hauptmannschaft in St. Pölten zum Abschüsse der Eichhörnchen verhalten werden. "
"Interpellation des Abgeordneten Joh. Wohlmeyer an Seine Exzellenz den Herrn Justizminister über die Zustände beim Kreisgerichte in St. Pölten, betreffend die am 19. April, 1. Mai und am 20. Mai 1901 eingebrachten Interpellationen über Wildschäden im Herzogenburger Bezirke (wo ein armer, ehrlicher Bauer und Familienvater, weil er sich an die k. k Behörde um Schutz u. Hilfe wandte. vom k. k Kreisgerichte St. Polten ohne jede Schuld zum Betrüger gestempelt und zu strengem, mit Fasttagen verschärftem Arrest, sowie zur Kostentragung verurteilt wurde) und über die Verurteilung des Redakteurs der St. Pöltner Zeitung. "
Die Beantwortung, welche Euere Exzellenz der Interpellation des Unterzeichneten Vom 19. April l. J. über Fälle grober Rechtsverletzung beim k. k Kreisgerichte St. Polten am 5. d. M. um halb 3 Uhr früh zuteil werden ließen, also zu einer Zeit, wo eine Debatte darüber ganz unmöglich war und in welcher Euere Exzellenz, ohne Rücksicht auf eine spätere Interpellation und ohne auf die dort erwähnten Fälle einzugehen, die vorgebrachten Beschwerden als "unbegründete und ungerechtfertigte Vorwürfe" bezeichneten, zwingt mich, neuerdings folgende Tatsachen Euerer Exzellenz zur Kenntnis zu bringen mit dem dringenden Ersuchen, die unwürdigen, einer geordneten Rechtspflege Hohn sprechenden Zustände beim k. k Kreisgerichte St. Pölten und das mit der richterlichen Würde ganz unvereinbare Verhalten des dortigen Kreisgerichtsprasidenten Hofrat Müllner einer eingehenden Untersuchung zu würdigen und durch entsprechende Maßregeln dort Wandel zu Schaffen.
Hofrat Müllner gefällt sich, insbesondere seit sein Verhalten Gegenstand einer Interpellation wurde, in den gröbsten Beleidigungen und Beschimpfungen der christlichsozialen Partei und ihrer Presse nicht nur in Privatgesellschaften, Sondern auch während Seiner Amtsstunden in Seiner Kanzlei, obwohl oder vielleicht eben, weil Exzellenz sein Verhalten in einer vorläufigen Beantwortung unserer Interpellation als vollkommen korrekt bezeichneten.
Wie wenig sein Haß die durch das Gesetz jedem Staatsbürger gezogenen Schranken respektiert, bewiesen seine ungemein gehässigen und ehrenrührigen Äußerungen über die Geschäftsgebarung der niederösterreichischen Landeshypothekenanstalt, welche die Leitung dieses Institutes bewogen, ihm die Alternative zwischen gänzlichem Widerruf oder einer Ehrenbeleidungsklage zu stellen.
Der Herr Hofrat zog ersteres vor, nahm alle seine Beschuldigungen als unüberlegt und unbegründet zurück - sicher nicht zur Ehre seines Standes und seiner Person.
Wenn man weiter beobachtet, wie der Herr Kreisgerichtspräsident auch im Gerichtssaale aus seinem Hasse gegen die Christlichsozialen kein Hehl macht, wie schon in der Interpellation vom 19. April erwiesen wurde und, wie die angeführten Fälle beweisen, seine richterliche Gewalt zu unerhörten Willkürakten verwendet, dann nimmt es nicht Wunder, wenn unter diesen Umständen alles was in St. Pölten nicht schönerianisch oder sozialdemokratisch ist, eine Berührung mit dem k. k Kreisgerichte St. Pölten fürchtet, weil es an dieser Stelle kein vorurteilloses Vorgehen zu erwarten hat.
Die Landbevölkerung insbesondere ist Schwer beunruhigt durch die Verurteilung des Bauers Franz Berger aus Schaubing, der trotz der lebhaften Verwahrung Euerer Exzellenz nur als das Opfer einer groben Sorglosigkeit der Sachverständigen, als das Opfer unerhörter Willkür seiner Richter zu bezeichnen ist.
