Støeda 30. záøí 1908

die ganzen Warenvorräte von der nahen Stadt, Fabrik, Mühle oder von der Bahn herbeischaffen mußte, wenn man ferner der nicht geheizten Läden und Schlafstellen bei den damals bestehenden Verhältnissen gedenkt, wenn in Erwägung gezogen wird, daß zu jener Zeit die Geschäftslokale von früh 5 oder 6 Uhr bis abends 10, auch 11 Uhr, im wahren Sinne des Wortes offen standen und wenn man schließlich in Betracht zieht, daß es damals keine, ober nur wenige, dem Körper einigermaßen Ruhe und dem Geist Bereicherung bietende kaufmännische Fortbildungsschulen gab, die Ausgänge sich beim Kommis auf jeden zweiten oder auch dritten Sonntag - beim Lehrling sogar nur auf drei Halbtage des Jahres (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) beschränkten, so ist jetzt, es sei offen und gerne konstatiert, die Zeit der Überbürdung des Handelsangestellten Gott sei Dank vorüber, obzwar bemerkt werden muß, daß zur vollständigen Schilderung jener "guten alten Zeit" noch recht vieles, leider aber wenig Gutes angeführt werden müßte.

Das Wort "schuften", mit dem eine gewisse Partei die "jetzige Tätigkeit" der kaufmännischen Hilfskräfte zu belegen die Gute hat, paßt wohl auf die vorbeschriebene Zeitperiode und ihre Verhältnisse ganz und gar es aber auf die heutige Zeit und deren Verhältnisse anzuwenden, ist nicht nur "unbillig" und "ungrecht" - sondern sogar "böswillig!"

Wie schon bemerkt wurde, haben der Dampf und die Elektrizität es mit sich gebracht, daß die Verhältnisse und die Lage der Herren Angestellten eine bedeutende Erleichterung erfuhren, aber auch die in der Jetztzeit geübte Humanität kommt in nicht geringem Maße den Handels- und Industrieangestellten zugute.

Dort, wo einst in düsterem Laden der schurzumgürtete Kommis zähneklappernd mit wunden Händen tagsüber schwer arbeiten und bis in die späte Nacht hinein Düten kleben mußte, sehen wir heute in einem freundlichen, wohldurchwärmteu Lokal fesch gekleidete junge Männer, die, wenn ihre Befähigung nur einigermaßen den Ansprüchen des Chefs entspricht, nur ausnahmsweise und da nur zu leichterer Arbeit. - sonst aber nur ausschließlich zur Bedienung der Kundschaft verwendet werden.

Die schwere Arbeit fällt dem Markthelfer, dem Hausmeister oder dem Personale des Spediteurs zu. Der Gewürzmörser wird in manchen Geschäften als ein Monstrum aus vergangenen Tagen zum Andenken aufbewahrt, die Schütteltrommel wich den modernen Dampf- ober leichtbeweglichen Kaffeeröstmaschinen und ist dem kaufmännischen Hilfspersonale nur noch vom "Hörensagen" bekannt; der Stoßwagen als Krastmesser des Lehrlings wird immer seltener und kommt nur bei ganz leichten lokalen Beförderungen von Waren in Verwendung, die Strapazen der mühseligen Arbeit des nächtlichen Fahrens zum oder vom Markttage eines mehr weniger weit entfernten Nachbarortes sind ganz abgeschafft und noch eine gange Reihe, die ganze physische Kraft des jungen Mitarbeiters in Anspruch nehmenden Tätigkeiten sind ganz oder zum größten Teile in Wegfall gekommen, und es kann ohne begründeten Widerspruch getrost die Behauptung aufgestellt und der Beweis erbracht werden, daß die Fortschritte im modernen Verkehre in physischer Beziehung den beschwerlichen Teil des Wirkens unseren heutigen kaufmännischen Hilfskräften abgenommen haben.

Aber auch in humanitärer Beziehung ging die Jetztzeit nicht spurlos an unseren jugendlichen Mitarbeitern vorüber, im Gegenteil, gerade in dieser Richtung hin sind Fortschritte zu verzeichnen, von denen vor einem halben Menschenalter noch niemand eine Ahnung hatte.

