Pátek 2. øíjna 1908

Linien der Böhmischen Nordbahn einschließlich der in ihrem Betriebe befindlichen Staatsbahnstrecke B. -Leipa-Steinschönau von 379 km entfallen aus das deutsche Sprachgebiet Strecken und Teilstrecken von 240 km.

Im Deutschgebiete sind gelegen:

Von der Hauptlinie Prag-Georgswalde die Teilstrecke von Weißwasser bis Georgswalde 95 km.

Ferner die gangen Linien

Nöhrgdorf-Deutschgabel......

21

km

Numburg-Sebnitz.........

30

,,

Bodenbach-Leipa.........

65

,,

Bodenbach-Warnsdorf.......

31

,,

B. -Kamnitz Steinschönau......

5

,,

und die schon oben erwähnte Staatsbahnlinie

Steinschönau-Leipa.......

30

km

Es entfällt daher der weitaus größte Teil des Streckennetzes der Böhmischen Nordbahn auf deutsches Gebiet.

Die bezeichneten deutschen Linien durchziehen die nachstehenden rein deutschen Gerichtsbezirke:

Dauba mit......... B.. -Leipa mit........

Einwohnern .. 14. 565 .. 26. 717

Haida mit.........

.. 21. 930

Zwickau mit........

.. 15. 617

Warnsdorf mit.......

.. 37. 184

Numburg mit........

.. 29. 400

Schluckenau mit.......

.. 28. 085

Hainspach mit.......

.. 24. 280

Bensen mit.........

.. 22. 678

B. -Kamnitz mit.......

.. 27. 626

Tetschen mit........

.. 57. 453

u. Deutsch-Gabel mit.....

.. 17. 032

Zusammen sonach 12 reindeutsche Gerichtsbezirke mit einer Gesamtbevöl-

kerung von.........

322. 567

Diese Gerichtsbezirke gehören zu den industriell hochstehendsten und dichtest besiedelten Gegenden nicht nur Österreichs, sondern Europas.

Hier in dem nördlichen Gebirgswalle Böhmens hat deutscher Fleiß und deutsche Tatkraft überaus zahlreiche Stätten einer blühenden bodenständigen Industrie geschaffen, deren guter Ruf in der ganzen Welt begründet ist und die eine ansehnliche Steuerquelle für Staat und Land bildet. Die industrielle Entfaltung, der viele tausend ihre Existenz verdanken, erklärt auch die dichte Besiedlung.

Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt in diesem Gebiete 180 aus 1 km und übersteigt somit den Landesdurchschnitt von 115 und den Reichsdurchschnitt von 80 sehr erheblich.

Scheidet man die Vorwiegend landwirtschaftlichen Gerichtsbezirke Deutsch-Gabel und Dauba, welche nur an ihrer Peripherie Von den Linien der Böhm. Nordbahn berührt Werben, aus, dann erhöht sich die Bevölkerungsdichte auf 237 und erreicht in dem die Bezirkshauptmannschaften Rumburg und Warnsdorf umfassenden sogenannten böhmischen Niederlande eine Höhe, wie sie sonst nur noch in den belgischen und niederheimischen Industriecentren anzutreffen ist.

(Gerichtsbezirk Warnsdorf mit 469 der dichtbevölkerste Landbezirk Österreichs. )

Wie schon oben hervorgehoben, ist das in Rede siehende Gebiet rein deutsches Land, Welches, soweit die geschichtlichen Erinnerungen zurückreichen, stets von deutschen besiedelt war und nur in seinem Heineren südlichen Teile vor Jahrhunderten vorübergehend und auf kurze Zeit auch von Tschechen mitbewohnt war.

Nach der Volkszählung vom 31. Dezember 1900 betrug die deutsche Bevölkerung in Perzenten ausgedrückt in den Bezirken

Numburk..........

Perzent

100

Warnsdorf..........

99. 97

Bensen...........

99. 96

Hainspach.........

99. 94

Zwickau...........

99. 87

Schluckenau.........

99. 83

Deutsch-Gabel........

