Seither hat Ungarn ein großes Netz von Eisenbahnen ausgebildet, seither hat es seine Landwirtschaft auf das Intensivste und Intelligenteste gefördert und auf der anderen Seite ist uns die überseeische Konkurrenz immer näher gerückt. So ist die österreichische Landwirtschaft nach und nach zwischen zwei Feuer gekommen, zwischen die Wirkung der überseeischen Konkurrenz und der allgemeinen Weltverhältnisse einerseits und zwischen die Wirkung der speziellen ungarischen Verbindung bezüglich der landwirtschaftlichen Produkte andererseits.
So hat nach und nach unsere Landwirtschaft in immer steigendem Maße die Zeche für den Ausgleich bezahlt und während alle europäische Staaten, Deutschland, Frankreich, England, Italien - unter den allgemeinen Einflüssen, die ich hier angedeutet habe, in landwirtschaftlicher Hinsicht sehr gelitten haben, hat gerade Ungarn eine bevorzugte Stellung eingenommen, weil es eigentlich unberührt von diesen internationalen Einflüssen imstande war, seine Produkte immer sicher auf dem österreichischen Markte abzusetzen. Und, meine Herren, das hat nach und nach jene Stimmung in landwirtschaftlichen Kreisen hervorgebracht, von der wir soeben in den Worten meines sehr geehrten Herrn Vorredners eine Sehr drastische und eindrucksvolle Probe erhalten haben.
Es ist ganz natürlich, daß die Verhältnisse, wie wir sie heute in der Landwirtschaft sehen, ganz unerträglich geworden sind und nicht weiter bestehen können.
Aber, meine Herren, es ist merkwürdig, daß auch die Industrie ganz dasselbe sagt, wie die Landwirtschaft.
Im Jahre 1867 hat Ungarn keine Industrie gehabt, man hat ja den Ausgleich damals in dem Sinne geschlossen und man hat auch die große hohe Quote nur aus dem Grunde übernommen, weil man sich gesagt hat, man habe in Ungarn ein sicheres Absatzgebiet für unsere Industrieprodukte. Aber auch das hat sich geändert.
Ungarn hat aus Gründen, die ich schon angedeutet habe, seine Industrie zum Gegenstände der entschiedensten und ausdrücklichsten staatlichen Fürsorge gemacht.
Infolge dessen sind in Ungarn eine Reihe von Hemmnissen unserer Industrie entgegengesetzt worden, und die ungarische Industrieförderung, die besondere Art, wie sie geschehen ist, ist direkt gegen unsere Industrie gerichtet, und hat dieses Absatzgebiet, welches uns quasi ein vorbehaltenes war, nach und nach so geschmälert, daß selbst die Industrie, welche in erster Reihe ein Interesse an der Gemeinsamkeit hat, in einem Programm, welches sie jüngst veröffentlicht hat, direkt gesagt hat: Wenn die Verhältnisse sich nicht ändern, wenn nicht bestimmte, klare Abmachungen mit Ungarn kommen, so ist uns die Trennung, und zwar die sofortige Trennung, lieber.
Wenn irgend etwas, meine Herren, charakteristisch ist für die Wandlung, die nicht nur die Stimmungen, sondern jene Verhältnisse genommen haben, welche diesen Stimmungen zugrunde liegen, so ist es dieses Programm der Industrie.
Und nun betrachten wir oder Vergegenwärtigen wir uns die Eventualitäten, vor denen wir stehen. Es sind drei:
Die eine Eventualität ist die Verlängerung des Reziprozitätsverhältnisses mit Ungarn, die zweite Eventualität ist eine neue Vereinbarung mit Ungarn und die dritte Eventualität ist die wirtschaftliche Trennung.
Ich will nicht den Propheten spielen und ich will nicht sagen, welche von diesen drei Eventualitäten das größere Maß von Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Aber gestatten Sie mir, daß ich über jede dieser Eventualitäten einige Worte sage.
Im Vordergrund steht die Verlängerung der Reziprozität.
