Aktion bei der Regierung, für welche er im Hinblicke auf den längst schwebenden Rekurs des tschechischen Vereines und den eben überreichten Rekurs des Vereines "Die Flamme" beide in den Konzessionsangelegenheiten - eine Handhabe und mit Rücksicht aus die derzeitige parlamentarische Regierung eine günstige Gelegenheit zu erblicken glaubt und erteilt hierauf zum Referate über den Rekurs des Wiener Vereines das Wort an Dr. Pallester. Dieser bespricht die abschlägige Entscheidung der k. k. Statthalterei vom 4. April 1906 über das Konzessionsansuchen, welche mit dem Tenor der Erwiderung des seinerzeitigen Ministers des Innern Grafen Bylandt-Rheidt auf den am 24. April 1906 von Dr. Jäger gestellten Dringlichkeitsantrag wegen Zulassung der Feuerbestattung ziemlich Verwandt sei, was auf die gleiche geistige Urheberschaft schließen lasse.
Dr. Pallester bringt hierauf den von ihm verfaßten Rekurs zur Verlesung, der in treffender Weise den abweislichen Standtpunkt des Beschlusses: "daß nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bestattung der Leichen im Wege der Beerdigung vorgeschrieben ist, somit auch die Leichenverbrennung unzulässig erscheint und daß eine Konzession im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R. -G. -Bl. Nr. 13 ex 1886 nur solchen Bewerbern verliehen werden kann, welche die mit der Beerdigung von Leichen Verbundenen Besorgungen zu übernehmen beabsichtigen" widerlegt.
Ebenso verficht Dr. Pallester in dem Rekurse im Gegensatze zu der von Exzellenz Grafen Bylandt-Rheidt seinerzeit vertretenen Anschauung den Standpunkt, daß die Einführung der Feuerbestattung sehr wohl im Verordnungswege möglich ist und keines Gesetzes bedarf.
Der Mangel an gesetzlichen Vorschriften für die Leichenverbrennung ist, ohne daß gegen dieselbe ein Verbot existiert, eben eine Lücke im Gesetze, welche auszufüllen Sache der Rechtsverstandigen ist, und zwar im Sinne des § 7 a) b) G. -B. im Wege der Rechtsanalogie, eventuell "mit Hinsicht aus reifliches Erwägen der Umstände nach natürlichen Rechtsgrundsätzen", und zwar, da es sich um öffentliches Recht handelt, mit Bestimmungen, die das hohe Ministerium zu treffen befugt ist.
Die Rechtsanalogie hat eben einzugreifen, wenn "Rechtsverhältnisse keine Normierung" erhalten haben, was insbesondere dann leicht stattfinden wird, wenn der geschäftliche Verkehr einen raschen Aufschwung nimmt und das täglich fortschreitende Leben neue Verhältnisse erzeugt, für welche ein früher abgefaßtes Gesetzbuch eine normierende Rechtsregel nicht aufstellen konnte.
Es kann dann aber auch nicht an dem Verordnungsrechte des hohen Ministeriums gezweifelt werden, umsoweniger, als Erd- und Feuerbestattung keine kontradiktorischen Gegensätze sind, da die Feuerbestattung die Erdbestattung eingeäscherter Leichname ja nicht ausschließt; eine Erwägung, die nicht nur deutlich für die Zulässigkeit der Anwendung der Rechtsanalogie spricht, sondern auch eine breite Grundlage für die Ausübung des Verordnungsrechtes des hohen Ministeriums bietet.
Dr. Pallester betonte nun, daß die Aktion bei den Ministern dahin gerichtet sein soll, den beiden Rekursen Folge zu geben.
Als zweiter Punkt des Aktionsprogrammes wurde die neuerliche Eingabe an das Eisenbahn-Ministerium wegen Abschaffung des Leichenbegleiters bei Kremationstrausporten unter Hinweis auf die in Deutschland erfolgte Beseitigung dieses bisherigen Erfordernisses beschlossen.
Darauf nahm Sanitätsrat Dr. Zahoø das Wort, dankte zunächst für die an ihn ergangene Einladung und besprach die dem tschechischen Vereine in dessen Konzessionsangelegenheit zugemittelte abschlägige, in vermandter Weise begründete Entscheidung, gegen welche ebenfalls der Rekurs ergriffen wurde, der nun der Erledigung harrt.