99. 83

Dauba...........

99. 33

B. Kamnitz.........

99. 06

B. Leipa.........

98. 97

Haida............

98. 63

Tetschen...........

98. 09

Der Durchschnitt beträgt 99. 30 Perzent.

Im Ganzen leben in dem bezeichneten Gebiete etwa 2100 Tschechoslaven, welche als industrielle Arbeiter, als Dienstboten, als Gewerbegehilfen meist nur vorübergehenden Aufenthalt nehmen oder als Staatsbeamte und Staatsangestellte importiert worden sind.

Der größte Teil der Tschechen wohnt in der Stadt Bodenbach und besteht dortselbst bezeichnender Weise faßt durchwegs aus Angestellten und Beamten der k. k. Staatsbahnen, welche für ihre 80 Kinder eine tschechische Privatschule - zugleich die einzige nicht deutsche Schule im ganzen Gebiete - unterhalten und deren Gleichstellung mit den öffentlichen Volksschulen anstreben.

Dieser Fall zeigt klar, wie in deutschen Orten künstlich aus dem Wege der Bahnverstaatlichung durch die Ämtervertschechung slavische Minderheiten geschaffen werden.

Das Beispiel von Bodenbach ist eine eindringliche Warnung und ein Mahnruf für alle Deutschböhmen, auf der Hut zu sein.

Die deutsche Bevölkerung der genannten 12 Gerichtsbezirke übertrifft jene der Krönländer Salzburg und Vorarlberg sehr bedeutend und kommt der Bevölkerung von Kärnten nahezu gleich.

An völkischer Geschlossenheit und Reinheit übertrifft sie die Kronländer Nieder- und Oberösterreich und Vorarlberg und ist ebenso rein deutsch, wie das Herzogtum Salzburg.

Die wenigen, zerstreut lebenden Tschechen beherrschen mit verschwindenden Ausnahmen die deutsche Sprache vollständig, weil sie sich sonst in dem Gebiete nicht fortbringen könnten.

Die landesübliche Sprache in dem gesamten Gebiete ist seit altersher ausschließlich die deutsche.

Es besteht mit Rücksicht auf die wahrheitsmäßig geschilderten Verhältnisse absolut kein Bedürfnis nach Einführung der Zweisprachigkeit auf den deutschen Strecken der verstaatlichten Böhmischen Nordbahn und nur nationaler tschechischer Chauvinismus und Größenwahn könnte eine derartige haltlose Forderung stellen.

Es ist vielmehr ein gutes Recht der deutschen Bevölkerung, zu Verlangen, daß der bisherige Zustand der Einsprachigkeit in allen Teilen des Bahnbetriebes, insbesondere auch rücksichtlich der Stationsvezeichnungen, der bahnämtlichen Kundmachungen und Aufschriften, der Fahrkarten und dergl. peinlich gewahrt bleibt.

Hinsichtlich der Stationsbezeichnungen muß an dieser Stelle auf den von der Staatsverwaltung leider vielfach unterstützten Mißbrauch hingewiesen werden, welchen die Tschechen, obzwar sie für sich das Recht der Unübersetzbarkeit der Orts- und Gassen bezeichnungen in Anspruch nehmen, mit der willkürlichen Übertragung deutscher Ortsnamen ins Tschechische treiben. Diese Übersetzungen entbehren jeglicher geschichtlicher Grundlage und Berechtigung und sollten darum von der Staatsverwaltung nicht beachtet werden.

Nördlich von Leipa liegt an den Linien der Böhmischen Nordbahn wohl kaum ein Ort, der noch vor dreißig Jahren einen tschechischen Extranamen gehabt hat.

Heute übersetzen die Tschechen Langenau mit Skalice, Georgental mit Jiøetín, Schõnlinde mit Krásná Lípa Schluckenau mit Šluknov, Nixdorf mit Mikulášovice, Fugau mit Fugava usw.

Unsere nationalen Gegner würden in die größte Verlegenheit kommen, wenn sie das Vorkommen dieser tschechischen Ortsbezeichnungen in einem älteren, tschechisch geschriebenen Werke nachweisen sollten.