Lassen Sie sich durch die Verhandlungen nicht täuschen; die Verhandlungen werden Voraussichtlich in der nächsten Zeit zu einem positiven Resultat kaum führen und das Auskunstsmittel, welches nahe liegt, ist die Verlängerung der Reziprozität - und in Oesterreich sind immer die Auskunftsmittel das Naheliegende - (Zustimmung) und das Erste, wozu wir Stellung zu nehmen haben und wir müssen uns bewußt werden: Ist die Fortdauer der Reziprozität für uns günstiger, für uns erträglicher oder nicht?
Diese Frage muß ich absolut verneinen. Ich glaube, daß eine Fortdauer der Reziprozität die größte Gefahr für uns in sich schließt. (Rufe: Sehr richtig!) Sehen Sie nur, wie Ungarn diese Reziprozität ausnützt. Es macht mit dem Regiprozitätsbegriffe einfach, was es will.
Es hat in der jüngsten Zeit unter dem Schutz dieses Retiprozitätverhältnisses den autonomen Zolltarif in Verhandlung gestellt und selbst ein so hervorragender Staatsmann wie der ehemalige ungarische Ministerpräsident hat es Versucht, zu beweisen, daß es kein Bruch der Reziprozität sei.
Wenn dieses eigentümliche Zwielicht der Reziprozität fortdauert, dann werden wir in der nächsten Zeit gewiß die überraschendsten Wendungen und Maßregeln der ungarischen Regierung erleben.
In bin gegen die Fortdauer der Reziprozität, weil ich glaube, daß darin wirklich eine Gefahr für unsere Reichshälfte besteht
Nun die neuen Vereinbarungen, meine Herren!
Wir alle sind nicht eingeweiht in den Gang der Verhandlungen.
Aus den Zeitungen kann man wohl einiges entnehmen, aber ich habe die Erfahrung, daß es hinter den Koulissen immer anders ausschaut, also will ich mich auch nicht auf Konjekturen einlassen und ich folge in diesem Punkte dem H. Dr. Urban, der sich über die Möglichkeit eines kurz- oder langfristigen Ausgleiches u. s. w. sehr interessant ausgesprochen hat, aus diesen Boden nicht.
Ich kann nur soviel sagen: Wenn man die ganze Stimmung Österreichs zusammenfaßt, so scheint mir keine Vereinbarung möglich zu sein und es hat keine Vereinbarung Aussicht von irgendeinem Vertretungsträger rektifiziert zu Werden, welche nicht sowohl Landwirtschaft und Industrie aus dem Engpasse herausführt, in welchen die beiden Produktionszweige durch die Verhältnisse, welche ich skizziert habe, geraten sind.
Ich beschränke mich absichtlich auf diesen allgemeinen Satz, weil ich mir sage, daß eine Erörterung des Details heute für uns keinen realen Boden hat.
Nun komme ich zum dritten Punkte: wirtschaftliche Trennung.
Nun, meine Herren, wenn jemand nach Österreich käme, der die österreichischen Verhältnisse gar nicht kennt, von weither, und man würde ihm erzählen: wir haben in Österreich-Ungarn zwei vollständig getrennte Staatsverwaltungen, zwei getrennte Finanzverwaltungen, zwei verschiedene Steuerpolitiker, jeder der beiden Staaten betrete für sich eine besondere, teilweise gegeneinander gerichtete Industrieförderung, jeder Staat für sich pflegt seine wirtschaftlichen Interessen ganz ohne Rücksicht gegenüber den anderen Staaten, wenn er dann die gange Manipulation der Überweisungen bei den indirekten Steuern sehen möchte, und wenn man ihm gar von der Surtaxe erzählen wurde - ich glaube, er würde sagen:
Ja, meine Herren, Ihr spricht immer von der Trennung; Ihr seid ja eigentlich schon getrennt, was habt Ihr denn eigentlich gemeinsam?
Und ich glaube, derjenige, welcher unsere Doktrin noch zu verteidigen sich bemühen würde und beweisen müßte, was wir noch gemeinsam haben, käme eigentlich so einem gänzlich unbefangenen Beobachter gegenüber in bittere Verlegenheit. Aber ich gebe zu, die piéce de resistence, dasjenige, was uns noch bleibt und dasjenige, was man eigentlich immer darunter Versteht, wenn man von Trennung spricht, sind die Zollschranken, und bezüglich der Zollschranken möchte ich nur zwei Bemerkungen machen. Die Zollschranken hängen zusammen mit der Frage der geschlossenen Handelsverträge.