Dr. Zahoø berichtet weiters über seine bereits mit Minister Exz. Dr. Forscht diesbezüglich gepflogene Unterredung und erachtet, wiewohl er sich bezüglich des Erfolges der geplanten Aktion nicht den rosigsten Hoffnungen hingibt, dennoch den gegenwärtigen Zeitpunkt hiefür nicht ungünstig.
Was nun die Art der Inangriffnahme der Aktion betrifft, wurde folgendes beschlossen.
Der Vollzugsausschuß begibt sich am Dienstag den 3. Juli a. c. ins Abgeordnetenhaus, woselbst mit denjenigen Herren Abgeordneten, die sich in der Feuerbestattungsfrage irgendwie schon betätigt haben ein Kontakt gesucht wird.
Diesbezüglich sind Von den deutschen Abgeordneten die Herren Dr. Hofmann v. Wellenhof, Dr. Beurle, Dr. Funke und Dobernig ins Auge gefaßt, während Dr. Zahoø die Herren Dr. Spindler, Skala und Dr. Hortis hiesür Vorschlägt.
Nach Informationen der für die Aktion gewonnenen Herren begibt sich der Vollzugsausschuß unter Führung der Abgeordneten zum Ministerpräsidenten und zu den einzelnen Ressortsministern, um in kurzen Worten seine Wünsche zum Ausdrucke z bringen.
Als Zeitpunkt für die Zusammenkunft im Abgeordnetenhause wurde 11 Uhr vormittags festgesetzt.
Unter herzlichem Danke an die Anwesenden für ihr Erscheinen und mit den besten Wünschen für einen günstigen Erfolg der Aktion schloß Herr Siede! die Sitzung.
Die aus den Herren Landessanitätsrat Dr. Zahoø (Prag), Dr. Richard Pichler (Kla. genfurt), Präsident Oskar Siedek und Schriftführer Dr. Pallester (Wien) bestehende Deputation begab sich am 3. Juli 1906 unter Führung der Abgeordneten Spindler, Dobernig, Dr. Beurle und Dr. Hofmann v. Wellenhof an den verschiedenen Ministern, um eine Abänderung der Entscheidungen der Statthaltereien zu erwirken, Die Deputation wurbe von sämtlichen Ministern in liebenswürdigster Weise empfangen. Die Minister Prade, Dr. Pacak, Dr. v. Derschatta und Dr. Forscht sprachen sich der Deputation gegen über als Anhänger der fakultativen Feuerbestattung aus und versprachen die Bestrebungen der Deputation nach Möglichkeit sördern Zu wollen. Minister Dr. Stechet erklärte. von seinem Standpunkte der Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich fein Hindernis entgegenzusetzen. Justizminister Dr. Klein bemerkte zur großen Befriedigung der Deputation, daß die seinerzeitige Erklärung des gewesenen Ministers Grafen BylandtRheidt ohne Einvernehmen mit dem Justizminister abgegeben wurde und daß er gegebenen Falles Gelegenheit nehmen werde, die juristische Seite der Frage eingehend zu würdigen. Der Minister des Innern Freiherr V. Bienerth erklärte wohl, daß er sich der kundgegebenen Auffassung des Ministers Bylandt-Rheidt seinerzeit angeschlossen habe, daß er aber gern bereit sei, die Angelegenheit auf Grund der Ausführungen des Rekurses, der abschriftlich sämtlichen Ministern von der Deputation übergeben wurde, neuerdings gründlichst zu prüfen. Beim Ministerpräsidenten, der durch Amtsgeschäste sehr in Anspruch genommen war, konnte die Deputation nicht vorsprechen. Abg. Dr. Beurle übernahm es jedoch, ihm die Wunsche der Deputation persönlich vorzubringen.
Die Anhänger der Feuerbestattung hoffen nunmehr, daß die fakultative Feuerbestattung in Österreich in absehbarer Zeit zur Einführung gelangen werbe.