Welche national-gefährlichen Folgen mit solchen willkürlichen Ortsübersetzungen verbunden sein können, beweist die lehrreiche Geschichte über die Wandlung des Ortsnamen Leimgruben. Noch vor 20 Jahren hieß diese an der Böhmischen Nordbahn nördlich Weißwasser gelegene deutsche Ortschaft "Leimgruben" und wurde unter dieser Bezeichnung in den amtlichen Ortsrepertorien und in den Generalstabskarten angeführt.

Heute ist der deutsche Leimgruben dank der von den staatlichen Ämtern unterstützten Tschechisierungsarbeit verschwunden, bezw. zum Spitznamen erniedrigt; das in deutscher Sprache erscheinende amtliche Ortsrepertorium kennt nur noch den offiziellen Namen Hilinowischt, der deutsche Namen Leimgruben ist in die Klammer verwiesen.

Es muß daher mit allem Nachdrucke gegen diesen Mißbrauch von Ortsübersetzungen Stellung genommen werden.

Was endlich die Forderung nach Anstellung deutscher Beamter und Bediensteter aus der Verstaatlichten Böhmischen Nordbahn anlangt, so bedarf dieselbe eigentlich keiner besonderen Begründung.

Die Forderung: "DeutscheRichter, deutsche Priester, deutsche Lehrer, deutsche Beamte für Deutschböhmen" wird nicht mehr verstummen und die hohe Regierung wird im eigenen staatlichen Interesse derselben Rechnung tragen müssen.

Bei der verstaatlichten k. k. priv. Böhmischen Nordbahn kann sie diese Forderung umso leichter erfüllen, als deutsche Bewerber um die Dienststellen und deutscher Nachwuchs hiefür in ausreichendem Maße zur Verfügung steht.

In Würdigung aller dieser vorangeführten Umstände richten die Gefertigten, nachdem die Unterbrechung der Reise seiner Exzellenz des Herrn Eisenbahnministers vielen Gemeinden die Gelegenheit genommen hat, ihre Wünsche und Beschwerden direkt dem Leiter des Eisenbahnministeriums zu übermitteln, an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter die Anfrage:

Ist Seine Exzellenz geneigt, bei der k. k. Regierung in Wien die anläßlich der Verstaatlichung der k. k. priv. Böhm. Erdbahn Von der deutschen Bevölkerung Nordböhmens einmütig geäußerten Wünsche, in erster Linie die Errichtung einer deutschen Staatsbahndirektion in Nordböhmen zu unterstützen und zu fördern?

Prag, am 30. September 1908.

Abg. J. Markert und Genossen.

(Oberstlandmarschall - Stellvertreter hat während der Veriesung der letzten Interpellation den Vorsitz übernommen.

Námìstek nejvyššího maršálka pøejímá pøedsednictví. )

Oberstlandmarschall - Stellvertreter Dr. Urban: Die Herren Abgeordneten Mütter und Genossen haben eine Interpellation an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter überreicht.

Ich ersuche, dieselbe zu Verlesen.

Landtags-Sekretär Dr. Haasz (liest): An Seine Excellenz den Herrn Statthalter!

Anfrage der Abgeordneten Mütter und Genossen, betreffend das Statut der Genossenschaft der Nahrungsgewerbe und der Gehilfenversammlung dieser Genossenschaft im Gerichtsbezirke Rochlitz.

Exzellenz!

Der obgenannten (Genossenschaft wurden Muster-Statuten vorgelegt mit dem Auftrage, dieselben ergänzt zur Genehmigung vorzulegen.

Das ist geschehen, doch wurden einzelne von der Genossenschaft gewünschte Bestimmungen gestrichen, so besonders jene, welche feststellten, daß die Geschäftssprache die deutsche ist.

Die Genossenschaft erstreckt sich über einen rein deutschen Gerichtsbezirk und ist die Festlegung des bezeichneten Umstandes doch nur etwas selbstverständliches.