Die Handelsverträge sind bis zum Jahre 1917 geschlossen, und weder Österreich noch Ungarn kann, ohne daß große internationale und wirtschaftlich politische Verwicklungen sich ergeben, an dem Zustande, wie er durch die Handelsverträge geschaffen worden ist, etwas ändern.
Ob, meine Herren, bei Bestand dieses Zustandes zwischen Österreich und Ungarn in irgendeiner Form eine Zollinie möglich ist, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich mich auf diese Streitfrage nicht einlasse. Denn es gibt Gründe und Persönlichkeiten von großem Gewicht, die behaupten, daß das nicht möglich sei wegen der Meistbegünstigung, und Von der anderen Seite wird dies wieder behauptet.
Das ist, wie gesagt, eine Streitfrage, und auf diesem Gebiete liegt, glaube ich, eine praktische Lösung nicht. Das Zweite, was ich bemerken möchte, ist, daß, wie es scheint, die Ungarn die Zeit bis zum Jahre 1917 als eine Art Liquidationstermin auffassen, den sie recht lange hinausschieben möchten, um diesen Liquidationsprozeß für sich so bequem als möglich einzurichten.
Durch diese zwei Bemerkungen glaube ich, meine Herren, Die Situation, zu der wir Stellung nehmen müssen, gekennzeichnet zu haben, und da bin ich ganz der Meinung des Herrn Dr. Urban.
Die Frage, ob für uns ein langer Liquidationstermin annehmbar ist oder nicht, beantworte ich mit einem klaren und glatten Nein, und zwar aus folgenden Gründen: erstens einmal würde der Zustand der Ungewischeit auf die Dauer immer unerträglich werden und eine große Gefahr für uns beinhalten, zweitens käme ein langer Liquidationstermin meiner Ansicht nach nur den Ungarn zu gute.
Ich glaube, daß Herr Dr. Urban, wenn ich in der Zeitung richtig gelesen habe, meint, baß die Bankfrage, die Frage der Eisenbahntarife und die Beterinätfrage nicht aufgeschoben zu werden braucht, daß sie fällig sind. Daß wir zugreifen müssen, und dann, wenn wir das gemacht haben, tonnen wir Ungarn gegenüber behaupten: Bitte, das ist gar kein Bruch der Reziprozität, wir können einmal unser Haus bestellen nach unserer Meinung und gegenüber den Ungarn ganz dasselbe behaupten, was sie immer gegen uns behaupten: wir haben die Abmachung nicht im geringsten verletzt.
Ich glaube, wir hätten sie auch nicht verletzt. Jetzt komme ich in eine Abweichung zu den Ausführungen des Herrn Dr. Urban hinein.
Wenn ich mich gewißhafterweise frage, was werden die Folgen dieser wirtschaftlichen Trennung - und unter wirtschaftlicher Trennung verstehe ich immer die Aufrichtung einer Zolllinie - was werden die Folgen dieser wirtschaftlichen Trennung sein? Nun, meine Herren, die allgemeine Meinung ist, Wir werden beide darunter leiden, wir werden beide zugrunde gehen, und die pessimistischesten Aussichten werden da gemacht. Auch Darin stimme ich mit Herrn Dr. Urban überein, wenn er sagt, es kommt ja darauf an, unter welchen Verhältnissen und Umständen sich diese Trennung vollzieht.
Man kann ja nicht bloß von Trennung sprechen, denn zwei Staaten, die mit einer langen Grenzlinie aneinandergrenzen, können nicht wie die Wilden nebeneinander hausen. Es kommt darauf an, was für eine Handelspolitik zugleich mit der Trennung hüben und drüben inirtiert wird, und möchte ich bitten den Gedanken auszudenken, der damit angeschlagen ist.
Wenn heute zwischen Österreich und Ungarn eine Zolllinie besteht und die wirtschaftliche Trennung durchgeführt wird, so wird sowohl Ungarn, als auch Österreich gegezwungen sein, eine vollständig veränderte Handelspolitik zu machen.