Abgesehen von der besseren Lebensweise, welche insbesondere in der Verköstigung und dem Logis zum Ausdruck gelangt, aber doch nicht außeracht gelassen werden dürfte, wurden speziell in den letzten zwei Dezennien Einrichtungen geschaffen, auf die nur in aller Kürze hingewiesen sei, trotzdem sie auf die soziale Stellung des kaufmännischen Hilfspersonales von ganz außerordentlicher Tragweite sind und deshalb hier angeführt werden müssen.

Durch die Errichtung zahlreicher Handelsfortbildungsschulen, deren Unterrichtszeit meist auf die Tagesftunden fällt, wurden wöchentlich 6 Stunden - und rechnet man den Gang zur und von der Schule, 6 1/2 bis 7 Stunden, ja für die am Lande beschäftigten Lehrlinge 7 bis 8 Stunden, zur körperlichen Erholung derselben genommen.

Betreffs der körperlichen Erholung des gesamten Personales wurde in der Weise Vorsorge getroffen, daß die sich einst auf 16 bis 18 Stunden erstreckende Tagesarbeitszeit freiwillig auf 12 bis 14 Stunden herabgemindert wurde. Doch blieb man dabei nicht stehen. Es wurde die Sonntagsnachmittagsruhe erst durch vier Stunden eingeführt, dann aber auf den ganzen Sonntagsnachmittag ausgedehnt, ja in vielen Städten geben die Kaufleute ungezwungen auch im Sommer die Feiertagsnachmittage frei.

Daß es unter solchen Verhältnissen unseren Mitarbeitern an Erholung nicht fehlt, dafür sprechen die eben angeführten nicht zu leugnenden Tatsachen, aber eben so sicher ist es, daß mancher Chef unter den heute obwaltenden Verhältnissen sich so viel Erholung nicht bieten kann und - darf!

Durch die in dem letzten Dezennium geschaffenen Wohlfahrtseinrichtungen, wie zum Beispiel die kaufmännischen Krankenkassen, zu deren Fortbestehen und Erhaltung die Chefs einen großen Teil, in vielen Fällen den gesamten Beitrag für ihr Personal leisten, wurde für die Handels- und Industrieangestellten in einer Weise Vorsorge getroffen, um die sie mancher Chef wahrlich beneiden kann.

Man ging in einzelnen Städten noch weiter, indem für kurbedürftige Mitarbeiter Fonde gebildet wurden, zu denen die Chefs gewiß nicht den kleinsten Beitrag leisten.

Neuerdings arbeitet man auch an der Altets- und Invaliditätsversorgung der Angestellten, die ohne Zweifel in nicht zu ferner Zeit in -Wirksamkeit treten wird, wenn auch der erste Entwurf hiefür, infolge der hierin ausgesprochenen allzugroßen Belastung der Chefs, die für manchen Kaufmann und Industriellen den Ruin bedeutet hätte, verworfen werden mußte.

Die Ausübung der Humanität ist gewiß ein edles Werk, läßt sich sehr leicht "vom grünen Tische" aus diktieren, aber alles hat seine Grenzen!

Sassen wir nun aber die Leistungen zur Ausübung der Humanität ins wahre Licht treten, betrachten wir genau, "wer" auch für die gangen Erleichterungen in physischer Beziehung auszukommen hat und wir kommen zu der unwiderleglichen Tatsache, baß die schwere Arbeit, die einst das kaufmännische Personale leisten mußte, entweder maschinell oder durch Heranziehung zahlreicher untergeordneter Hilfskräfte verrichtet, aber vom Geschäftsinhaber in beiden Fällen bezahlt wird, daß die Verbesserung der Lebensweise, die körperliche Erholung durch die gang freiwillige Verkürzung der Arbeitszeit, oder durch die teils freiwillig, teils gesetzlich eingeführte Sonn- und Feiertagsnachmittagsruhe, die geistige Ausbildung durch die Handelsfortbildungsschulen, der Bestand und die Erhaltung der Gehilfenkrankenkassen und die Fundierung der Fonde für kurbedürftige Handels- und Industrieangestellte entweder ganz allein oder gewiß doch zum größten Teile, entweder direkt oder indirekt durch die kaufmännischen Gremien und Genossenschaften auf Kosten der Geschäftsinhaber geschehen ist und geschieht !