Die Unterzeichneten stellen daher die Anfrage:

Ist Seine Exzellenz geneigt, die Verfügung zu treffen, daß die innen liegenden Statuten der Genossenschaft der Nahrungsgewerbe in Rochlitz und ihrer Gehilfenverammlung in der Weise genehmigt werden, wie es die Genossenschaft wünscht?

Prag, den 30. September 1908.

Abg. Müller und Genossen.

Oberstlandmarschall - Stellvertreter Dr. Urban: Anfrage der Abgeordneten Dr. Malý und Genossen an Seine Exzellenz den k. k Statthalter.

Landtagssekretär Dr. Haasz (liest): Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Malý und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn k. k Statthalter.

Die tschechisch-agrarische Korrespondenz brachte in den letzten Tagen nachstehenden Bericht, der in Nr. 15. 843 der "Neuen Freien Presse" vom 29. September 1908 wie folgt abgedruckt ist:

"Über die nächtliche Audienz der tschechischen Landtagsabgeordneten bei dem Statthalter Grafen Cudenhove erfährt man jetzt viele nähere interessante Details.

Es kamen die tschechischen Abgeordneten nicht nur zum Zwecke einer Loyalitätskundgebung, sondern auch, um den Statthalter Grafen Coudenhove darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht den Erwartungen der tschechischen Delegation entsprechen habe, daß sich der Statthalter bei diesem Anlasse passiv verhalten habe.

Was die Antwort des Grafen Coudenhove betrifft, so ist besonders hervorzuheben, daß der Statthalter seiner Entrüstung darüber Ausdruck gegeben hat, daß es zu dieser antipatriotischen Demonstration gerade in dem Jubiläumsjahr gekommen sei.

Er sei höchst erstaunt darüber, daß sich an der Absingung der "Wacht am Rhein" Leute beteiligt haben, an deren Loyalität zu zweifeln er bisher nicht gewagt hätte".

Die tschechisch-agrarische Korrespondenz behauptet an dieser Stelle, Seine Exzellenz der Herr Statthalter habe die Namen mehrerer deutschen Abgeordneten genannt, an deren Loyalität er bisher nicht zu zweifeln gewagt habe, woraus folgt, daß Seine Exzellenz nunmehr an der Loyalität der genannten Abgeordneten zweifle - und fährt sodann nach der angeführten Duette fort:

"Er - Seine Exzellenz der Herr Statthalter habe darüber auch nach Wien berichtet. "

Die Gefertigten können nicht glauben, daß Seine Exzellenz der Herr Statthalter sich in der. von der tschechisch-agrarischen Korrespondenz mitgeteilten Weise über die De monstration der deutschen Abgeordneten im böhmischen Landtage ausgesprochen habe, wobei gar nicht untersucht werden soll, ob die in der Korrespondenz angeführten Abgeordneten sich an der Absingung des bezeichneten Liedes beteiligt haben oder nicht. Die Gefertigten aber müssen sich mit der größten Entschiedenheit dagegen Verwahren, daß das Lied "die Wacht am Rhein" ein antipatriotisches Lied sei, und daß man berechtigt sei, an der Loyalität jenes österreichischen Staatsbürgers zu zweifeln, der bei welchem Anlasse immer dieses Lied singt.

Der Inhalt dieses Liedes nimmt an keiner Stelle Bezug auf Österreich, noch viel weniger auf die Allerhöchste Dynastie, geschweige, daß in demselben eine Spitze gegen Kaiser und Reich enthalten ist.

Auch die Entstehungsgeschichte des Liedes und die Zeit der allgemeinen Aufnahme desselben in den Liederschatz des deutschen Volkes läßt einen vernünftigen Schluß, das Lied habe irgend eine antiösterreichische Tendenz, nicht zu.

Entstanden als Kampslied der Deutschen gegen Frankreich, ist es zum allgemeinen Kampfliede der Deutschen geworden, durch das lediglich das eine zum Ausdrucke gebracht werden soll, daß der Deutsche Gut und Blut an die Verteidigung seiner nationalen Ehre und seiner nationalen Güter zu setzen, entschlossen ist.