In Ungarn wird ein alter Gedanke wiederaufleben, den Kossuth in den Jahren 1848 und 1849 propagiert hat, Ungarn wird genötigt sein, den Balkanländern gegenüber andere Seiten aufzuziehen und wird sich wirtschaftlich mit den Balkanländern auseinandersetzen müssen.
Wir in Österreich müssen, wenn dieses Ereignis eintritt, uns vor allem die Landkarte anschauen, und wenn wir diese anschauen, werden wir sehen, daß dieses übriggebliebene Österreich die Form einer Mondsichel hat, welche von Czernowitz in der Bukowina ansängt, über Böhmen, Dalmatien bis Cattaro reicht, und mir werden uns wohl inne werden, daß diese geographische Figur auf die Dauer selbst eine wirtschaftliche Existenz in internationaler Beziehung zu führen nicht imstande sein wird, sondern daß wir notgedrungen in eine andere, größere Machtsphäre fallen werden und daß wir unsere ganze Handelspolitik mit einer ganz umgedrehten Front werden zu verfolgen haben.
Und nun, meine Herren, soweit ich glaube, habe ich eigentlich nichts anderes getan als den Gedanken, den der verehrte Herr Abgeordnete Dr. Urban gestern angeregt hat, bis in die äußersten Konsequenzen auszudenken, aber mit diesem Prozesse sind wir mitten in einer politischen Frage, und in der bin ich mit Herrn Dr. Urban nicht einer Meinung.
Ich bin nämlich nicht einet Meinung, daß diese wirtschaftliche Trennung keine politischen Folgen haben wird. Sie wird meiner Ansicht nach die schwerwiegendsten politischen Folgen mit sich führen.
Nehmen Sie nur zum Beispiel die Vertretung nach außen. Es ist schon heute sehr interessant, daß, wie gesagt, diese Trennung schon eine faktische ist, wie dies sich schon in unserer Vertretung nach außen ausdrückt. Sie kennen alle, meine Herren, die merkwürdige Institution der sogenannten Fachberichterstatter. Neben unserer offiziellen Vertretung, der Botschaften und Gesandtschaften, neben den Konsulaten, die ja zusammen mit den Gesandtschaften die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Staaten zu wahren haben im Auslande, hat sich auf einmal eine dritte Institution eingeführt, mit der Ungarn den Anfang gemacht hat.
Ungarn hat nämlich neben den gemeinsamen Vertretungen Fachberichterstatter hinausgeschickt, die Agenten der ungarischen Regierung sind, in allen großen Zentren des Verkehrs und des Handels in Europa und Amerika. Diese Fachberichterstatter korrespondieren über den Kopf des Ministeriums des Innern direkt mit dem Handelsministerium. Sie empsangen auch Aufträge vom ungarischen Ministerium über alle möglichen Fragen, berichten über alle möglichen Fragen, suchen den ungarischen Produktionsinteressen aus eigene Faust, ohne daß sich das Ministerium des Äußeren oder die Konsulate darum zu kümmern brauchen, Vorschub der Industrie zu leisten.
Ungarn hat dies angefangen. Ich mache gewiß unserer Regierung nicht den Vorwurf, daß sie nach und nach dasselbe gemacht hat. Sie konnte sich nicht einseitig das Wasser abgraben lassen, und so ist nach und nach, wie gesagt, eine Institution aufgewachsen, die ich schon bezeichnen möchte als ein Symptom dieser inneren Trennung bezüglich der Vertretung nach außen, und haben wir die Trennung durchgeführt, wird sich bezüglich der Konsulate ganz dasselbe herausstellen wie in Schweden und Norwegen bezüglich der Möglichkeit der Konsulate die beiderseitigen Interessen beider Staaten zu vereinigen.
Aber noch ein anderer Punkt, der viel wichtiger ist. Wäre zu erörtern. Betrachten Sie doch einmal die Entwicklung unserer militärischen Angelegenheiten in den letzten Jahren. Da ist doch die Einwirkung unserer wirtschaftlichen Wirren mit den Händen zu greifen.