Zurückkommend auf die Alters- und Invaliditätsversorgung, wollte man auch diese noch zu zwei Drittteilen den Chefs aufbürden, die in ihrer Fassung zur Folge gehabt hätte, daß der steuertragende Chef mit seinen nicht steuertragenden oder nur gering besteuerten Angestellten puncto gesicherter Stellung gerne getauscht hätte.

Neue Mehrbelastungen und Mehreinschränkungen für den Handel werden vom grünen Tische diktiert, ohne die Handelswelt darüber befragt zu haben, ohne Rücksicht auf die geschäftliche Lage, ohne Rücksicht darauf, daß,, Zehntausende von Kaufleuten gegen feine Krankheit, gegen keinen Unfall, gegen fein geschäftliches Mißgeschick sich versichern können, weil es ihre Notlage einfach nicht gestattet, für solche Angelegenheiten alljährlich bestimmte Summen ausgeben zu können und an eine Alters- und Invaliditätsversicherung aus dem gleichen Grunde nicht denken dürfen, so daß eine groß Anzahl von Geschäftsleuten das Alter in kümmerlicher Weise fristen müssen. "

Wir glauben nicht mit übertriebenen Worten die Situation des größten Teiles der Handelswelt Österreichs gekennzeichnet, sondern, gang ohne jede Voreingenommenheit gegen unsere Mitarbeiter, denen wir die Verbesserung ihrer Lage, soweit sie sich mit den geschäftlichen Verhältnissen in Einklang bringen läßt, wahrhaftig gönnen, die tatsächlich bestehenden Verhältnisse festgelegt zu haben.

Es erscheint nun dem Gesagten nach die Frage am Platze:

"Hat denn auch bei uns in Österreich die geschäftliche Lage im allgemeinen mit diesen Belastungen, denen sich noch die erhöhten Anforderungen an Gehalt seitens unserer Mitarbeiter, die heute unbedingt notwendige feinere Ausstattung der Verkaufslokale und Auslagen, die hohen Mieten, Steuern und sonstigen Abgaben und geschäftlichen Auslagen, die man früher gar nicht kannte und auf die wir später noch zu sprechen kommen, anschließen, hat das Geschäftsleben mit diesen Betastungen gleichen Schritt gehalten, so daß dieselben ohne Gefahr für den Bestand des Detailhandels zu tragen sind?"

Wenn wir aus diesem Grunde wiederum auf die geschäftliche Lage vor 30 Jahren einen kurzen Rückblick werfen und mit der heutigen vergleichen, so kommen wir zu folgendem Resultat:

"Es ist Tatsache, daß sich der Umsatz im Handel seit 30 Jahren vielleicht verdreifacht hat. Ziehen wir aber in Rechnung, daß so manche Branche heute mit kaum 3 bis 4 Prozent Bruttonutzen arbeitet, beachtet man die, oben zitierten großen, sich jährlich steigenden Lasten des Handels, erwägen mir, daß sich die Konkurrenz seit der genannten Periode nicht verdreifacht, sondern wenigstens im Verhältnisse zu der damaligen Vevölkerungszahl verzehnfacht hat, so muß jeder Kenner der Verhältnisse, ja selbst der Laie zugeben, daß die Lasten zu dem Erfolge in grellem Misverhältnisse, und zwar zu Ungunsten der Geschäftsleute stehen. "

Diese Reassumierung drängt uns zu dem unbeugsamen Facit, daß, wenn nur auf Kosten des Arbeitgeber die Prinzipien der Humanität in überschwänglicher Weise zur Ausübung gelangen sollen, dieser in seiner Existenz bedroht und insbesondere der wirtschaftlich Schwächere dem Untergange geweiht ist, daher seitens der Bedrängten alles aufgeboten werden muß, um diesem Vorgang ein "bishes und nicht weiter" zu gebieten, so lange die bisherigen Verhältnisse bestehen.

Wir geben uns durchaus keinen Illusionen hin und wissen recht gut, daß die Bewegung der Jetztzeit in ihren Forderungen unaufhaltsam weiter gehen wird, aber wir sind fest überzeugt, daß diese Forderungen gleichen Schritt mit den jeweils bestehenden Verhältnissen halten müssen, sollen anders nicht die reellen Prinzipien des Handels untergraben werden, und dies sollten sich unsere Mitarbeiter stets vor Augen halten.