Erst den Tschechen blieb es vorenthalten, diesem nationalen Liede eine antiösterreichische Tendenz zu unterschieben.

Der deutsche Volksstamm in Österreich aber muß es ablehnen, sich vom tschechischen Volksstanim und von der tschechischen Journalistk seinen Patriotismus und seine Loyalität, die niemals von deutscher Seite verletzt wurden, überprüfen, und von dieser Seite untersuchen zu lassen, ob einem seiner Inhalte und seiner Entstehung nach Völlig einwandfreien deutschen Liede eine unpatriotische und illoyale Tendenz unterschoben werden könne.

Die Gefertigten stellen deshalb an Seine Exzellenz den Herrn k. k. Statthalter die Anfrage:

1.   Ist es richtig, daß Seine Excellenz der Herr k. k. Statthalter sich den tschechischen Abgeordneten gegenüber in der Weise ausgesprochen hat, wie dies in der tschechischagrarischen Korrespondenz behauptet wird und oben angeführt ist?

2.   Wenn dies wider Erwarten tatsächlich der Fall sein sollte, wie Vermag Seine Ex-zellenz der Herr Statthalter es zu rechtfertigen, daß er das Sied "die Wacht am Rhein" als ein "antipatriotisches" bezeichnete und jene Abgeordnete, die sich an der Absingung dieses Liedes beteiligten, der Illoyalität beinzichtigte?

Prag, am 30. September 1908.

Abg. Dr. Maly und Genossen.

Oberstlandmarschall - Stellvertreter Dr. Urban: Interpellation der Abgeordneten Eduard von Stransky und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter.

Ich ersuche, dieselbe zu verlesen.

Die Landtagsaktuare Dr. Lašovka und Dr. Kopeèný lesen abwechselnd: Interpellation der Abgeordneten Eduard von Stransky und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter Grafen Coudenhove, betreffend den Bauzustand und die hygienischen Verhältnisse im Schulgebäude der deutschen Lehrerinnenbildungsanstalt in Prag.

Ein Prager Tagesjournal brachte vor einiger Zeit einen Artikel über die geradezu unerhörten Verhältnisse, die im Schulgebäude der Präger deutschen Lehrerinnenbildungsanstalt in Bezug auf Bauzustand und hygienische Einrichtungen herrschen.

Den Anstoß zu diesem Artikel gab das bekannte Massenunglück in einem Schulhause anläßlich einer Brandkatastrophe, welches die Zeitungen registriert hatten.

Nach dem Eingreifen der Öffentlichkeit wäre wohl anzunehmen gewesen, daß sich die berufenen Kreise dafür interessieren würden, die getadelten Übelstände zu untersuchen und gründlich zu beseitigen, Leider muß konstatiert werden, daß in dieser Richtung so viel wie gar nichts geschehen ist.

Es fanden zwar Kommissionierungen statt, der Effekt derselben blieb jedoch gleich Null, denn bloße Übungen, wie sich die Schülerinnen bei einem Brande zu benehmen haben, können unmöglich als ein hinreichendes Präventivmittel bezeichnet werden, um Katastrophen bei einem solchen Anlasse zu vermeiden, wo doch bekanntlich alles den Kopf verliert und wo in der Regel alle möglichen Zufälligkeiten mitspielen, auf die man gar nicht bedacht war.

In einem Zeitpunkte, wo das allgemeine Bestreben dahin geht, katastrophalen Ereignissen entgegenzutreten - es sei hier nur der verschiedenen Bauvorschriften für Theater, der Verordnungen zum Schule des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter in Gewerbsbetrieben bedacht - in einem solchen Zeitpunkte humanen Strebens muß es Wunder nehmen, daß sich in den zunächst berufenen Kreisen niemand findet, der kurz und bündig erklärt, die Verhältnisse sind unhaltbar, wie sie in der deutschen Lehrerinnenbildungsanstalt in Prag bestehen, und fordern zu einer gründlichen Abhilfe auf, wenn man sich nicht der Gefahr ausseien will, mitschuldig an einem großen Unglück zu werden.

