Pátek 20. øíjna 1905

ausgehend, begründe ich die Zuweisung dieser Verschiedenen diesbezüglichen Anträge an eine Kommission, weil ich glaube, daß diese Kommission frei von allen äußeren Einflüssen, frei vom Vorurteil, aber auch frei von Furcht das Material prüfen wird. Ich für meinen Teil, meine Herren, bin unbedingter Anhänger des allgemeinen Wahlrechtes.

Ich bin dies deshalb, weil ich glaube, daß sowohl durch die indirekten Steuern als auch infolge der allgemeinen Wehrpflicht ein jeder einzelne Staatsbürger einen gewissen Nützlichkeitswert für den Staat als Allgemeinheit hat. Aus demselben bin ich ein Gegner des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes, weil ich nicht zugeben kann, daß jeder (Staatsbürger einen gleichen Rüßlichkeitswert besitzt. Gestatten Sie mir vorerst, meine Herren, unter dem Seziermesser einer, ich will trachten, objektiven Kritik das in die Masse geworsene Schlagwort eines allgemeinen, gleichen Wahlrechtes zu zerlegen.

Ein wirklich allgemeines, gleiches Wahlrecht gibt es ja bekanntlich gar nicht, hat es nie gegeben und gibt es nirgendwo. Es sind immer gewisse Klauseln, die eo ipso angenommen sind, die vom allgemeinen Wahlrecht gar nicht zu trennen sind.

Ich will nur erwähnen die Altersbeschränkung. ich meine jene Bestimmung, in welchem Alter der einzelne Staatsbürger überhaupt erst wahlberechtigt wird, ferner jener Bestimmung, welche die unter Vormundschaft oder Konkurs befindlichen ausschließt, die eine Armenunterstützung genießen und schließlich die Bestimmung, welche eine ziemlich einschneidende Beschränkung enthalt, nämlich daß eine gewisse Seßhastigkeit im Wahlbezirke gefordert wird.

Ich erwähne diese Klauseln nur, um davon die Argumentation zu knüpfen, daß, wie es mir scheint, unter den verschiedenen Herren, die für das allgemeine Wahlrecht eintreten, nicht nur diese an und für sich notwendigen und selbstverständlichen Klauseln angenommen werden, sondern eine ganze Menge anderer. Darüber hat die diesbezügliche Wiener Debatte ein sehr interessantes Licht geworfen. ES hat der Sprecher der Herren Jungtschechen, der H. Abg. Dr. Kramáø in einer, in manchen Punkten meiner Ansicht nach ausgezeichneten Rede, die er angeblich für das allgemeine gleiche Wahlrecht gehalten hat, zum Schlüsse dafür plaidirt, man möge ein festes Verhältnis statuiren zwischen Steuerleistung und Bevölkerungszahl.

Nun, meine Herren, ich glaube und vielleicht werden Sie nicht anderer Anficht sein, sobald wir den Keil des Census neuerlich in die Wählerschaft hineintreiben, können wir nicht mehr vom allgemeinen, gleichen, sondern vom allgemeinen, ungleichen Wahlrechte sprechen.

Dies hat sich auch bei der Wiener Debatte gezeigt. Wenn die Polen die Konsequenzen aus dem allgemeinen, gleichen Wahlrechte zögen, so würde ihnen faktisch ein Drittel der Mandate des ganzen Zentralparlaments gehören. Nachdem ich ebensowenig wie der H. Abg. Kramáø und die meisten Herren ein vorwiegend polnisches Parlament wünsche, so glaube ich, möge auch die nationale Frage endgültig gelöst werden, - daß ein Wahlrecht auf breitester Basis in Österreich nicht einführbar ist. Dasselbe was ich hier für Wien mit Beweis der Jungtschechen und Polen anführte, gilt mutatis mutantis auch bei uns für Böhmen und Prag, weil die Deutschen zweifellos eine große Anzahl Mandate Verlieren würden.

Wie, meine Herren, steht der verfassungstreue Großgrundbesitz dieser Frage gegenüber? Wir verschließen uns der Wahrheit nicht, jener Wahrheit, welche die Weltgeschichte mit der Beweiskraft der Jahrhunderte vorführt, daß die legislativen Korporationen immer demokratischer und demokratischer werden.