Im Anschlüsse an den vorstehenden Bericht möge hier der Rekurs des Vereines der Freunde der Feuerbestattung "Die Flamme" in Wien an die k. k. steiermärkische Statthalterei gegen deren Entscheidung vom 4. April 1906, G. -Z. 37545 ex 1905, verfaßt vom Borstandsmitgliede Hof- und GerichtsAdvokaten Dr. Paul Pallester, seinen Platz sinden:
Durch die hierämtliche Entscheidung vom 4. April 1906, Z. 37. 545/1905, welche' unserem gegenwärtigen Präsidenten, Herrn Oskar Siedek, am 19. Mai 1906 zugestellt wurde und womit unserem Ansuchen vom 25. April 1901 um die Konzession zur Errichtung und zum Betriebe einer Leichenbestattungs-Unternehmung in Graz nach der Berordnung der k. k. Ministerien des Handels und des Junern vom 30. Dezember 1885, R. -G. -Bl. Nr. 13 ex 1886, keine Folge gegeben wurde, erachten wir uns beschwert und erstatten dagegen in offener Frist nachstehenden Rekurs:
Wir können nicht umhin, vor allem unserem Befremden darüber Ausdruck zu geben, daß die k. k. steiermärkische Statthalterei nicht weniger als fünf Jahre gebraucht hat, um unser am 25. April 1901 überreichtes Gesuch - aus dem einzigen Grunde abzuweisen, weit angeblich nach dem Gesetze eine andere Bestattungsart von Seichen als im Wege der Beerdigung unzulässig erscheint.
Das Lustrum, welches verstreichen mußte, um diese Entscheidung zur Reife zu bringen, spricht jedenfalls dafür, daß der einzig hiefür geltend gemachte Grund im Schöße der k. k. Statthalterei selbst jahrelang dem größten Zweisel begegnet haben dürfte.
Die Grundlage der angefochtenen Entscheidung ist aber nicht nur zweifelhaft, sondern nachweisbar unrichtig.
Die k. k. Statthatterei beruft sich darauf, daß nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bestattung der Seichen im Wege der Beerdigung vorgeschrieben ist, daß eine andere Bestattungsart, somit auch die Leichenverbrennung, unzulässig erscheint, und daß eine Konzession im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R. -G. -Bl. Nr. 13 ex 1886, nur solchen Bewerbern erteilt werden kann, welche die mit der Beerdigung - die Unterstreichung des letztgenannten Wortes ist der uns zugestellten Ausfertigung der Statthaltereientscheidung entnommen - von Seichen verbundenen Besorgungen zu übernehmen beabsichtigen.
Beide Prämissen der angefochtenen Entscheidung sind irrig.
Weder existiert ein österreichisches Gesetz - wenn man nicht etwa auf Karl den Großen, den Begründer der Ostmark welcher die bis dahin unter den germanischen Stammen übliche Leichenverbrennung verboten hat, zurückgreifen wollte - welches die Beerdigung der Seichen vorschreibt, noch ist in dem Wortlaute der Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1886, R. -G. -Bl. Nr. 13 ex 1886, auch nur ein einzigesmal von "Beerdigung" die Rede.
Der Mangel einer geseßlichen Forschrift, daß menschliche Seichen beerdigt werden müssen, ist durchaus nicht überraschend, sondern geradezu selbstverständlich.
Ist doch die Beerdigung der menschlichen
Seichen eine seit Jahrhunderten in Europa eingebürgerte Gewohnheit, die zu durchbrechen niemandem beifiel, bis zu dem Zeitpunkte, wo vor einigen Jahrzehnten die aus noch früherer Zeit stammende Gewohnheit, die Seichen bor deren endgültiger Bestattung einzuäschern, ihre Wiedergeburt feierte.
Kein Wunder daher, daß dem österreichischen Gesetzgeber jeder Anlaß fehlte, eine Einrichtung, welche ohnehin durchgehende seit Jahrhunderten fest begründet war und von jedermann beobachtet wurde, zum Gegenstände einer gesetzlichen Forschrift zu machen. Eine gesetzliche Vorschrift, daß Seichen beerdigt werden müssen, besteht also nicht.