Ich sage nichts Neues, wenn ich sage daß die ungeklärten militärischen Verhältnisse, unsere Rekrutenverhältnisse aus dem Geleise gekommen sind.
Die Folge davon sind die schwachen Stände, ein merkwürdiges virement, welches notwendig geworden ist, um die militärische Angelegenheit aufrechtzuerhalten, das Zuweisen der Infanteristen zur Artillerie, der Infanterie zur Kavallerie und in letzter Hinsicht nicht nur zum Pferdeputzen. Unsere ganzen Rekrutenverhältnisse leiden unter diesen ungeklärten Verhältnissen in einer Weise, die ich deswegen nicht ausführlich besprechen will, weil ich kein Militair bin.
Aber ich glaube, alle anwesenden Militärverstätidigen werden mir Recht geben. Ich will auf die Kernfrage nur leicht hindeuten. Man sagte uns in der Delegation: In Vier, fünf Jahren ist unser Kanonenmaterial unbrauchbar und heute ist noch nicht absehbare Aussicht, daß dies in der nächsten Zeit besser werden wird. Die Rückständigkeit unseres Wehrgesetzes, die ganz unmögliche Hypertrophie unserer Ersatzreserve, ist etwas, was Sie alle kennen, wissen.
Endlich auch die Rückständigkeit unserer Marine hat in den letzten Jahren unter den außerordentlich ungelösten Verhältnissen Österreich-Ungarns gelitten.
Alles dies brauche ich nur anzudeuten, um zu sagen und zu beweisen dasjenige, was ich behauptet habe, wie weit infolge dieser ungelösten Verhältnisse die Auslösung des 67er Ausgleiches auch auf dem pragmatischen Gebiete vorgeschritten ist.
Wir sind militärisch rückständig, man könnte sagen: Ja, das berührt uns wirtschaftlich nicht. Das wäre ein großer Fehler. Ich brauche nicht auf gewisse Verhältnisse im Süden unserer Monarchie zu verweisen, um zu sagen, daß es nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit ist, daß diese Monarchie auch wieder auf die Probe gestellt wird werden. Dessen seien Sie sicher, es würde ein großer, entscheidender, wirtschaftlicher Schlag Sein, wenn wir irgendwo einen militärischen Schlag erleiden würden und darin, in Diesen Verhältnissen liegt doch der ungeheure Ernst unserer Situation. Österreich-Ungarn steht heute vor einer folgeschwersten Entscheidung, die in der Geschichte überhaupt zu treffen war.
Aber ich will nicht sagen, ich will mich nicht einlassen Vorschläge zu machen; das ist Sache der Regierung.
Wir können nur warnen, können aufmerksam machen, wir können der Regierung dasjenige auf die Seele binden, was wir, glaube ich, hier verpflichtet sind, alle zu sagen. Da komme ich zu einem Punkte, der mich unmittelbar zum Ende führen wird Heute spielen die wirtschaftlichen Interessen in der Potitik die erste Rolle. Das ist ein Gemeinplatz, aber selten zieht man die volle Konsequenz aus diesem Satze. Die wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmen die Ziele der Politik, bestimmen die Verträge und Vereinbarungen. Die wirtschaftlichen Interessen sind es, die sich heute voll und ganz ausleben wollen Deswegen ist die Zeit vorbei, in der man politischen Zwecken die wirtschaftlichen Interessen geopfert hat. Gelingt es nicht mehr die Identität, die Übereinstimmung zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen herzustellen, dann weichen die letzteren. Infolgedessen glaube ich, daß auch wir uns mit der allgemeinen Meinung und Stimmung dieses hohen Hauses in voller Übereinstimmung befinden, wenn ich sage, was wir zu tun haben.
Wir können nichts anderes tun als unsere Regierung aus das Ernstlichste zu warnen, von unserer wirtschaftlichen Stellung Ungarn gegenüber etwas preiszugeben. Denn Österreich wird Opfer für den Ausgleich nicht mehr bringen, Österreich kann es nicht, Österreich will es aber auch nicht und Österreich wird es auch nicht tun! (Allgemeiner lebhafter Beifall. Redner wird allseits beglückwünscht. )
Oberstlandmarschall: Es gelangt nunmehr der nächste gegen die Anträge eingetragene Redner zum Worte.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abg. Rektor Dr. Pfersche.