Die Aufgabe einer Regierung ist es nicht fruchtlos zu Versuchen, dem Gange der Weltgeschichte sich entgegen zu stellen, sondern eine vermittelnde Tätigkeit, welche dafür sorgt, daß die notwendigen organischen Veränderungen im Staatsleben sich langsam, ausgleichend. vollziehen, damit jene Erschütterungen Vermieden werden, welche eine sprungweise Entwicklung hervorbringen mußte. Noch ein anderes Moment mochte ich hiebei erwähnen.

Man hört so oft die Befürchtung, in Österreich wäre, sei es in Wien oder Prag, eine auf das allgemeine Wahlrecht aufgebaute legislative Körperschaft vorwiegend klerikal, andere meinen, sozialdemokratisch.

Meine Herren, diese Frage ist in dieser Form nicht richtig beleuchtet.

Wenn wir auf dem Standpunkte stehen.

Der, wie Sie wissen, nicht der meine ist, daß die Bevölkerungszahl ausschließlich die richtige Basis für ein Wahlrecht ist, wenn wir ferner annehmen, daß tatsächlich Tausende und Tausende, welche von dem Wahlrechte ausgeschlossen sind, ein aufgeklärtes, reiches politisches Urteil Besitzen und daß es nur einer Änderung bedarf, damit dieses Urteil in die Wagschale geworfen wird, so ist es ziemlich einerlei, ob das Resultat ein demokratisches oder klerikales wird. Es wird in beiden Fällen richtig sein, es wird immer eine Miniaturphotographie der großen Wählermassen sein.

Es steht aber vorderhand meiner Ansicht nach die Sache so, daß ich glaube, daß eben Tausende und Tausende dieses reise politische Urteil nicht besitzen und daß infolge dessen sie nichts anderes wären als ein Mittel entweder in den Händen sozialdemokratischer Agitatoren, die Dinge versprechen, die sie nicht halten können, ober in Händen reicher Mandatsbewerber, die sich nicht scheuen, heute die großen Massen zu kaufen.

In dem einen wie in dem anderen Falle wäre das Resultat sehr wenig wünschenswert und nicht aspiriert.

Der Herr Abgeordnete Kramár hat in seiner diesbezüglichen Parlamentsrede erwähnt, es sei sehr unmoralisch bei dem heutigen Wahlgesetze in der Kurie der Großgrundbesitzer, daß ein jeder sich mit Hunderttausend Gulden ganz frivol eine Stimme kaufen könnte.

Ich will mit meinem verehrten Herrn Kollegen darüber nicht streiten, er hat Recht.

Ich will nur fragen, ob er glaubt, daß, bei dem allgemeinen gleichen Wahlrechte das Geld keine Rolle spielen wird.

Ich für meinen Teil habe einige Jahre in Frankreich zugebracht und habe dort das allgemeine Wahlrecht und auch die allgemeine Korruption studieren zu können Gelegenheit gehabt.

Ich Versichere Sie, meine Herren, es ist bieg lein erfreulicher Anblick.

Nun möchte ich, meine Herren, noch auf einen Punkt, wenn auch nur kurz zu sprechen, kommen, benjenigen Punkt, den der Herr Vorredner so ausführlich behandelt hat.

Ich werbe mich diesbezüglich sehr kurz fassen, weil ich glaube, daß die allernächste.

Zukunft noch Gelegenheit geben wird, dieses Thema ausführlich zu behandeln. Es ist dies das Thema der deutschen Forderungen, betitelt "nationale Kurien mit Vetorecht".

Ich schicke voraus, meine Herren, daß bei den leider, ich wiederhole leider, in Böhmen herrschenden nationalen Zuständen eine Deckung der Deutschen gegen eine landtägliche Majorisierung unbedingt notwendig erscheint, wenigstens kann ich mir auf eine andere Art eine erquickliche Arbeit in diesem hohen Landtage nicht denken.

In dieser meritorischen Beziehung stimme ich mit meinem Herrn Vorredner also vollkommen überein. Anders ist es mit der formalen Frage.

Ich will alle jene Momente, welche sich gegen das positive Veto vorbringen lassen, hier nicht erwähnen, weil ich, wie gesagt glaube, daß man auf dieses Thema noch zurückkommen wird.

In des Hauptsache ist, daß ein positives Veto nicht notvendig ist, weil mit dieser Vetoform die qualifizierte Majorität vollständig erfüllt ist.

