Pátek 9. øíjna 1908

Stenografická zpráva o IX. schùzi snìmu ze dne 2. øíjna 1908.

Seznam èlenù snìmu král. Èeského. Na stole vyloženo:

XIV. Zpráva kuratoria prùmysl, musea pro východní Èechy za rok 1907.

Nejvyšší maršálek zemský: Žádám, by byly pøeèteny došlé petice.

Ich ersuche, den Einlauf an Petitionen zu verlesen.

Snìmovní aktuár dr. Bébr ète došlé petice.

Landtagscrktuar Dr. Bébr verliest den Einlauf an Petitionen.

Nejvyšší maršálek zemský: Byla mi podána celá øada interpellací na Jeho Excellenci pana místodržitele.

Es ist mir eine Anzahl von Interpella-tionen an Seine Exzellenz den Herrn Statthafter übergeben worden.

Anfrage der Abgeordneten Dr. Tobisch und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter Grafen Coudenhove.

Landtagsaktuar Dr. Šafaøoviè (liest): Anfrage der Abg. Dr. Tobisch und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter Grafen Coudenhove.

Nach Zeitungsmeldungen der letzten Tage ist in Žižkov eine Scharlachepidemie ausgebrochen, ohne daß die verantwortlichen Behörden die nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen hätten, um die gefährliche Epidemie im weinte zu ersticken und Vorsorge zu treffen, baß nicht unsägliches Leid über zahlreiche Familie gebracht worden wäre. In dieser Angelegenheit weiß die "Bohemia" vom 2. Oktober 1908 nachstehendes zu berichten: Durch die im gestrigen Morgenblatt der "Bohemia" gebrachte und von den anderen Blättern übernommene Nachricht von der großen Scharlachepidemie, die in Žižkov ausgebrochen ist, wurbe das Geheimnis gelüftet, das die Behörden in unverantwortlicher Weise über den Ausbruch und die rapide Berbreitung dieser Krankheit verbreitet hatten.

Dieses geheimnistuerische Stillschweigen der Amter, welche bei uns in Österreich die Öffentlichkeit wie der Wasserscheue das Wasser fürchten, trägt im vorliegenden Falle - wie aus den uns heute zukommenden Meldungen ersichtlich ist - an der exorbitanten Ausbreitung der Scharlachepidemie einen großen Teil der Schuld. Gang abgesehen davon, daß man die Eltern nicht durch öffentliche Mitteilung auf die nach Ablauf der Inkubationszeit auftretenden ersten Anzeichen des Scharlachfiebers und auf die große Gefahr der Ansteckung aufmerksam machte, wußte man bis zum gestrigen Tage in Žižkov gar nicht, daß dort eine Scharlachepidemie in erschreckender Weise wüte.

Manche Häuser in Žižkov sind wie verseucht und dabei tritt - leiber darf diese Tatsache nicht verfchwiegen werden - der Scharlach diesmal in besonders bedrohlicher Weise auf.

Trotzdem, wie gestern berichtet, weitaus die größte Zahl der schartachkranken Kinder zuhause untergebracht ist, ist auch der Isolierungspavillon im Weinberger Bezirkskrankenhause vollständig überfüllt. Obwohl er für 13 Betten Raum hat und auch bisher dort nie mehr als 13 Kranke untergebracht werden bürften, sind jetzt 34 Scharlachkranke, weiters 3 mit Diphteritis und eine mit Genickstarre behaftete Person untergebracht.

Nach einer Mitteilung des primaruts des Weinberger Bezirkskrantenhauses Dr. Semerád sind die Sharlach-Erkrankungen sehr schwer und die Gefahr eines tötlichen Ausganges steigt immermehr trotz sorgsamster Pflege.

Es ist sichergestellt worden, daß die Scharlachfieberepidemie nicht nur nicht abnimmt, sondern sogar in stetiger Zunahme begriffen ist.

Wegen Raummangels ist bereits die Aufnahme von Kranken im Weinberger Krankenhause eingestellt worden, aber es Vergeht kein Tag, ohne daß nicht eine Mutter, ihr krankes Kind an der Hand, mit der Bitte, es aufzunehmen, im Krankenhause erscheint. Die Mehrheit dieser Mütter kommt aus Žižkov und bei der Mehrzahl dieser Aufnahmserfuchen tritt es zu Tage, daß in der Familie des kleinen Patienten niemand davon eine Ahnung hatte, daß die Krankheit des Kindes Scharlach sei, und man dieses daher fortwährend mit den Geschwistern beisammen liefe.