Abgeordn. Rektor Magnificus Dr. Emil Pfersche: Hoher Landtag !
Nach den glänzenden Ausführungen meines geehrten unmittelbaren Herrn Vorredners bleibt mir eigentlich nur wenig zu sagen übrig.
Doch auch er hat in der Hauptsache von den technischen Details gesprochen, welche auch schon in den bisherigen Erörterungen in den Vordergrund getreten sind.
Ich glaube aber, meine Herren, der Schritt, den wir vorhaben, nämlich an die Regierung eine Aufforderung zu richten in Bezug auf ihr Verhalten bei den ungarischen Ausgleichsverhandlungen, dieser Schritt hat weniger eine fachtechnische Bedeutung als vielmehr eine politische Bedeutung, und darum gestatten Sie mir, meine Herren, daß ich auch über diesen Punkt wenigstens einige Worte noch hervorhebe.
Es ist ja eigentlich eine höchst sonderbare Lage, in der wir uns befinden, und ein höchst Sonderbarer Schritt, wenn wir an eine österreichische Regierung die Aufforderung richten, die österreichischen Interessen zu wahren.
Ich weiß nicht, ob es in einem anderen Staate schon vorgekommen ist, daß ein Parlament oder doch ein Provinzialparlament sich genötigt gefunden hat, an die eigene Regierung nichts anderes als die Aufforderung zu richten, die Interessen des eigenen Staates zu wahren.
Aber Schon der Umstand, daß wir diesen Selbstverständlichen Schritt tun, ich möchte sagen, daß wir ihn drohend und zweifelnd zugleich tun, weist uns darauf hin, daß wir es hier weniger mit einer Frage des wirtschaftlichen Ausgleiches im Detail als vielmehr mit einer weittragenden politischen Aktion zu tun haben.
Es ist eben für die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn nicht das Einzelne entscheidend, sondern es entscheidet die Gesamtwirkung und die Gesamttendenz, die bei diesen Verhandlungen eingehalten wird.
Ein guter wirtschaftlicher Ausgleich wird nur möglich sein, wenn wir auch in den politischen Fragen mit Ungarn zu einer Einigung kommen, wenn wir andererseits auf unserer Seite in den grundlegenden politischen Fragen einig und übereinstimmend sind.
Ich glaube, meine Herren, wir werden in dieser Versammlung hier Wohl alle übereinstimmend sein, aber es ist wohl nicht unangebracht, wenn wir das offen aussprechen, worüber wir politisch einig sind.
Einer der Hauptfehler, eines der Hauptbedenken gerade in bezug auf unser Verhältnis zu Ungarn scheint mir darin zu liegen, daß
man niemals offen Spricht. Es wird die Tendenz der Regierung, die Tendenz der Parteien niemals mit voller Offenheit in ihrer ganzen Tragweite dargestellt.
Wir haben gegenwärtig ein gesetzlich seftgelegtes Verhältnis zu Ungarn, durch Welches eine teilweise gemeinsame Verwaltung mit Ungarn vorgesehen ist, und es handelt sich nicht nur darum, Wie mir die handelspolitischen Beziehungen ordnen, es wird sich auch fragen, wie wir die Beziehungen zu Ungarn in anderen Richtungen ordnen.
Da möchte ich das Eine hervorheben. Der Standpunkt der Regierung ist es seit jeher gewesen, an den Formen des Ausgleiches vom Jahre 1867 in jeder Beziehung und unverbrüchlich festzuhalten und für die Aufrechterhaltung dieser Form Opfer zu bringen in materieller und wirtschaftlicher Beziehung.
Man hält daran fest, weil man den Schein der Einheit der beiden Staaten festhalten will, und man erklärt die Großmachtstellung der Monarchie abhängig davon, daß dieser dürftige Schein einer gemeinsamen Verwaltung auch für die Zukunft ausrecht erhalten werde.
Und das, meine Herren, scheint nun der Grundfehler zu sein, welcher die Verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn beherrscht.