Es ist - wir verwahren uns jedoch gegen die etwaige Zumutung, als wollten wir alle unsere Angestellten des Handels und der Industrie damit meinen - es ist aber vielen unseren Mitarbeitern Nebensache, ob die Belastung oder die Einschränkung des Handels mit dem Erfolge gleichen Schritt hält. Manche freuen sich dieser Bewegung, "denn sie ist die Frucht ihrer Saat, aus der sie reiche Ernte erhoffen", ohne zu bedenken, daß die Entnerbung des Handels ihnen unmöglich für die Dauer Nutzen bringen kann.

Die Anhänger aus kaufmännischen Kreisen dieser Prediger müssen wir aber recht bedauern, das sie als angehende Kaufleute die Grundlagen des Handels, die in möglichster Freiheit und strengster Nahrung der Einzelexistenzberechtigung bestehen, mit wuchtiger Faust ins Gesicht schlagen, indem sie sich "zu Stürmern gegen die Existenz der Handelswelt" ausnützen lassen.

Es ist ferner zu bedauern, daß unsere Mitarbeiter, die dem praktischen Berufe des Handels angehören, diese Bewegung teilweise unterstützen, ohne zu überlegen, daß sie meist unbewußt - gegen sich selbst, als unsere Nachfolger, arbeiten.

Die heutige Bewegung eines großen Teiles unserer Mitarbeiter richtet sich auf die Erlangung der "ganztägigen Sonntagsruhe im Handel und der Industrie. "

Wir sondern im Nachstehenden nicht umsonst die Teilhaber dieser Bewegung in drei Gruppen, denn wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, "den wahren Wert der gangen Bewegung" ins "rechte Licht" zu stellen, um den Beweis zu erbringen, daß dieselbe meist nachdrücklich geleitet und organisiert wurde von einer Mitarbeitergruppe, die "zur Unzufriedenheit gar keine Berechtigung hat" und die eigentlich interessierte Gruppe durch Verheißungen und durch "Vorzeigung nur der Lichtseiten der Forderung" mit sich reißt.

Die Bewegung für die ganztägige Sonntagsruhe ging vor allem von der sozialistischen Partei aus, welche in ihrer Presse unausgesetzt das Wort für selbe führt - die Handelsangestellten als "moderne Sklaven -die Chefs als "Ausbeuter" charakterisiert! Nun liegt ja im Wesen des Menschen selbst, daß man gerne dem Gehör schenkt, der vermeintlich unser Bestes anstrebt; die soziale Richtung gewann leider auch in den Kreisen der Handelsangestellten teilweise Anhängerschaft, die die Theorie des Sozialismus eingesaugt und blindlings derselben huldigt. Die Anhängerschaft der sozialen Richtung im Handel rekrutiert sich zumeist aus ganz jungen Leuten - oft kaum der Schule entwachsenen Knaben, was eigentlich nur als ein gutes Zeichen im allgemeinen betrachtet werden möge, denn es gehört eine ganz eigentümliche Auffassung dazu, daß ein gereister Kaufmann solchen den Handelsstand zersetzenden Theorien huldigen könnte. Das ist die eine Gruppe.

Die zweite Gruppe, die tonangebende und bis nun meist die Versammlungen der Angestellten leitende, sind die Herren Angestellten in den Industriekomptoirs. Auch sie bedienen sich der Losung, welche die Sozialisten, um recht zahlreiche Anhänger zu gewinnen, als Parole ausgegeben haben: "Mehr Freiheit!" Recht leicht haben es die Herren dieser zweiten Gruppe mit der Forderung nach ganztägiger Sonntagsruhe. Selbst in günstigen sozialen Stellungen, mit den Verhaltnissen des Klein- und Mittelhandels gar nicht oder meist nur der Theorie nach bekannt, an ein Etablieren nur in den seltensten Fällen und da doch wieder nur in ihrem Beruf als Industrielle denkend, die sonst an Sonntagen kaum zwei Stunden das Nötigste im Komptvir erledigen oder in den Sommermonaten, weil leicht zulässig, die ganztägige Sonntagsruhe schon genießend, sind nun zu Führern der Bewegung geworden. Es wird behauptet, daß es des Standes "unwürdig" ist, daß dem Kommis nicht 24 Stunden freie Zeit gelassen wird, es wird zitiert, "daß nach einer ganztägigen Sonntagsruhe der Angestellte mit frischem Geist und doppelter Kraft freudig an sein Tagewerk gehen werde cc. "

Eines schickt sich nicht für alle!