Und wenn Euere Exzellenz als Justizminister bei diesen krassen Fällen von Rechtsverletzung dem beleidigten Rechtsgefühle und der hiedurch erzeugten Rechtsunsicherheit des ganzen ehrlichen Volkes gegenüber öffentlich als Verteidiger der Justizverbrechen unter diesem Präsidenten und seines Stellvertreters Lürzer auftritt, dann erwarte und verlange ich auch jene wahre und unwiderlegbare Darstellung des Sachverhaltes, durch welche in einer alle Zweifel ausschließenden Weise eine älle Kreise befriedigende Aufklärung gegeben wird.
Es geht doch nicht an, daß solche, unsere Rechtszustände betreffenden und im Abgeordnetenhause im Interesse und zum Schütze des ganzen Volkes vorgebrachten Misstände und Beschwerden von den zum obersten Leiter unseres Justizwesens berufenen Faktoren in so oberflächlicher Weise behandelt und unwiderlegbare Tatsachen einfach negiert oder als unwahr und unrichtig hingestellt werden.
Wenn Euere Exzellenz in Ihrer Interpellationsbeantwortung bezüglich der Fälle Berger und Chamra sagen: "Die in der Interpellation in Beschwerde gezogenen Beschlüsse und Entscheidungen des Kreisgerichtes waren Gegenstand der instanzenmäßigen Prüfung teils seitens des Oberlandesgerichtes, teils von Seite des Obersten Gerichts- und Kassationshofes und wurden von diesen Instanzen vollinhaltlich bestätigt", so habe ich dies schon in meiner ersten Interpellation vom 19. April 1901 angeführt und behauptet, da alle Schritte der beiden vom k. k. Kreisgerichte St. Pölten unschuldig Verurteilten, zu ihrem Rechte zu gelangen, erfolglos waren und beide in allen Instanzen abgewiesen wurden.
Wenn jedoch Euere Exzellenz bezüglich des Falles Berger weiters sagen: "Das Urteil, mit dem der Gedachte schuldig erkannt wurde, versucht zu haben, auf Grund von durch ihn selbst herbeigeführten Beschädigungen von Bäumen in seinem Walde von den Jagdpächtern einen Wildschadenersatz zu verlangen, gründe sich auf das von den beiden Sachverständigen übereinstimmend abgegebene Gutachten, daß die fraglichen Beschädigungen durch Menschenhand verursacht wurden", so ist das noch lange nicht der Beweis dafür, daß der unschuldig verurteilte Berger dies getan habe.
Dies haben selbst diese Sachverständigen gar nicht behauptet, es waren aber auch sonst nicht die geringsten Beweise, Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente dafür vorhanden, daß Berger dies getan hat oder getan haben könnte.
Ja, nicht einmal gefragt wurde derselbe bei der Verhandlung, ob er diese Schäden Verursacht habe.
Es ist daher auch nicht der geringste Beweis, nicht der geringste Anhaltspunkt oder irgend ein plausibles Verdachtsmoment vorhanden, den geklagten, armen, ohnedies geschädigten Bauern als Betrüger hinzustellen, als ob er selbst die Beschädigungen Verursacht hätte, um eine Wildschadenentschädigung zu erlangen.
Es waren und sind bis heute nicht die geringsten Beweise, Anhaltspunkte und Momente dafür vorhanden, daß man einen ehrlichen Bauern und Familienvater zum Betrüger stempelt und wegen Versuchten Betruges zu 14 Tagen strengen, mit wöchentlich einem Fasttage Verschärften Arrest und zur Tragung aller Gerichtskosten Verurteilt, weil selber bei den k. k. Behörden um Schutz und Hilfe gegen die Verwüstungen seiner Waldkulturen angesucht hat.
Und wenn Euere Exzellenz in Ihrer Interpellationsbeantwortung die Behauptung: "daß Berger seitens des Gerichtes ohne jeden Beweis öffentlich zum Betrüger gestempelt wurde" als unwahr und als Vorwurf gegen dessen Richter zurückweisen, dann müssen Euere Exzellenz den Beweis für diese Ihre Behauptungen schuldig bleiben.