Fassen wir zunächst den Baustand dieses Schulhauses ins Auge! Die Errichtung der Anstalt reicht in die sechziger Jähre des vorigen Jahrhunderts zurück; den damaligen bescheidenen Anforderungen und einer sehr geringen Schülerinnenanzahl mag das Gebäude ja vielleicht entsprochen haben. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Zahl der Schülerinnen seither beständig gewachsen ist und daß heute in diesem, in einem abseits gelegenen Winkel situierten, ringsum von hohen Gebäuden eingeschlossenen Schulhause an 500 Mädchen untergebracht sind.

Die Schülerinnen verteilen sich auf drei Stockwerke des Gebäudes. Jene Klassen, welche im Parterre gelegen sind, leiben naturgemäß beständig unter dem Mangel natürlicher Beleuchtung. Das vorhandene Stiegenhaus ist direkt ein Graus. Die Verbindung der Stockwerke untereinander wird durch eine einzige, hölzerne, finstere Treppe, die eine Breite von 1. 50 m hat, bewerkstelligt. Die Klassenzimmer münden auf schmale Gänge, die im Zickzack zu dieser hölzernen Treppe führen; eine direkte Verbindung mit dem Hauptabgange haben sie daher nicht.

Der Hauptgang, welcher ins Freie führt, ist nur 150 m breit. Beim Eintritt in die Parterrelokalitäten hat man das Gefühl, als ob man durch modrige Kellerräume schreiten würde.

Ist es schon an und für sich unverantwortlich, in einer derartig stark besuchten Schule überhaupt eine hölzerne Treppe zu dulden, so fei hier nur die Frage aufgeworfen, töte sich die in den oberen Stockwerken untergebrachten Kinder retten könnten, wenn die unteren Partien der Stiege unpassierbar würben. Haben sich jene Organe, denen die Oberaussicht über die Anstalt übertragen ist, jemals diese Frage vorgelegt? Wir motten hier gar nicht weiter in Erwägung ziehen, daß eine direkte Hauptverbindung in den Stockwerten mit der Stiege fehlt und daß daher bei einer Panik bei den vorhandenen schmalen Gängen (nur 150 m breit, so daß hier in den Zwischenstunden nicht einmal alle Mädchen Platz haben) und bei den sonstigen Kommunikationshindernissen die Treppen überhaupt nicht zu erreichen sind, daß die Türen der Klassenzimmer sich nach innen öffnen, daß die Vorhandenen- Notausgänge ganz und gar mangelhaft sind und werfen nur die Frage auf, ob die angeführt ten Momente nicht vollständig hinreichen, um die Schule überhaupt zu sperren.

Was würde der k. k. Gewerbeinspektor zu einer Fabrik mit 500 Arbeitern sagen, die derartige Vetriebsöerhättnisse aufweist? Unbedingte Sperrung märe das Sog des Betriebes.

In hygienischer Hinsicht liegen die Verhältnisse nicht besser.

Entsprechend wirkende Ventilationen fehlen in den Schulzmmetn fast vollständig. Wenn die Klassen ausreichend gelüstet werden sollen, müssen die Schüterinnen die Lehrsäle verlassen und sich auf den schmalen, im Winter empfindlich kalten Gängen, herumdrücken, Dies hat schon oftmals zu argen Verkühlungen und zum Entstehen schwerer Leiden geführt.

Von berufener Seite wurde deshalb der Ausspruch getan, die k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt ist die Brutstätte für Lungenleiden aller Art.

Die räumlichen Verhältnisse der Schulzirnmer sind vollständig ungenügend.