"Glauben uns doch die Herren, wir Kaufleute wurden selbst gerne den ganzen Sonntag für uns und untere Familien widmen - wir Kaufleute würden recht gerne bei weniger Arbeit und mehr Vergnügen gleiche Losungen erzielen! Glauben die Herren aber ja nicht, daß es von uns ein Justamentsstandpunkt ist - nur der Arbeit halber, sondern bitterer Ernst um die Existenz!"

Also kein Justamentsstandpunkt ist es, das werden wir noch später nachweisen. Oder sollten die Herren Industrieangestellten nicht soweit orientiert sein, daß sie nicht einsehen müssen, daß die ganztägige Sonntagsruhe speziell dem Detailhandel großen Schaden zufügen würde und dennoch an dieser Forderung halten? Das wäre ein großes Unrecht "meist begangen an ihrem Anhange aus der dritten Gruppe", welche zum großen Teile an eine Selbständigkeit denkt, es wäre "eine direkte Untergrabung der Interessen eigener Berufsgenossen!" Es gibt noch ein Drittes, was die Herren, betreffend die Konsequenzen, anführen könnten und zwar, daß sich alles ausgleicht! Nun, auf das kommen wir auch noch zu sprechen und werden es mit tatsächlichen Beweisen widerlegen!

Und nun die dritte Gruppe! Die Angestellten der Detail- und Grossogeschäfte, die der sozialen Richtung nicht huldigen, zum Teil aber dennoch die Bewegung nach ganztägiger Sonntagsruhe unterstützen. Diesen unseren Mitarbeitern können wir nur zurufen:

"Aus eigener Erfahrung seht ihr ja, wie schwer und mühsam die Existenz des Kaufmannes ist! Wollt ihr denn das bißchen Verdienst, welches die Frequenz des betreffenden Ortes an einem Sonntagvormittage mit sich bringt, euren Brotherren kürzen? Wir wissen ja, daß ihr euch nicht "als moderne Sklaven" betrachtet, als die man euch so gerne ausspielt Ihr wißt aber auch, daß wir keine Ausbeuter sind, die von euerem Fleiße prassen; ihr wißt aber auch, baß euere geschickten Hände unsere Auslagen zu Ausstellungen machen, die an Sonntagen selbst verkaufen und daß bei der Erfüllung euerer Forderung dieses Sonntagsgeschäft uns entgeht! Aber nicht "uns allein" entgeht momentan der Verdienst, sondern auch euch, die ihr doch unsere Nachfolger seid! Bedenkt, daß die Wunden, die ihr uns heute schlagt, euch morgen schon schmerzen werden, ja daß ihr selbst daran verblutet! Schaut nicht die Medaille nur von der einen Seite an, betrachtet "als Männer der Praxis" beide Seiten und wir sind überzeugt, es wird euch vor der andern schaudern!"

Wir können nicht so oberflächlich über das Thema "Schädigung des Klein- und Mittelhandels durch die ganztägige Sonntagsruhe" hinweggehen, ohne diese Schädigung auch gründlich zu beweisen:

Zuerst wollen wir das Verhältnis der Gruppe III. der Angestellten der Detail- und Grossohändler ein wenig erörtern. Die Schlagworte "der Arbeiter, der Taglöhner hat es besser als der Kommis" sind eben nur Schlagworte, die keinem ernsten Mitarbeiter imponieren sollten! Der Tagarbeiter arbeitet physisch, arbeitet seine 8 bis 10 Stunden herunter und bekommt auch für diese Zeit gezahlt. Anders ist das Verhältnis beim Handelsangestellten. Dieser muß jetzt mehr ein geistiger Arbeiter als ein physischer sein, er muß denken, das bringt sein Beruf mit, spuft ist er kein Kaufmann.

Der Kaufmann hat nicht permanent so und so viele Stunden zu tun, für die er entlohnt wird, sondern er wartet auf die Kunde, wartet oft sehr, sehr lange samt seinem Personale. Unsere Mitarbeiter werden auch nicht nach der Stunde bezahlt, sondern sie beziehen ein jährliches Salair, gleichgiltig, ob nun "gar nichts", wenig ober biet zu tun ist ob Feiertag oder Sonntag.