Entweder Österreich und Ungarn haben gemeinsame Interessen, welche zwingend sind. welche die kleineren, seien es wirtschaftliche, seien es nationale Bedenken, überwinden können; dann wird auch in Zukunft eine dauernde Gemeinsamkeit zwischen Österreich und Ungarn ausrecht erhalten werden können. Existieren aber solche Interessen nicht, dann wird keine Regierungskunst, dann wird keine staatsrechtliche Form, es hindern können, daß diese Staaten auch allmählich, aber sicher auseinandergehen.
Nun meiner Ansicht nach, meine Herren, - und ich glaube, diese Ansicht wird auch hier geteilt werden - meiner Ansicht nach bestehen wirklich gemeinsame Interessen zwischen Österreich und Ungarn. Es bestehen Interessen in außenpolitischer Richtung, es bestehen wirtschaftliche Interessen und es bestehen gemeinsame dynastische Interessen, welche ja in unserem Staate von hervorragender Bedeutung sind.
Wenn aber diese Interessen wirklich vorhanden sind, meine Herren, dann werden sie sich auch in Zukunft durchsetzen, unabhängig von den Einzelheiten der staatsrechtlichen Beziehungen zwischen Oesterreich und Ungarn, unabhängig, ob wir gemeinsame Delegationen, ob wir gemeinsame Minister haben.
Wenn die Regierung aber an den gegenwärtigen Formen festhält und zu feinem anderen Zwecke als um diese gegenwärtigen Formen aufrecht zu erhalten, Oesterreich Opfer in materieller Beziehung bringt, so handelt sie jedenfalls nicht zweckmäßig, sondern ich möchte direkt sagen, zweckwidrig.
Man hat ja im Jahre 1867 bei dem Beginne des österreichisch-ungarischen Ausgleiches wohl gemeint, daß diese Formen der Gemeinsamkeit dazu beitragen werden, das gegenseitige Verständnis, das gegenseitige Entgegenkommen zu Stützen, den Gedanken der Zusammenhörigkeit zu befördern; allein die Erfahrung hat uns gezeigt, daß das nicht der Fall war!
Ein fortwährendes Streiten und Feilschen, Äußerungen des Mißtrauens gegen den verbündeten Staat, sogar Äußerungen des hasses sind die stete Folge gewesen im Laufe dieser 40 Jahre, derart, daß man in einem großen Teile der europäischen Presse an der weiteren Existenzfähigkeit der Monarchie, an der Fortdauer der Gemeinsamkeit gezweifelt hat.
Also die Erfahrung hat meines Erachtens durchaus nicht dafür gesprochen, daß unser gegenwärtiger Dualismus eine Einrichtung sei, welche das Ansehen, welche die Machtstellung der Monarchie zu fördern geeignet wäre.
Wenn wir mit Ungarn zu einem Ausgleiche kommen wollen, welcher in friedlicher Weise durchgeführt, die Interessen Österreiches aus wirtschaftlichem Gebiete sichert, so ist es unumgänglich notwendig, daß wir auch in den politischen Beziehungen mit Ungarn zu einer vollen Verständigung kommen.
Wir müssen wenigstens in den grundlegenden Fragen unter uns und mit Ungarn einig sein.
Die erste grundlegende Frage ist die voll-, kommene staatliche Selbständigkeit Ungarns.
Ich glaube, daß hier unter uns niemand sein wird, der diese Staatlichkeit Ungarns zu leugnen geneigt wäre.
Wenn man sagt, die gegenwärtigen Einrichtungen seien ja keine Bedrohung der Selbstständigkeit Ungarns, so ist das zwar richtig, aber man muß da auch mit der historischen Empfindlichkeit Ungarns rechnen. Die Jahrhunderte langen Kämpfe, die Ungarn mit der Dynastie um seine Selbständigkeit geführt hat, haben gerade in diesem punkte Ungarn äußerst empfindlich gemacht.
Ich glaube also, es ist nur vom Vorteil für eine gedeihliche Verständigung mit Ungarn, wenn auf Seite der Volksparteien Österreichs, auf Seite der verschiedenen Nationalitäten gar sein Zweifel darüber gelassen wird, daß wir die volle staatliche Selbständigkeit Ungarns nach jeder Richtung hin anerkennen.