Die Berufung auf die Begründung des Urteiles, auf die Aussagen der beiden Sachverständigen, auf die Autopsie des Gerichtes und eine ganze Reihe von anderen Umständen, wodurch das Urteil des Gerichtes in vollkommen zutreffender Weise streng aktenmäßig begründet erscheint, stützt sich, wie schon in der Interpellation erwiesen wurde, immer daraus, daß die Sachverständigen erklärten, die fraglichen Beschädigungen seien durch Menschenhand Verursacht worden.
Es fehlt dabei immer und überall der Beweis und die Begründung für das eine und wichtigste Moment: daß Berger dies getan habe.
Euere Exzellenz haben weiter erklärt: "Unrichtig ist es ferner, wenn die Herren Interpellanten behaupten, der Verteidiger habe in dem Wiederaufnahmsgesuche ein seinen Klienten vollständig entlastendes Beweismateriale vorgebracht. Das in dem Wiederaufnahmsgesuche vorgebrachte Materiale erschien geeignet, zu erweisen, daß im Walde des Verurteilten, gleichwie in den Nachbarwäldern, Beschädigungen der Bäume vorkommen, die durch Tierbiß verursacht worden sein können. Dies wurde aber bereits bei der Hauptverhandlung zugegeben. Die Beschädigungen jedoch, auf Grund deren der Wildschadenersatzanspruch erhoben wurde, waren von den Sachverständigen mit voller Bestimmtheit als durch Menschenhand zugefügte bezeichnet worden".
Ich will fragen: "Warum wurden denn dann alle diese Beweisanbote nicht zugelassen, durch welche ebensogut hätte erwiesen werden
können, daß das Gutachten der beiden ersten Sachverständigen ein irriges war?"
Euere Exzellenz haben in Ihrer Interpellationsbeantwortung ausdrücklich betont, daß Sie auf die Interpellation vom 19. April, soweit dieselbe Ihr Ressort betrifft, erwiedern "und zwar mit dem Beifügen, daß das Ackerbauministerium über den sein Ressort berührenden Inhalt Erhebungen eingeleitet hat, welche aber noch nicht zum Abschlusse gebracht werden konnten" - daß also über diese Wildschäden und das Gutachten dieser zwei Sachverständigen diese Akten noch nicht geschlossen sind.
Ein paar Sätze später jedoch berufen sich Euere Exzellenz auf das von den beiden Sachverständigen übereinstimmend abgegebene Gutachten, daß die fraglichen Beschädigungen durch Menschenhand verursacht wurden, wonach das Urteil in vollkommen zutreffender Weise streng aktenmäßig begründet erscheint.
Also die Richtigkeit des Gutachtens der beiden Sachverständigen war noch gar nicht erwiesen und Euere Exzellenz haben, ohne ein Sachverständiger im Forstwesen zu sein, den Erhebungen und dem Urteile von Fachautoritäten vorgegriffen und das heute mehr denn je fragwürdige Gutachten dieser beiden Sachverständigen als unumstößliche Beweismittel zur Begründung dieser ungerechten Verurteilung hingestellt, was ja wie eine direkte Beinflussung des später einzuholenden Fachgutachtens aussteht.
An demselben Tage, an dem Euere Exzellenz um halb 3 Uhr früh diese Interpellation beantworteten, fand an vielen Orten im Herzogenburger Berzirke und auch im Walde des unschuldig verurteilten Bauers Franz Berger die von Seiner Exzellenz dem Herrn Ackerbauminister angeordnete Besichtigung dieser Schäden durch Fachmänner im Forstwesen Statt.
Wenn Euere Exzellenz diese Erhebungen abgewartet hätten, würden Sie erfahren haben, daß ganz die gleichen Schäden an Waldbäumen im ganzen Herzogenburger Bezirke und in großen Massen vorhanden sind, nicht nur im Walde Bergers, und überall wurde konstatiert, daß diese Schäden durch Tierbiß verursacht wurden.
Ja, im Walde Bergers sind noch fast alle jene beschädigten Bäume vorhanden, deretwegen er verurteilt wurde, und außer diesen zwei Sachverständigen hat niemand behaupten können, daß diese Schäden durch Menschenhand verursacht wurden.