Es gibt Lehrräume, wo bei einem Belage von über 60 Hörerinnen, und zwar erwachsenen Mädchen, kaum jene räumlichen Verhältnisse erreicht werden, die die Verordnung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 12. März 1888, Zahl 7099 und 1887, für Volksschulen fordert. Hiebei muß aber erwogen werden, daß in Volksschulen die Zahl der Unterrichtsstunden um nahezu ein Drittel geringer ist, weshalb die Forderung nach größerem Bewegungs- und Luftraum wohl durchaus am Platze erscheint.

Für moderne Lehrräume bei günstiger Ventilation müssen zu mindest 1. 25 m2 Flächenraum und 6-7 m3 Luftraum für die Person gerechnet werden bei einer Höhe der Säle von 3. 5-4 m und einer Tiefe bis höchstens 9 m.

Die Verordnung des Handelsministeriums vom 23. November 1905 R. -G. -Bl. Nr. 176 geht bezüglich der Fabriken in einzelnen Punkten sogar noch viel weiter.

Daß die Kandidatinnen in derart beschaffenen Lehrräumen wie Häringe aneinanandergepfercht sitzen müssen und nach allen Seiten hin behindert sind, versteht sich von selbst. Es leidet durch die unerhörten Verhältnisse nicht nur die Gesundheit der Kinder, sondern auch der Unterricht.

Am schönsten aber bei der gangen Sache sind die Abortanlagen. Sie sind geradezu ein Jammer. Aus zwei Schulflassen mit einem Belag von über 120 Kandidatinnen entfällt ein einziger Anstandsort. Die erwähnte Verordnung vom 23. November 1905, die in ihren Bestrebungen sicher nicht zu weit geht, schreibt vor, daß für höchstens 30 Personen ein Abort zu rechnen ist.

Sind das nicht unerhörte Verhältnisse in einem k. k. Lehrinstitute, dem einzigen staatlichen in Böhmen, dem die Aufgabe zusällt für unsere Schulen geeignete Lehrkräfte heranzubilden? Der Staat möge sich einmal die Schulpaläste ansehen, die unsere deutschen Gemeinden aufbauen ließen und sich daran ein Vorbild nehmen!

Die Gefertigten stellen aus Ew. Exzellenz als obersten Hüter der Schuljugend die Fragen:

1.   Sind Ew. Exzellenz diese unerhörten Verhältnisse bekannt?

2.   Warum ist schon nicht längst eine energische Maßnahme getroffen worden, um diese geradezu himmelschreienden Verhältnisse zu beseitigen?

3.   Sind Ew. Exzellenz geneigt, sofort unter Zuziehung von Sachverständigen aus dem Gebiete der Schul- und Gewerbehygiene und der Unfallverhütung eine geeignete Kom- mission zusammensetzen zu lassen, welche unverzuglich die sanitären und baulichen Verhältnisse in der k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt überprüft und geeignete Anträge stellt?

4.   Können die Gefertigten erwarten, daß nach dem Resultate dieser Kommission Von Staatswegen alles veranlaßt werden wird, um diese trostlosen Verhältnisse zu sanieren oder soll erst der Eintritt einer Katastrophe abgewartet werden, bevor hier Wandel geschaffen wird?

Prag, am 2. Oktober 1908. Abg. Ed. v. Stranský und Genossen. Oberstlandmarschall - Stellvertreter: Dr. Urban: Interpellation der Abgordneten Iro und Genossen an Seine Excellenz den Herrn Statthalter.

Landtagssekretär Dr. Haasz (liest): Interpellation der Herren Abgeordneten Karl Iro und Genossen an Seine Durchlaucht den Herrn Oberstlandmarschall, sowie an Seine Exzellenz den Herrn Statthalter, betreffend die Protesterklärungen bezüglich Absingung der "Wacht am Rhein" in der Landtagssitzung vom 24. Sept. d. J. und betreffend eine antidynastische Rede des heutigen geheimen Rates und Ministers Prášek in der 22. Sitzung des böhmischen Landtages vom 5. Mai 1900.