Nun, meine Herren, ich resumiere kurz die Ausführungen, die ich hier Vorzutragen die Ehre hatte.

Als unbedingter Anhänger eines allgemeinen Wahlrechtes begrüße ich die Erweite-rungen in Stufen und etappenweiser Form und spreche mich gleichzeitig gegen den gedanken eines allgemeinen gleichen Wahlrechtes aus, weil ich eben zum Unterschiebe der Herren Antragsteller in dem Unterschiebe des legislativen Einflusses das Gerechtigkeitsprinzip zu erkennen glaube.

Ich sehe in der von der Regierung uns unterbreiteten Vorlage - aber, meine Herren und das sage ich ausdrücklich, in der Vorlage in ihrer Gänze und nicht in einem herausgerissenen Teile - die Grundlage einer gesunden Wahlreform. Und damit schließe ich. (Lebhafter Beifall bei den Parteigenossen. )

Oberstlandmarschall: Zum Worte hat sich gemeldet der Herr Abgeordnete Dr. Prade.

Ich erteile ihm dasselbe.

Abgeordneter Dr. Prade: Hoher Landtag! Nachdem durch die vorliegenden Anträge und durch die Debatte, die sich daran geknüpft hat, eigentlich das hohe Haus schon mitten in die Diskussion eingegangen ist über die beiden so hochwichtigen Fragen, die uns ja nicht bloß hier, sondern auch im österreichischen Abgeordnetenhause, wenigstens was die Wahlreform anbelangt, wiederholt beschäftigt hat, weil wir mitten in der Debatte über die Aenderung der Wahlordnung und der Landesordnung stehen, so möchte ich mir ebenfalls erlauben, zu dieser Frage in nur kurzer Weise Stellung zu nehmen.

Was die Frage der Wahlreform anbelangt, verweise ich auf das Programm unserer Partei, welches ausdrücklich die Bestimmung enthält:

Als wahrhaft freiheitliche Partei fordern wir den gleichen Anteil aller Stammesgenossen an den politischen Rechten und daher zunächst die Fortsetzung der Wahlreform durch Beseitigung der überlebten und der den Fortschritt hemmenden Vorrechte. In Ausübung dieses Programms müssen wir es immer begrüßen, wenn die Erweiterung des Wahl= rechtes in irgend einer parlamentarischen Körperschaft, sei es der Landtag, sei es das Reichsratsparlament platzgreift.

Aber als entschieden nationale Partei müssen wir von vornherein jenes Schlagwort, das heute ausgegeben worden ist, das Schlagwort nach der Einführung des allgemeinen gleichen direkten Wahlrechtes einer ernstlichen Prüfung unterziehen.

Dieses Schlagwort hat vor allem ausgegeben die social demokratische Partei und es müssen alle diejenigen, die dieses Schlagwort nachbeten und hinaustragen, auch in eine national gesinnte Wählerschaft, sich klar und deutlich vor Augen halten, was denn die inter-nationale und verjudete Sozialdemokratie mit diesem Schlagworte will?

Die sozialdemokratische Partei fordert das allgemeine gleiche direkte Wahlrecht für Männer und Frauen, welche 21 Jahre alt sind, ohne jede Nebenbedingung, ob sie lesen und schreiben können, ohne Rücksicht auf andere Umstände, ohne Rücksicht auf alles historisch geworbene, ohne Rücksicht auf die Nationalität, ohne Rücksicht auf die Interessen des Landes und des Staates, und stellt diesen Grundsätzen gegenüber die Aufteilung der Mandate auch nach der Bevölkerungszahl.

Diese beiden Forderungen sind nicht von einander zu trennen.

In dem Augenblicke, wo Sie an diesen Grundsätzen der Sozialdemokraten etwas änern, können Sie nicht mehr sagen, Sie stehen auf dem Standpunkte des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes.

Zu diesem Schlagworte werden wir uns niemals bekennen.

Und wo besteht denn überhaupt ein derartiges Wahlrecht heute in anderen Kulturstaaten? Nirgends in der ganzen Welt. Dieses Wahlrecht, nach der Formel, wie sie die Sozialdemokraten ausgestellt haben, für Mann und Frau vom 21. Lebensjahre ohne alle Einschränkung, das besteht nirgends in der ganzen Welt. Es besteht ein sehr weitgehendes allgemei-nes Wahlrecht drüben im Deutschen Reiche; baß Sie aber, meine Herren, von der tschechischen Nationalpartei, sich ein Muster und Vorbid gerade an der Gesetzgebung des Deutschen Reiches nehmen, verwundert mich sehr.