Oder wollen Euere Exzellenz vielleicht auch der Ansicht des k. k. Kreisgerichtes St. Pölten beipflichten, das auf dem Standpunkte steht, daß auch andere Fachautoritäten nach dem Dekrete des k. k. Kreisgerichtes an der Sache nichts ändern können; denn betreffs der speziell von den Sachverständigen Simonitsch und Prix im Auge gehabten Beschädigungen im Walde Bergers liegt eben deren bestimmtes Gutachten aus Zufügung durch Menschenhand vor und erscheint es unzulässig, dieses Gutachten durch andere Sachverständige auf Grund der Besichtigung anderer Objekte, in Zweifel ziehen zu lassen.
Nein, Euere Exzellenz, man braucht gar nicht andere Objekte zu besichtigen, weil dieselben Objekte, aus Grund deren diese Verurteilung erfolgte, fast alle noch vorhanden sind.
Es handelt sich bezüglich der Verurteilung Bergers auch gar nicht darum, ob Nager (Eichhörnchen) ober Birkwild den Schaden verursacht haben, sondern darum, daß alle diese Schäden durch Tierbiß und nicht von Menschenhand Verursacht wurden. Es handelt sich weiters um das eine und wichtigste Moment, ob Berger dies getan habe? und dafür konnte bis heute niemand, weder seine Richter, noch auch Sie, Exzellenz, auch nur den Schatten eines Beweises oder eines nur halbwegs plausiblen Verdachtgrundes erbringen.
Ich gebe zu, daß die in der Interpellation angeführten unerhörten Akte der Willkür beim k. k. Kreisgerichte St. Pölten, Euere Exzellenz als Justizminister sehr unangenehm sein müssen, aber umsomehr war es gegenüber der Öffentlichkeit Ihre Pflicht, eine gründliche Untersuchung einzuleiten und zum Schutze des Volkes, der Wahrheit, dem Rechte zum Durchbruche zu verhelfen.
Aber die Interpellationsbeantwortung durch Euere Exzellenz zeigt, daß Sie dem Falle leider nicht jene Aufmerksamkeit zugewendet haben, welche demselben gebührt, ja es scheint, daß Euere Exzellenz nicht einmal die Interpellation genau gelesen haben, denn sonst würben Sie schon aus Klugheitsrücksichten Ihre Interpellationsbeantwortung in andere Formen gekleidet, und nicht dem ohnedies tiefgebeugten Rechte noch einen weiteren Fußtritt versetzt haben.
Euere Exzellenz sagen schließlich: "Ebenso unbegründet und ungerechtfertigt wie die hinsichtlich der eben besprochenen Strafsache sind auch die übrigen in der Interpellation erhobenen Vorwürfe.
Ich habe daher keinen Anlaß zu den von den Herren Interpellanten gewünschten Verfügungen und muß nur nochmals meinem lebhaften Bedauern über die unbegründeten Vorwürfe Ausdruck geben. "
Wenn Euere Exzellenz als Justizminister sich in solcher Weise über das Recht des Volkes hinwegsetzen und jedes Justizvergehen derart beschönigen oder aus der Welt schaffen wollen, dann ist es kein Wunder, das sich das beleidigte Rechtsgefühl der Bevölkerung gegen eine solche Art der Rechtssprechung in der energischesten Weise aufbäumt. Die Erbitterung über diese und ähnliche Fälle in unserem gesamten Bezirke ist eine so große, daß sie nicht durch eine geringschätzige Ignorierung beseitigt werden kann, sondern sehr zum Schaden des Ansehens der Behörden in ein Verzweifeln an Recht und Gerechtigkeit umschlägt.
Ein ebenso schreiendes Unrecht und ein Gewaltakt sondergleichen war das unerhörte Verfahren gegen den christlichsozialen Redakteur der "St. Pöltner Zeitung" Franz Chamra, der ihm zugesandte ganz harmlose und unbedeutende Notizen in das Blatt aufgenommen hat, für deren Wahrheit und Richtigkeit derselbe jedoch die vollen Beweise zu erbringen in der Lage war und selbe dem Gerichtshofe angekündigt hatte.
Zur Verhandlungszeit war Herr Franz Chamra krank und hat durch seinen Verteidiger, Herrn Dr. Porzer, rechtzeitig ein mit dem Parere eines Gerichtsarztes beglaubigtes Gesuch um Vertagung der Verhandlung an das Kreisgericht gesendet.