Ist es dann ein Wunder zu nennen, wenn sich die ansteckende Krankheit mit solcher Rapidität und solcher Stärke auszubreiten vermochte?

Auch ins allgemeine Krankenhaus kommen Mütter, ein eingewickeltes, scharlachkrankes Kind aus dem Arme, sie drängen sich in der Aufnahmskanzlei gemeinsam mit den anderen Kranken - eine eigene Aufnahmskanzlei für ansteckende Krankheiten existiert im Krankenhause skandalöser Weise nicht - und diese bringen dann gar leicht die Scharlachkeime ihrer Famile nach Hause mit, dabei stellen sich die Mütter der mit Scharlach behafteten Kinder gar nicht abseits, weil sie eben - dank der Fürsorge der Ämter, welche unnützes Aussehen vermeiden wollten - nicht wissen, welche ansteckende Krankheit ihre Kleinen haben.

Die Schulen in Žižkow sind noch immer nicht gesperrt. Man wartet wahrscheinlich, bis ohnedies kein Kind mehr in die Schute kommt, weil alle Scharlach haben werden. Wir in Österreich haben ja immer Zeit. Angesichts dieser bedauerlichen Tatsachen, wodurch Prag und seine Vorstädte seinen berechtigten Ruf als Seuchenherd neuerdings bewiesen hat und welche in erschreckender Weise beweist, wie die primitivsten Anforderungen der Sanitätspflege und Hygiene vernachlässigt werden, erlauben sich die Gefertigten an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter folgende Anfrage:

1. Ist Seiner Exzellenz bekannt, daß in unverantwortlicher Weise der Ausbruch dieser gefährlichen Epidemie verheimlicht worden ist?

1. Ist Seine Exzellenz geneigt, sofort die nötigen Weisungen an die Behörden ergehen zu lassen, daß dafür Vorsorge getroffen wird, daß der Verbreitung dieser Epidemie wirksam entgegengetreten wird, was umso notwendiger ist, da gegenwärtig anläßlich der Ausstellung viele Leute aus der Provinz nach Prag kommen und daher sehr leicht die Epidemie auch auf das Land verschleppt wird.

Prag, 2. Oktober 1908.

Dr. Tobisch und Genossen.

Oberstlandmarschall: Anfrage der Abgeordneten Dr. Schreiner und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter.

Landtagsaktuar Dr. Bébr (liest): Anfrage der Herren Abgeordneten Dr. Schreiner und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter.

Der deutsche Ortsschulrat in Hummeln hat mit Zuschrift vom 28. Mai 1903 Z. 24 der eingeschulten Gemeinde Payreschau einen mit der detaillierten Baurechnung und dem Baukostenvoranschlage belegten Schulkostenvoranschlag betreffend den neuen Schulbau in Hummeln pro 1908 lautend auf 27. 114 K 70 h gestellt und auch eine Repartition beigeschlossen, laut deren die Gemeinde Payreschau auf diesen Schulbau einen Betrag von 4546 K 86 h zu übernehmen hätte.

Die gegen diesen Voranschlag und diese Reparation eingebrachten Einwendungen werden von dem k. k. Bezirksschulrate in Budweis mit Bescheid vom 2. März 1904, Z. 1382 und 1871 abgewiesen und über den gegen diesen Bescheid erhobenen Rekurs der Gemeinde Payreschau hat der k. k. Landesschulrat in Prag laut Erlasses vom 28. Dezember 1905, Z. 37. 740, ausgesprochen, daß in erster Reihe zur teilweisen Bestreitung des Schulbaues in Hummeln die vom Landesausschusse des Königreiches Böhmen bewilligte Subvention für den Schulbau von 3. 000 K zu verwenden und daß der sich ergebende unbedeckte Aufwand auf die eingeschulten Gemeinden nach dem Verhältnisse der Gesamtleistung an direkten Steuern samt Zuschlägen aufzuteilen sei; im übrigen aber wurde dem Rekurse keine Folge gegeben.