Auch das Verhältnis zwischen dem Kleinund Mittelhandelangestellten und dann der Industrie ist ein grundverschiedenes. Der erstere muß, wie schon bemerkt, auf die Kunde warten, während der Industrielle Seine Kunden selbst ober durch seine Vertreter aufsucht. Während beim Industriellen Sonntags eingelaufene Bestellungen nicht effektuiert werden können, weil die Fabrik still steht, "muß" und soll der Kaufmann gerade diese Ruhezeit der Fabriken und ihrer Arbeiter und Bediensteten ausnützen, um ihre Anwesenheit in dem betreffenden Sammelort für die Anbringung seiner Waren zu benützen. Beim Fabrikanten laufen die Aufträge zu 95 Prozent brieflich ein, beim Detailhändler nicht; sobald er seinen Laben geschlossen hat, ist auch seine ganze Tätigkeit, sein Verdienst unterbunden.

Wenn wir nun das Verhältnis des Detailund Mittelhandelangestellten auseinandergesetzt haben, gelangen wir zu den eigentlichen Nachteilen, die die ganzsountägige Sperre mit sich brächte.

Ganz besonders in den großen und größeren Städten, Kurorten und Badestädten, wo sich der rege Verkehr nicht nur der Landbevölkerung, sondern auch der Turisten ze. zentralisiert, muß auf die Ausschmückung der Läden und das Arragement der Auslagen nicht nur viel Fleiß, sondern auch Viel Gelb verwendet werden. Geschäfte in frequentierten Straßen, welche tausende Kronen für die Läden zahlen und hunderte zur Ausschmückung der Auslagen ze. vervenden, so zum Beispiel Herren- und Damenmodekonfektions-, Schnitt-, Manufaktur-, Kurz-, Spielwaren-, Delikatessen-, Hausbedarfwarenhandlungen, die favorisierend um die geschmackvolle Ausschmückung ihrer Auslagen lesorgt sind, zu was bieten sie diesen Fleiß, diese Geldopfer auf? Wohl nur zur Dekoration des Ortes selbst? Genügt denn nicht, wenn einfach an der Firma zu lesen ist: Kolonial-, Mode-, Schnittwaren ze. ? O ja, es genügt für den täglichen gewöhnlichen Gebrauch vollständig. Aber der Kaufmann will und muß mehr absetzen, als das Publikum braucht, er "verleitet durch Schaustellungen in seinen Auslagen dasselbe, zu laufen, was es, ohne durch die Auslage angezogen zu sein, nicht machen würbe.

"Das Auge sieht's, das Herz begehrt's, der Mann bezahlt's!" Solche Käufe nennt man Gelegenheits- oder Auslagenkäufe, die nicht erfolgen, wenn die Auslage nicht verleitet Ferner sind die Auslagen förmlich Ausstellungen en miniature. Es herrscht ein not-gedrungener Wettbewerb, das Beste, Schönste zu zeigen: da der duftende Kaffee und die goldgelben Rosinen, bort der geschmackvoll arrangierte elegante Stoff, da das reizende Schürzchen, dort das nette Kaffeeservice, da die schöne Brosche, bort die frisch angelangten Krebse. "Das sind lauter berechnete Schaustellungen auf die Kassa des Publikums", die, wenn sie nicht gesehen, auch nicht gekauft werden.

Und "wann" werden solche Auslagengeschäfte abgewickelt? An Tagen der größten Frequenz, an Sonntagvormittagen, die wir dem Verlangen der Angestellten gemäß einbüßen sollen.

"Bedenkt man aber, daß diese Käufe in ganz Österreich Millionen an Entgang der Losungen ausmachen, bedenkt man, daß dieser Entgang nicht nur den Kaufmann, sondern auch den Industriellen trifft, bedenkt man, daß durch die Einförmigkeit der Stadt bei geschlossenen Läden auch die Frequenz nach der Stadt nachläßt, denn die Auslagen sind "die Magnete" für das auswärtige Publikum, so wird man erst die ganze Tragweite dieser Forderung ermessen. "

,, Es gleicht sich eben nicht alles aus! Der Bedarfsartirelverkauf vielleicht Der en passant-Verkauf nie!"