Dieses Gesuch wurde jedoch vom Gerichtshofe abgelehnt und die Verhandlung ohne dem Angeklagten Chamra und ohne dessen Verteidiger durchgeführt.
Selbstverständlich wurden hiedurch dem Angesagten alle, ja selbst die einfachsten Rechte entzogen, er konnte sich nicht verteidigen, konnte seinen Wahrheitsbeweis nicht erbringen, konnte alle bei der Verhandlung gegen ihn vorgebrachten tendenziösen Angriffe und Entstellungen nicht richtigstellen, ja er konnte nicht einmal von dem Rechte der Geschwornenablehnung Gebrauch machen zc. und das hat alles der ehrenwerte Kreisgerichtspräsident Hofrat Müllner und sein ergebener Stellvertreter Dr. v. Lürzer arrangiert.
In meiner Interpellation habe ich auf die haarsträubenden Details dieser gesetzwidrigen Verhandlung bei diesem unter dem Vorsitze des Dr. Lürzer durchgeführten, eminent politischen Tendenzprozesse hingewiesen, bei welchem im Einverständnisse mit diesem Richter die ärgsten politischen Parteigegner des abwesenden, daher wehrlosen Angeklagten, judenliberale und sozialdemokratische Advokaten zugleich als Ankläger, Antragsteller, Beschuldiger und Zeugen fungierten. Bei welchem sogar drei Mitglieder der klagenden Vereine unter den Geschwornen saßen und habe dieses empörende und gesetzwidrige Treiben bei dieser Verhandlung der besonderen Beachtung des Herrn Justizministers empfohlen.
Euere Exzellenz haben diesen traurigen und beschämenden Fall österreichischer Justiz in Ihrer Beantwortung gar nicht berührt
Aber mit dem Ausweichen und Ignorieren solcher Justizverbrechen, bei denen einzelne unschuldig verurteilt wurden, macht man die Sache nicht besser.
Hochinteressant ist auch das eine Moment, daß auf Antrag des sozialdemokratischen Klagevertreters, Advokat Dr. Ornstein, laut Gerichtsbeschluß die Verhandlung gegen den christlichen Redakteur Chamra, ohne ihn und seinen Verteiger durchgeführt wurde, wodurch derselbe unschuldig zu drei Monaten Arrest verurteilt wurde.
Am 20. Mai 1901 sollte vor dem Schwurgerichte in Wien, unter Vorsitz des Hofrates Dr. v. Holzinger, gegen den Redakteur des "Holzarbeiter", "Genossen" Jakob Brod, eine Ehrenbeleidigungsverhandlung stattfinden.
Der Angeklagte war nicht erschienen und auch dessen Verteidiger, derselbe Jude und Advokat Dr. Ornstein obstruierte und legte während der Verhandlung seine Verteidigerstelle zurück, worauf von dem Gerichtshof die Verhandlung vertagt wurde.
Euere Exzellenz haben in Ihrer summarischen Interpellationsbeantwortung vorsichtshalber alle in meiner Interpellation angedeuteten kritischen Fälle übersprungen, auch über den Fall Ettl in Paudorf wurde nichts erwähnt.
Euere Exzellenz haben auch den unerwarteten Freispruch im Prozesse Bondy nicht besprochen, noch viel weniger aber die Nichtverfolgung eines offenkundigen Verbrechers, des Beamten Herz.
In welcher Weife beim Kreisgerichte St. Pölten das Strafrecht gehandhabt wird, das ist auch aus folgenden zwei Fällen ersichtlich.
Am 9. September 1897 wurde der 19 Jahre alte Schankbursche Florian Pranzl unter dem Verdachte des Diebstahls einer Brieftasche Verhaftet.
Bei dessen Dienstgeber wurde nämlich eine Brieftasche mit angeblich einigen hundert Gulden gestohlen.
Bon dem Burschen wurden, wie er bei der Behandlung angab, durch Schläge der Polizei, durch Drohungen des Untersuchungsrichters Geständnisse erpreßt und derselbe durch sechs Monate, bis März 1898 in Untersuchungshaft gehalten, obwohl er die Brieftasche gar nicht gestohlen hatte, weil ein Jahr später der wirkliche Dieb erwischt und auch verurteilt wurde.
Ganz anders kam eine Häuslerstochter davon, welche im Juni 1900 trotz verübten Kindesmordes zu sechs Wochen Arrest verurteilt wurde.