Diese Entscheidung wurde über von der Gemeinde Payreschau ergriffene weitere Berufung mit dem Erkenntnisse des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 28. April 1906, Z. 12. 553, vollinhaltlich bestätigt.

Gegen dieses Erkenntnis hat die Gemeinde Payreschau die Beschwerde an den k. k. Verwaltungsgerichtshof überreicht, welcher mit Erkenntnis vom 9. März 1907 Z. 2382 ex 1907 V. -G. -H., die angefochtene Entscheidung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht wegen mangelhaften Verfahrens aufgehoben hat.

Den Mangel des Verfahrens erblickte der k. k. Verwaltungsgerichtshof einzig und allein darin, daß auf die Einwendung der Gemeinde Payreschau, sie sei mit Rücksicht auf die Erklärung der Gemeinde Hummeln und im Hinblicke auf die bevorstehende Trennung der bisher in einer Schulgemeinde vereinigten Ortsgemeinden Payreschau und Hummeln in zwei selbständige Schulgemeinden zu den Kosten nicht beizusteuern verpflichtet, nicht genügend Bedacht genommen worden sei. In der Begründung der Mangelhaftigkeit des Verfahrens hat der k. k. Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß die Entscheidungen der ersten Instanz und mit ihr auch die höheren Instanzen übersehen haben, daß die Frage der Ausschulung der Gemeinde Payreschau resp. Hummeln aus dem bisherigen Schulsprengel im Jahre 1899, und zwar mit dem Berichte des k. k. Bezirksschulrates vom 13. April 1899, Z. 2460, neuerlich in Fluß gebracht worden sei und daß wie die in den Akten vorliegenden Urgenzen des k. k. Landesschulrates vom 4. Mai 1905, Z. 43027, ex 1904 und 7. Juni 1905, Z. 70 beweisen, diese Frage bis zum 7. Juni 1905 noch nicht gelost war. Diese Frage halt aber der k. k. Verwaltungsgerichtshof für die Entscheidung des konkreten Rechtsstrittes für wichtig, weil es prinzipiell nicht bestritten werden könne, daß die Vereinbarung zwischen den zur Konkurrenz ex lege verpflichteten Parteien über die Übernahme des Aufwandes für einen Schulbau rechtwirksam zustande kommen kann und daß daher auch eine Solche Vereinbarung zwischen der Gemeinde Hummeln und der Gemeinde Payreschau giltig geschlossen werden konnte.

Die Entscheidung des k. k. Verwaltungsgerichtshofes weist ferner daraufhin, daß nach dem Inhalte des Protokolles vom 18. Jänner 1898 und gemäß des von den Behörden angenommenen Tatbestandes die Erklärung der Gemeinde Hummeln an die früher erwähnte Bedingung geknüpft war und daß deshalb insbesondere alle jene Momente, aus denen auf die Frage, ob diese Bedingung als erfüllt anzusehen ist, geschlossen werden konnte, genau erhoben und der Kognition der entscheidenden Behörden unterzogen werden müssen, was alles unterblieben sei.

Die Entscheidung des k. k. Verwaltungsgerichtshofes geht somit von der Annahme aus, daß in der Frage der Ausschulung der Gemeinde Payreschau noch feine endgiltige Entscheidung seitens der Schulbehörden erflossen sei. Tatsächlich ist aber diese Entscheidung schon längst ergangen. Es hat nämlich der k. k. Landesschulrat in Prag mit Erlaß vom 22. Dezember 1905, Z. 37740, welcher dem Ortsschulrate in Hummeln mit Bescheid des k. k. Bezirksschulrates in Budweis vom 30. Jänner 1906, Z. 43 ex 1906 B. -Sch. -R, intimiert wurde, verfügt, daß keine Veranlassung mehr vorliege, in der Angelegenheit der von dem Ortsschulrate in Hummeln mit dem Gesuche vom 4. Oktober 1900, Z. 2, erbetenen Auslassung der deutschen Schulexpositur in Payreschau eine Entscheidung zu treffen, da anderseits dieses Ansuchen saßen gelassen worden sei und über dies für diese Auflassung mit Rücksicht auf die Zahl der diese Expositur gegenwärtig besuchenden Schulkinder von 31 feine Veranlassung vorliegt.