Gehen wir weiter in der Verfolgung des Nachteiles der ganztägigen Sonntagsruhe: 52 halbe Sonntage sind bereits den Angestellten jährlich freigegeben; 52 weitere sollen folgen: rechnen wir noch die hohen Feiertage und die Sommerfeiertagsnachmittage dazu, so gelangen wir zu dem Ergebnisse, daß "ganze zwei Monate im Jahre" der Handel Ferien geben müßte.

Wenn ein Zinshaus durch zwei Monate freisteht, erhält es vom Staate einen entsprechenden Steuernachlaß.

Uns würde aber niemand für diese zwei Monate die Erwerb-, Einkommen- oc Steuer vergüten, ebensowenig würde das Personal mit einem kleineren Gehalt zufrieden sein, ja eher größere Ansprüche an Gehalt würde es erheben, weit die größere Erholungszeit naturgemäß größere Auslagen bedingt, denn wir glauben nicht, daß unsere Angestellten den Sonntagvormittag ausschließlich zu ihrer geistigen Ausbildung benutzen werden.

Wir kommen zu den Vorteilen, die durch die ganztägige Sonntagsruhe unseren Mitarbeitern erwachsen würben:

Zur Erweiterung ihrer Bildung könnten sie, wenn schon der gute Wille vorhanden, den Sonntagvormittag nicht verwerten, denn Schulunterricht wird weder offiziell noch privat erteilt. Oder würde zu religiösen Uebungen die Zeit angewandt? Daran zweifeln wir, ohne beleidigen zu wollen. Oder zur körperlichen Erholung? Nun fragen wir, ist denn bei uns in Österreich der Geschäftsgang ein derartiger, daß die jetzt gebotenen Erholungsstunden nicht genügen?

,, Wir glauben an einen derartigen Geschäftsgang nicht, sind vielmehr überzeugt, daß gerade der sich etablierende Kommis erst durch seine Selbständigkeit zur Einsicht kommt, wie oft nur zu bitter das Los des Chefs ist, daß er "erst dann" zur Einsicht gelangt, welcher enormen geistigen und körperlichen Anstrengung es bedarf, um unter den obwaltenden Umständen in Österreich - sich im Fahrwasser zu erhalten. "

Wenn wir die mehr begehrten 4 bis 5 Stunden der Sonntagsruhe rechnen, die doch dem Angestellten keinen Nutzen, dem ganzen Kaufmannsstand aber großen Schaden bereiten würden, so sinden wir, daß dem Verlangen nach mehr Ruhe in einer praktischeren Form entsprochen werden könnte, und zwar durch die gesetzliche Regelung der Tagesarbeit, indem für Groß oder Klein ein Fixum der Arbeitszeit, sagen wir 12 bis 14 Stunden, je nach Branche und den Verhältnissen normiert werden könnte. Dadurch würbe niemand eine Einbuße erfahren, dafür aber den Angestellten genügende Zeit zu ihrer geistigen Fortbildung und weiteren körperlichen Erholung geboten werden, was bei einzelnen Branchen zirka 6 bis 8 Stunden der Woche freie Zeit betragen würbe.

Und schließlich kommen wir noch zu einem Pnnkte, den die Herren Mitarbeiter immer ins Treffen führen, indem sie auf Deutschland und England hinweisen, welche Länder ganzsonntägige Ruhepause haben sollen !

England müssen wir schon ganz und gar aus dem Spiele lassen, denn in England ruht jedes Gewerbe, nicht ein Glas Porter wird einem gereicht. Nun, solche Verhältnisse wünschen wir und unsere Herren Mitarbeiter gewiß nicht. Englands Verhältnisse können keinen Maßstab für Österreich bilden, weil die Landes-, Lebens- und Existenzbedingungen dort ansere sind als in Österreich, und bis zur Zeit der Einführung englischer Verhältnisse in Österreich noch manches Jahrzehnt im Strome der Zeit dahinfließen wird.

Deutschland Ja, das ist das Eldorado so manchen Jünglings, das ist das Reich der Freiheit. Auch wir verreiben Deutschland um seine besseren geschäftlichen Verhältnisse, auch wir wünschten, bei uns in Österreich würde man für die Ausbildung des Handels so viel tun. Doch die Verhältnisse,. betreffend die Ruhestunden, nun, da scheinen unsere Herren Mitarbeiter schlecht orientiert zu sein, denn wir haben uns die Mühe genommen und haben aus den größten Handelsstädten Deutschlands Berichte eingeholt von Firmen, die als Elitefirmen gelten und sind wir in der angenehmen Lage, sowohl schriftliche als auch gedruckte Verordnungen, die im Original zu unserer Verfügung stehen, und die uns belehrten, daß sich die Sache etwas anders verhält anfuhren zu können.