Mögen Solche Fälle sich auch durch einen Paragraphen des Strafgesetzes decken, oder wie Euere Exzellenz so schön sagen:,, streng aktenmäßig begründen lassen", sie widersprechen aufs tiefste den Rechtsanschauungen des Volkes, das solche Urteile nicht den Geschwornen zur Last legt, sondern dem einseitigen und willkürlichen Vorgehen des Vorsitzenden jenes Gerichtshofes.
Leicht konnten diesem im höchsten Grade befremdenden Urteile noch andere an die Seite gestellt werden; wir glauben aber, daß bereits diese hinreichend dartun, daß die Bevölkerung von St. Pölten und Umgebung Recht hat, wenn sie laut und energisch die Entfernung eines Mannes verlangt, der die für fein Amt unerläßliche Objektivität nicht besitzt, durch fein offenes Bündnis mit den Umsturzparteien allenthalben Anstoß erregt und der sich den schwierigen Aufgaben seines Amtes durchaus nicht gewachsen zeigt.
Es ist weiters empörend, wenn man in der "St. Pöltner Zeitung" lesen kann, wie der Kreisgerichtspräsident Müllner den unschuldig verurteilten und in Haft befindlichen Franz Chamra durchaus und wiederholt zu bewegen versucht, dessen ärgsten und gehässigsten politischen Gegner, den judenvolklichen Dr. Dfner, dem Freunde und Gesinnungsgenossen des Hofrates Müllner, Abbitte zu leisten, und wie ihm dabei Strafnachsicht und Entlassung aus der Haft zugesichert wurde.
Herr Chamra aber hat in wirklich taktvoller und entschiedener Weise dieses so verlockende Anerbieten der Freiheit um einen solchen Preis zurückgewiesen.
Oder ist es nicht beschämend, daß der Bürgermeister von St. Polten ganz eigenmächtig und unberechtigt die Schließung des bestehenden Kreisgerichtsgebäudes in St Pölten angeblich wegen sanitärer Überstände verfügte, und über Auftrag der k. k. Oberbehörde diese Verfügung zurücknehmen und in den Blättern öffentlich widerrufen mußte? Wenn dann dieser Bürgermeister in öffentlicher Gemeindeausschußsitzung eingesehen mußte:
"Das Kreisgerichtspräsidium hat mir gesagt, ich soll das Kreisgericht sperren. "
Ja, welche Rechtsbegriffe muß denn dieser Herr Hofrat Müllner eigentlich besitzen?
Und der Willkür, dem Parteien hasse dieses Präsidenten und seines fügsamen Stellvertreters Lürzer ist die ganze christliche Bevölkerung dieses großen Bezirkes ausgeliefert.
Bei solch krassen Fällen von Unrecht und einer derartigen Interpellationsbeantwortung durch den Chef unseres Justizwesens muß man sich fragen:
Gibt es in unserem sogenannten Rechtsstaate Österreich überhaupt noch Rechtsbegriffe??
Gibt es noch pflichtbewußte Hüter für Recht und Gesetz??
Oder ist das christliche Volk in Österreich denn schon ganz vogelfrei und rechtlos??
Ich frage nun:
Will Seine Exzellenz, daß die Bauern-
Schaft Oesterreichs bei gerechsertigten Ansuchen um Wildschadenvergütung zum Betrüger gestempelt und in den Kerker gebracht wird?
Will Seine Exzellenz, daß Preßprozesse ohne Angesagten und ohne informierten Verteiger durchgeführt werden?
Will Seine Excel, lenz, daß bei einem Schwurgerichtsprozesse Senat und Geschwornenbank aus Klägern zusammengesetzt sind?
Will Seine Exzellenz, daß Kläger als Zeugen einvernommen werden, trotzdem selbe während der ganzen Verhandlung im Saale anwesend waren, also dem Gange der Verhandlung gefolgt sind, und trotzdem gegen die Einvernahme dieser (dem Geklagten gar nicht mitgeteilten) Zeugen protestiert wurde?
Will Seine Excellenz, daß in zweifelhaften Fällen zu Gunsten des Klägers anstatt zu Gunsten des Angeklagten entschieden wird? "
Wenn ja, dann Verleihe man den beiden erwähnten Geridchsfunktionären in St. Pölten je einen Orden, die Worte Justitia regnorura fundamentum aber entferne man von der Einfahrt zur Wiener Hofburg.