Wir haben dort aber eine ganze Reihe von Einschränkungen, die diesem allgemeinen Wahlrechte in dem deutschen Reichstage gegenüberstehen.

Sind Sie aber auch bereit, dieselben Einschränkungen bei uns in Österreich für das österreichische Parlament gelten zu lassen? Dann ließe sich über die weitgehenden Ausführungen, wenn nicht nationale -Bedenken gegenüberstehen, reden.

Im deutschen Reichstage besteht vor Allem der Bundesrat, der die einzelnen Königreiche und Länder und die diesbezüglichen unter der Krone stehenden deutschen Fürstenhäuser Vertritt, und wo bei jeder Regierungsvorlage die Genehmigung des Bundesrates erforderlich ist, ehe die Regierung die Vorlage dem Reichstage vorlegen darf.

An demselben Deutschen Reichstage besteht kein parlamentarischer Minister; die Minister sind lediglich Träger des Vertrauens der Krone und endlich im deutschen Reichstage gibt es keine Diäten!

Das war das große Gegengewicht, das der Schöpfer dieses Wahlmodus, Fürst Bismarck, an das Uhrwerk angehängt hat, diese Diätenlosigkeit für die Abgeordneten. Wenn Sie bereit sind, auch dieses Gegengewicht bei uns anzuwenden, dann läßt sich über eine derartige Ausdehnung des Wahlrechtes reden.

Es ist doch ein öffentliches Geheimnis, daß im deutschen Reiche eine sehr starte Strömung besteht, die dahin geht, das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht einzuschränken.

Wenn diese Strömung nicht bestünde, wozu braucht dann der Führer der deutschen Sozialdemokraten, der Abgeordnete Bebel, aus dem deutschen Parteitage in Jena mit dem Generalstrike zu drohen für den Fall, daß man es versuchen Sollte, das allgemeine Wahlrecht einzuschränken?

Es muß daher eine sehr starke Strömung vorhanden sein und eine sehr starke Gefahr nach dieser Richtung bestehen, wenn man sich zu einem solchen Gewaltmittel versteigt, daß man mit dem Generalitreike droht, wenn eine Einschränkung des Wahlrechtes stattfinden sollte. Die sozialdemokratische Partei im deutschen Reichstage und die Stärke dieser Partei und auch d. e Stärke der katholischen Zentrumpartei beweist, was der unmittelbare Herr Vorredner ausgesprochen hat, baß ein solches allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht hauptsächlich zwei Parteien zugute kommt, der sozialdemokratischen und der klerikalen. Ich will auch gleich den Grund hinzufügen, weil nämlich diese beiden Parteien die beste Organisation besitzen.

Die katholische Kirche hat genau die gute und ausgezeichnete Organisation wie die sozialdemokratische Partei.

Diese beiden großen Mächte, diese Gegenströmungen und ihre Vertreter verstehen sich übrigens ausgezeichnet. Wenn Sie die Geschichte der letzten Jahrzehnte verfolgt haben, werden Sie mehr als einmal gefunden haben, daß Schwarz und Rot gemeinschaftlich die bürgerlichen und freiheitlichen Parteien bekämpfen.

Ich verweise nur auf das letzte Wahlbündnis in Baiern und auf die Verhältnisse im deutschen Reichstage.

Ich möchte die Anhänger des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechtes einladen, nach Berlin zu kommen und den Verhandlungen beizuwohnen, sie zeitigen merkwürdige Zustände.

Ich habe im Laufe des heurigen Frühjahres einer solchen Sitzung beigewohnt. Wissen Sie, wie vielAbgeordnete anwesend waren.

Im deutschen Reichstage, der mehr Mitglieder zählt als das österreichische Parlament? 45. Mit 29 gegen 16 Stimmen werden die schwerwiegendsten Vorlagen, auch das Militäretat bewilligt. Warum schickt die sozialdemokratische Partei nicht eine genügende Anzahl ihrer Leute zu den Sitzungen des Reichstages hier, um ihre draußen in der Agitation so stark befürworteten Programmspunkten, wie Abschaffung des stehenden Heeres, der Militärlasten u. s. w. zur Geltung zu bringen?