Dagegen kann nicht geleugnet werden, daß alle österreichischen gesetzlichen Bestimmungen, welche sich mit der Bestattung menschlicher Leichname beschäftigen, so z. B. die Anordnungen, wann die Seichen bestattet werden müssen u. dgl., die Beerdigung der Seichen eben mit Rücksicht auf die erwähnte, Jahrhunderte alte, allgemeine Gewohnheit als selbstverständlich voraussetzen.
Sollte sich aber die k. k. Statthalterei bei ihrer Entscheidung darauf berufen wollen tatsächlich ist es nicht geschehen - so geschähe es mit Unrecht, denn der Umstand, daß bestimmte gesetzliche Forschriften auch noch so allgemeine und fest begründete Gewohnheiten zur Voraussetzung haben, kann nach den Grundsätzen logischen Urteites und nach allgemeinen und natürlichen Rechtsgrundsätzen diese Gewonenheiten selbst nicht derart sanktionieren, daß eine Übertretung dieser Gewohnheiten ungesetzlich wäre.
Damit solchen im Gesetze selbst lediglich vorausgesetzten Gewohnheiten der Charakter gesetzlichen Zwanges verliehen werde, müßten sie entweder den Inhalt eines ausdrücklichen gesetzlichen Gebotes bilden, oder ihre Nichtbeachtung müßte ausdrücklich von Gesetzes wegen Verboten sein.
Wir gestatten uns in dieser Richtung auf ein anderes Sach- und Rechtsverhältnis hinzuweisen, welches mit dem gegenständlichen viele Analogien bietet.
Man kann wohl behaupten, daß die Schutzpockenimpfung, wenn auch lange nicht in dem Maße wie die Beerdigung der Leichen, eine bei der öfterreichischen Bevölkerung seit längerer Zeit festgegründete Gewohnheit geworden ist; eine ganze Reihe von behördlichen Vorschriften und Verordnungen setzt diese Gewohnheit voraus, und sogar in dem Reichssanitätsgesetze wird aus das Impfwesen Rücksicht genommen, dessen Leitung als der Staatsverwaltung obliegend erklärt wird.
Und dennoch ist in Österreich niemand dem Zwange unterworfen, sich impfen lassen zu müssen, weil ein gesetzliches Gebot hiefür nicht existiert.
Wenn wir oben darlegten, daß im Gesetze lediglich vorausgesetzte allgemeine Gewohnheiten den Charakter gesetzlichen Zwanges nur dann erlangen, wenn sie entweder den Inhalt eines ausdrücklichen gesetzlichen Gebotes bilden, ober ihre Nichtbeachtung ausdrücklich Von Gesetzwegen verboten ist, so müssen wir allerdings eine Einschränkung zugeben, nämlich die, daß etwa das Abweichen von solchen allgemeinen Gewohnheiten den Grundsätzen der Sittlichkeit und der Moral widerstreiten würde, weil auch dadurch allein die allgemeine Gewohnheit unter der Sanktion des Gesetzes stünde, nach dessen Grundsätzen eine unsittliche oder unmoralische Handlung auch ungesetzlich ist.
Es kann aber gewiß nicht behauptet werden, daß die Leichenverbrennung einem Gesetze der Sittlichkeit oder Moral widerstreitet und in dieser Richtung genügt wohl der Hinweis darauf, daß die Leichenverbrennung heute beinahe in allen Kulturländern, voran in Deutschland, Italien, Frankreich, England und Nordamerika, nicht nur eingebürgert ist, sondern eine anerkannte von Staatswegen geschützte öffentliche Einrichtung bildet.
Da somit weder die Leichenbeerdigung in Österreich von Gesetzwegen ausdrücklich anbefohlen ist, noch die Leichenverbrennung von Gesetzwegen ausdrücklich Verboten ist, auch die Leichenverbrennung feinen allgemeinen Grundsätzen der Sittlichkeit und Moral widerspricht, so kann mit Grund behauptet werden, daß die Leichenverbrennung in Österreich Von Gesetzeswegen gestattet ist, und daß die von dem entgegengesetzten Standpunkte ausgehende Entscheidung der k. k. steiermärkischen Statthalterei unrichtig ist.