Wir erlaubten uns, den betreffenden Firmen folgende Fragen zur Beantwortung vorzulegen und geben diese und deren Beantwortungen hier hiemit bekannt:

1. Frage:

Wird in Fabriks- und Geschäftskomptoirs in Deutschland an Sonntagen überhaupt nicht gearbeitet, auch die wichtigste Post nicht erledigt ?

Antwort:

a) Dresden:

An Sonntagen darf, so in Fabrik- als auch Geschäftskomptoirs durch drei Stunden, außerhalb des Gottesdienstes, gearbeitet werden.

b) Berlin:

An Sonntagen wird in Berlin in den Fabrik- und Geschäftskomptoirs nur ausnahmsweise gearbeitet.

c) Hamburg:

An Sonntagen wird in Hamburg in den Fabriks- und Geschäftskomptoirs von halb 12 bis 2 Uhr im Sommer, von halb 12 bis 3 Uhr im Winter gearbeitet, außerdem steht es den Angestellten frei, freiwillig zu arbeiten, so lange sie wollen.

2.   Frage:

Wird die Wochentagesarbeit in den Komptoirs und Läden an eine bestimmte Zahl von Stunden gebunden?

Antwort:

a) Dresden:

Nein! Es muß nur eine tägliche achtstündige Ruhezeit den Angestellten gewahrt werden.

Berlin und Hamburg gleich Dresden.

3.   Frage, den Detailhandel betreffend:

Ist im Deutschen Reiche die ganztägige Sonntagsruhe gesetzlich vorgeschrieben?

Antwort;

a) Dresden:

Nein! Es dürfen an Sonntagen die Verkaufsläden von 7 bis 9 Uhr früh und von 11 bis 2 Uhr mittag offen gehalten werden. - Doch ist die Bestimmung der Verkaufsstundeneinteilung den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

b) Berlin:

Nein! Es dürfen in Berlin die Detailläden bis 10 Uhr vormittag und von 12 bis 2 Uhr nachmittag offen gehalten werden.

c) Hamburg:

Nein! In Hamburg dürfen an den hohen Feiertagen, das ist Weihnachten,, Ostern, Pfingsten, die Kolonialwarenhändler von 7 bis 9 Uhr vormittag - andere nicht - an Sonntagen im Sommer von 7 bis 9 1/2 Uhr vormittag und 11 1/2 bis 2 Uhr nachmittag, im Winter von 8 bis 9 1/4 Uhr vormittag und 11 1/2 bis 3 Uhr nachmittag, ferner an den vier Sonntagen vor Weihnachten und dem Sonntag vor Neujahr von 8 bis 9 1/2 Uhr vormittag und von 11 1/2 bis abend alle Geschäfte offen haben.

4. Frage:

Wenn ganztägige Sonntagsruhe in Deutschland eingeführt, wirkt selbe auf den Geschäftsgang jchädigend und auf. welche Branchen meistens?

a) Dresden:

Es hat eine Verringerung des Absatzes stattgefunden, der sich jedoch, nachdem keine ganztägige, sondern nur bestimmte Stunden Sonntagsruhe in Deutschland eingeführt ist, durch die Gewöhnung an diese Anordnung ausgeglichen hat.

b) Berlin:

Nachdem keine ganztägige Sonntagsruhe, sondern nur 7 Stunden verkauft werden darf, gewöhnt man sich an diese Bestimmung.

c) Hamburg:

Der Detailhandel ist mit dieser Verordnung unzufrieden, besonders die Kolonialwarenhandlung, weil Geschäfte, die die Landkunde bedienen, sehr empfindlich geschädigt sind.

Wir ersehen daraus, daß die neu reformierten diesbezüglichen Verhältnisse in Deutschland bei weitem noch hinter den unseren zurück sind, wo wir seit Jahren die volle Sonntagsnachmittagruhe und andere, dem Auslande frommende Begünstigungen unseren Angestellten eingeführt haben.

"Ob es unseren Herren Mittarbeitern passen würbe, an Sonntagen mit Unterbrechungen erst um 2 ober 3 Uhr nachmit-


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