Die Herren Vom Zentrum, der Konservativen und der sozialdemokratischen Partei, die drei mächtigsten Parteien des deutschen Reiches, die paaren sich einfach ab, und es wird von keinem Mitglied der Körperschaft geltend gemacht, daß die zur Beschlußfähigkeit des Hauses notwendige Anzahl nicht vorhanden ist. Es wird nicht geltend gemacht, daß diese Beschlüsse gesetzwidrig sind. Es werden mit einer geringen Majorität die schwerwiegendsten Entscheidungen gefällt. Das ist nicht einladend, dieses Beispiel bei uns in Oesterreich nachzuahmen.

Meine Herren! Es ist doch noch etwas anderes das allgemeine Wahlrecht drüben im deutschen Reiche einzuführen, oder hier in Böhmen, wo auf beiden Seiten so ziemlich die gleiche Bildung herrscht. Gerade auch Ihr Voltsstamm besitzt die größte Bildung bis in die untersten Schichten. Also dort, wo auf beiten Seiten 2 Nationen im Lande sind, die bis in die untersten Schichten über die weitgehendste Bildung verfügen, wo es fast gar feinen Analfabeten gibt, dort ist es leicht, das allgemeine Wahlrecht einzuführen. Aber etwas ganz anderes ist es, dasselbe Wahlrecht bei uns in Oesterreich einzuführen. Wie stehen da die Verhältnisse?

Wir sind ein Nationalitätenstaat und das ist hier zu betonen, das muß jeder politischen Partei immer wieder eingeprägt werden, das muß der Regierung, der Landesverwaltung, den verehrten Herren vom Großgrundbesitze, die vielfach die Entscheidung in der Hand haben, immer wieder gesagt werden, die Nationalitäten sind keine parlamentarischen Minderheiten, denn dieses ganze englische parlamentarische System ist auf einen Staat wie Oesterreich nicht anwendbar, es ist sogar das größte Unglück, das über unseren Völkerstaat hereingebrochen ist, das über unser ganzes parlamentarische Leben den Tiefstand gebracht hat, ist allein der Umstand, daß man die englischen Grundsätze von Mehrheit und Minderheit bei uns zur rücksichtslosen Anwendung gebracht hat.

Meine Herren! Keine und auch nicht die kleinste Nation im Staate, läßt sich als Minderheit behandeln, sie muß, wenn ihrer noch so wenig sind, Rumänen oder Ruthenen als Vertreter einer ganzen Nation dieselbe Achtung haben wie die ganze Majorität Deshalb können wir das allgemeine Wahlrecht bei uns in Oesterreich nicht einführen.

Wir finden, daß bei einer Gesamtbevölkerung von 26, 132. 805 Einwohner nach dem Stande vom 31. Dezember 1900, 7, 282. 703 in Galizien und 723. 504 in Bukowina ihren Wohnsitz haben. Wollen Sie diesen 8 Millionen Menschen 1/3 der ganzen Mandate des ganzen österreichischen Reichsrates überantworten ? Wollen Sie, wie der Herr Vorredner ganz richtig bemerkt hat, aus dem österreichischen Reichsrat einen polnischen Reichstag machen, dann fuhren Sie das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht ein. Aber jetzt kommt noch ein anderer wesentlicher Umstand hinzu, des ist der Umstand, daß wir in Österreich eine ungeheuere Anzahl von Analpabeten haben, daß bei den Polen, Ruthenen, Rumänen und so weiter das Bildungsniveau noch lange nicht auf die Stufe angelangt ist, daß man diesen untersten Volksschichten einfach das Wahlrecht geben kann. Meine Herren! Ich habe hier 2 Tafeln; eine Übersichtstafel der männlichen in Cisleitanien zuständigen anwesenden Einwohner und eine Tafel der 24 Jahre alten und älteren männlichen Einwohner, welche ja doch nur allein bei der Wahl in Betracht kommen können, wenn wir an unserer bisherigen Großjährigkeitsgrenze festhalten wollen; und weiters habe ich hier eine Übersichtstafel derjenigen, die des Lebens und Schreibens kundig, und 24 Jahre oder mehr alte männliche Einwohner sind.