Wollte man aber etwa behaupten, baß aus jenen gesetzlichen Bestimmungen, welche die Bestattung von Leichen zum Gegenstande haben, deutlich hervorgeht, daß der Gesetzgeber nur die Beerdigung der Seichen im Auge gehabt hat - was richtig ist - und daß daraus solge, daß der Gesetzgeber die Leichenverbrennung ausgeschlossen haben wollte, so wäre dies aus verschiedenen Gründen unrichtig.
Wenn der Gesetzgeber nur an die Leichenbeerdigung gedacht hat, an die Leichenverbrennung aber schlechtwegs nicht gedacht hat, so resultiert daraus durchaus nicht ein gesetzliches Verbot der Leichenverbrennung, sondern äußerstens - eine Lücke im Gesetze, d. h. es ist eben im Gesetze, und das wird ohne weiters zugestanden, darüber überhaupt nicht die Rede, welche Vorschriften für die Leichenverbrennung, ohne daß sie verboten ist, zu gelten haben.
Dann ist es aber eben Sache der Rechtsverständigen, im Sinne des § 7 a. b. G. -B. im Wege der Rechtsanalogie, eventuell "mit Hinsicht aus reifliches Erwägen der Umstände nach natürlichen Rechtsgrundsätzen" diese Lücke des Gesetzes auszufüllen, und zwar, da es sich um öffentliches Recht handelt, mit Bestimmungen, die das hohe Ministerium zu treffen befugt ist.
Die Rechtsanalogie ist zulässig, weil der Gesetzgeber, und darüber ist wohl kein Zweifel, nicht etwa absichtlich von der Leichenverbrennung geschwiegen hat, sondern entsprechend den damaligen Verhältnissen an die Leichenverbrennung überhaupt gar nicht gedacht hat.
Die Rechtsanalogie hat eben einzugreifen, wenn, wie Unger lehrt, "Rechtsverhältnisse keine Normierung erhalten haben, was insbesondere dann leicht stattfinden wird, wenn der geschäftliche Verkehr einen raschen Aufschwung nimmt und das täglich fortschreitende Leben neue Verhältnisse erzeugt, für welche ein früher abgefaßtes Gesetzbuch eine normierende Rechtsregel nicht aufstellen konnte. "
Es kann dann aber auch nicht an dem Verordnungsrechte des hohen Ministeriums gezweifelt werden.
Denn gestattet einmal die Rechtsanalogie "die Norm für die Entscheidung" von Fragen des Leichenverbrennungswesens aus den "Prinzipien des gesamten positiven Rechtes", also insbesondere aus den Prinzipien der verwandten Materien des positiven Rechtes zu bilden, dann führt die der Staatsverwaltung durch das Reichssanitätsgesetz vom 30. April 1870, R. -G. -Bl. Nr. 68, vorbehaltene Oberaufsicht über das gesamte Sanitätswesen und das der Staatsverwaltung in ebendemselben Gesetze vorbehaltene Recht der Überwachung des Begräbniswesens zu dem Rechte der Staatsverwaltung hinüber, auch das Leichenverbrennungswesen zu überwachen und die für diese Überwachung erforderlichen Bestimmungen zu treffen.
Hiebei darf auch Folgendes nicht übersehen werden:
Erdbestattung und Feuerbestattung sind keine Gegensätze, geschweige denn kontradiktorische Gegensätze.
Die Feuerbestattung schließt die Erdbestattung nicht aus, denn auch eingeäscherte Leichname können begraben werden und werden sehr oft begraben, so daß sich Feuerbestattung und Erdbestattung eigentlich nur dadurch unterscheiden, daß bei der Erdbestattung der menschliche Leichnam zuerst endgültig bestattet wird, um erst dann dem chemischen Verbrennungsprozesse - denn auch die Berwesung ist ja nichts anderes als eine Verbrennung - unterworfen zu werden, während bei der Feuerbestattung der Borgang ein umgekehrter ist.
Diese Erwägung spricht nicht nur deutlich für die Zulässigkeit der Anwendung der Rechtsanalogie, sondern sie bietet auch eine breite Grundlage für die Ausübung des Verordnungsrechtes des hohen Ministeriums.