Der Umstand, daß in der Sitzung des heurigen Landtages vom 25. v. M. zur Verhinderung dieser unlegal einberufenen Sitzung von deutschen Abgeordneten unter Anderem auch die "Wacht am Rhein" gestimmt wurde, gab einzelnen Abgeordneten der tschechischen Mehrheit des Landtages Veranlassung, in der nächsten Sitzung in Reden, Protesten und Erklärungen ihrer Entrüstung über die Absingung dieses schönen deutschen Kampfgesanges in den Räumen des Landtages Ausdruck zu geben, diese deutsche Demonstration als eine antiösterreichische, antidynastische und hochverräterische zu bezeichnen und dabei zu versichern, daß die tschechische Politik sich stets in den Grenzen wahrer Loyalität und österreichischen Patriotismus bewegt habe.

Auch Seine Exzellenz der Herr Statthalter soll seiner Entrüstung über die Absingung der "Macht am Rhein" einer Abordnung tschechischer Landtagsabgeordneter gegenüber Ausdruck gegeben und den Herren versichert haben, daß er über diesen unerhörten Vorfall sofort nach Wien berichtet.

Bei diesen Entrüstungskundgebungen scheint den Protestlern von der tschechischen Seite und auch Seiner Exzellenz dem Herrn Statthalter die nachstehende Rede aus dem Gedächtnisse entschwunden zu sein, die der jetzige geheime Rat Seiner Majestät des Kaisers und Minister Prášek in der 22. Sitzung der IV. Jahressession des Böhmischen Landtages vom 5. Mai 1900 gehalten und deren Schluß lautet:

"Ja, meine Herren, wir dürfen bei uns nicht immer sagen: "Gott, wir sind ja so gut, unser tschechisches Volk ist durch und durch so loyal, so förmlich durchtränkt davon, daß ihm diese Loyalität in Blut und Adern übergegangen ist!

Sagen mir das nicht, es ist nicht wahr; lügen wir nicht, sagen wir dort hinaus, daß es Zeiten gab, - und es ist das noch nicht so lange her, - wo wir den einfachen Bauer, Arbeiter und Handwerker vom Lande hören konnten, wie er mit heiliger Ehrfurcht die Worte »císaø pán« (Seine Majestät) aussprach und sehen konnten, wie er mit heiliger Ehrfurcht zu den Bildern ausblickte, die er in einem Stübchen hängen hatte, wie er sich demütig verbeugte, wenn man ihm Gerechtigkeit und Hilfe versprach und wenn man ihm sagte, daß er erhalten werde, was ihm nach Recht und Billigkeit als Menschen und Tschechen gebühre.

Und was sehen wir heute?

Es läßt sich nicht verhehlen, daß dieses Vertrauen heute nicht mehr vorhanden ist, und daß die Bilder, zu denen man mit solcher Ehrfurcht aufblickte, fortzuwandern beginnen, und an ihre Stelle andere Bilder gehängt werden, die Bilder unserer Nationalhelden: Hus und Žižka usw.

Man soll es hören, daß in diesem Volke, das für jene Bilder eine Herzensneigung hatte, das in ihnen etwas hoch Erhabenes erblickte, daß in diesem Volke jene Gefühle nicht mehr vorhanden sind; und wie wunderlich müßte auch das Herz des tschechischen Volkes sein, wenn dieses trotz allen jenen Aeußerungen und Zurücksetzungen, die ihm zuteil geworden sind, noch die Hand küssen und lecken würde, die es mit der Knute Schlägt.

Ich mag nicht in Phrasen sprechen, aber ich sage, daß es im Volke gährt.

Wir brauchen unserem Volke nur zu sagen, daß wir in Oesterreich in Gutem nichts erreichen und es wird die Zeit kommen, wo sie staunend sehen werden, daß dieses 3Sotf noch das Blut der Hussiten in sich trägt. "

(Výbornì!)

Da nach diesen, die Autentität des stenographischen protokolles für sich habenden Gegenüberstellungen, die von tschechischer Seite aufgeführten Entrüstungskundgebungen als eine Heuchelei und ein nach oben hin wohl berechnetes politisches Manöver bezeichnet werden müssen - erscheint es wohl am Platze, die Frage aufzuwerfen, ob jene


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