Wie stellt sich da das Verhältnis? Von 2, 413. 906 Deutschen, sind nach der Volks-záhlung vom 31. Dezember 1900 2, 255 024 des Lebens und Schreibens "kundig. Von 1, 388. 576 Tschechen können 1, 325. 200 lesen und schreiben, von 912. 118 Polen können nur 483. 224 lesen und schreiben. (Hört, Hört!) Bon 776008 Ruthenen können nur 177. 334 lesen und schreiben, von 283. 584 Clovenen können nur 190. 529 lesen und schreiben, von 167. 822 Serbokroaten können nur 46. 127 lesen und schreiben, von 172. 559 Italienern und Sardinern können 143. 794 lesen und schreiben, von 44. 076 Rumänen können nur 7. 434 lesen und schreiben und von 2035 Magyaren können nur 814 lesen und schreiben. Ja,., meine Herren! Wenn Sie da das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht einführen und wenn Sie die Mandate nach der Bevölkerungsziffer verteilen, ist das dann ein gleiches Wahlrecht? Nein! meine Herren, das ist ein priviligiertes Wahlrecht derjenigen Volksstämme, die die geringste Bildung besitzen! Das ist ein privilegiertes derjenigen Volksstämme, die die meisten Analphabeten haben! Denn wenn Sie 912. 118 24 Jahre alten männlichen Polen, die auf ihre Bevölkenrugsziffer fallenden Mandate zuweisen, so weisen sie ihnen das Wahlrecht auch für die 483. 224 zu, welche nicht lesen und schreiben können.

Bei den Ruthenen ist dies noch schlimmer. Den 177. 334 Ruthenen, die lesen und schreiben können, weisen sie dag Wahlrecht auch für diejenigen zu, welche nicht lesen und schreiben können.

Die können sich ja nicht einmal die Stimmzettel ausfüllen, ja nicht einmal kontrollieren, ob derjenige, welcher für sie ihren Stimmzettel ausfüllt, auch tatsächlich denjenigen Namen ausgeschrieben hat, den der betreffende wählen will. Sie geben daher denjenigen, welche lesen und schreiben können, das Wahlrecht für die Analphabeten mit; jene haben daher ein Pluralitätswahtrecht und zwar ein viel größeres Wahlrecht als wir Deutsche und als Tschechen.

Posl. Kratochvil: A se jím dají školy!

(Zwischenrufe. )

Abg. Kasper: Sollen doch die Polen Schulen bauen!

Abg. Peschka: Das ist ein Vorwurf, der uns hier gemacht wird! Wir sollen den Polen die Schulen bauen ! (Lebhafte Unruhe. )

Posl. Kratochvil: Mají se jím dáti školy!

Der Oberstlandmarschall läutet.

(Zwischenrufe: Wenn es die Tschechen zahlen wollen, so sollen sie zahlen. Die Steuern bleiben sie schuldig und zahlen sie dann nicht, sondern leugnen sie ab. Unruhe. )

Abg. Prade (fortfahrend): Meine Herren, das ist ja auch gar nicht notwendig, daß man ein Wahlrecht in solcher Form konstruiert wie es hier nach dem Schlagworte: Allgemeines, gleiches direktes Wahlrecht, ziffernmäßig gruppiert sich darstellen würde. Es lassen sich ja zahlreiche Variationen finden, in welcher Weise man tatsächlich eine weitgehende Erweiterung des Wahlrechtes durchführen kann, ohne zuwiesen Ungereimtheiten zu kommen, wie ich sie eben geschildert habe.

Ich habe hier z. B. eine Uebersichtstafel der Wahlberechtigten, wenn das allgemeine Wahlrecht an die Bedingung des Besitzes einer eigenen Wohnung und an die Kenntnis des Lesens und schreibens geknüpft wird. Das sind ungefähr die Grundsätze, die heute in England dem Wahlrechte zu Grunde liegen.

Nun, meine Herren, da würden sich die Verhältnisse schon ganz anders stellen. Da würden sich ergeben, in runden Zahlen gesprochen, für die Deutschen rund 1. 579. 000 Wohnungsinhaber und Wahlberechtigte, für die Tschechen l, 040. 000, für die Polen 340. 000, für die Ruthenen 132. 000, für die Slovenen 129. 000, für die Serbokroaten 28. 000, für die Italiener 97. 000, für die Rumänen 5. 000 und für die Magyaren 764.