Die bei der Feuerbestattung zutage tretende Erscheinung, daß der menschliche Leichnam vor der endgültigen Bestattung vorerst einem anderen Prozesse unterworfen wird, ist nicht einzig dastehend, vielmehr geschieht gleiches in einer ganzen Reihe von anderen Fällen.
So wird der menschliche Leichnam vor der endgültigen Bestattung, sei es zu den Zwecken weiterer Transporte, sei es zu Zwecken der Ausbewahrung in Familiengrüften, dem Prozesse der Konservierung oder Einbalsamierung unterworfen. So wird der menschliche Leichnam, sei es über Wünsch des Verstorbenen oder seiner Hinterbliebenen, sei es über amtswegige Verfügung, vor der endgültigen Bestattung der Sezierung unterworfen; so wird an dem menschlichen Leichnam über Wünsch des Verstorbenen ober seiner Hinterbliebenen vor der endgültigen Bestattung der sogenannte Herzstich vorgenommen; so wird der menschliche Leichnam in Bestimmten Fällen vor der endgültigen Bestattungsmedizinischen Anstalten zu Lehr- und Lernzwecken zur Verfügung gestellt u. dgl mehr.
In allen diesen Fällen sind aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der mit dem menschlichen Leichnam vor dessen endgültiger Bestattung vorgenommenen Arte, sowie das Verfahren bei der Vornahme dieser Akte nicht etwa durch Gesetze, sondern lediglich durch Verordnungen der Verschiedenen Staatsbehörden geordnet.
Es ist daher umso weniger ein Grund gegeben, daß für die Zulassung der Leichenverbrennung, welche ja auch nichts anderes, als ein vor endgültiger Bestattung der menschlichen Leichname mit denselben vorgenommener Akt ist, und für die Schaffung der Bestimmungen und Voraussetzungen der Anwendung der Leichenverbrennung eine gesetzliche Regelung Verlangt wird, statt diese Regelung der Verordnungsgewalt der Behörde zu überlassen
Wohl haben sich die Regierungen der verschiedenen Kulturländer, in welchen die Feuerbestattung bereits Eingang gefunden hat, zumeist veranlaßt gesehen, die Feuerbestattungsfrage im gesetzlichen Wege zu regeln, ohne daß jedoch überall die gesetzliche Regelung dieser Frage zur Bedingung der Zulassung der Feuerbestattung gemacht wurde, wie zum Beispiel in England die Feuerbestattung lange vor Erlassung des Kremationsgesetzes von Staatswegen zugelassen und ausgeübt wurde, während in Sachsen-CoburgGotha und in Baden das Feuerbestattungswesen überhaupt nur durch örtliche Verordnungen geregelt ist.
Ist somit die Regelung des Feuerbestattungswesens in Österreich an ein Gesetz nicht gebunden, so ist damit auch die ganze Grundläge der angefochtenen Entscheidung der k. k. steuermärkischen Statthalterei erschüttert und es fehlt nunmehr ein rechtlicher Grund für die Abweisung unseres Konzessionsgesuches, als, wie schon eingangs erwähnt, die Ministerialverordnung vom 30. Dezember 1885, R. -G. -Bl. Nr. 13 ex 1886, von der Beerdigung überhaupt nicht spricht, und ihrem Geiste nach das gesamte Bestattungswesen im Auge hat, wie denn auch alle österreichischen Leichenbestattungs Unternehmungen mit Wissen der Behörden ihren Geschäftsbetrieb auch auf die Besorgung der Leicheneinäscherung, allerdings mangels solscher Einrichtungen in Österreich, in ausländische Krematorien ausdehnen. Unser Konzessionsgesuch hatte vom Standpunke des geltenden Rechtes gewiß bewilligt werden sollen und es wäre nur Sache der Staatsverwaltung gewesen, unter Einem in Ausübung ihres Oberaufsichtgrechtes über das gesamte Sanitätswesen auch das Feuerbestattungswesen im Verordnungswege entsprechend zu regeln. -
Die ausrechte Erledigung unseres Konzessionsgesuches und die damit im Zusammenhange stehende Ermöglichung der Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich ist aber auch ein Erfordernis der Gerechtigkeit und Billigkeit. -
Wie schon im andern Zusammenhange dargestellt, haben sich beinahe alle Kulturländer veranlaßt gesehen, der seit einigen Jahrzehnten aufgetretenen Strömung, den menschlichen Leichnam im Wege der Verwesung vermittels der Einäscherung zu Staub werden zu lassen, dadurch Rechnung zu tragen, das die Einäscherung des menschlichen Leichnams als zulässige Bestattungsart anerkannt, die Errichtung von FeuerbestattungsAnstalten zugestanden und hiedurch die Erfüllung des letzten Willens aller derjenigen, die ihren Leichnam lieber eingeäschert als unter der Erbe der Verwesung preisgegeben wissen wollen, ermöglicht wurde.