Desgleichen hat der k. k. Landesschulrat mit demselben Erlasse verfügt, daß eine Änderung der Grenzen der gegenwärtigen Schulgemeinde Payreschau-Hummeln nicht zu treffen sei, da ein diesbezügliches spezielles Parteiansuchen nicht Vorliegt und die im Protokolle vom 26. Juni 1905 enthaltene Erklärung der Vertreter der Gemeinde Payreschau in Angelegenheit der Ausschulung von Hummeln aus der Schulgemeinde Payreschau ebenfalls nicht als Parteiansuchen angesehen werden kann und die Vertreter des Ortsschulrates in Payreschau in diesem Protokolle sich direkt gegen eine Änderung der Grenzen der fraglichen Schulgemeinde ausgesprochen haben.

Hieraus ergibt sich, daß der vom k. k. Verwaltungsgerichtshose in der früher erwähnten Entscheidung gerügte Mangel tatsächlich nicht vorhanden ist, beziehungsweise durch die endgiltige Erledigung der Frage der Ausschulung der Gemeinde Patyreschau vollständig behoben worden ist. Hieraus folgt auch weitere, daß die einzige Einwendung der Gemeinde Payreschau gegen die Beitragsflicht zu den Kosten des Schulbaues in Hummeln, welcher vom k. k. Verwaltungsgerichtshofe die Berechtigung nicht abgesprochen wurde, tatsächlich vollständig unbegründet ist und daß nunmehr fein Hindernis mehr vorhanden ist, die Angelegenheit der Beitragsleistung der Gemeinde Payreschau endgiltig zu entscheiden.

Da sich diese Angelegenheit nunmehr ohne Verschulden des Ortsschulrates in Hummeln durch mehr als neun Jahre zum größten Nachteil der Schulgemeinde Hummeln hinzieht und die Schulgemeinde Hummeln infolge der Verweigerung des Beitrages der Gemeinde Payreschau bisher noch immer nicht in der Lage war, die Rechnung des Baumeisters zu bezahlen, welcher begreiflicherweise nunmehr auf Zahlung drängt, mit Klagen droht und diese Klage auch zweifellos in kürzester Zeit überreichen wird, da ferner die Schulgemeinde Hummeln von dem unbedeckten bedeutenden Reste der Baukosten 6 Prozent Zinsen bezahlen muß, durch welche Verzinsung die Schuld sich um ein Bedeutendes vermehrt hat, hat der deutsche Ortsschulrat in Hummeln mit Eingabe vom 2. August 1907 die Erledigung der Angelegenheit beim k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht urgiert. Die Erledigung ist jedoch zum großen Schaden der Schulgemeinde Hummeln bis heute nicht erfolgt

Die Gefertigten stellen daher an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter als Vorsitzenden des Landesschulrates die Anfrage:

1.   Sind die den Schulbau in Hummeln betreffenden Akten vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht an den k. k. Landesschulrat rückgeleitet worden und wann ist dies geschehen?

2.   Ist Seine Exzellenz geneigt, dafür Sorge zu tragen, daß der k. k. Landesschulrat alles vorkehre, damit endlich die ausstehende Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen werde?

Prag, am 9. Oktober 1908.

Dr. Schreiner und Genossen.

Oberstlandmarschall: Anfrage der Abgeordneten Iro und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter behufs Ermöglichung der Wiederaufnahme des Verfahrens eines unschuldig Verurteilten.

Landtagssekretär Dr. Haasz abwechselnd mit den Landtagsaktuaren Dr. Šafaøoviè und Dr. Bébr (lesen):

Anfrage der Abgeordneten Dr. Iro und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter behufs Ermöglichung der Wiederaufnahme des Verfahrens eines unschuldig Verurteilten.

Der Wirtschaftsbesitzer Franz Berger in Schaubing bei St. Pölten, ein durch seine gange Lebenszeit unbescholtener, ehrlicher und bejahrter Familienvater, machte im Jahre 1900 eine Wildschadensanzeige bei der k. k. Bezirkshauptmannschaft St. Pölten. Die zwei zur Kommission zugezogenen privaten Sachverständigen hatten die Ansicht, daß der Schade an den Waldbäumen nicht durch Tierbisse, sondern durch Menschenhand, eventuell mit einer Baumschere verursacht wurde.