Und wenn Sie auf je 15. 000 Wahlberechtigte ein Mandat geben, so würben sich ergeben: Deutsche Abgeordnete 109, italienische 7 und slavische Abgeordnete 108 für den österreichischen Reichsrat. Derselbe würde im Ganzen aus 224 Mitgliedern bestehen und ich glaube, daß dies ein Parlament wäre, das wahrscheinlich auch bei uns in Oesterreich arbeitsfähig sein würde. Wenn wir aber den Gedanten verfolgen, den der Herr Vorredner ausgesprochen hat, daß man nämlich auch die Steuerleistung berücksichtigen muß, gestalten sich die Verhältnisse ganz anders. Ich habe hier eine Uebersichtstafel der Wahlberechtigten im Alter von mindestens 25 Jahren zuzülich der Stimmen derjenigen, die eine Personaleinkommensteuer zahlen. - Wenn man jedem Personaleinkommensteuerträger eine zweite Stimme gäbe, so würbe dies eine gewisse pluralität geben. Den Deutschen würben an solchen persönlichen Steuertragen zuwachsen, - wieder nur in runden Ziffern 571. 000, den Tschechen 111. 000, den Polen nur 39. 000, den Ruthenen 8. 000, den Slovenen 13. 000, den Serbokroaten 4. 000, den Italienern 23. 000, den Rumánen 670 und den Magyaren 60. - Das würde schon eine ganz andere Gruppierung der Abgeordnetenmandate ergeben und es würde dann Vielleicht eine Zusammensetzung des österreichischen Reichsrates ergeben, die besser ist als die heutige.

Das alles sind Variationen, die sich noch in verschiedenster Art fortsetzen lassen. Sie, meine Herren von der tschechischen Seite wissen ja, daß in dieser Richtung insbesondere derjenige Mann, der ihnen sehr nahe stehen sollte und der im Kabinet Hohenwart gesessen hat, nämlich der Minister Schaeffle über diese Frage viel geschrieben hat, und daß er zu einer Idce gekommen ist, die vielleicht auch bei uns in Österreich verwertet werden könnte. Er gibt dein Gedanken Ausdruck in seinem Werke "Aussichtslosigkeit der Sozialdemokratie", daß man die Halfte aller Stimmen der parlamentarischen Körperschaften im Wege des allgemeinen Wahlrechtes überantworten soll, daß man aber die andere Hälfte den Vertretern aller kulturellen und wissenschaftlichen Bestrebungen einräumen sollte. Er will die andere Hälfte zusammensetzen aus Vertretern der Kirche, aus Vertretern der Hochschule, aus den Vertretern des Großgrundbesitzes, aus den Vertretern des Handels und des Gewerbes, aus Vertretern der Arbeitskammern, aus Vertretern landwirtschaftlicher Kammern, der Großkommunen, von Hauptstädten und von großen Industriezentren, so daß die eine Hälfte aus den Erwählten des allgemeinen Stimmrechtes und die andere Hälfte aus denjenigen Korporationen hervorgehen würde, welche wissenschaftlichen und natürlich auch kulturellen und wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung vertreten. Das wäre, wie er sagt Fleisch von unserem Fleische und Geist von dem Geiste unserer Zeit Da könnte die eine Hälfter welche den Geist und den Besitz repräsentiert, diejenige gesetzgeberische Arbeit leisten, welche diejenige Hälfte, die aus dem gleichen und direkten Stimmrecht hervorgeht, nicht leisten wird.

Wenn ich aber dieser Frage näher treten soll, mit Rücksicht auf den böhmischen Landtag und überhaupt auf unsere ganzen österreichischen Verhältnisse, auf die sogenannte historische Entwicklung und auf die historische Zusammensetzung unseres Staates, auf welche viele Herren einen großen Wert legen, so muß ich sagen, daß ich es mir überhaupt nicht vorstellen kann, daß man auf die ganze gegenwärtige staatliche Organisation Oesterreichs einfach das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht aufpfropfen kann. Man müßte diese mehr oder weniger ständischen Uiberreste und Gebilde, die wir in Oesterreich noch haben, beseitigen, und wenn es den sozialdemokratischen Führern in Wien mit der Durchführung ihres Programmes ernst wäre. so hätten sie überall dort, wo sie ihre Demonstrationen veranstaltet haben, nicht bloß für die Einführung des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechtes in Oesterreich demonstrieren müssen, sondern sie hätten auch gleichzeitig mitdemonstrieren müssen für die Aufhebung aller Landtage.