Daß in jenen Ländern, in welchen die fakultative Feuerbestattung - und um diese handelt es sich ja nur - Eingang gefunden hat, hiedurch einem empfundenen Bedürfnisse entsprochen wurde, beweist der Umstans, daß in den genannten Ländern die Feuerbestattungsbewegung seit Einführung der Feuerbestattungsanstalten einen rapiden Fortschritt genommen hat.
In Deutschtand allein stehen gegenwärtig 11 Feuerbestattungs-Anstalten im Betriebe, in Italien nicht weniger als 30 und eine Reihe weiterer Feuerbestattungsanstalten ist im Entstehen begriffen. -
Nicht weniger als 110 Vereine mit rund 28. 600 Mitgliedern sind in Deutschland und Österreich an der Arbeit, um für die fakultative Leichenbestattung Propaganda zu machen.
In Österreich selbst hat die Feuerbestattungsbewegung in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung genommen; Beweis dessen, daß nicht weniger als über 70 Stadtgemeinden, darunter die Landeshauptstädte: Prag, Graz, Triest, Innsbruck, Klagenfurt, Laibach, Linz und Troppau sich durch ihre berufenen Vertreter für die Einführung der fakultativen Feuerbestattung ausgesprochen und entsprechende Petitionen an das hohe k. k. Ministerium des Innern geleitet haben. Man kann also, was bei Entscheidung öffentlich rechtlicher Fragen im allgemeinen und insbesondere bei Erledigung unseres Konzessionsgesuches zu berücksichtigen ist, gewiß nicht in Abrede stellen, daß sich für die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in Österreich und Ermöglichung derselben durch Errichtung von Feuerbestattungsanstalten ein maßgebendes großes und intensives Interesse kundgegeben hat, umsoweniger als sich die Fälle von Jahr zu Jahr mehren, daß Leichen von Österreichern, allerdings nur aus den mehrbemittelten Kreisen, in ausländische Krematorien zur Einäscherung überführt werden, um nur den Wunsch des Verstorbenen zu erfüllen.
Da es sich nur, was nicht oft genug betont werden kann, um die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung handelt, so unterlassen wir es, auf alle jene hygienischen, volkswirtschaftlichen und ästhetischen Gründe, welche für die Feuerbestattung sprechen, hinzuweisen und beschränken uns in dieser Richtung nur auf die Bemerkung, daß die Errichtung von Feuerbestattungsanstalten zumindestens in den größeren Bevölkerungszentren von Regierungswegen schon deswegen nicht gehindert werden sollte, weil nach dem Ausspruche aller Sachverständigen das Vorhandensein solcher Anstalten in Zeiten von Epidemien eine nicht genug hoch anzuschlagende, ja sogar notwendige Handhave zur Bekämpfung derselben bilden würde.
Dagegen sei es uns gestattet, mit kurzen Worten gegen jene Vorurteile anzukämpfen, welche leider noch weit verbreitet sind und auf der Behauptung beruhen, als ob die Leicheneinäscherung dem religiösen Gewissen, insbesondere dem des Christeutums widerstreite, die staatlichen Behörden in der Aufdeckung von Verbrechen hindere und das Gefühl der Pietät verletze.
Hervorragende Vertreter der christlichen Konfessionen mußten zugeben, daß keinerlei dogmatische Gründe wider die Feuerbestattung anzuführen seien, daß die Feuerbestattung "keinem Gebote Gottes und keinem Artikel des christlichen Glaubens" zuwiderläuft, und