Daraufhin wurde Berger ohne jeden Beweis eines Vergehens oder einer Schuld, ja selbst ohne ein vorhandenes plausibles Verdachtsmoment vom k. k. Kreisgerichte St. Pölten wegen Betruges zu strenger, mit Fasttagen verschärfter Arreststrafe und zur Tragung der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Der offenkundig und sichtbar gang unschuldig verurteilte und bestrafte Bauer Franz Berger hat nicht nur ein reges Ehrgefühl, sondern er will auch seiner Familie, seiner Kinder wegen erreichen, daß die Verhandlung wieder aufgenommen und daß ihm und der Wahrheit Recht werde. Er will sich als ehrlicher, rechtschaffener Mann, als Vater seiner Kinder, nicht unschuldig und für immer zum Betrüger stempeln lassen.

Herr Berger hat sich dies heute zur Lebensaufgabe gestellt, kann aber bei dem k. k. Kreisgerichte St. Pölten (wo er verurteilt wurde), selbst mit dem Angebote aller vorhandenen und überzeugenden Beweise seiner Unschuld, die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht erreichen.

Über den Fall selbst werden Euere Exzellenz aus nachstehenden Akten klare Einsicht erhalten:

Reproduktion jener Eingaben, Interpellationen, Protokolle zc., welche den Prozes des unschuldig verurteilten Franz Berger hinreichend illustrieren.

"Interpellation des Abgeordneten Wohlmeyer an Seine Exzellenz den Herrn Ackerbauminister und an Seine Exzellenz den Herrn Justizminister Freiherrn v. Spens-Boden über Fälle grober Rechtsverletzung beim Kreisgerichte St Polten, durch welche die Interessen des Bauernstandes schwer bedroht erscheinen. (34. Sitzung der XVII. Session des Abgeordnetenhauses am 19. April 1901. )

Durch die unglaublichen national-ökonomischen Verirrungen und die Jahrzehnte andauernde, auf manchester-liberaler Basis fußende, total verfehlte Wirtschaftspolitik unserer Regierung wurden die großen Volksmassen, insbesondere der Bauern- und Gewerbestand dem großkapitalistischen, zumeist jüdischen Spekulantentum vollkommen ausgeliefert. Durch das liberale Raubwirtschaftsystem wurden die Massen des Volkes proletarisiert und Hunderttausende von Familien in ihrer Existenz gefährdet.

Der größte Teil des heutigen Bauernund Gewerbestandes führt, tief verschuldet, eine jammervolle Existenz, einen ununterbrochenen Kampf um Sein und Nichtsein.

Nach den bestehenden, aus der judenliberalen Aera stammenden Gesetzen und Einrichtungen steht der Bauer mit seinem Eigentume den Angriffen machtiger Faktoren fast schutz- und rechtlos gegenüber. Auf allen Gebieten des volkswirtschaftlichen Lebens ist dies zu fühlen; selbst durch die Handhabung des gegenwärtigen Jagdgesetzes in Niederösterreich von Seite mancher Verwaltungsbehörden werden Bauern in der brutalsten und empfindlichsten Weise geschädigt.

Wehrt sich ein armer Bauer, der bei angestrengtester Arbeit kaum imstande ist, seine Steuern und Abgaben, sowie den bescheidensten Lebensunterhalt für sich und die Seinen aufzubringen, gegen die Verwüstung seiner Feldfrüchte und verlangt Von der Behörde Schutz oder spricht eine Wildschadenvergütung an, dann erreicht er nur sehr wenig oder gar nichts.

Gegen den kleinen Bauer, der sich nicht ruhig seinen Besitz verwüsten läßt, tritt oft ein einflußreicher Jagdpächter mit seinem ganzen Personale in der gehässigsten Weise auf und terrorisiert ihn.

Bei Kommissionen über Wildschadenerhebungen und Vergütungen werden zumeist den Bauern feindliche Elemente aus dem Forstpersonale als Sachverständige berufen.