Ich richte schließlich an Euere Exzellenz die Anfrage:
Ist Euere Exzellenz geneigt, diesbezüglich bei Seiner Exzellenz dem Herrn MinisterPräsidenten als Leiter des Justizministeriums vorstellig zu werden, daß die Wiederausnahme des Verfahrens gegen diesen unschuldig verurteilten Franz Berger Veranlaßt werde.
Prag, am 9. Oktober 1908.
Abgeordneter Iro und Genossen.
Nejvyšší maršálek zemský: Dotaz p. posl. dra Antonína Sobotky a soudr. k J. E. panu místodržiteli.
Snìmovní aktuár Dr. Šafaøovic (ète): Dotaz posl. dra Antonína Sobotky a soudr. k Jeho Excellenci panu místodržiteli království Èeského ve pøíèinì porušení listovního tajemství a hrubé urážky èeské národnosti c. k. poštovním úøadem v Trutnovì, nebo tamnìjším listonošem.
Firma Frant. Trojan a Alois Nagl, továrna motocyklù a automobilù »Torpédo* v Kolínì jest v obchodním spojení s panem
Františkem Petráškem, výrobcem automobilù v Trutnovì v království Èeském.
Pan František Petrášek žádal firmu tuto, aby jemu sdìlila nìjaké zprávy a aby zaslala jemu výtah z jeho úètù.
Žádosti této firma Frant. Trojan a Alois Nagl vyhovìla, zaslavši p. Petráškovi dopisem ze dne 14. záøí 1908, dle úøedního razítka v Kolínì dne 15. záøí 1908 na poštu podaným, úèet ze dne 14. záøí 1908 na obnos 325 K 66 hal. znìjící.
Pojednou došel ale firmy této dopis p. Františka Petráška, daný v Trutnovì dne 28. záøí 1908, kterýmž urguje týž zaslání žádaného úètu a dodává:
Z Vašeho ct. lístku, který jsem obdržel, jsem seznal, že Jste mnì již dopis s výtahem z úètu zaslali, však jest mi to divné, že jsem jej vùbec neobdržel, protož pro všechen možný pøípad zašlete mi tento laskavì ještì jednou.
Podobný pøípad, že jsem zásilku neobdržel, jsem posledním èasem mìl nìkolikráte a také v té vìci podám stížnost na zdejší správu pošty. «
Firma Frant. Trojan a Alois Nagl zaslala na to panu Františku Petráškovi nový dopis s výtahem úètu.
Dne 5. øíjna 1908 tedy po 20 dnech byl pojednou firmì této vrácen dopis panu Františku Petráškovi s výtahem úètu dne 15. záøí zaslaný,
Na pøední stranì obálky dopisu tohoto byla nalepena nová poštovní známka za 10 hal, kteráž pøetisknuta jest razítkem c. k, poštovního úøadu v Trutnovì s datem 5. øíjna 1908.
Na zadní stranì obálky jsou stopy toho' že obálka tato byla navlhèením rozlepena a pak znovu zalepena.
Adresa téhož dopisu pøetržena jest modrou šipkou ku nadpisu (adresse) odesílatelky firmy Frant. Trojan a Alois Nagl v Kolínì smìøující a pod to napsáno a silnì podškrtnuto jest rovnìž modrou tužkou slovo »Retour«.
Po rozevøení obálky shledáno, že nalézají se v ní dopis firmy této ze dne 14. záøí 1908 a výtah z úètu z téhož dne p. Františku Petráškovi zaslaný, úèet pak pøeškrtnut byl modrou tužkou a touž tužkou napsáno jest pøes úèet ten vypsaným písmem totožným se slovem »Retour« na obálce »Böhmische Hunde. «
Dopis pøiložený byl rovnéž pøeškrtnut modrou tužkou a napsána jsou na nìm slova: »Pakáž!« nahoøe a »Ty mnì mùžeš políbit p.... sakramencký èeský vole !«
Ponìvadž dopis ten dle razítka c. k. poštovního úøadu trutnovského na nové známce do Trutnova došel, adressátu však doruèen nebyl, jest samozøejmo, a i zpùsob a forma písma tomu nasvìdèuje že byl dopis tento buï pøímo na c. k. poštovním úøadì v Trutnovì nebo tamnìjším listonošem zadržen a otevøen a když dopis tento pak p. Petráškem reklamován byl, poznámkami v šílené pøímo zášti ku èeské národnosti a zejména ku èeskému živnostníku p. Frant. Petráškovi svìdèícími, opatøen a zpìt do Kolína zaslán.