Das kann ich mir nicht vorstellen, daß auf die Dauer ein moderner, großer, verfassungsmäßiger Kulturstaat in Mittel- Europa, der aus so vielen Nationen zusammengesetzt ist, bestehen wird, und daß derselbe weiterhin alle diese ständischen Einrichtungen erhalten wird.

Wenn die Herren das nicht getan haben, wenn die österreichische Sozialdemokratie auch nicht Rücksicht nimmt bei der Proklamierung ihres Programmpunktes aus unsere nationalen Verhältnisse, so beweist sie, daß dieselbe den Punkt ihres Brünner Programmes, wo die österreichische Sozialdemokratie die Einführung der nationalen Autonomie ausdrücklich aufgenommen hat in ihr Programm, daß es ihr mit der Durchführung dieses Programmes nicht ernstlich ist. Meine Herren, Wäre es ihnen ernst damit, dann dürften sie nicht so sagen, wie sie jetzt behaupten, es brauche nur das allgemeine Wahlrecht zu kommen, wir brauchen nur ein auf Grund dieses Wahlrechtes zusammengesetztes Parlament zu haben, dann ist es mit den nationalen Streitigkeiten für immer vorbei.

Meine Herren, das wissen wir, die wir, ich möchte sagen im Lande der nationalen Streitigkeiten erster Klasse, in Böhmen geboren und groß gewachsen sind, und die wir diese Verhältnisse kennen, das wissen wir besser zu beurteilen, und wir kennen den Sozialdemokraten sagen, daß in diesem Augenblicke dieser Streit nicht nur nicht Vorbei wäre, sondern er würde in erhöhter Potenz zum Ausdrucke gelangen.

Das gilt natürlich auch hier im böhmischen Landtage. Denken Sie sich hier an Stelle dieser hochansehnlichen Körperschaft einen Landtag zusammengesetzt auf Grund des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechtes, dann würbe - ganz abgesehen von den Frauen und von den Herren von 21 Jahren, bei uns kämen auch Die Analphabeten nicht in Betracht - eine tschechische zwei Drittel Mehrheit einer deutschen ein Drittel Minderheit gegenüber stehen. Und diese wäre noch ganz erheblich mit sozialdemokratischen Mandaten durchsetzt.

Was würde die Folge sein ? Sie würden über die ganze (Gesetzgebung, über die autonome Verwaltung des Landes, über die reichen Steuermittel, die Ihnen das deutsche Volk infolge seiner hochentwickelten industriellen und wirtschaftlichen Stellung für Verführung stellt, zu verfügen haben, und -entschuldigen Sie, meine Herren, - nach allem dem, was wir gesehen und erfahren haben, würden. Sie von dieser Majorität mit größter Rücksichtslosigkeit Gebrauch machen.

Denn, meine Herren, die politische Macht wird von großen Körperschaften und insbesondere von Bertretungskörpern. die aus dem allgemeinen Wahlrecht hervorgegangen sind selten mit Mäßigung geübt, und mir ist aus der Geschichte kein Beispiel bekannt, daß tatsächlich eine derartige Mäßigung seitens derjenigen Platz griff, die einmal in den Vollbesitz der Macht gelangt sind.

Daher würbe dasselbe eintreten wie heute.

Die Überreste der Vertreter des deutschen Volkes, die als nationale Vertreter allerdings mit dem Vorteil, daß die Fraktionen verschwinden würden, die wir jetzt hoben, diese Überreste der nationalen Vertreter würden die Tätigkeit und Arbeit des hohen Landtagen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern wissen. Und sie würden aus demselben Stanbpunkt stehen, wie wir heute. Daher ist wohl, wenn wir nicht an eine spezielle Änderung der Wahlordnung des böhmischen Landtages gehen, nichts anderes zu denken, als das, was in der heute angefündigten Regierungsvorlage vorgenommen wird, nämlich eine Erweiterung des Wahlrechtes in der Weise vorzunehmen, daß wir den gegenwärtigen drei Kurien eine neue 4. Kurie des allgemeinen Wahlrechtes mit Zuweisung von 36 Mandaten angliedern.

Aber, meine Herren, dieser Angliederung möchte ich nicht ohneweiters zustimmen, wie der verehrte Herr Kollege Eppinger, indem ich aus diesem Komplexe einfach diese Regie-


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