Viele Organe der Verwaltungsbehörde selbst sind passionierte Jäger und dem einflußreichen, gastfreundlichen Jagdherrn geneigt ober gar verpflichtet, und so kommt es, daß Schadenserhebungen mit solchen Sachverständigen oft erst Monate nach erfolgter Anzeige vorgenommen werden, so daß der arme geschädigte Bauer wenig oder nichts mehr erreicht.

Ja, oftmals kommt es vor, daß er, anstatt eine Vergütung zu erhalten, noch Kommissionskosten zu zahlen verurteilt wird.

Eine Kette unerhörter, höchst ungerechter und brutaler Vorgänge reiht sich seit Jahrzehnten aneinander, und mit Staunen und wachsender Entrüstung muß man sehen, wie in Österreich das Recht gebeugt wird.

Aber das ist noch nicht alles; man geht noch weiter in unserem Vaterlande, wie vor kurzem in St. Pölten geschehen ist. Dort hat man einen arg geschädigten armen Bauer, der eine Wildschadensvergütung forderte, nicht nur abgewiesen und zur Tragung aller Kommissionskosten verhalten, sondern denselben wegen seines Wildschadenvergütungsanspruches auch noch als Verbrecher Beim k. k. Kreisgerichte St. Pölten angeklagt und auf die bloße Anzeige des Jagdpächters hin, ohne jeden Beweis einer Schuld, zu strenger, mit Fasttagen verschärfter Arreststrafe und zur Tragung aller Kosten des Strafverfahrens Verurteilt.

Ich bringe im nachstehenden diesen Fall zur Kenntnis Seiner Exzellenz des Herrn Ackerbauministers, weil der Herr Statthalter von Niederösterreich und die Regierung sich so energisch gegen ein vom Landtage beschlossenes neues Jagdgesetz wehren, und ich frage Seine Exzellenz, ob die Bauern in unserem Lande denn schon ganz vogelfrei und rechtlos sind, und ob die Regierung es nicht als ihre Pflicht betrachtet, unseren Bauernstand gegen seine Bedränger und Feinde zu Schützen.

Dem Herrn Justizminister möge das Folgende ein Beweis sein, wie an manchen Orten die richterliche Gewalt zu Willkürakten verwendet wird, und wie speziell in St. Pölten von einzelnen Funktionären das Vertrauen des Voltes in die Justizpflege und zu dem Richterstande erschüttert wird.

Der Bauer Franz Berger in Schaubing bei St. Pölten, mit zirka 38 Joch Grundbesitz, wovon gegen 7 Joch Waldgrund (Jungund Hochmais), erleidet schon seit vielen Jahren an seinen Waldkulturen einen erheblichen Schaben dadurch, daß an vielen jungen und gesunden Waldbäumen die obersten garten Wipselspitzen (Terminaltriebe) und auch Asttriebe abgebissen wurden.

In der Voraussetzung, daß dies nur durch Wild geschehen könne, hat der Geschädigte schon vor vielen Jahren bei den Jagdpächtern und der k. k. Behörde um Schadenkonstatierung, eventuell Vergütung und Schutzvorkehrungen gegen weitere Beschädigung an gesucht.

Bei den wiederholt hierüber gepflogenen Verhandlungen und kommissionellen Erhebungen durch die k. k. Bezirkshauptmannschaft wurde von dem Jagdpächter Josef Binder in Groß-Ruft immer bestritten, daß diese Schäden vom Wilde stammen, und die beigezogenen Sachverständigen konnten sich nicht Kar werden, od dieselben vom Birk- und Auerwild ober vom Eichhörnchen Verursacht werden.

Für die sich wiederholenden Schäden hat Franz Berger nur einmal einige Gulden Ersatz erhalten.

Im Vorjahre war wieder ein großer Schaden ersichtlich und hat sich Berger wieder an die k. k. Bezirkshauptmannschaft mit der Bitte um endliche Abhilfe und Schußvorkehrungen gewendet Eine Schadensvergütung wollte Berger mit Rücksicht auf die bisherigen erfolglosen Versuche, eine solche zu erlangen, gar nicht ansprechen, wurde aber vom Kommissär der k. k. Bezirkshauptmannschaft dazu bewogen.

Also Berger suchte eigentlich gar nicht an um Schadenersatz und nur weil ihm bei der k. k. Bezirkshauptmannschaft gesagt wurde, er müsse einen Schaden angeben, sonst sinde keine Kommission statt, hat er eine Schadenziffer genannt. So war es auch bei anderen. Dafür wurde er dann zum Betrüger gestempelt.