Ponìvadž pøípad tento, kdy p. Františku Petráškovi dopis s èeskou adressou c. k. poštovním úøadem v Trutnovì doruèen nebyl, není jediným, jak z pøípisu p. Františka Petráška ze dne 24. záøí 1908 patrno a ponìvadž takovéto zloèinné jednání úøedních osob trpìno býti nemùže, tážeme se:
Jest Vaše Excellence ochotna tomuto zbìsilému øádìní nìmeckého šovinismu proti èeské národnosti pøítrž uèiniti, fakta zde tvrzená vyšetøiti a o exemplární potrestání vinníkù se postarati?
K tomu podotýkáme, že originály uvedených zde listin v rukou podepsaného posl. Dr. Sobotky se nalézají a sl. c. k. státnímu návladnictví k disposici dány budou.
V královské Praze, dne 9. øíjna 1908. Dr. Sobotka a soudr.
Oberstlandmarschall: Anfrage der Abgeordneten Dr. Maly und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend das bei der Rodung gallischer Wälder im allgemeinen, jener in den Bezirken Mielec, Tarnobrzeg, Ropcyce usw im besondern geübte Devastationssystem.
Landtagssekretär Dr. Haasz (liest): Anfrage der Abgeordneten Dr. Maly und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend das bei der Rodung galizischer Wälder im allgemeinen, jener in den Bezirken Mielec, Tarnobrzeg, Ropczyce usw. im besonderen geübte Devastationssystem.
"Die Ausrodung von Wäldern in Galizien erreicht wahrhaftig ungeahnte Dimensionen. Die hauptsächliche Ursache dieses Uibels, die nicht genug gebrandmarkt werden kann, ist der Umstand, daß die Landesbehörden sich dessen gar nicht bewußt zu sein scheinen, daß sie für Nichtbeachtung der bestehenden Gesetze verantwortlich sind und dementsprechend die bezüglichen gesetzlichen Forschriften gar nicht einhalten, wodurch Sie einen unermeßlichen Schaben denjenigen antun, die keinen Wald besitzen.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß Galizien in Bezug auf die den Großgrundbesitzern zustehenden Privilegien eine Ausnahmsstellung einnimmt und dies zum großen Nachteil der ganzen außerhalb des Kreises der Waldbesitzer stehenden Bevölkerung. Das System der Parteilichkeit hat in den Seelen der Personen, die verschiedene Stellen in der Verwaltung innehaben, feste Wurzel gesaßt, und es werden von ihnen die Gesetze den Wünschen und Bedürfnissen wappengeschmückter Persönlichkeiten angepaßt.
Sowohl die Landesregierung, als auch deren Vorgesetzte Behörde, das ist die Zentralregierung in Wien, die eher zur Wahrung des Wohles der Allgemeinheit als zur Vergewaltigung der Staatsgrundgesetze berufen sind, ziehen auf sich immer größere Unzufriedenheit, ja sogar Empörung der Bevölkerung. Wiewohl wir schon sehr häufig über Mangel an Takt auf Seiten der Regierung geklagt haben und zwar nicht nur im galizischen Landtage, sondern auch im Abgeordnetenhause, merken wir nichtsdestoweniger, daß gewisse Mißbräuche, statt abzunehmen, immer mehr wachsen, was uns zu häufigen Urgenzen und zu noch häufigeren Klagen über diejenigen, die in der Zentral- und Landesregierung sitzen, Anlaß gibt.
Wir müssen ganz entschieden erklären, daß das Holz, dessen Preise schon heute eine sabelhafte Höhe erreicht haben, in Bälde bei uns zu den größten Seltenheiten gehören wird. In Galizien gibt es gegen 600. 000 Joch unbenütztes Land, denen die Regierung gar feine Aufmerksamkeit schenkt, statt diese Flächen