Ein zweiter Punkt ist der, daß wir in Bezug auf die politischen Beziehungen zu Ungarn das Wesen von der Form unterscheiden.
Auch wir sind dafür, daß die Machtstellung Österreich-Ungarns gewahrt und erhalten werde.
Aber wir glauben, daß die Machtstellung Österreich-Ungarns nur bedingt ist durch die Macht und das Blühen eines jeden der beiden Staaten.
Einrichtungen, welche nicht jedem dieser beider Staaten die volle Bewegungsfreiheit gestatten, die volle Entwicklung in wirtschaftlicher und kultureller Beziehung verbürgen, können nicht geeignet sein, die Macht und das Ansehen der beiden Staaten zu fördern.
Ich glaube also, wir werden uns bei dieser Gelegenheit auch darüber einigen müssen, daß wir bereit sind, eine Revision des österreichisch-ungarischen Ausgleiches in jeder Beziehung vorzunehmen. Daß die Delegationen eine Einrichtung nicht sind, welche vom demokratischen Standpunkte aus zu begrüßen ist, darüber sind wir wohl alle einig.
Die Delegationen sind ein Zwitterding eines Parlamentes, welches den Volksvertretungen in Österreich und in Ungarn einen wichtigen Teil ihrer Funktionen und ihres Einflusses nimmt oder wenigstens, wie wir in Österreich es sehen, nehmen kann.
Vom Standpunkte der Volksvertretung aus, sind wir also entschieden für die Abschaffung der Delegationen und können ganz ruhig anerkennen, daß diese Delegationen Weder notwendig noch in irgend einer Richtung förderlich sind. Was die Vertretung nach außen betrifft, so hat der geehrte Herr Vorredner schon darauf hingewiesen, daß eine Art Zweiteilung bereits Platz gegriffen hat, was endlich die militärischen Verhältnisse betrifft, so kann man auch als Laie und mit aller laienhaften Bescheidenheit darauf hinweisen, daß es ja noch andere Fälle in der Welt gibt, in welchen die militärische Einheit zwischen verschiedenen Staaten vorhanden ist und daß es daher auch noch andere Formen gibt, wie die Schlagfertigkeit der Heere zweier Staaten gewahrt wird, ohne gerade einen gemeinsamen Kriegsminister oder überhaupt die Bezeichnung einer gemeinsamen Armee zu haben.
Die Vereinigung der deutschen Einzelstaaten zu einem gemeinsamen Heere hat auch ihre Schwierigkeiten gehabt, aber dem staatsmännischen Genie Bismarcks ist es gelungen, diese Einigung vollkommen herzustellen. Wir werden auch weder als Laien noch als Militärs bezweifeln, daß die baierische und preußische Armee heutzutage eine vollkommene Schlagfertigkeit und Einheit aufzuweisen haben, obwohl weder ein gemeinsamer Reichsfriegsminister in Deutschland besteht, noch eine engere Verwaltungsgemeinschaft in militarischer Beziehung, wie sie in Österreich besteht.
Es gibt dort feine Quote für Preußen und Baiern und doch wird die Armee auf gleichem Fuße ausgebildet, ausgerüstet und verwaltet. Ich glaube auch in diesem Punkte können wir ganz ruhig sagen, daß eine Reformmöglichkeit des Ausgleiches vorhanden ist, ohne irgendwie die Machtstellung unserer Monarchie zu tangieren.
Und damit, meine Herren, kann ich zum Schlüsse kommen.
Ich glaube, die Schwierigkeiten des österreichisch-ungarischen Ausgleiches brauchen nicht politischer Natur zu sein. Wenn wir, und wenn die Regierung jene Prinzipien voranstellt, welche ich hier anzudeuten mir erlaubt habe, wenn das der Fall ist, dann bleiben nur verwaltungstechnische Schwierigkeiten übrig, welche zu erörtern heute nicht unsere Ausgabe ist, welche sich aber jedenfalls lösen lassen, wenn man sie klar erkannt hat und wenn man die Möglichkeit hat, sie zu lösen ohne Rücksichten auf tief erliegende politische Vorurteile.