Hierüber fand am 31. März 1900 wieder eine Kommission statt, zu welcher die pensionierten Forstbeamten Herr Josef Simonitsch und Herr Karl Prix von St. Pölten berufen wurden.

Josef Simonitsch, ein krankhaft erregter, rechthaberischer und mit fixen Ideen behafteter Mann, der mit aller Welt, selbst hervorragenden Fachkollegen im Widerspruche, gegen Bauern ein gesuchter Sachverständiger ist, sagte bei der Kommission, daß die Schäden mit der Baumschere gemacht worden seien, ohne auch nur die Wahrscheinlichkeit seiner Behauptung begründen oder erweisen zu können. Es wurde bei dieser von der k. k. Bezirkshauptmannschaft geleiteten Kommission nicht beachtet, daß auch in vielen anderen Wäldern der dortigen Gegend genau solche Schäden vorgekommen sind, und daß es geradezu unmöglich ist, 10 bis 15 Meter hohen, schwachen jungen Stämmen diese Beschädigung beizubringen. Es wurde auch gar nicht erwogen, ob nicht doch Auer- oder Birkwild, Eichhörnchen ober andere Tiere die Schadensurheber sein könnten.

Aus Grund dieser Kommissionsergebnisse wurde der Beschädigte abgewiesen und zur Tragung der ziemlich hohen Kommissionskosten verhalten.

Anßerdem wurde von dem Jagdpächter die Strafanzeige gegen Berger wegen Verbrechens des Betruges beim k. k. Kreisgerichte St. Pölten eingebracht.

Dasselbe hat hierüber für den 25. August 1900 die Hauptverhandlung angeordnet, für welche der Angeklagte Franz Berger Herrn Dr. Josef Karl Mayer, Hof- und Gerichts advokaten in Wien, als seinen Verteidiger bestellte.

Bei der Hauptverhandlung forderte der Berteidiger Dr. Mayer ein Gutachten von Autoritäten im Forstwesen und führte andere Waldbesitzer als Zeugen an, daß auch in ihren Wäldern seit Jahren dieselben Schäden vorkommen. Aber vom Gerichtshofe wurden alle Anträge des Verteidigers abgelehnt und wieder nur die früheren Sachverständigen Simonitsch und Prix als Zeugen einvernommen, von denen der erstere in besonbers leidenschaftlicher Weise seine Depositionen abgab.

Auf dessen Angabe hin, daß die Zweige mit einer Baumschere abgeschnitten seien, verurteilte der Gerichtshof, ohne weitere Zeugen zuzulassen und ohne den geringsten Anhaltspunkt hiefür zu haben, daß gerade Berger dies getan habe, den armen, durch Wildschaden geschädigten Bauer zu vierzehn Tagen strengen, durch Fasttage verschärften Arrest und zur Zahlung aller Gerichtskosten.

Die hierauf von dem Verteidiger an den k. k. Obersteu Gerichts- und Kassationshof gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde wurde einfach abgewiesen.

In der Zwischenzeit konnte Herr Dr. Mayer weitere Erhebungen vornehmen und ein seinen Klienten vollständig entlastendes Beweismaterial sammeln. Mit seinem Klienten und drei beschädigten Baumwipfeln begab sich derselbe zu dem k. k. Forstrate und Hofjagdleiter Rudolf Sperlbauer, weiters an die k. k. forstliche Versuchsanstalt zu Mariabrunn, zu Herrn Dr. Adolf Cieslar, ferner an die k. k. Hochschule für Bodenkultur zu Herrn Professor Friebdrich Wachtel und hat bort überall die Versicherung erhalten, daß die Schäden nicht durch Scherenschnitt, Sondern durch Abbiß, von Tieren (Eichhörnchen) entstanden feien.

Insbesondere Herr Professor Friedrich Wachtel besaß genau in derselben Weise beschädigte Baumwipfel als Anschauungsobjekt für den Unterricht und erklärte, daß das Eichhörnchen hauptsächlich in sollchen Jahren, die feine Samenjahre sind, derartige Schäden verursache, daß das Jahr 1900 fein Samenjahr war.

Überdies hat Herr Dr. Mayer konstatiert, daß Fachzeitschriften sich mit dieser Frage beschäftigt haben, und die Beschädigungen von Baumwipfeln durch Eichhörnchen eine häufig beobachtete Tatsache sei, wie dies bei den Verhandlungen des böhmischen Forstvereines in Nirnburg im August 1896 von dem Herrn Forstmeister Hampel, Oberförster Midloch und anderen konstatiert wurde.

Schließlich fanden sich eine Menge Waldbesitzer der dortigen Gegend, welche seit Jahren dieselben Schäden erlitten haben und erst vor wenigen Tagen machten die Waldbesitzer im Oberndorfer Gebiete bei Herzogenburg, insbesondere Herr Franz Kattinger in Greuling die unangenehme Entdeckung, daß der größte Teil ihrer jungen Waldbäume durch Abbiß der Terminaltriebe beschädigt sei.

Herr Dr. Mayer hat demnach auf Grund dieser Erhebungen und Daten ein Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens beim k. k. Kreisgerichte St. Polten eingebracht und die Beweise für die Unschuld seines Klienten angeboten. Er mußte hoffen, daß, man diesem Ansuchen stattgebe, umsomehr, als bei der Verhandlung am 25. August 1900 ja gar nicht untersucht wurde, ob Berger dies getan habe, sondern einfach vorausgesetzt worden ist, daß nur er ein Interesse daran haben könnte und daher nur er es getan haben müsse.

Das k. k. Kreisgericht St Pölten hat laut Dekret vom 18. Dezember 1900 das Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens ohne weitere Erhebungen einfach zurückgewiesen, weil das Gutachten der Sachverständigen Sirnonitsch und Prix unumstößlich feststehe und nicht erschüttert merden könne. Dieses Gutachten, schreibt das Kreisgericht St. Pölten, kann auch dadurch nicht als irrig erwiesen merden, wenn in den umliegenden Wäldern dieselben Schaben vorkämen oder wenn auch später durch andere Sachverständige erwiesen würde, daß tatsächlich durch Eichkätzchenbiß beschädigte Terminal- oder Seitentriebe im Walde Bergers vorkommen.

Die im vorstehenden namhaft gemachten drei Fachautoritäten können daher nach dem Dekrete des k. k. Kreisgerichtes an der Sache nichts ändern, denn betreffs der speziell von Sachverständigen Simonitsch und Prix im Äuge gehabten Beschädigungen im Walde Bergers liegt eben deren bestimmtes Gutachten auf Zufügung durch Menschenhand vor und erscheint es unzulässig, dieses Gutachten durch andere Sachverständige auf Grund der Besichtigung anderer Objekte in Zweifel ziehen zu lassen.

Herr Dr. Mayer hat gegen diese Entscheidung des k. k. Kreisgerichtes St Pölten, gefertigt vom Präsidenten Hofrat Müllner, die Beschwerde an das k. k. Oberlandesgericht in Wien eingebracht.

Das k. k. Oberlandesgericht, dem sämtliche neue Beweismittel zur Kenntnis gebracht und Von den vielen beschädigten Waldbesistzern zehn als Zeugen namhaft gemacht wurden, hat diese Beschwerde aus den vom k. k. Kreisgerichte St. Pölten angeführten Gründen zurückgewiesen.

Der arme, durch Wildschaden arg beschädigte Bauer war hiemit ohne jeden Beweis öffentlich zum Betrüger gestempelt, mußte eine vierzehntägige strenge Arreststrafe absitzen und alle Kosten des Verfahrens bezahlen.

So ergeht es den Bauern in Desterreich, wenn sie sich wegen eines Wildschadens an die k. k. Behörden um Hilfe wenden.

Von den vielen Waldbesitzern. welche in dortiger Gegend durch Abbitz ihrer Baumwipfel geschädigt worden sind, wurden folgende als Zeugen namhaft gemacht:

Anton Schrattenholzer, Bürgermeister in Obermamau;

Josef Auer, Wirtschaftsbesitzer und Gemeinderat in Obermamau;

Franz Dürr, Wirtschaftsbesitzer und Gemeinderat in Karlstetten;

Josef Kern, Wirtschaftsbesitzer in Diendorf;


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